25. Todestag von Herbert von Karajan

  • Du kennst seine Krankengeschichte?


    Nein, offensichtlich nicht, aber ich finde es eine großartige Idee, die Ikonographie aus dem inzwischen gesperrten Thread jetzt (gut 30 Stunden nach der Sperrung des anderen) in diesem fortzusetzen...


    Undabhängig davon, dass ich seine Krankengeschichte wohl nicht so gut kenne wie du, weiß ich, dass er 81 Jahre alt geworden ist, was damals noch deutlich weniger Menschen vergönnt war als heute, und dass er bis kurz vor seinem Tod dirigiert hat, wozu ihn auch niemand gezwungen hat außer vieleicht er selbst. Ich bleibe also dabei, dass es tragischere Künstlerbiographien gibt als die seine...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Nein, offensichtlich nicht, ....


    Auch wenn dir HvK nicht liegt, nimm dir fairerweise die Zeit und lies dich ein.

  • Auch wenn dir HvK nicht liegt, nimm dir fairerweise die Zeit und lies dich ein.


    Was ich wann mache und was nicht, musst du schon mir überlassen. Natürlich erinnere ich mich noch an diese peinlichen letzten Auftritte wie diese Fernsehübertragung der "Vier Jahreszeiten". Sicher kann man es tragisch nennen, dass er den Zeitpunkt, rechtzeitig in Würde abzutreten, irgendwie verpasst hat.
    Wenn ich an tragische Künstlerschicksale denke, denke ich trotzdem weniger an Herbert von Karajan, sondern eher an Peter Ronnefeld!
    (Kennste nich? Lies dich ein!)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • HvK ist und war für mich kein tragisches Künstlerschicksal.


    Man sieht an seinem Beispiel aber sehr gut, wozu permanente Überlastung des Körpers führt.


    Er hat es zu spät erkannt und einen hohen Preis dafür bezahlt.

  • Ich sehe eigentlich im speziellen Fall nicht ein, warum Karajan hätte "rechtzeitig in Würde abtreten sollen"
    Er war erfolgreich und geschätzt bis an sein Lebensende, man wartete auf jede seiner Plattenveröffentlichungen und als er 1987 das Neujahrskonzert, zwei Jahre vor seinem Tod dirigierte, das war das eine Sensation, von der viel Aufhebens gemacht wurde.
    Er war voll im Geschäft. Allerdings hatte er EIN wirkliches Problem; Er, der Technikfreak, musste mit ansehen, wie seine Aufnahmen der jüngsten Vergangenheit, durch ZWEI Techninsche Neuerungen obsolet zu werden drohten.
    Die eine war die Einführung der CD, die andere die Erfindung des hochauflösenden Videofilms fürs Fernsehen.
    Und nun machte er IMO einen verzeihlichen Fehler: Er wollte in seinen letzten Lebensjahren soviel Repertoire wie möglich digital mit neuester Technik einspielen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Das hat er auch einigermaßen geschafft, aber immer wieder stieß er an verschiedene Grenzen, die eine war seine Routine, er war zeitweise nahezu perfekt, aber das alte Feuer war erloschen UND er hatte - wo er welche benötigte - nicht mehr jene legendären Solisten zur Verfügung. Zudem stand das Orchester nicht mehr voll hinter ihm. Da wurde viel über die Ursachen gemunkelt, der Meister sei altersstarrsinnig geworden etc. Ich glaube indes, es lag am Orchester. Die jüngeren Musiker waren nicht mehr willens sich bedingungslos unterzuordnen (und steckten vermutlich die älteren damit an) und so kam es zu Spannungen. Irgendjemand hat geschrieben, die Wahl Abbados, Rattles und des kommenden Chefdirigenten sei ein Zeichen für den Wunsch nach Demokratisierung, nach den Zeiten mit Furtwängler und Karajan.
    Ich würde dem nicht widersprechen, sehe es objektiv aber dennoch als Niedergang des Orchesters an, das selbstverständlich noch immer Top ist, aber seinen Ausnahmerang - bewusst oder unbewusst - allmälich verspielt - oder aufgegeben hat.
    Ich glaube, das weiß man auch teilweise im Orchester- und es wird spätesten dann zu internen Spannung führen - bzw werden sie dann offenbar - wenn die Plattenverkäufe sinken. Es ist ja auch ein Zeichen der Zeit, daß es ausser der Alternative Thielemann (den man für schwierig hält- und deshalb nicht wollte) nicht wirklich jemanden gibt, der vom Charisma her an Furtwängler und Karajan heranreicht .... denen das Publikum zu Füßen lag.


