Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 9

  • Ich habe manchmal den Eindruck, dass es bei keinem anderen Komponisten so unterschiedliche Auffassungen bezüglich der gelungenen und weniger gelungenen Aufnahmen gibt wie bei Gustav Mahler.


    Die 9. Symphonie habe ich durch Leonard Bernstein (New York) kennengelernt, danach kam die Aufnahme mit Klemperer, die ich nach wie vor für sehr wertvoll halte. Eine der gelungensten Einspielungen kommt auch bei mir aus Prag, allerdings nicht unter der Leitung von Neumann sondern von Karel Ancerl. Die ist schlicht perfekt. Bernstein in Berlin ist auch sehr berührend. Sehr angetan war ich auch von Levine in Philadelphia. Die Chailly-Aufnahme aus Amsterdam habe ich im Rahmen der GA, allerdings wohl noch nie gehört. Das werde ich aber zeitnah nachholen. Die erste Aufnahme aus Amsterdam unter Haitink habe ich auch in sehr guter Erinnerung. Auch die zweite Neumann-Einspielung (die erste stammt ja aus Leipzig) werde ich noch einmal nachhören, das war meine erste CD-Version dieser Symphonie. Es gibt also viel zu tun. ;)



  • Schon vor vielen Jahren wurde diese Aufnahme in diesem Thread diskutiert. Kann es sein, dass es wirklich die langsamste überhaupt ist?


    29:13 - 16:59 - 14:51 - 32:27


    Ich habe sie mir zugelegt, aber bislang nicht gehört.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Kann es sein, dass es wirklich die langsamste überhaupt ist?


    Das kann schon sein, Chailly ist zwar ähnlich langsam, aber im letzten Satz dann doch 4 min schneller.


    30:32 - 16:56 - 14:02 - 28:27


    Levine in Philadelphia ist im letzten Satz ca. 3 min flotter. Hurwitz hält die Philly-Aufnahme für deutlich besser als die aus München. Ich habe letztere aber auch, da ich die ganze Levine Box aus München habe, und ebenso noch nicht gehört. :D

  • Jetzt hast du mich neugierig gemacht, lieber Agon. Nun werde ich mir doch die Amsterdamer GA zulegen, zumal ich gerade die Neunte im Streaming bei Amazon höre. Das gemäßigte Tempo spricht mich überaus an, und sein packender Zugriff, den ich auch an seinen Leipziger Aufnahmen so sehr schätze, spricht mich ebenfalls stark an.

    Nur zu, lieber William, neben der Neunten ist besonders die Zweite, Dritte, Vierte und Fünfte herausragend. Zumal diese Gesamtaufnahme mittlerweile ja einen völlig unangemessen niedrigen Preis hat. Ich hatte mir damals alle Einzelausgaben zusammengekauft. Das Gute an den Einzel-CDs ist, daß diese alle irgendwelche hochinteressanten Beigaben enthalten (eine orchestrierte Berg-Sonate, orchestrierte Berg-Lieder, Zemlinsky-Orchesterlieder, Totenfeier, Bach-Mahler-Suite). Sind die auch in der GA enthalten?


    Da haben wir wohl bei de im gleichen Konzert gesessen, wenn du das am 19. Juni 2016 meinst. Da kann ich deine Eindrücke voll bestätigen, wie du hier meinem Konzertbericht entnehmen kannst:

    Ja, da haben wir wohl im selben Konzert gesessen!
    Mir ist dieser völlig souverän und äußerlich gelassene Bernard Haitink immer noch vor Augen. Er wirkt einfach so, als ob Ihn überhaupt nichts aus der Ruhe bringen kann. Ein wirklich einmaliger Typ und Charakter.

  • Das Gute an den Einzel-CDs ist, daß diese alle irgendwelche hochinteressanten Beigaben enthalten (eine orchestrierte Berg-Sonate, orchestrierte Berg-Lieder, Zemlinsky-Orchesterlieder, Totenfeier, Bach-Mahler-Suite). Sind die auch in der GA enthalten?


    Nein, sind sie leider nicht. Das ist das gleiche Manko wie bei der Gielen GA-Aufnahme, auch dort hatten die Einzel-CDs sehr interessante Kopplungen, die in der GA weggefallen sind. Ich hoffe, dass sie im Rahmen der Gielen Edition wieder auftauchen.

  • Mit dieser Frage hast Du mich jetzt irgendwie "angefixt"... :)


    Ich denke, die langsamste Aufnahme, zumindest im Ersten Satz, die ich kenne, ist diese:




    Mit knapp 33 Minuten hat Sinopoli hier wohl den Langsamkeitsrekord erreicht.

  • Einige nennen Ihn bösartig einen "Langweiler" - das würde ich nie über Ihn sagen - einfach, weil es falsch ist. Aber er hat eben Stärken und Schwächen und Werke, die Ihm vermutlich nicht so liegen.

