Empfehlung für eine Einführung in die Musiktheorie?

  • Liebe Taminos,


    leider verstehe ich sehr wenig von Musiktheorie, was ich immer wieder bedauere. Zum Teil liegt es sicher an dem nur sehr lückenhaften Musikunterricht, den ich auf dem Gymnasium genießen durfte. Aber auch alle späteren Versuche, mich in dieses Thema autodidaktisch einzuarbeiten, sind kläglich gescheitert – ich finde keinen rechten Zugang dazu. Kann mir jemand eine Einführung in die Musiktheorie empfehlen? Sie darf ruhig umfassend sein und etwas mehr in die Tiefe gehen, sollte aber einen nicht allzu abstrakten Zugang haben und nicht gleich auf der zweiten Seite mit Fachvokabular um sich werfen. Vielleicht noch ein paar Worte zu meinem Vorwissen: Ich kann Noten lesen, spiele aber (leider) kein Instrument. Da ich über eine solide physikalisch-mathematische Bildung verfüge, sind mir sowohl die physikalischen Grundlagen von Tönen und ihrer Erzeugung als auch die mathematischen Hintergründe von Musik vertraut. Wenn es dann aber um diatonische und chromatische Tonleitern geht, um große und kleine Terzen und verminderte Septakkorde, um Modulationen von F-Dur nach a-Moll usw., dann steige ich schnell aus. Ich habe zum Beispiel bis heute nicht wirklich verstanden, warum man überhaupt so etwas wie Tonarten als Rahmen einer Komposition braucht und nicht einfach die Töne in ihrer Gesamtheit als Material nimmt (so etwas wie die freie Atonalität der Wiener Schule, wenn ich es richtig verstanden habe – für mich ein viel näher liegender Ansatz, als von irgendeiner auf den ersten Blick willkürlich daher kommenden Tonleiter auszugehen). Das nur als Beispiel, wie es um mein (Nicht-)Verständnis der Thematik bestellt ist. :untertauch:


    Gibt es ein Buch, das geeignet ist, so jemandem wie mir das Thema näherzubringen? Oder vielleicht sogar einen Online-Lehrgang? Es wäre natürlich ideal, wenn man sich Beispiele für Akkorde, Rhythmen etc. gleich anhören könnte.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Mir (ebenfalls Notenlesen, kein Instrument, Mathematiker) war immer folgendes Büchlein hilfreich:



    Außerdem besitze ich noch



    Sowie und .


    Wenn ich mal Zeit habe, will ich mich durch folgende Bücher arbeiten:


    und


    Ansonsten gibt es eine Vielzahl weiterer Bücher zu den Grundlagen. Eventuell findest Du auch Beratung im Musikalienhandel.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Solche Bücher heißen typischerweise "Allgemeine Musiklehre", z.B Johnen/Zech und Ziegenrücker. Von letzterem gibt es anscheinend auch eine "Praktische Musiklehre" sogar mit Beispiel-CD (die kenne ich aber nicht). Das fängt normalerweise sehr basal an und hört meistens mit recht elementarer Harmonielehre (Dreiklänge, Umkehrungen, einfache Funktionsharmonik) auf. Es gibt im Netz Harmonielehren mit Klangbeispielen, einfach mal googlen.


    Überhaupt sind Klangbeispiele beinahe unerläßlich. Dass die natürliche Molltonleiter "komisch" klingt und man daher "harmonisches" und "melodisches" Moll einführt, ist theoretisch nicht leicht zu verstehen, hörend aber unmittelbar zu erfahren.


    Ich vermute mal, dass Bücher zu Harmonielehre, Tonsatz, Kontrapunkt da anfangen, wo diese Allg. Musiklehren oder Einführungen aufhören. An solche habe ich mich aber mangels Basis auch noch nicht rangetraut.


    Es ist übrigens beim Komponieren in einer Tonart im Prinzip auch der gesamte Tonvorrat (Chromatik) erlaubt. Bloß sind halt nicht alle Akkorde und Fortschreitungen gleichberechtigt.
    Da in den bis in die Barockzeit üblichen Stimmsystemen die Töne in physikalisch nachvollziehbarer Weise eben nicht "gleichberechtigt" sind, ist es auch nicht so verwunderlich, dass man nicht die gesamte chromatische Tonleiter als "Tonvorrat" ohne Hierarchie genommen hat.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • An solche habe ich mich aber mangels Basis auch noch nicht rangetraut.