    Nein, es gab wirklich keinen Grund für Karajan "in Würde abzutreten".


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nein, es gab wirklich keinen Grund für Karajan "in Würde abzutreten"


    Na ja, wie gesagt, einige späte Fernsehübertragungen sind schon etwas peinlich, wenn er da unkontrolliert zitterte oder kaum noch den Arm hoch kriegte und wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl saß. Das war nicht mehr der Karajan, der berühmt wurde.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • ... Natürlich erinnere ich mich noch an diese peinlichen ketzten Auftritte wie diese Fernsehübertragung der "Vier Jahreszeiten". Sicher kann man es tragisch nennen, dass er den Zeitpunkt, rechtzeitig in Würde abzutreten, irgendwie verpasst hat. ...


    Nun, da habe ich vor allem das gruselige Plattencover mit ASM vor Augen. Grundsätzlich ist hier aber das Problem, das HvK in pkto. Barockmusik ein Interpretationsverständnis hatte, das vielleicht im 19. Jh. angesiedelt gewesen sein mag, zu seinen Zeiten allerdings schon arg gestrig war. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er auch in seinen letzten Jahren noch exzellente Plattenaufnahmen gemacht hatte. Wen überhaupt, dann hätte er bereits in den 1960ern auf die Idee kommen können, dass Barock nicht seins war.


    Grundsätzlich scheint der Wille, Musik zu gestalten, bei einigen Künstlern ungeahnte Kräfte freizusetzen: auch Celi musste zum Schluß aufs Podium gestützt werden, Klemperers Zähigkeit, seinen gesundheitlichen Widrigkeiten zu trotzen war legendär und auch der Pianist Aldo Ciccolini hat sich lieber in einer Recital-Pause ärztlich behandeln lassen (habe ich selbst in Nohant erlebt) um dann den zweiten Konzertteil zu spielen, als abzusagen. Ich bewundere diese Menschen dafür, auch Karajan.



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo, Karl und Stimmenliebhaber,


    ich denke, es hat wenig Sinn, über Karajans Gesundheitszustand zu reflektieren bzw. über die Tatsache, daß er nicht so lange öffentlich auftreten musste, als er es dann getan hat.


    In Neurochirurgie-Kreisen sind seine Wirbelsäulenprobeme allegemein gut bekannt gewesen; in der Zeit, als er in Zürich und später in Hannover operiert wurde, machte ich gerade meine diesbezügliche Ausbildung.
    Auch in seinen Biogrphien wird sehr offen über seine gesundheitlichen Probleme informiert, die sich auf verschiedenen Ebenen abspielten.
    Zusammenfassend kann man sagen: er war zuletzt sehr, sehr krank, und seine WS-Schmerzen müssen eine äußerst üble Belastung gewesen sein. Solche Krankheiten beruhen in der Regel weniger auf "Raubbau" am Körper, sondern auf genetischen Ursachen.
    Daß er bis zum Ende ununterbrochen tätig war, hat sicher mit dem von Alfred skizzierten Wunsch zu tun, sein Lebenswerk für die Zukunft zu sichern. Traurig finde ich den groben Undank, den er von den Berliner Philharmonikern erleben mußte, und auch ich finde, daß seine Nachfolger nicht im mindesten seine Klasse hatten. Wir werden sehen, wie es mit Petrenko sein wird.


    Viele Grüße


    Joachim

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Hallo,


    rückblickend auf die letzten 25 Jahre dürfte mit Karajan eine Ära der Stardirigenten zu Ende gegangen sein, die mit Hans von Bülow begann.


    Der gewählte Begriff des Stardirigenten bezieht sich dabei besonders auf die Öffentlichkeits- und Publikumswirksamkeit.


    Karl

  • Ich bewundere diese Menschen dafür, auch Karajan.

    Lieber Thomas Pape, das kan ich sogar nachvollziehen, und das Nicht-Loslassen-Können ist auch menschlich verständlich, auch wenn es wahrscheinlich sinnvoller gewesen wäre.