    Da bin ich ganz Deiner Meinung, lieber Agon. Die einzige wirkliche Haitink-Fehlinterpretation, die ich habe, ist die Symphonie fantastique. Die liegt ihm wirklich gar nicht! :D

    Nicht nachvollziehen kann ich Deine Behauptung, daß der Kopfsatz der Neunten vom dynamischen Aufbau her an Bruckner erinnert. Er hat keine Wellenbewegung, sondern lediglich Aufbäumen, Dahinvegetieren und Ersterben. Er hat eine grundsätzlich vergiftete Atmosphäre, zerfressen, labil, pessimistisch. Das hat mit Bruckner nichts zu tun.

    Dieser Satz stellt die traditionellen Analysemethoden in Frage mit "Sonatensatzarchitektur" usw. Sicher haben die im Kompositionsprozess bei Mahler eine Rolle gespielt und können auch rekonstruiert werden. Nur bleibt dann die Frage, ob sie im Hörprozess noch als Orientierungsrahmen fungieren. Hier liegt doch eher der exemplarische Fall vor, dass sich die "Form" einem psychischen Geschehen - wie Du treffend sagst - annähert: Aufbäumen, Zusammenbruch, wieder sammeln, dann wieder ein Aufschwung und Zusammenbruch. Das kommt sicher zu Bruckner hinzu, denn bei Bruckner bleibt die Formbewegung letztlich formalistisch abstrakt. Gleichwohl folgt Mahler hier dem dynamischen Formprinzip Bruckners, die Gliederung nicht durch Architektur, sondern einen bewegungsdynamischen Spannungsverlauf zu erreichen. Bernstein hat diesen Satz zweifelsohne "pessimistisch" gedeutet. Aber Alban Berg hat doch nicht so Unrecht, wenn er gerade die optimistischen Tendenzen in diesem Kopfsatz betont. Schon beim berühmten "Adagietto" lag ja die Mahler-Rezeption, die so gerne auf Todesverfallenheit setzt, falsch.

    Zu Chaillys Aufnahme: Du meinst, daß er sich im Bernstein-Tempo dahinschleppt. Tja, wie einen die reinen Zahlen doch täuschen können. Chailly braucht die Zeit, um das Innenleben dieses Satzes darzustellen. Da ist kein Dahinschleppen, tut mir leid. Hier zieht sich nichts, schleppt sich nichts o.ä. Es wäre besser, wenn Du Dir die Aufnahme anhören würdest, statt lediglich Mutmaßungen darüber anzustellen. Das führt in aller Regel nicht weit.

    Das war von mir auch nur salopp formuliert und nicht kritisch gemeint. Klar, Chailly braucht für das was er erarbeiten will dieses Tempo.

    Im Übrigen, lieber Holger, frage ich mich, wer denn eigentlich "die Holländer" sind, von denen Du da berichtest. Und welche Aussagekraft hat es, wenn "man dort immer wieder" hört, daß Chailly "eigentlich eher weniger ein Mahler-Dirigent ist"? Findest Du wirklich, daß das eine sachlich-nüchterne und nachvollziehbare Argumentation ist?

    Ich finde es doch einfach bemerkenswert, dass in einem Land mit dieser Mahler-Tradition die Töne eben nicht nur ausnahmslos hochlobend sind wie hier bei uns. Teilen muss man solche Meinungen ja nicht.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Eine der gelungensten Einspielungen kommt auch bei mir aus Prag, allerdings nicht unter der Leitung von Neumann sondern von Karel Ancerl. Die ist schlicht perfekt. Bernstein in Berlin ist auch sehr berührend.

    Die habe ich auch, lieber Lutz - nur schon sehr lange nicht mehr gehört. Das muss ich wohl endlich wieder tun! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Dieser Satz stellt die traditionellen Analysemethoden in Frage mit "Sonatensatzarchitektur" usw. Sicher haben die im Kompositionsprozess bei Mahler eine Rolle gespielt und können auch rekonstruiert werden. Nur bleibt dann die Frage, ob sie im Hörprozess noch als Orientierungsrahmen fungieren. Hier liegt doch eher der exemplarische Fall vor, dass sich die "Form" einem psychischen Geschehen - wie Du treffend sagst - annähert: Aufbäumen, Zusammenbruch, wieder sammeln, dann wieder ein Aufschwung und Zusammenbruch. Das kommt sicher zu Bruckner hinzu, denn bei Bruckner bleibt die Formbewegung letztlich formalistisch abstrakt. Gleichwohl folgt Mahler hier dem dynamischen Formprinzip Bruckners, die Gliederung nicht durch Architektur, sondern einen bewegungsdynamischen Spannungsverlauf zu erreichen. Bernstein hat diesen Satz zweifelsohne "pessimistisch" gedeutet. Aber Alban Berg hat doch nicht so Unrecht, wenn er gerade die optimistischen Tendenzen in diesem Kopfsatz betont. Schon beim berühmten "Adagietto" lag ja die Mahler-Rezeption, die so gerne auf Todesverfallenheit setzt, falsch.