    Wie sehr Dir die Basis fehlt, merkt man ja an fast allen Deinen Texten ;) Darf ich rein interesshalber fragen, woher Dein "Basis"-Wissen kommt?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Es ist übrigens beim Komponieren in einer Tonart im Prinzip auch der gesamte Tonvorrat (Chromatik) erlaubt. Bloß sind halt nicht alle Akkorde und Fortschreitungen gleichberechtigt.
    Da in den bis in die Barockzeit üblichen Stimmsystemen die Töne in physikalisch nachvollziehbarer Weise eben nicht "gleichberechtigt" sind, ist es auch nicht so verwunderlich, dass man nicht die gesamte chromatische Tonleiter als "Tonvorrat" ohne Hierarchie genommen hat.


    Genau so ein Buch brauchte ich, das mir so etwas in physikalisch nachvollziehbarer Weise erklärt.


    Ein Problem, das ich mit der Musiklehre habe, ist wahrscheinlich die Tatsache, dass dort physikalische und wahrnehmungsphysiologische Elemente zusammenkommen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Da in den bis in die Barockzeit üblichen Stimmsystemen die Töne in physikalisch nachvollziehbarer Weise eben nicht "gleichberechtigt" sind, ist es auch nicht so verwunderlich, dass man nicht die gesamte chromatische Tonleiter als "Tonvorrat" ohne Hierarchie genommen hat.


    Das ist jetzt aber Vertauschen von Ursache und Wirkung.
    ;)
    Wenn man verstehen will, warum die Zwölftonmusik erst im 20. Jahrhundert gekommen ist, muss man wohl die Musikgeschichte durchgehen. Nach Lektüre einer der von MSchenk genannten Bücher. Oder den dtv-Atlas, der besteht zu 3/4 aus Musikgeschichte.


  • Wie sehr Dir die Basis fehlt, merkt man ja an fast allen Deinen Texten ;) Darf ich rein interesshalber fragen, woher Dein "Basis"-Wissen kommt?


    Ich habe ein relativ umfangreiches *musikhistorisches* Wissen, kenne ziemlich viel Musik (gut allerdings nur aus einigen Epochen) und habe ein ziemlich gutes Gedächtnis. Das habe ich mir in ca. 28 Jahren Musikhörens aus allen möglichen Quellen angelesen.


    Mein musiktheoretisches Wissen im engeren Sinn ist dagegen sehr beschränkt. Ich hatte vor über 25 Jahren einen halbwegs ordentlichen Musikunterricht, in dem aber in der Harmonielehre auch kaum mehr als die Grundfunktionen und Kadenz drangekommen sind. Mein Problem hier ist u.a., dass ich nie Klavier (oder wenigstens Gitarre) gespielt habe und daher nicht schnell Akkorde erfassen kann (was es sehr langwierig macht auch nur die Basis für eine harmonische Analyse einer Passage zu erhalten, erst recht, wenn die Noten in Partitur mit unterschiedlichen Schlüsseln, die ich außer Violinschlüssel "entziffern" muss, stehen) und dass ich auch nur die einfachsten harmonische Zusammenhänge hörend erfassen kann.
    Bei vielen theoretischen (Harmonie, Stimmführung usw.) Dingen kenne ich zwar die Begriffe und manchmal auch Stücke von Theorien, aber ich habe oft nur eine sehr vage Vorstellung davon, was das in der Praxis bedeutet bzw. wie das klingt. Ich glaube, dass es sehr schwierig ist, so etwas ohne längere Musizierpraxis zu lernen. (Ich habe gut 10 Jahre lang Klarinette gespielt, was aber auch schon wieder 15 Jahre her ist, und, wie gesagt, mit einem Melodieinstrument kriegt man von der Harmonielehre nur die Rudimente mit.)


    Bertarido: Meines Wissens spielen natürlich immer physikalische und wahrnehmungsphysiologische Aspekte zusammen.


    Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dominiert von der Antike bis in die Renaissance der mathematisch-physikalische "pythagoräische" Aspekt, d.h. es geht möglichst streng nach der Einfachheit der Saitenverhältnisse. Daher werden die Quinten möglichst rein gestimmt, dadurch sind Terzen und Sexten tendenziell "dissonant". Das kann man im Internet unter "pythagoräische Stimmung" (ggf. tuning) aufsuchen.
    Das müsste aber in solchen Büchern wie Allg. Musiklehre oder dtv Atlas auch erklärt werden.


    Große vs kleine Terzen bestimmen aber bekanntlich unser Dur/Moll und auch sonst sind Terzverhältnisse für die Harmonik ab dem 18. Jhd. (oder schon etwas vorher) sehr wichtig. D.h. es wird eine "Nichtgleichberechtigung" durch eine andere, flexiblere? abgelöst.


    Die gleichschwebende Stimmung, die die Ungenauigkeiten möglichst gleichmäßig über die gesamte chromatische Tonleiter verteilt, dominiert erst seit dem späten 18. Jhd. oder so.


    "Theoretisch" sollte man diese Unterschiede (zwischen unterschiedlichen Temperierungen) in vielen Aufnahmen mit barocker Cembalo- und Orgelmusik hören sollen, die Unterschiede sind aber für ungeübte Hörer meistens so fein, dass man das wohl nur im direkten A-B-Vergleich merkt.
    (Die mittelalterliche Musik in der pythagoräischen Stimmung klingt eh so anders, dass man die Stimmungsunterschiede eher unter die allgemeine Fremdheit subsumiert.)

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  • Schon lange in meiner Bibliothek und sehr gut finde ich nach wie vor:



    Und das finde ich wirklich sehr hilfreich und ganz ausgezeichnet für einen Überblick:



    :hello: Holger

  • Das ist jetzt aber Vertauschen von Ursache und Wirkung.
    ;)
    Wenn man verstehen will, warum die Zwölftonmusik erst im 20. Jahrhundert gekommen ist, muss man wohl die Musikgeschichte durchgehen. Nach Lektüre einer der von MSchenk genannten Bücher. Oder den dtv-Atlas, der besteht zu 3/4 aus Musikgeschichte.


    Das war vielleicht schlecht formuliert, aber abgesehen davon, dass ich nichts über eine Reihenfolge gesagt habe, meinte ich nicht, dass man Ursache und Wirkung hier klar unterscheiden kann.
    Ich meinte wohl etwas ähnliches wie du, nämlich dass es unhistorisch ist, sich darüber zu wundern, dass bestimmte Intervalle, Skalen, Akkorde ausgezeichnet und in hierarchischen Systemen geordnet werden. Weil man eben nicht mit einem gleichschwebend gestimmten Klavier anfängt, sondern mit einem Tierhorn und dessen Obertönen oder einem Monochord und den entsprechenden Saitenverhältnissen.


    Und sich zu wundern, dass beim Hören letztlich Wahrnehmungsphysiologie wichtiger als Physik ist, ist so ähnlich wie sich darüber zu wundern, dass wir bestimmte Farben diskret unterscheiden, obwohl es doch keine klaren physikalischen Einschnitte im Spektralbereich zwischen 400 und 800 nm Wellenlängen gibt (übrigens auch nicht für Licht außerhalb dieses Bereichs ;))

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  • Vielen Dank für die Hinweise, damit habe ich einiges an Lektüre beisammen :hello:


    Ich habe im Internet die Seite lehrklaenge.de gefunden, die ich ganz brauchbar finde, weil sie mit zahlreichen Klangbeispielen versehen ist.



    Und sich zu wundern, dass beim Hören letztlich Wahrnehmungsphysiologie wichtiger als Physik ist, ist so ähnlich wie sich darüber zu wundern, dass wir bestimmte Farben diskret unterscheiden, obwohl es doch keine klaren physikalischen Einschnitte im Spektralbereich zwischen 400 und 800 nm Wellenlängen gibt (übrigens auch nicht für Licht außerhalb dieses Bereichs )

    Gewundert habe ich mich darüber nicht, sondern nur eine Erklärung darin gesehen, dass die ganze Musiktheorie für mich unübersichtlich und schwer verständlich ist. Zum Beispiel finde ich es völlig klar, wie man von den physikalisch gegebenen Frequenzverhältnissen der Obertöne auf die reine Stimmung kommt. Warum man dann aber noch zig andere Stimmungen braucht und was deren Vor- und Nachteile sind, finde ich dann schon wieder schwerer zu verstehen.