    Unter den bei Wikipedia abgedruckten Zitaten von Karajan, findet sich an erster Stelle folgendes:


    Zitat

    „Wenn ich so viel innerlich noch zu sagen habe, und mein Körper
    verweigert mir seine Dienste – dann hat die Natur mir einen anderen
    Körper zu verschaffen.“[

    Es ist irgendwie auch beruhigend, dass auch die Macht solcher Pultgötter endlich ist!


    Ich habe auch weniger ein Problem mit dem Dirigenten Karajan als mit seinen ihn verklärenden Anhängern, die ihn zu einem Idealbild (das er in wahrheit nie war!) gegen die böse Gegenwart aufzubauen versuchen.


    rückblickend auf die letzten 25 Jahre dürfte mit Karajan eine Ära der Stardirigenten zu Ende gegangen sein, die mit Hans von Bülow begann.

    Nicht doch! Wir haben doch noch Herrn Barenboim! :hahahaha:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ad Karl
    Von Ausnahmen abgesehen - ich empfinde etwa Jansons durchaus noch als zu dieser Kategorie gehörig und auch Barenboim, wenngleich für mich da mehr die Gesamterscheinung zählt als die dirigentische Leistung.
    Was der Tod Karajans eingeleitet hat, war sicher das Ende der Ära von Dirigenten mit einer Gemeinde. Das gab es dann nur noch im Bereich der Alten Musik und bei Dirigenten, die mit voller Absicht auf eine Gemeindebildung hinarbeiten, derzeit etwa Currentzis. (Ich verstehe das nicht als Werturteil.)
    Karajan folgte sein Publikum sogar noch in seine Irrtümer hinein, wenn er etwa Holzbläser verdoppelte, um dem Klang der Klassik einen romantischen Körper zu geben.
    Was für mich von Karajan bleibt, ist die besessene Arbeit am Klang, vor allem der Streicher. Wie er diesen körperhaften, leuchtenden Klang erzielte, ist zwar technisch in Details wie Balancen, Striche, Bogenposition etc zu erklären, in der Gesamtheit aber doch ein Wunder. Karajan hatte eine genaue Vorstellung davon, wie es klingen soll, und er fand in den Proben die richtigen Worte, den Musikern diese Vorstellung zu vermitteln. Ich halte das für sehr beachtlich auch dann, wenn mich die Interpretation in manch einem Fall nicht vollständig überzeugt.

    ...

  • HvK, der große Meister des Klanges und der weit gespannten Bögen, am Aufbau innerer Spannung interessiert, bin ich mehr bei Unfall-Otto und Bruno Walter.

  • Wenn ich an tragische Künstlerschicksale denke, denke ich trotzdem weniger an Herbert von Karajan, sondern eher an Peter Ronnefeld!
    (Kennste nich? Lies dich ein!)


    Danke, nicht notwendig. Sein Schicksal ist so tragisch wie das eines jeden, der jung stirbt. Die "Ameise", ich weiß, ich weiß, hoch gepriesen, wird durch das Schicksal nicht besser. Ich könnte jetzt mit dem ermordeten Claude Vivier kommen oder mit dem doppeltbeinamputierten Julius Bittner oder dem wahnsinig gewordenen Hans Rott. Bringt aber nix, weil halt jeder so seinen großen tragischen Künstler hat, weil Tragödie irgendwie zum Heldentum gehört. Bei manchen ist es halt der Karajan mit seinen mehr als 20 Operationen und einer Wirbelsäulensache, aufgrund der er am Rand der Querschnittlähmung stand. "Tragisch" finde ich das zwar auch nicht, allenfalls respekteinflößend.
    Aber was sagt das über Karajans Dirigieren aus?
    Dirigenten wie Karajan, Bernstein, Knappertsbusch, Maazel, Klemperer usw. hätte man mit Ganzkörperlähmung im Rollstuhl vor ein Orchester stellen können, und das hätte dann immer noch besser gespielt als nach 30 Proben unter Leuten wie Linzer Schnäps und Co.

    ...

  • Dirigenten wie Karajan, Bernstein, Knappertsbusch, Maazel, Klemperer usw. hätte man mit Ganzkörperlähmung im Rollstuhl vor ein Orchester stellen können, und das hätte dann immer noch besser gespielt als nach 30 Proben unter Leuten wie Linzer Schnäps und Co.


    Finde ich auch.