    Also, was Du hiermit eigentlich sagen willst, bleibt mir verborgen. Du verschanzt Dich hier hinter seltsamen Wort- und Satzungetümen. Was soll denn Z. B. dieser komische Satz bedeuten: "Das kommt sicher zu Bruckner hinzu, denn bei Bruckner bleibt die Formbewegung letztlich formalistisch abstrakt." Also, die "Formbewegung bei Bruckner bleibt letztlich formalistisch abstrakt". Aha. Interessant. Wirklich.
    Und dann das: "Aber Alban Berg hat doch nicht so Unrecht, wenn er gerade die optimistischen Tendenzen in diesem Kopfsatz betont." Ach, wie ich das liebe: also, ich, Dr. Holger Kaletha, weiß (woher auch immer), daß Alban Berg "die optimistischen Tendenzen in diesem Kopfsatz betont" hat. Ich kann dazu nur sagen: das ist schön für Dich und Alban Berg (der sich ja nicht mehr wehren kann gegen diese Vereinnahmung), aber ich, Agon, kann in diesem Satz keine "optimistischen Tendenzen" erkennen (und ich verschanze mich jetzt mal nicht hinter Adorno).
    Schließlich: "Schon beim berühmten "Adagietto" lag ja die Mahler-Rezeption, die so gerne auf Todesverfallenheit setzt, falsch." Ach, ist das so? Wo setzt denn "die Mahler-Rezeption" (was ist das) "so gerne auf Todesverfallenheit" "beim berühmten Adagietto"? Und wieso sollte dies dann falsch sein? Hat Alban Berg hier etwa auch die "optimistischen Tendenzen" betont?
    Also, mich kannst du mit diesem pseudowissenschaftlichen Gefasel echt nicht beeindrucken, tut mir leid. Denn was steckt dahinter? Vermutlich nicht viel.
    Parallelen zwischen Bruckner und Mahler gibt es wohl hauptsächlich im architektonischen Aufbau: beide Komponisten sind in höchstem Maße architektonische Komponisten, aber auf sehr unterschiedliche Art und Weise.

    Ich finde es doch einfach bemerkenswert, dass in einem Land mit dieser Mahler-Tradition die Töne eben nicht nur ausnahmslos hochlobend sind wie hier bei uns.

    Bei "uns" sind die Meinungen zu Chaillys Mahler-Aufnahmen "ausnahmslos hochlobend"?
    Das ist das Erste, was ich in dieser Hinsicht lese. Bislang habe ich nämlich nur "ausnahmslos kritische" Töne zu Chaillys Mahler bei "uns" vernommen.

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  • Also, was Du hiermit eigentlich sagen willst, bleibt mir verborgen. Du verschanzt Dich hier hinter seltsamen Wort- und Satzungetümen. Was soll denn Z. B. dieser komische Satz bedeuten: "Das kommt sicher zu Bruckner hinzu, denn bei Bruckner bleibt die Formbewegung letztlich formalistisch abstrakt." Also, die "Formbewegung bei Bruckner bleibt letztlich formalistisch abstrakt". Aha. Interessant.

    Wenn Du von Musiktheorie keine Ahnung hast, dann ist das allein Dein Problem.

    Und dann das: "Aber Alban Berg hat doch nicht so Unrecht, wenn er gerade die optimistischen Tendenzen in diesem Kopfsatz betont." Ach, wie ich das liebe: also, ich, Dr. Holger Kaletha, weiß (woher auch immer), daß Alban Berg "die optimistischen Tendenzen in diesem Kopfsatz betont" hat. Ich kann dazu nur sagen: das ist schön für Dich und Alban Berg (der sich ja nicht mehr wehren kann gegen diese Vereinnahmung), aber ich, Agon, kann in diesem Satz keine "optimistischen Tendenzen" erkennen (und ich verschanze mich jetzt mal nicht hinter Adorno).

    Adorno war Schüler von Alban Berg und dürfte ihm da kaum widersprochen haben. Wo sagt Adorno so etwas über die 9.? Und vielleicht ist das, was Du erkennen oder nicht erkennen kannst, einfach nicht der Maßstab?

    Schließlich: "Schon beim berühmten "Adagietto" lag ja die Mahler-Rezeption, die so gerne auf Todesverfallenheit setzt, falsch." Ach, ist das so? Wo setzt denn "die Mahler-Rezeption" (was ist das) "so gerne auf Todesverfallenheit" "beim berühmten Adagietto"? Und wieso sollte dies dann falsch sein? Hat Alban Berg hier etwa auch die "optimistischen Tendenzen" betont?

    Auch da bist Du schlicht nicht im Bilde.

    Also, mich kannst du mit diesem pseudowissenschaftlichen Gefasel echt nicht beeindrucken, tut mir leid. Denn was steckt dahinter? Vermutlich nicht viel.

    Du solltest den Mund nicht zu voll nehmen. Hast Du Bücher über das Thema geschrieben und bist von der Wissenschaftswelt evaluiert worden? Du kannst davon ausgehen, dass mich solches Foren-Geschwätz nicht im geringsten beeindruckt.

    Parallelen zwischen Bruckner und Mahler gibt es wohl hauptsächlich im architektonischen Aufbau: beide Komponisten sind in höchstem Maße architektonische Komponisten, aber auf sehr unterschiedliche Art und Weise.