    Da in den bis in die Barockzeit üblichen Stimmsystemen die Töne in physikalisch nachvollziehbarer Weise eben nicht "gleichberechtigt" sind, ist es auch nicht so verwunderlich, dass man nicht die gesamte chromatische Tonleiter als "Tonvorrat" ohne Hierarchie genommen hat.

    Als Physiker würde ich ja sagen: zunächst mal hat man unendlich viele Töne als "Tonvorrat", jede Markierung bestimmter Frequenzen als Grundtöne einer dann aus den Obertönen bestehenden Tonleiter wirkt erst einmal willkürlich auf mich. Mir ist schon klar, dass es dafür Gründe gibt und dass man mit unendlich vielen Tönen schwer arbeiten kann, aber die genauen Zusammenhänge finde ich eben - schwierig :)


    Ich glaube, eine historische Darstellung, die es nachvollziehbar macht, wie die ersten Tonsysteme entstanden sind, würde mir sehr helfen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Als Physiker würde ich ja sagen: zunächst mal hat man unendlich viele Töne als "Tonvorrat", jede Markierung bestimmter Frequenzen als Grundtöne einer dann aus den Obertönen bestehenden Tonleiter wirkt erst einmal willkürlich auf mich. Mir ist schon klar, dass es dafür Gründe gibt und dass man mit unendlich vielen Tönen schwer arbeiten kann, aber die genauen Zusammenhänge finde ich eben - schwierig


    So ist es, lieber Bertarido. Das ist auch ungefähr der Sinn eines Textes von Wilhelm Dilthey aus dem 19. Jhd., der sich dagegen wehrt, irgendein System wie das Dur-Moll-System physikalisch aus der Obertonreihe ableiten zu wollen und es dann normativ als "naturgegeben" hinzustellen. Obertöne sind unendlich flexibel - daraus kann man so gut wie jedes Tonsystem ableiten, wenn man denn nur will! :D


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es ist sicherlich bei jedem Musikfreund anders: Wenn er einen wissenschaftlichen Beruf hat, denkt er über das hier besprochene Thema anders, als ein "Normalo" wie ich, der Freude an Musik hat. Ich habe mich auch mal eine Zeitlang für diese Dinge interessiert, kam aber irgendwann zu der Überzeugung, dass mich ein Zuviel des Wissens über die Hintergründe der Musik eher behindert und mich der Freude beraubt. Ich habe die Bücher, Gottseidank nur ausgeliehen, einfach zurückgegeben und links stehen gelassen...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Es ist sicherlich bei jedem Musikfreund anders: Wenn er einen wissenschaftlichen Beruf hat, denkt er über das hier besprochene Thema anders, als ein "Normalo" wie ich, der Freude an Musik hat. Ich habe mich auch mal eine Zeitlang für diese Dinge interessiert, kam aber irgendwann zu der Überzeugung, dass mich ein Zuviel des Wissens über die Hintergründe der Musik eher behindert und mich der Freude beraubt. Ich habe die Bücher, Gottseidank nur ausgeliehen, einfach zurückgegeben und links stehen gelassen...


    :hello:


    Sicherlich kann man sich an Musik auch ohne theoretische Kenntnisse erfreuen, das habe ich nun über dreißig Jahre lang auch getan. Aber ich denke, theoretische Kenntnisse und natürlich auch eine die Theorie begleitende Gehörbildung können dazu beitragen, noch mehr Merkmale der Musik zu erkennen und diese dann auch zu genießen. In dem gerne bemühten Zitat „Man sieht nur, was man weiß" kann man "sehen" auch durch "hören" ersetzen. Zum Beispiel kann man den berühmten Tristan-Akkord auch einfach nur hörend genießen und schön finden. Aber um zu verstehen, was daran so revolutionär war und warum sich nachfolgende Generationen von Musikern so tief beeindruckt davon gezeigt haben, wird man wohl über Kenntnisse der Harmonielehre verfügen müssen (fürchte ich).