    Ein schönes Beispiel aus der Spätzeit: Eine Probe der "Tannhäuser"-Ouvertüre mit den Wiener Philharmonikern, Salzburg 1987.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich glaube, daß das kurze Interview (in englischer Sprache) einiges von Karajans Erfolg erahnen lässt.
    Er hat weder eine angenehme Stimme noch ein hervorragendes Englisch, strahlt weder übergroße Freundlichkeit aus, noch hält er "große Reden"
    Aber schon nach wenigen Stätzen ist eine überragende Intelligenz, sein Blick fürs Wesentliche, sein unbeugsamer Wille und seine Authentizität erkennbar. Vermutlich war es das, was ihm den Erfolg bescherte. Daß die Werbeabteilung der DGG hier "unterstützend eingriff" ist ja nur zu gut verständlich.


    Vorerst möchte ich - so ich überhaupt gemeint war - klarstellen, daß ich NIE ein "glühender Karajan-Verehrer war. MEINE Lieblingsdirigenten waren Karl Böhm und Eugen Jochum. Und - zumindest ich, habe ihn nie als Idealbild gesehen. Karajan wurde immer schon nachgesagt, daß er kein großer MOZART Dirigent sei, hier sei er zu kühl. Ich empfand in meiner Jugend, daß seine damalige Überpräsenz die Klassikszene verzerrte, daß manch anderer Dirigent dadurch "verdeckt" würde. Aber Natürlich hatte ich seine Beethoven Sinfonien , die mir irgendwie zu "sportlich" daherkamen, zu schlank. ich erinnere mich gut an mein Statement von "Beethovens Sinfonien in Turnschuhen" - vielleicht auch ein Vorurteil, ich kaufte ausser dem KarajanZyklus (er war ein Weihnachtsgeschenk, meine Eltern bezogen es über einen Freund der damals im Chor der 9. mitsang)nur Einelveröffentlichungen, da war FerencFricsay, dessen Zyklus nie voll in Stereo vollendet werden konnte und Bruno Walter, der die Stereoaufnahmen nur unter sanftem Druck von CBS überhaupt machte, wobei der Orchesterklang sehr warm eingefangen wurde. Und natürlich Karl Böhm, dessen Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern nur nach und nach erschienen - ich besaß - auch aus Kostengründen nur die 5. und die 6.
    Später - als es den 2. und 3. Beethoven-Zyklus der Beethoven Sinfonien gab, war ich sogar ein wenig enttäuscht, was vermutlich meiner Erwartungshaltung zuzuschreiben war. Ich hatte mich im Laufe der Jahre an die Aufnahme aus den frühen 60er Jahren bereits als Quasi Standard gewöhnt. als 1978 der zweite Zyklus in angeblich verbesserte Tonqualität erschien und knapp 5 Jahre später der digitale Zyklus nachgereicht wurde, den ich dann schon als Aufguss empfand mit allen Nachteilen der damaligen Digitaltechnik (vor allem des Philips Wiedergabegeräts, das mit einem 14 Bit Wandler mit Oversampling arbeitete) und einem - wie ich fand - schwachen Sängerteam


    Mein "Engagement" für Herbert von Karajan begann, als man kurz nach seinem Tod Schmutz auf den einst Sakrosankten zu werfen begann, zuerst grub man seine politische Vergangenheit aus. Die interessierte indes kaum jemanden, brachte nicht den erwünschten Effekt. Und dann begann man ihn als Verfälscher und Behübscher zu bezeichnen, man beanstandete einerseits die Glätte seines Orchesterklangs und dann noch den "Breitwandklang" letzterer ist allerdings der DGG anzulasten - oder zuzuschreiben - je nach persönlicher Einstellung.


    Zitat

    Ich habe auch weniger ein Problem mit dem Dirigenten Karajan als mit seinen ihn verklärenden Anhängern, die ihn zu einem Idealbild (das er in wahrheit nie war!) gegen die böse Gegenwart aufzubauen versuchen.


    Die "böse Gegenwart" hat in der Tat kaum schön klingende Aufnahmen hervorgebracht - eher provozierende und "entstaubte" "Neudeutungen" und auch wenn andere das anders sehen, so ist der "schöne Klang" Voraussetzung für viele, Musik überhaupt zu hören.
    Zu Karajans Zeiten wurden die Werke (und nicht nur von ihm) "appetitlich angerichtet", Brüche und abrupte Übergänge in der Musik wurden "geglättet", denn sie wurden von vielen Dirigenten für "Kompositionsfehler" gehalten
    Heute - in der bösen Gegenwart - ist man stolz darauf -si etwas noch herauszuarbeiten und zu betonen - und wundert sichdann - wenn die Verkaufszhlen nicht stimmen uns die Aufnahmen dann recht früh am "Grabbeltisch" landen.
    Denn einer der wichtigsten Vorzüge der Schallplatte (CD, etc) ist, daß sie uns in gewisser Weise zum Herrn über die Zeit macht !!