    Was heißt hier "architektonisch"? Was heißt "auf sehr unterschiedliche Weise"? Das sind alles nur ziemlich leere Worte, die man erst einmal mit Inhalt füllen können sollte.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Von "Pessimismus" steht bei Adorno übrigens nichts, sondern:


    "Der Abglanz unmittelbaren Lebens im Medium der Erinnerung ist im ersten Satz der Neunten Symphonie ... so sinnenfällig wie im Lied von der Erde."


    Was Adorno hier wiedergibt, ist ziemlich genau die Interpretation von Paul Bekker ("Gustav Mahlers Symphonien", 1921), die Adorno natürlich kennt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wenn Du von Musiktheorie keine Ahnung hast, dann ist das allein Dein Problem.

    Sicher doch. Ganz im Gegensatz zu Dir, der ja ein herausragender Musikwissenschaftler ist.


    Wo sagt Adorno so etwas über die 9.?

    Wo habe ich behauptet, daß Adorno so etwas über die Neunte gesagt hat?


    Auch da bist Du schlicht nicht im Bilde.

    Das ist eine komplett ausweichende Antwort, die meine berechtigten Fragen schlichtweg ignoriert. Aber das ist eben typisch für Dich.


    Du solltest den Mund nicht zu voll nehmen.

    Danke für den "freundlichen Hinweis", Herr Doktor, aber bei Leuten wie Dir, die sich hier permanent als intellektuelle Kapazität inszenieren (vermutlich, weil Sie es im realen Leben nicht sind), muß man eben so reagieren.


    Hast Du Bücher über das Thema geschrieben und bist von der Wissenschaftswelt evaluiert worden?

    Nein. Weißt Du, es gibt schon zuviele Bücher über Mahler und deshalb habe ich da Abstand von genommen.


    Was heißt hier "architektonisch"? Was heißt "auf sehr unterschiedliche Weise"? Das sind alles nur ziemlich leere Worte, die man erst einmal mit Inhalt füllen können sollte.

    Also, wenn Du das als "leere Worte" betrachtest, ist das wirklich nicht mein Problem.


    Herzliche Grüße,


    Agon

  • Zurück zu Mahlers 9. Symphonie mit einer Frage: Im letzten Drittel des ersten Satzes (bei Chailly bei 22:30 - es verbleiben noch 8 Minuten Spielzeit) erfährt das ruhige, getragene Grundthema plötzlich eine unglaubliche Erweiterung, es tritt sozusagen nicht mehr auf der Stelle, sondern wird von den Streichern in einer anderen Tonart weitergeführt, was eine narkotisierende Wirkung hat und von unerhörter Schönheit ist. Ich kann diese Stelle nicht einordnen. Was macht Mahler hier? Ist das die Reprise? Das Motiv erfährt hier eine Verwandlung und lässt das Geschehen auch im Folgenden in einem anderern Licht erscheinen.


    Bei Boulez/Chicago ist die Stelle bei 22:06, bei Abbado/Berliner bei 19:14.


    Viele Grüße
    Christian

  • Da ich auch keine Partitur zur Hand habe, kann ich nur vermuten: meinst du die Stelle, die nach einem Misterioso klingt und in deren Folge Horn und Flöte in ein beseligendes Duett eintreten? Wenn wir hier einen klassischen Sonatensastz vorliegen hätten, waren wir vermutlich schon in einem möglicherweise als Überleitung zur Coda befindlichen Abschnitt.
    Eine weitere charakteristische Sequenz ist wiederum, ca. 3 Minuten vor Schluss, eine Fortsetzung des beseligenden Duetts zwischen Horn und Flöte, zu denen dann quasi ansatzlos "aus der Höhe" die pp-Trompete hinzutritt, dann die Harfe. Überwältigend, wie Chailly und das CGO das hier gestalten. Ich halte das Ganze für eine Coda der ganz besonderen Art, in dem das Thema sich langsam auflöst- welch ein Morendo!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Sicher doch. Ganz im Gegensatz zu Dir, der ja ein herausragender Musikwissenschaftler ist.

    Solche Unverschämtheiten lasse ich mir nicht bieten. Hiermit stelle ich die Kommunikation mit Dir ein.

    Zurück zu Mahlers 9. Symphonie mit einer Frage: Im letzten Drittel des ersten Satzes (bei Chailly bei 22:30 - es verbleiben noch 8 Minuten Spielzeit) erfährt das ruhige, getragene Grundthema plötzlich eine unglaubliche Erweiterung, es tritt sozusagen nicht mehr auf der Stelle, sondern wird von den Streichern in einer anderen Tonart weitergeführt, was eine narkotisierende Wirkung hat und von unerhörter Schönheit ist. Ich kann diese Stelle nicht einordnen. Was macht Mahler hier? Ist das die Reprise? Das Motiv erfährt hier eine Verwandlung und lässt das Geschehen auch im Folgenden in einem anderern Licht erscheinen.


    Bei Boulez/Chicago ist die Stelle bei 22:06, bei Abbado/Berliner bei 19:14.