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  • Warum man dann aber noch zig andere Stimmungen braucht und was deren Vor- und Nachteile sind, finde ich dann schon wieder schwerer zu verstehen.
    Ich glaube, eine historische Darstellung, die es nachvollziehbar macht, wie die ersten Tonsysteme entstanden sind, würde mir sehr helfen.


    Du meinst mit Stimmungen sowas wie "Werckmeister Stimmung", "Kirnberger Stimmung",...? Diese haben ja eine musikhistorische Entwicklung und die jeweilige Stimmung baut auf den Vorgänger auf, nur indem bei dem Nachfolger jeweils quasi kleine "Anpassungen" oder wenn man so will kleinere Problembehebungen vorgenommen wurden um das System für die jeweils aktuell musikalischen Bedürfnisse anzupassen, so wie sich auch generell die Musiksprache durch die Epochen weiterentwickelt hat, also Regelerweiterungen bzgl. der Satzlehre, verändertes Empfinden (zunehmend mehr Dissonanzen die wie wir wissen mehr und mehr Einzug in die Musik gefunden haben), Aufhebung von Regelbeschränkungen die zunehmend als lästig und nicht mehr zeitgemäß empfunden wurden. Damit wurden also auch die jeweiligen Stimmungen bald in gewissen Bereichen als etwas mangelhaft empfunden und somit etwas abgeändert. Wenn man mal die musikhistorische Betrachtung, sowie gewisse musiktheoretische Regeln die sich auf eine frühere musikalische Epoche beziehen außen vor läßt, dann ist für unsere heutige Zeit eigentlich nur die gleichstufige Stimmung von Bedeutung.
    Ich habe auch auf Youtube eine Videoreihe gefunden die gewisse Grundlagen und Basisinformationen sehr gut vermittelt - ist zwar dann in weiterer Folge mehr auf die Jazz-Theorie zugeschnitten, aber der Anfang davon ist natürlich mit der klassischen Lehre ident.


    Grundlagen:


    Temperierte Stimmung:


    das wirst du schon wissen, wird aber vielleicht für manch Anderen interessant sein, die Obertonreihe


    und noch einige weitere Videos die aber wie gesagt dann später mehr und mehr speziell den Jazz-Bereich behandeln. Vielleicht ist das ja auch für dich oder den Einen oder Anderen interessant.

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

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  • Gibt es auch fortgeschrittenere Bücher oder Internetquellen zur Musiktheorie? Tonleitern, Tonarten, Kadenzen, musikalische Formen etc. sind klar. Ich habe z.B.

  • Naja, das gliedert sich dann in die Disziplinen auf: Kontrapunkt, Harmonielehre, Formanalyse, Instrumentation.
    Als Autor fällt mir zuerst Arnold Schönberg ein, aber natürlich gibt es viele.

  • Ich habe zum Beispiel bis heute nicht wirklich verstanden, warum man überhaupt so etwas wie Tonarten als Rahmen einer Komposition braucht und nicht einfach die Töne in ihrer Gesamtheit als Material nimmt (so etwas wie die freie Atonalität der Wiener Schule, wenn ich es richtig verstanden habe – für mich ein viel näher liegender Ansatz, als von irgendeiner auf den ersten Blick willkürlich daher kommenden Tonleiter auszugehen).


    Ich bin kein ausgebildeter Musiktheoretiker und kann und möchte daher auch keine umfassende, lexikonreife Antwort dazu geben.


    Jedoch waren Tonarten vor der gleichschwebenden Stimmung sehr wohl unterschiedlich, und keineswegs willkürlich ausgesucht. Manche Tonarten klangen, je nach Stimmung, reiner, andere etwas "schiefer", manche klangen fröhlicher, andere wieder verklärter, usw. Was man als "fröhlich" oder "verklärt" oder "bedrohlich" empfindet sind natürlich subjektive Höreindrücke, aber es ist eine Tatsache, dass die Tonarten unterschiedlich klangen. In der mitteltönigen Stimmung war es z.B. so, dass, je mehr Vorzeichen ein Stück hatte, umso "unschöner" klang es, manche Tonarten waren praktisch unbrauchbar. Wollte ein Komponist also eine bestimmte Stimmung, eine bestimmte Atmosphäre erzeugen, hatte er eine ganze Palette an unterschiedlichen Tonarten zur Auswahl.