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die "Ameise", ich weiß, ich weiß, hoch gepriesen, wird durch das Schicksal nicht besser.

    Darum ging es mir nicht. Den Komponisten Ronnefeld muss man nicht mögen, aber er war ein begnadeter Dirigent, da sind sich eigentlich alle, die ihn erlebt haben, einig. Und hier wurden nun wirklich große Hoffnungen viel zu früh begraben.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Ewin Baumgartner: Bei manchen ist es halt der Karajan mit seinen mehr als 20 Operationen und einer Wirbelsäulensache, aufgrund der er am Rand der Querschnittlähmung stand. "Tragisch" finde ich das zwar auch nicht, allenfalls respekteinflößend.


    Da fällt mir dieses Konzert ein, das im Juni 1979 in St. Florian stattfand, wo er die Wiener Philharmoniker dirigierte:

    Da hat mich die Achte Bruckner genauso ergriffen wie seine letzte Aufnahme der Achten im November 1988, ebenfalls mit den Wienern. Als er allerdings in St. Florian dirigierte, hatte er gerade eine schlimme Krise seiner Rückenerkrankung und muss schlimme Schmerzen gehabt haben. Wenn er jedoch die Achte so herausragend dirigiert hat, warum sollte er dann schon abtreten? Er hat die Schmerzen doch offenbar billigend in Kauf genommen. Wenn ich von Rückenschmerzen höre, weiß ich, wovon ich rede. Ich hatte vor 35 Jahren meinen ersten Bandscheibenvorfall und habe auch während meiner jetzigen Erkrankung hochdosierte Schmerzmedikation bekommen.
    Wie dem auch sei, Karajan, der offenbar schon Jahre vor seinem Tod gewusst haben muss, dass diese Entwicklung sich verschlechtern würde, wenn er weiter dirigieren würde, war offenbar gewillt, bis zu seinem Tode zu dirigieren., was ja auch so eingetreten ist. Diese Entscheidung, die größte Willens- und Körperkräfte kostete, nötigt mir höchsten Respekt ab.
    Eine ähnlich schmerzintensive Leidenszeit hatte sein damaliger "Konkurrent" Leonard Bernstein, dem aber auf Grund seiner massiven Lungenerkankung (Emphisem und Krebs) Freund Hein den Taktstock 9 Jahre eher aus der Hand nahm.
    Es kann auch ganz anders verlaufen, wie der frühe Tod Giuseppe Sinopolis zeigt, der während eines Konzerts 2001 mit 54 Jahren einen Herzinfarkt erlitt und kurz darauf verstarb.
    Einen vierten Fall hat Stimmenliebhaber schon genannt mit Peter Ronnefeld, der schon mit 30 Jahren nach kurzer schwerer Erkrankung verstarb. Wie ich gelesen habe, war er auch Assistent Herbert von Karajans.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Als weiteren Unterschied würde ich anführen, daß zu Lebzeiten Karl Böhm in Sachen Mozart, Haydn und Schubert Karajan gegenüber vorgezogen wurde. Oder flapsiger formuliert, Böhm war Mozartpapst, Haydn und Schubert-Spezialist, während man Karajan (natürlich auf höchster Ebene) das Feingefühl für diese Komponisten absprach (Mozart-Opern natürlich ausgenommen) Inwieweit dieser Ruf der Realität entsprach, bzw entspricht, darüber soll sich an Hand der verfügbaren Aufnahmen jeder sein eigenes Bild machen...