    Über den 1. Satz, lieber Christian, gibt es eine einschlägige musikwissenschaftliche Untersuchung (Burckhard Spinnler: Zur Angemessenheit traditioneller Formbegriffe in der Analyse Mahlerscher Symphonik. Eine Untersuchung des erstes Satzes der Neunten Symphonie). Spinnler zeigt dort, dass alle das "Architektonische" betonenden Analysen (im Sinne von dem, was man seit dem 19. Jhd. "Sonatenhauptsatzform" nennt) zum Scheitern verurteilt sind. Wenn z.B. Adorno sagt, es gäbe in diesem Satz drei (!) Reprisen, dann zeigt diese Multiplikation eines formtragenden Momentes allein schon, dass sie ihren architektonischen Sinn verlieren in einem "naturhaften" Geschehen der organischen Entwicklung. Spinnler zitiert Diether de la Motte, der eigentlich schön den Wandel bei Mahler auf den Punkt bringt: "Offenbar bedarf ihrer (gemeint sind die "vielfachen Verknüpfungstechniken") ein Komponist, der die architektonische Legitimation der Großform überwindet und stattdessen Schritt für Schritt plausibel machen will, wohin es geht." D.h. man soll letztlich gar nicht mehr "architektonisch" hören, also eine "Reprise" gerade nicht als die Rundung einer "Sonatenhauptsatzform" zur geschlossenen Form vernehmen, sondern die Wiederholung als eine im Prinzip unabgeschlossene Bewegungsform wahrnehmen. Jacques Handschin nannte das den Unterschied von "architektonischem" und "logischem" Hören - dafür ist dieser 1. Satz der 9. Mahler finde ich ein sehr schöner Beleg.


    Mahler selbst schreibt in der Zeit der Komposition der 9. an Bruno Walter:


    "Wie sollte ich die Darstellung einer solchen ungeheuren Krise versuchen! Ich sehe alles in einem so neuen Lichte, bin so in Bewegung; ich würde mich manchmal gar nicht wundern, wenn ich plötzlich einen neuen Körper an mir bemerken würde. (Wie Faust in der letzten Szene.) Ich bin lebensdurstiger als je und finde die ›Gewohnheit des Daseins‹ süßer als je ..."

    Da ist von Lebensdurst die Rede - die Krise ist also mit neu erwachender Lebenlust verbunden. Das Leben wird "süß" empfunden - also durchaus nicht nur bitter! Das wird beim später Mahler allzu gerne vergessen.


    Die Äußerungen von Alban Berg zu Mahlers 9. sind wirklich sehr lesenswert - ungemein feinsinnig und tiefsinnig:


    (aus einem Brief an seine Frau von 1912):


    »Ich habe wieder einmal die 9. Sinfonie Mahlers durchgespielt. Der erste Satz ist das Allerherrlichste, was Mahler geschrieben hat. Es ist der Ausdruck einer unerhörten Liebe zu dieser Erde, die Sehnsucht, in Frieden auf ihr zu leben, sie, die Natur, noch auszugießen bis in ihre tiefsten Tiefen – bevor der Tod kommt. Denn er kommt unaufhaltsam. Dieser ganze Satz ist auf die Todesahnung gestellt. Immer wieder meldet sie sich. Alles irdische Verträumte gipfelt darin (daher die immer wie neue Aufwallungen ausbrechenden Steigerungen nach den zartesten Stellen) – am stärksten natürlich bei der ungeheuren Stelle, wo diese Todesahnung Gewissheit wird, wo mitten in die ›höchste Kraft‹ schmerzvollster Lebenslust ›mit höchster Gewalt‹ der Tod sich anmeldet – dazu das schauerliche Bratschen- und Geigensolo und diese ritterlichen Klänge: der Tod in der Rüstung. Dagegen gibt’s kein Auflehnen mehr. –«


    »Es kommt mir wie Resignation vor, was jetzt noch vor sich geht – immer mit dem Gedanken an das ›Jenseits‹, das einem in der Stelle ›misterioso‹ gleichsam wie in ganz dünner Luft – noch über den Bergen – ja, wie im luftverdünnten Raume erscheint. Und wieder, zum letzten Mal, wendet Mahler sich der Erde zu – nicht mehr den Kämpfen und Taten, die er gleichsam von sich abstreift, sondern ganz und nur mehr der Natur. Was ihm und wie lang ihm die Erde noch ihre Schätze bietet, will er genießen: er will, fern von allem Ungemach, in freier, dünner Luft des Semmerings ein Haus schaffen, um diese Luft, diese feinste Erdenluft in sich zu saugen, mit immer tieferen Atemzügen – immer tieferen Zügen, dass sich das Herz, dieses herrlichste Herz, das je unter Menschen geschlagen hat, weitet – immer mehr sich weitet – bevor es hier zu schlagen aufhören muss ...«


    Mahler spricht vom "Lebensdurst" und "süßem Leben", Alban Berg vom "Genießen" - aber als eine Form von "Resignation". Wernn man sich hier an Kierkegaard erinnert (die unendliche Resignation, die den Glaube bedeutet) versteht man das glaube ich: Es ist ein distanzierter, gelassener Blick auf das Leben, der keinen "Willen" mehr kennt (gerade auch nicht den lebensverneinenden, "pessimistischen"), sondern die Dinge so nimmt wie sie sind. Mahler war ja leidenschaftlicher Nietzsche-Leser - vielleicht kann man bei dieser Haltung sogar von einem amor fati sprechen. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Solche Unverschämtheiten lasse ich mir nicht bieten. Hiermit stelle ich die Kommunikation mit Dir ein.

    Aha.


    Na, dann führ mal Deine intellektuellen Selbstgespräche hier schön weiter.


    Ich glaube aber kaum, daß sich da noch irgendjemand für interessiert.


    In diesem Sinne,


    Agon

  • Danke Holger und Willi! An der von mir genannten Stelle ändert sich die Tonart und das bis dahin resiginiert klingende Hauptthema nimmt plötzlich eine sehr besänftigende Wendung. Plötzlich ist aus Resignation etwas Beglückendes geworden. Das spiegelt sich in den von Holger beigesteuerten Texten. Das ist das Schöne an so einem thread, dass man eine Symphonie noch einmal anders hört. Der von mir sehr geschätzte Abbado ist hier ein bisschen zu schnell, ganz famos ist Chailly. Bislang konnte ich mit Boulez' Einspielung nicht so viel anfangen, aber nachdem ich heute Früh auf dem Weg ins Büro im Auto den ersten Satz in Konzertlautstärke gehört habe (ich habe da eine ziemlich brauchbare Dynaudio-Anlage eingebaut), muss ich das dringend revidieren. Die Präzision und das Spiel des Chicago Symphony Orchestras ist elektrisierend! Bin dann noch 10 Minunten auf dem Parkplatz gestanden, um den ersten Satz zu Ende zu hören :)


    Beste Grüße
    Christian

  • Zitat

    Agon: Bislang habe ich nämlich nur "ausnahmslos kritische" Töne zu Chaillys Mahler bei "uns" vernommen.


    Dann hast du meine Ausführungen zu Chaillys Leipziger Aufnahmen, z. B. hier über die Neunte in Beitr. Nr. 155, noch nicht gelesen? :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Na, dann führ mal Deine intellektuellen Selbstgespräche hier schön weiter.


    Ich finde nicht, dass Holger hier im Forum intellektuelle Selbstgespräche führt, weder wenn es um Mahler geht noch wenn es um Regietheater geht. Auf seinen Beitrag hier wurde ja auch sofort wieder von anderer Seite geantwortet. Ich nehme aus seinen Beiträgen immer einiges mit, ich habe auch bei weitem nicht soviel zu diesen Themen gelesen wie er. Das gilt wohl für die meisten hier. Das kann man doch anerkennen. Deshalb bin ich doch auch hier im Forum, um von anderen etwas zu lernen. Ich verstehe nicht, was immer wieder diese Angriffe sollen.

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  • Zitat

    Christian B.: Bislang konnte ich mit Boulez' Einspielung nicht so viel anfangen, aber nachdem ich heute Früh auf dem Weg ins Büro im Auto den ersten Satz in Konzertlautstärke gehört habe ...


    Ich habe mir auch gerade den 1. Satz im Stream bei Amazon Music angehört und muss sagen: nicht nur von der Zeit her ähnlich wie Chaillys Amsterdamer Aufnahme, auch von der musikalischen Tiefe her. Die Aufnahme steht jetzt auch auf meiner Einkaufsliste, nachdem ich von Boulez bisher nur die Sechste habe.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Ich finde nicht, dass Holger hier im Forum intellektuelle Selbstgespräche führt, weder wenn es um Mahler geht noch wenn es um Regietheater geht. Auf seinen Beitrag hier wurde ja auch sofort wieder von anderer Seite geantwortet. Ich nehme aus seinen Beiträgen immer einiges mit, ich habe auch bei weitem nicht soviel zu diesen Themen gelesen wie er. Das gilt wohl für die meisten hier. Das kann man doch anerkennen. Deshalb bin ich doch auch hier im Forum, um von anderen etwas zu lernen. Ich verstehe nicht, was immer wieder diese Angriffe sollen.

    Volle Übereinstimmung !


  • Dann hast du meine Ausführungen zu Chaillys Leipziger Aufnahmen, z. B. hier über die Neunte in Beitr. Nr. 155, noch nicht gelesen? :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    Sicher, da hast Du recht, William. Ich habe sie natürlich gelesen. Die Leipziger Aufnahmen kenne ich allerdings nicht. Es gibt sie ja wohl auch nur auf DVD, oder? Ich hätte das lieber auf CD, denn Konzerte von einer DVD über das TV-Gerät finde ich nicht so toll.
    Aber zum Glück konnte ich die Siebte mit dem Gewandhausorchester unter Chailly live hören.

  • Lieber Willi,


    da hätten wir uns ja beinahe begegnen können, denn ich war auch 2013 im Gewandhaus zur Mahler 9. Ich kann Deine Einstellung voll und ganz bestätigen. Diese wunderbare Sinfonie, die in meinen Augen stellenweise (besonders im "ersterbenden" 4. Satz) pure Verzweiflung ausdrückt (durchaus in ähnlicher Grundstimmung wie im 3. Satz der 9. Bruckner), gehört zum Ergreifendsten, was je aus der Feder eines Komponisten gekommen ist. Und ich stehe voll dazu, in diesem Konzert an die psychischen Grenzen dessen gekommen zu sein, was Musik bewirken kann. Du wirst Dich dann auch noch erinnern, daß der Applaus erst mit großer Verzögerung verhalten einsetzte, um sich zur Ovation zu steigern. Ein unvergeßliches Erlebnis. Sein Weggang aus Leipzig konnte bisher durch Nelsons noch nicht kompensiert werden, aber er hat ja noch Zeit.

    Dann hast du meine Ausführungen zu Chaillys Leipziger Aufnahmen, z. B. hier über die Neunte in Beitr. Nr. 155, noch nicht gelesen? :D

    Meine erste Begegnung mit Mahler 9 hatte ich zum Mahlerfest 2011, als die Wiener unter Gatti in Leipzig gastierten. Die Eindrücke waren ähnlich wie später mit dem GWO. Ich hätte nicht geglaubt, daß diese Aufführung getoppt werden kann. Sicher auch ein Verklärung an den Mythos "Wiener Philharmoniker", die ich damals zum ersten und bisher einzigen Male erleben durfte. Aber Chailly hat mit den Leipzigern 2013 bestätigt, daß es Momente gibt, wo er und sein GWO sich selbst hinter den Wienern nicht zu verstecken braucht.


    Ich kann nicht auf analytische Begründungen zurückgreifen, da zu Wien ja schon über 6 Jahre vergangen sind. Außerdem habe ich nicht Musik studiert, bei mir bestimmt der Bauch und das Gehirn in Verbindung mit der Enstehungsgeschichte des Werkes, was ich begeisternd finde.


    Inzwischen habe ich die 9. nicht wieder live gehört, ich habe aber Aufnahmen, u.a. mitdem Philharmonia Orchester unter Sinopoli (den ich in Dresden oft erleben durfte).


    Aber bei youtube bin ich fündig geworden mit einer Aufnahme von 2016 mit dem Gustav Mahler Jugendorchester unter dem hier auch manchmal kritisch gesehenen Philippe Jordan.



    Hier spielt kein renomiertes Spitzenorchester, hier spielen junge Musiker, die erst einmal in die erste Reihe drängen. Und sie spielen mit so viel Hingabe, so viel Spannung, daß man sich das durchaus über eine gute Anlage anhören kann (vielleicht sogar sollte). Besonders der 4. Satz hat es mir angetan. Jordan versteht es meisterhaft, zarte Töne zarter als zart zu bringen, das Verklingen zum Schluß hat nicht nur bei mir, sondern auch bei einigen Musikern feuchte Augen entstehen lassen.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Da ich auch keine Partitur zur Hand habe, kann ich nur vermuten: meinst du die Stelle, die nach einem Misterioso klingt und in deren Folge Horn und Flöte in ein beseligendes Duett eintreten? Wenn wir hier einen klassischen Sonatensastz vorliegen hätten, waren wir vermutlich schon in einem möglicherweise als Überleitung zur Coda befindlichen Abschnitt.

    Lieber Willi, nein, ich meine die Stelle, in der das erste, resignative Thema des Satzes nach der zentralen Steigerung, die mit Paukenschlägen endet (bei Chailly/Concertgebouw bei 20:13 - danach seht die Musik für einige Zeit gespenstisch still, die Pauken schlagen weiter) mit den Streichern wieder neu einsetzt (bei 22:13), nun allerdings entwickelt sich das Motiv überraschend weiter und wird umgekehrt, so dass es nicht mehr resignierend, sondern wunderbar tröstend klingt (bei 22:30). Es ist eine Art Reprise.


    Viele Grüße
    Christian

  • Bislang konnte ich mit Boulez' Einspielung nicht so viel anfangen, aber nachdem ich heute Früh auf dem Weg ins Büro im Auto den ersten Satz in Konzertlautstärke gehört habe (ich habe da eine ziemlich brauchbare Dynaudio-Anlage eingebaut), muss ich das dringend revidieren. Die Präzision und das Spiel des Chicago Symphony Orchestras ist elektrisierend! Bin dann noch 10 Minunten auf dem Parkplatz gestanden, um den ersten Satz zu Ende zu hören

    .... ich fand sie beim kurzen Wiederhören auch beeindruckend, lieber Christian. Da merkt man die ungeheure Kompetenz des Komponisten Boulez, was Tonsatz angeht, und hoch expressiv ist es auch noch. Muss ich mir alles noch einmal in Ruhe anhören. Der Chailly wird jedenfalls bestellt! :)

    ich meine die Stelle, in der das erste, resignative Thema des Satzes nach der zentralen Steigerung, die mit Paukenschlägen endet (bei Chailly/Concertgebouw bei 20:13 - danach seht die Musik für einige Zeit gespenstisch still, die Pauken schlagen weiter) mit den Streichern wieder neu einsetzt (bei 22:13), nun allerdings entwickelt sich das Motiv überraschend weiter und wird umgekehrt, so dass es nicht mehr resignierend, sondern wunderbar tröstend klingt (bei 22:30). Es ist eine Art Reprise.

