Willi hat heute in seiner Rubrik dankenswerterweise an den 1. Todestag von Jutta Vulpius erinnert, deren Karriere 1954 als Königin der Nacht in Walter Felsensteins Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" an seiner Komischen Oper Berlin begann und sich dann über Jahrzehnte an der Deutschen Staatsoper Berlin fortsetzte.
Hier kann man eine Studio-Einspielung der ersten Arie hören, wohl aus dem gleichen Jahrzehnt wie diese denkwürdige Premiere stammend:
Die Arie ist ja zweiteilig aufgebaut und genauso zweiteilig würde ich sie auch bewerten wollen. Beide Teile verbindet die in diesem Fach zutiefst ungewöhnliche hervorragende Textverständlichkeit.
Im Rezitativ und im "Lamento" könnte die Stimme für meine Ohren etwas ausladender und auch farbiger sein, sie ist sehr schlank geführt und klingt für mich etwas "weiß". Ich finde diesen Klageteil der Arie auch etwas zu neutral, ja beinahe etwas langweilig gesungen - erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sie diese Rolle mit Felsenstein erarbeitet hat. (Das merkt man zumindest noch an der perfekten Textverständlichkeit.)
Mit dem bewegten virtuosen zweiten Teil dieser Arie kommt dann allerdings Leben in die Bude: Die Koloraturgeläufigkeit dieser Stimme ist schon maßstabsetzend! Perfekte Koloraturläufe ohne irgendeinen hörbaren Kraftaufwand, hingegen ganz helle weite Spitzentöne - das, wenn ich meinen Ohren trauen darf, schon ganz große Klasse, auch wenn bezüglich ausrucksmäßigen stimmlichen Gestaltung der Rolle für mich durchaus Wünsche offen bleiben.
Bei ihrer Zerbinetta-Arie, die man auch auf Youtube findet, ist das ganz ähnlich: Besser kann man die eigentlich nicht singen, doch die Ebene der Rollengestaltung und -durchdringung fehlt fast völlig. Nun hat sie die Zerbinetta (auch aus figürlichen Gründen, wie sie mir mal gestand) auf der Bühe nie gesungen - die Königin der Nacht hingegen dutzende Male, nach einer harten und konfliktreichen Probenphase mit Walter Felsenstein. Dass man davon - wohl ein paar Jahre später - nicht mehr so viel hört, erstaunt mich schon etwas. Aber die Vulpius war wohl doch eher die reine Sängerin - obwohl sie an der Staatsoper auch tolle packende Rollenstudien, voran als Violetta, abgeliefert haben soll, wie ich von mehreren Augen- und Ohrenzeugen weiß - baer allein nach den besagten Aufnahmen beurteilt war sie eher eine Sängerin als eine Sängerdarstellerin, mit allem, was auch an stimmlichem Ausdruck dazugehört. Vielleicht kam das auch erst später, als die stimmliche Mühelosigkeit abhanden kam.
Trotzdem höre ich sie in einigen waghalsigen Koloraturpartien (zum Beispiel auch dem Frühlingsstimmen-Walzer, den man ebenfalls bei Youtube findet) und auch in anderen Aufnahmen sehr gerne.
Jedenfalls war und wurde sie nicht Felsensteins Favoritin, das waren eher die Arnold und die Schlemm, und sie zog dann die Konsequenz daraus und wechselte ans "Sängerhaus", die Berliner Staatsoper, wo man sie mit Kusshand nahm und wo sie allein die Konstanze mehr als 100x gesungen hat (neben Ritzmann, Wunderlich, Schreier, Büchner und und und...)
Ich bin gespannt, wie andere das besprochene Beispiel der ersten Königin-der-Nacht-Arie und/oder die weiteren angetippten Beispiele hören.