    Ich schaue mir ja gerne die Rezitative in Mozarts "Figaro" an, und da sieht man auch, dass etwa die Tonart As-Dur mit ihren 4 b-Vorzeichen nur selten verwendet wird, weil sie relativ "unschön" klingt. Wenn er sie verwendet, dann sind es meist auch entsprechende Stellen, die alles andere als fröhlich sind. Man merkt also auch hier, wie gezielt und kunstvoll der unterschiedliche Klangcharakter der Tonarten verwendet wurde.


    Aber auch was die Instrumente betraf gab es Unterschiede in den Tonarten. Manche Tonarten gingen sehr leicht von der Hand, andere waren, etwa auf der Oboe oder der Flöte, nur mit Gabelgriffen oder so spielbar und klangen viellelicht auch weniger gut, die Töne klangen unregelmäßiger, und hatten unterschiedlichen Klangcharakter. Auch das wurde von Komponisten berücksichtigt und kunstvoll verwendet (etwa der chromatische Lauf der Flöte in der Zauberflöten-Ouvertüre, der in einer Tonart steht, in der die Flöte nicht mehr perfekt rein klingt, was hier volle Absicht ist).
    Es lohnt sich unbedingt, sich die jeweiligen Stimmungen und ihre Eigenschaften anzusehen, dann wird man auch in den Noten erkennen, wann ein Komponist welche Tonart verwendet.
    Also keineswegs eine willkürliche Auswahl, sondern gezielte, kunstvolle Anwendung! Und es ist durchaus aufschlussreich und spannend, sich in einer Partitur mal anzusehen, wann ein Komponist welche Tonarten verwendet, und in welche anderen Tonarten er moduliert, und wann er moduliert.


    Das habe ich z.B. hier in einem Figaro-Rezitativ gemacht: http://tamino-klassikforum.at/…&postID=623827#post623827




    LG,
    Hosenrolle1

  • Aber um zu verstehen, was daran so revolutionär war und warum sich nachfolgende Generationen von Musikern so tief beeindruckt davon gezeigt haben, wird man wohl über Kenntnisse der Harmonielehre verfügen müssen (fürchte ich).

    Das Besondere ist da weniger der Akkord sondern die Art der Auflösung.

  • Also keineswegs eine willkürliche Auswahl, sondern gezielte, kunstvolle Anwendung! Und es ist durchaus aufschlussreich und spannend, sich in einer Partitur mal anzusehen, wann ein Komponist welche Tonarten verwendet, und in welche anderen Tonarten er moduliert, und wann er moduliert.


    Das glaube ich gerne. Meine Frage war noch etwas grundlegender gemeint: Warum gibt es / verwendet man überhaupt Tonarten? Zunächst einmal sind wir ja mit einer unstrukturierten Menge von Klängen konfrontiert, in unserem Hörbereich gibt es ein Kontinuum von Frequenzen. Daraus greift man sich nun bestimmte Teilmengen heraus und bildet Tonleitern daraus, die man zum Komponieren verwendet. Man gibt sich also eine bestimmte Struktur, in deren Rahmen man komponiert. Auf diese Idee muss ja irgendwann mal jemand gekommen sein. :) Klar kann man das dann damit begründen, dass in den Tonleitern die Töne in bestimmten Frequenzverhältnissen stehen und wir bestimmte Zusammenklänge als angenehm, andere als unangenehm empfinden und daher erstere bevorzugt verwenden etc. Aber ich finde das nach wie vor relativ schwer durchschaubar. :untertauch:

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  • Wenn man davon ausgeht, dass zuerst einstimmig gesungen wurde, ist in der Tat merkwürdig, dass im Tonsystem, das wir kennen, Quinten und Terzen vorhanden sind, die sich eben gut für den Zusammenklang eignen. Auch in der Pentatonik sind die drinnen.

  • Wie oben schon gesagt, ist man eben nicht nur mit einer unstrukturierten Menge von Tönen oder Geräuschen konfrontiert, sondern auch mit Grundtönen und den ersten Obertönen und so kommt man sehr schnell auf eine besondere Rolle von Oktaven und Quinten. Der Rest folgt dann zwar nicht eindeutig, aber eben in einem überschaubaren Vielfalt und die weitere Entwicklung ist vermutlich historisch (vielleicht auch teilweise wahrnehmungsphysiologisch) bedingt, so dass die griechische Musiktheorie eben die Entwicklung im Abendland geprägt hat, während es in Indien oder China ein bißchen anders lief.
    Die unterschiedlichen Stimmungen in MA, Renaissance und dann Barock und Moderne sind im Grunde alle unterschiedliche Vermittlungen zwischen den Ungenauigkeiten, die sich ergeben, wenn man mehr als Quinten und Oktaven verwenden will.

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    (Bob Dylan)

  • Mit den alten Griechen habe ich mich noch nicht beschäftigt (bzw. wieder alles vergessen, was ich mal gelernt habe). In wikipedia lese ich dazu, dass Archytas von Tarent für den letzten Tonschritt jedes Tetrachords einen kleineren Schritt als den Halbton annahm. Dadurch entstünden allerdings bei ihm keine Quarten/Quinten. Irgendwann haben sich wohl die Systeme mit (reinen) Quarten/Quinten durchgesetzt. Man muss sich wohl einlesen, ich zweifle aber, dass die Quellenlage ausreicht, sich ein klares Bild zu machen, zumal ja nur ganz wenig Musik der Antike überliefert ist.

  • Ich schreibe nun als praktizierender Amateurmusiker, wobei ich bekenne, dass mir Theorien meist mehr oder weniger greulich sind, wg. Lebenserfahrung fehlts mir darüberhinaus -zunehmend- auch an der notwendigen Ernsthaftigkeit (und fehlenden Zeit) mich da tiefer einzulassen. Früher hatte ich auch mal eine naturwissenschaftliche Ausbildung, die für meinen Brotberuf aber langsam weniger wichtig geworden ist. Damit hat man natürlich auch Vorteile...


    Ich finde, dass JR mit #22 den Dingen sehr nahe kommt. Wichtig in den Aussagen ist -und dies ist nicht ausgesprochen, aber gefühlt- die Tatsache von Hierarchien von Systemkomponenten, die schwer zu ordnen sind.


    Entsprechend meinen Eingangssätzen ist mein Vorschlag, einen kleinen Compi in Form einer Klaviertastatur zu kaufen, besser zu leihen von den Kindern oder Enkeln und darauf mal loszulegen. Das machen die heutzutage per learning by doing. Falls Kauf: 50 bis 80 €, aber nicht mehr als 300 € ausgeben, falls nicht sicher. Zwei bis drei Karaoke Dateien erwerben und versuchen, auf der Tastatur zu begleiten -solange bis es annehmbar klingt-. Z.B. anfangs den Dreiklang c-e-g spielen, dann g-h-d, dann d-f-a, dann a-c-e usw., hören, was diese Dreiklänge voneinander unterscheidet. Die Einzeltöne nacheinander, danach gleichzeitig anschlagen ! Dazu kann man auch z.B. 2-10 Std. Unterricht nehmen. Nur zu ! Es ist nur ganz wenig Mut erforderlich ! Lehrer, oft Jugendliche, gibts im Netz. Es wird dann plötzlich klar, was falsch und was schön klingt. (dann käme wieder die Theorie !)


    Ein weiterer, extrem wichtiger Punkt ist, zu verstehen, dass alle Blasinstrumente , sehr schön naturwissenschaftlich begründbare Naturtöne machen können, je höher, desto mehr. Auch dazu ein Tip :D : Trompete oder Horn oder tiefere Flöte kaufen, ich habe eine tp (trumpet, pop or jazz or classical) für 50€ auf dem Flohmarkt gekauft. - Blasen- pusten- lachen- konzentrieren ! Weiter, und weiter...


    Dann wird klar, ganze Kulturen haben sich um richtige Temperierung ihrer Instrumente bemüht. Die Theorie kam danach...


    (es handelt sich um einen ernstgemeinten, nicht entgeltpflichtigen Beitrag :D 8-) :hahahaha:)


    Damiro, der wo spielt :P

  • Z.B. anfangs den Dreiklang c-e-g spielen, dann g-h-d, dann d-f-a, dann a-c-e usw., hören, was diese Dreiklänge voneinander unterscheidet. Die Einzeltöne nacheinander, danach gleichzeitig anschlagen !


    In welcher Stimmung? Vermutlich meinst du nur das equal tuning?




    LG,
    Hosenrolle1

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  • In meinem Beispiel ist es das, was dir der Gerätehersteller vorgibt. Eine bestimmte Taste erklingt immer in genau der gleichen Tonfrequenz. :)

  • Worauf ich hinauswill ist, dass der Dreiklang C-E-G in dieser gebräuchlichen Stimmung genauso klingt wie der Dreiklang D-FiS-A oder G-H-D oder A-CIS-E, nur halt höher oder tiefer.


    In anderen Stimmungen, die damals gebräuchlich waren, klingen diese Dreiklänge schon unterschiedlich.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Entschuldigung HR 1,


    ich habe diesen Thread leider vergessen, weil ich letzthin auch mehr als 24 Std. den Rechner nicht eingeschaltet hatte. Dein zweiter Satz stimmt natürlich, der erste nicht ganz. Ich finde, dass die Dreiklänge, die du beschreibst, jeweils verschieden klingen, z.B. auf meinem Flügel. Interessant, wie sie klängen, wenn du das auf einem Tenorhorn machst. So ein Flügel ist im Idealfall natürlich wohltemperiert.


    Ich muss einschränken, dass ich dieses nicht mit dem Tongenerator überprüft habe. Hast du anderweitig befriedigende Antwort erhalten ?


    MlG
    Damiro

  • Ich finde, dass die Dreiklänge, die du beschreibst, jeweils verschieden klingen, z.B. auf meinem Flügel.


    Das ist dann natürlich ein subjektiver Klangeindruck; natürlich klingen die Tonarten tiefer und höher. Aber von der Stimmung her klingen die Tonarten alle "rein", wenn man so möchte. In As-Dur hast du keine Wolfsquinte mehr, in Es-Dur klingt die Quart nicht mehr zu tief, usw. (hängt natürlich von der verwendeten alten Stimmung ab, die ja auch wieder unterschiedlich waren.


    In einem älteren Interview von Harnoncourt mit Joachim Kaiser habe ich diese Passage gefunden:



    Ich würde ihm hier zwar zustimmen, allerdings ist er für mich da schon längst überholt und teilweise unglaubwürdig, denn wenn ihm diese Dinge so wichtig sind, wieso spielt er Figaro dann mit den Wiener Philharmonikern, einen Freischütz mit den Berliner Philharmonikern, usw.? Unglaubwürdig.



    Aber es geht ja hier um die Musiktheorie, und da ist mir auch etwas aufgefallen. Ich besitze ein altes Schulbuch aus den 60er Jahren, das "Wir lernen Musik" heißt. (Bescheuerter Titel ...). Darin wird den Schülern erklärt, dass ein Legatobogen bedeutet, dass die Noten gebunden gespielt werden. Und ein fp bedeutet, dass der Ton laut und sofort leise gespielt wird.
    Dazu dann massenweise Noten von Bach bis zu Strauss.


    Dass der Legatobogen und das fp bei Mozart eben NICHT das bedeuten, was er bei Strauss bedeutet, wird nicht erklärt. Dem Schüler wird hier also beigebracht, dass ein Legatobogen immer das gleiche bedeutet. Gut, dieser Irrsinn wundert mich nicht in den 60er Jahren, aber selbst heute noch wird das so gemacht, und es wird auch in Zukunft so passieren. Aber ich rege mich darüber eh schon nicht mehr auf, es ist einfach nur lachhaft.




    Gruß
    Hosenrolle1

  • Und ein fp bedeutet, dass der Ton laut und sofort leise gespielt wird.


    Hallo,


    anders als die Tonhöhe (bei festgelegter Stimmung) ist die Dynmaik in ihrer Festlegung ein sehr fein gesponnenes Netz, wo bei fp auch die Tonquelle eine mehr oder weniger große Rolle spielt.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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