    Das ist eine Art Reprise, klar! :) Davor gibt es ja diese Stelle, die so merkwürdig "indianisch" klingt. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Jetzt habe ich die 9. Symphonie von Gustav Mahler unter Chailly und den Amsterdamern gehört. Und ich habe festgestellt, dass ich die Aufnahme doch schon kannte, David Hurwitz hatte sie seinerzeit sehr gelobt und zu einer seiner drei Referenzaufnahmen erklärt. Warum ich das vergessen hatte? Nun, sie hat mich damals offensichtlich nicht so beeindruckt und tat es auch beim neuen Hören nicht. Sie ist sicher perfekt gespielt und auch hervorragend aufgezeichnet, aber irgendetwas fehlt mir. Ich tue mich schwer zu benennen was, aber mir fehlt so etwas wie eine „persönliche Note“ in der Interpretation. Ja, ich würde sogar fast sagen, sie wurde nicht interpretiert, sondern nur perfekt gespielt. Nun kann man der Auffassung sein, persönliche Noten hätten in einer exzellenten Aufnahme nichts zu suchen, aber mir fehlt sie halt. Ancerl hat sie, Klemperer hat sie, Bernstein sowieso. Mir ist die Chailly Interpretation etwas zu glatt, zu wenig Kanten, zu wenig Profil. Den ersten Satz mag ich auch eine Spur schneller gespielt. Ich weiß nicht, ob er die Symphonie damals erst kennengelernt hat. Vielleicht ist seine Interpretation 10 Jahre später gereift, das müsste man nachhören.
    Wolfgang (Teleton) hat ja auch schon bemerkt, dass ihm Chaillys Mahler nicht zusagt, vielleicht hat er es zu früh aufgenommen? Wobei ich mit Wolfgangs Mahler-Hero Georg Solti auch so meine Probleme habe. Ich erinnere mich jetzt auch, dass mir Chaillys Einspielung von Bruckner 7 nicht gefiel, trotz viel Lob und Preisen. Ich habe sie weggegeben. Das werde ich vermutlich mit den Mahleraufnahmen auch tun. Ich habe einfach zu viel gute andere.

  • Für mich ist es irrelevant, wie hier irgendwelche Leute, die sich jetzt mal auf die Schnelle die Neunte Mahler mit Chailly angehört haben, diese bewerten.


    Ich kenne diese Aufnahme seit Jahren, schätze und verehre sie seit Jahren, und das wird auch so bleiben.


    Solche erbärmlich langweiligen und schlecht aufgenommenen Aufnahmen, wie die von Klemperer, habe ich schon seit Jahren aussortiert.

  • Für mich ist es irrelevant, wie hier irgendwelche Leute, die sich jetzt mal auf die Schnelle die Neunte Mahler mit Chailly angehört haben, diese bewerten.


    Wenn es für Dich irrelevant ist, warum antwortest Du dann sofort darauf und ignorierst es nicht einfach. Und warum bist Du in einem Klassikforum unterwegs, wenn Dich die Meinung anderer Hörer nicht interessiert? Nur um Bestätigungen zu bekommen? ?(


    Es steht Dir doch zu, anderer Meinung zu sein. Das kritisiert doch niemand. Dass die Klemperer-Aufnahme nicht von allen geschätzt wird, ist auch bekannt. Ich kann damit leben. Seit fast 40 Jahren.

  • Da merkt man die ungeheure Kompetenz des Komponisten Boulez, was Tonsatz angeht, und hoch expressiv ist es auch noch.

    Was Boulez wirklich völlig anders macht als bspw. Abbado oder auch Chailly (den ich hier sehr gut finde!): Er schafft eine radikale 'egalité' unter den verschiedenen Istrumentengruppen, niemals forciert er die Streicher oder die Bläser oder was auch immer, alles erklingt gleichberechtigt nebeneinander, bei absolut maximler Durchhörbarkeit. Zudem hält er sich, soweit ich es beurteilen kann, strikt an die Tempoangaben, jedenfalls wirkt bei ihm das Tempo gleichmäßiger und nicht so zugespitzt wie bei Abbado (über den ich diese Symphonie erst zu lieben gelernt habe). Es ist ein sehr klarer, strukturalistische Blick auf diese Symphonie - aber wie es Boulez schafft, gerade damit so aussdurcksstark - das sehe ich wie Du - zu sein, ist mir ein Rätsel. Ich war immer ein wenig vom letzten Satz enttäuscht, muss mir diesen aber auch noch einmal anhören. Die Wucht und unglaubliche Klarheit der Boulez-Aufnahme hat sich mir erst jetzt unter Konzertlautstärke im Auto erschlossen, zu Hause ginge das nicht. Und bei Mahler muss der Klang schon im Raum schwingen, da finde ich Kopfhörer nicht so gut.


    Viele Grüße
    Christian

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