    Dazu diese Aufnahme vom KK Nr. 20


    Mozart KK


    mit folgender Kritik:


    Zitat

    Die vorliegende Studioproduktion entstand anlässlich dreier Konzerte zum Mozartjahr 1956 vom 21. bis 23. Januar des Jahres. Sie zeigt Karajan als einen Mozart-Interpreten von großem Format und bedeutender Originalität. Karajan entdeckt in Mozarts Partituren nicht nur einen großen Reichtum an orchestralen Timbres, sondern in den Farben die Struktur dieser Musik. Seine Interpretation ist von absolut integrer Texttreue und differenzierter Phrasierung; zusammen mit den Berliner Philharmoniker modelliert er die Formen äußerst sensibel im Klang. Abseits der rhetorischen oder virtuosen Mozart-Interpretation entfaltet Karajans Mozart einen ganz eigenen Zau­ber, ohne jemals sentimental zu werden. Wilhelm Kempff ist im Klavierkonzert in d-moll ein kongenialer, intim abfärbender Solist.


    Herbert von Karajan war kein unproblematischer Mozart-Dirigent. Vor allem die späten Mozart-Aufnahmen klingen, als hätte er den für Wagner, Bruckner und Strauss entwickelten spätromantischen Klang auf die Partituren des Klassikers übertragen wollen. Die hier vorgelegte Mozart-Interpretation hingegen darf in ihrer stilistischen Balance zwischen strömendem Klang und aufmerksam behandeltem instrumentalen Dialog auch heute noch mehr als nur historisches Interesse beanspruchen.


    Nach mehrmaligem Anhören und Vergleich kann ich für mich nur feststellen:


    das ist kein Mozart, wie ich ihn suche und schätze, das ist Karajanstil, wie man ihn kennt.

  • Was ich bei Karajan finde:


    große, weit gespannte und beeindruckende Bögen, Klangfülle und -mächtigkeit


    Was ich bei Mozart suche:


    Intimität, teils betörend zarte Schönheit


    oder anders ausgedrückt:


    Karajan kann Musikgebäude beeindruckend entstehen lassen, der für mich bei Mozart innewohnende Zauber bleibt hier verborgen

  • Obwohl mit der Zeit fast jeder Ruhm verblasst und auch fleissig am Denkmal Karajan gekratzt wurde. Er war und ist einer der herausragenden Dirigenten unserer Zeit. Ihm ist neben großartigen dirigentischen Leistungen weitgehend die Internationalisierung und Technisierung der Oper zu danken. Dass er gerade dadurch das Ensembletheater ins Wanken brachte und das Singen in deutscher Sprache weitgehend eliminierte sind bedauerliche Folgen großer Taten. Gedenken wir am 25. Todestag dankbar dem großen Dirgenten und Erneuerer Herbert von Karajan. Alle Klassikfreunde, sollten sich auch für den unglaublich schlechten Zustand der Grabstätte des Dirigenten in Anif schämen. Karajan hat besseres verdient. Ingrid und ich legten anlässlich eines Besuches der Salzburger Festspiele einige Rosen auf das Grab. Es war am Tag unseres Besuchs der einzige Blumenschmuck.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Dieser Thread stammt eben aus dem Jahr 2014 und war spezifisch für diesen Anlass (25. Todestag) gedacht. Es gäbe nun wirklich Unmengen (!) an anderen Karajan-Threads, die man hätte wiederaufwärmen können. Wieso ausgerechnet dieser benutzt wurde, erschließt sich mir auch nicht ganz.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Alle Klassikfreunde, sollten sich auch für den unglaublich schlechten Zustand der Grabstätte des Dirigenten in Anif schämen. Karajan hat besseres verdient. Ingrid und ich legten anlässlich eines Besuches der Salzburger Festspiele einige Rosen auf das Grab. Es war am Tag unseres Besuchs der einzige Blumenschmuck.


    Das wundert mich nicht. Andererseits kursieren im netz aber auch viele Bilder, die das Grab üppig blumenbekränzt zeigen. In Berlin gibt es an der Philharmonie den Herbert-von-Karajan-Platz. Am Rande wächst das Unkraut meterhoch. Und das seit Jahren. Wir haben uns an diese Öde gewöhnt - was ich schlimmer finde, als das Unkraut selbst. :(


    "Denn schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,
    Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
    Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
    Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.
    Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
    Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,
    Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
    Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk.
    Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,
    Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze;
    Drum muß er geizen mit der Gegenwart,
    Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
    Muß seiner Mitwelt mächtig sich versichern
    Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
    Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er
    Sich seines Namens Ewigkeit voraus,
    Denn wer den Besten seiner Zeit genug
    Gethan, der hat gelebt für alle Zeiten."


    Schiller: Aus dem Prolog von "Wallensteins Lager"

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent