Regisseurstheater und modernes Orchester

  • Zitat

    Zitat von Don Gaiferos: Dass Vokabeln wie "Missbrauch", "Verstümmelung" "Verunstaltung" natürlich sehr scharf und bisweilen sogar verletzend sind, und eine unsachliche Diskussion erschweren, sehe ich allerdings auch.

    Lieber Don Gaiferos,


    das sehe ich natürlich auch. Aber gibt es für gegebene Tatsachen bessere Ausdrücke? Und glaubst du, dass man mich "weicheren" Formulierungen gegen die häufig absurden Argumente einiger Befürworter dieser Verunstaltungen ankommt? Ich will niemanden der Befürworter belehren, aber auch ich sage meine Meinung mit klaren Worten.
    Wer diese gegen eine Sache (nämlich das Regisseurstheater allgemein) als persönliche Beleidigung ansieht, tut mir leid. Wer sich das anzieht ist es in meinen Augen selbst schuld.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • zu Beitrag 30:
    Die Wissenschaft mag über den Begriff "ästhetisch" soviel hin- und herdiskutieren, so viel sie will. Für mich ist wichtiger, was allgemein darunter verstanden wird.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • zu Beitrag 30: Die Wissenschaft mag über den Begriff "ästhetisch" soviel hin- und herdiskutieren, so viel sie will. Für mich ist wichtiger, was allgemein darunter verstanden wird.

    Die Allgemeinheit mag über den Begriff "ästhetisch" soviel hin- und herdiskutieren, so viel sie will. Für mich ist wichtiger, was wissenschaftlich darunter verstanden wird. - Und das ist jetzt wohl schon dialektisch ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Das hängt natürlich erst einmal davon ab, wann die Oper komponiert worden ist, bei einer Barockoper ist die Diskrepanz der verwendeten Instrumente bei einem modernen Orchester natürlich größer als bei einer Oper aus dem 19. Jahrhundert. Ansonsten, wenn ich Gerhard richtig verstanden habe, meint er, solange die Geige noch eine Geige ist, egal, ob mit Darm- oder Stahlsaiten, ist es OK; wenn aber aus dem Ägypten der Pharaonenzeit eine nationalsozialistisches Land irgendwo in Europa wird, ist dies ein Eingriff in das Werk, der weitaus größer und einschneidender ist als die Frage, ob man eine ältere oder neuere Geige verwendet. Da stimme ich ihm übrigens auch zu.


    Das sehe ich eben anders, und ich bleibe dabei, dass es inkonsequent ist, die Übereinstimmung mit dem Libretto zum Dogma zu erheben und Abweichungen von der Partitur zu ignorieren. Die Unterschiede zwischen modernen und zeitgenössischen Instrumenten sind auch nicht nur bei Barock-Opern groß, sondern auch noch zum Beispiel bei Mozart, wozu ja Hosenrolle1 in den letzten Wochen einiges geschrieben hat.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Bertarido,


    man muss natürlich immer im Blick behalten, was auch machbar und realisierbar ist. Ich ziehe es im Übrigen auch vor, Instrumente aus der besagten Zeit oder Nachbauten zu hören; wo dies jedoch nicht möglich ist (nicht jedes Stadttheater kann mal einfach so einen ganzen Satz neuer Instrumente kaufen und natürlich auch entsprechende Musiker aus dem Hut zaubern, die dafür auch ausgebildet sind), begnüge ich mich mit einem modernen Orchester (wobei auch diese Instrumente ja meistens auch schon in ihrer heutigen Erscheinungsform ihrerseits wieder hundert Jahre und deutlich älter sind.) Wo kein Orchester aufzutreiben ist, habe ich mich auch schon damit zufrieden gegeben, wenn nur eine Klavierbegleitung möglich war (bei seltenen Offenbach-Operetten zum Beispiel).
    Dennoch wäre für mich eine Grenze überschritten, wenn man auf einmal E-Gitarren oder Synthesizer statt Orchester verwenden würde - das könnte ich dann allenfalls noch als Crossover-Experiment goutieren, nicht jedoch als Aufführung eines klassischen Musikstückes bzw. einer klassischen Oper.
    Auch kann ich bei der Inszenierung damit leben, dass vielleicht nicht jedes Theater einen ägyptischen Tempel, Kamele, Pharanonestatuen in Lebensgröße etc. aufbieten kann und will. Aber darum geht es bei Ort und Zeit ja dann auch nicht; das Problem ist ja nicht die Unmöglichkeit, das alte Ägypten, im BEreich des Möglichen, anzudeuten - der Regisseur entscheidet, dass dies unwichtig sei, und verändert Ort und Zeit - das finde ich jedoch einen unnötigen und auch sinnverändernden Eingriff in das Libretto, der für mich schwerer wiegt, als die Instrumente, die womöglich etwas anders klingen, wenn sie neueren Datums sind.

  • Von Unart würde ich also in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Was ich hingegen als eine Unart empfinde, ist bestimmte Sätze eines Beitrages in Fettdruck zu setzen. Das erweckt zumindest bei mir immer den Eindruck, der Schreiber würde mit dem Fuß aufstampfen und schreien. Was ich als eine noch größere Unart empfinde, ist, dem Gegenüber in einer Diskussion eine wie auch immer geartete "Krankheit" zu unterstellen. Das hat mit einer sachlichen Diskussion rein gar nichts zu tun, sondern ist einfach nur rüpelhaftes Benehmen. Ich verbitte mir das ausdrücklich.


    O, what a sissy!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Jawohl, ich werde deine Fragen nicht unbeantwortet lassen. Will aber hier nicht wieder die langen Ausführungen aus Nr. 7 dazu zitieren. Die kann ja jeder, der möchte selbst dort nachlesen.

    Lieber Gerhard,


    vielen Dank für das Eingehen auf meinen Beitrag. Die Annahme, dass du meine "Fragen nicht unbeantwortet" gelassen hast, ist aus meiner Sicht leider völlig unrichtig. De facto hast du keine einzige meiner Fragen beantwortet. Da ich dir keinen bösen Willen unterstellen möchte, stelle ich sie dir noch einmal in aller Deutlichkeit. Zudem möchte ich dir gerne eine fünfte Frage stellen, die sich aus deiner Antwort ergeben hat.




    Wiederholung der 1. Frage, auf die bisher keine Antwort erfolgt ist:

    Ich hatte gefragt, warum du das Wort "Missbrauch" bennutzt, welches ein Wort ist, das in einer ästhetischen Debatte aus meiner Sicht nichts zu suchen hat, sondern ein Wort ist, welches in einem moralischen bzw. juristischen Kontext zu verwenden ist, um zu beschreiben, inwiefern eine Operninszenierung dir gefällt oder nicht gefällt. Deine Antwort war folgende:


    Zitat

    Missbrauch ist für mich ganz einfach, dass Musik und - oft völlig unpassender - Text sowie der Name eines Autors und der titel seines Werkes als Mogelpackung verwendet werden, um irre Phantasien eines Regisseurs vorzuführen und unter diesem Deckmantel unbedarfte Zuschauer ins Opernhaus zu locken.

    Du beantwortest leider in keiner Weise, inwiefern "Missbrauch" eine Vokabel ist, die in der Beschreibung eine ästhetischen Sachverhaltes irgendeine Rolle zu spielen hätte, sondern behauptest einfach, es sei für dich "Missbrauch", wenn ein Regisseur ein Stück so inszeniert, wie es dir nicht gefällt. Das ist natürlich keine ernst zu nehmende Antwort, weil du ja wohl sicher selbst nicht glaubst, dass eine ästhetische Debatte auf deinem Gefallen bzw. Nichtgefallen begründet werden kann. (Alles andere wäre ja reiner Größenwahn.) Aber du gehst noch etwas weiter: Du unterstellst einem Regisseur, der ein Stück so inszeniert, wie es dir nicht gefällt, dass ihm "irre Phantasien" zugrunde liegen würden. Das findet ich persönlich nun sehr problematisch. Ich kann dir nur das wiederholen, was ich zuvor schon "dr. pingel" gesagt habe: Einem Gegenüber, und damit meine ich auch ausdrücklich einen Regisseur, der Werke so inszeniert, wie sie einem persönlich nicht gefallen, "Krankheit" bzw. "Wahnsinn" oder "Irre" zu unterstellen, hat mit Diskussionskultur nichts zu tun, sondern ist einzig und allein rüpelhaftes Benehmen. (Um es mal vorsichtig auszudrücken.) Du bist nicht der "Gesunde", der "irre Phantasien" entlarvt, sondern du bist eine Einzelperson, der eine Inszenierung nicht gefällt. Nicht mehr und nicht weniger.


    Wiederholung der 2. Frage, auf die keine Antwort erfolgt ist:

    Du hattest behauptet, ein Werk, das auf anderen Instrumenten als zur Uraufführung dargeboten werde, sei wiederzuerkennen, eine Inszenierung, die sich nicht an Librettoangaben halte, entstelle das Werk jedoch. Meine Frage war, wer das festlegt. Deine Antwort war wörtlich:

    Zitat

    Wir Liebhaber der echten Werke sind hingegen viel bescheidener. Wir haben - wie schon gesagt - nichts dagegen, dass die echte Handlung mit Mitteln der Modernen Bühnentechnik umgesetzt werden. Wir verlangen nicht, dass jedes Detail in den Regieanweisungen der Partitur auch wörtlich - wie vom Autor beschrieben (und die sind manchmal bis ins kleinste ausführlich) - auch auf der Bühne so zu sehen ist. Aber die Aufbauten und Gegenstände, die in der Handlung eine Rolle spielen, gehören für mich zum Wesentlichen und müssen auch Ort und Zeit der Handlung erkennen lassen.


    Ich denke, wir brauchen nicht darüber diskutieren, dass du nicht beantwortet hast, wer festlegt, ob eine Abweichung des Klanges oder der Optik stärker zu gewichten ist. Darum würde ich dich einfach höflich darum bitten, dass du das nachholst.


    Wiederholung der dritten Frage, auf die keine Antwort erfolgt ist:


    Du hattest behauptet, eine Violine sei eine Violine, egal aus welcher Zeit sie stammt und egal wie sie klingt. Ich hatte gefragt, warum du diese historische Abweichung tolerierst, aber bei einem Haus auf der Bühne, das kein Fachwerkhaus ist, sondern ein Plattenbau ist, diese historische Abweichung nicht tolerierst. Deine Antwort war folgende:


    Zitat

    Wenn es dir gleichgültig ist, wenn der Sänger vom Schwert spricht und ein Maschinengewehr zieht. Wenn du tatsächlich glaubst, das es z.B. zu Caesars Zeiten schon Stahlhelme, Panzer, Maschinengewehre und Raketen gab, dann tut es mir leid und sei dir dieser Glaube belassen. Für mich aber sind das alles Verfälschungen dieses und ähnlicher Werke.


    Anstatt meine Frage zu beantworten, unterstellst du mir, ich wisse nicht, dass es zu Caesars Zeiten noch keine Stahlhelme und Maschinengewehre gab. Das ist zwar eine ziemliche Unverschämtheit, aber leider keine Antwort auf meine Frage. Ich bitte dich, diese nachzureichen.



    Wiederholung der vierten Frage, auf die es keine Antwort gab:


    Ich hatte dich gefragt, was du mit einer "billigen Nutte" meinst. Deine Antwort war wörtlich folgende:


    Zitat

    Ich will nichts gegen Prostituierte sagen, die mir eher leid tun. Aber wenn ein Regisseur das Wesen der "Carmen" - wie ja schon geschehen - als Nutte im Puff sieht, dann hat er die "Carmen" in meinen Augen völlig verkannt. Und da gibt es eigentlich kein besseres Wort als "billig".

    Offensichtlich willst du mich davon überzeugen, dass bei dir in erster Linie sprachliches Unvermögen vorliegt. Du meinst also nicht, dass die Nutte billig ist, sondern der Regisseur, bzw. die Inszenierung. Dann müsstes du aber vom "billigen Regisseur" oder der "billigen Inszenierung", nicht aber von der "billigen Nutte" sprechen. Daher noch mal meine Nachfrage: Bist du sprachlich nicht in der Lage, auszudrücken, was du meinst und siehst das ein und nimmst daraus folgend den Ausdruck "billige Nutte" zurück?



    Fünfte Frage, die sich aus deinem Antwortbeitrag ergibt:


    Du schreibtst wörtlich:


    Zitat

    Wir Liebhaber der echten Werke sind hingegen viel bescheidener. Wir haben - wie schon gesagt - nichts dagegen, dass die echte Handlung mit Mitteln der Modernen Bühnentechnik umgesetzt werden. Wir verlangen nicht, dass jedes Detail in den Regieanweisungen der Partitur auch wörtlich - wie vom Autor beschrieben (und die sind manchmal bis ins kleinste ausführlich) - auch auf der Bühne so zu sehen ist.

    Ich muss gestehen, dass ich von der Verwendung des Wortes "wir" etwas irritiert bin. Meine Frage daher: Bist du in diesem Forum ein gekröntes Haupt, welches mit Recht den majestätischen Plural verwenden kann? Oder bist du der gewählte Sprecher einer Gruppe, für die du sprichst? In allen anderen Fällen fände ich nämlich im Rahmen einer Meinungsäußerung die Verwendung von "wir" statt "ich" als anmaßend, um nicht zu sagen als größenwahnsinnig. Mit der Bitte um schnelle Aufklärung!



    Ganz herzliche Grüße,


    Melomane

  • Zitat

    Zitat von Don Gaiferos: Aber darum geht es bei Ort und Zeit ja dann auch nicht; das Problem ist ja nicht die Unmöglichkeit, das alte Ägypten, im BEreich des Möglichen, anzudeuten - der Regisseur entscheidet, dass dies unwichtig sei, und verändert Ort und Zeit - das finde ich jedoch einen unnötigen und auch sinnverändernden Eingriff in das Libretto, der für mich schwerer wiegt, als die Instrumente, die womöglich etwas anders klingen, wenn sie neueren Datums sind.

    Lieber Don Gaiferos,


    ich meine, es ist heute auch für das kleinste Theater keine Unmöglichkeit, mit den Mitteln unserer Zeit (Projektionen, Vorhänge usw.) das alte Ägypten anzudeuten und auch für mich sind diese willkürlichen Eingriffe in die Handlung des Werkes weit schwerwiegender als die um geringe Nuancen anders klingenden Instrumente. Für mich sind sie ein ebenso eklatantes Vergehen gegen das Werk als wenn der Dirigent das Orchester mit Akkordeon, Saxophon, E-Gitarren und Synthesiser statt mit Violinen, Flöten, Hörnern, Trompeten usw. besetzen würde. Und wie schon gesagt, die Nuancen im Klang hat es gewiss auch zu den Entstehungszeiten der Werke gegeben, denn die Instrumente waren wohl auch damals aus unterschiedlichen Werkstätten.
    Aber die Diskussion mit den Befürwortern des Regisseurstheaters wird fruchtlos bleiben und wir wollen sie auch nicht, wie es umgekehrt geschieht, belehren und missionieren, was mich aber nicht daran hindern soll, die Missstände dieses Übels immer wieder aufzuzeigen und anzuprangern.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Melomane,


    wenn du meine Antworten anders verstehen willst, kann ich dir auch nicht helfen. Ich habe deine Fragen genauso verstanden, wie ich sie beantwortet habe.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Lieber Melomane,


    wenn du meine Antworten anders verstehen willst, kann ich dir auch nicht helfen. Ich habe deine Fragen genauso verstanden, wie ich sie beantwortet habe.


    Lieber Gerhard,


    ich denke, ich habe mich sehr ausführlich darum bemüht, dir klarzumachen, inwiefern du meine vier Fragen nicht beantwortet hast. Die fünfte, die ich erst in meinem letzten Beitrag gestellt habe, kannst du ja zuvor noch gar nicht beantwortet haben. Ich bitte dich daher sehr herzlich, insbesondere, da ich ja aus deinen vorangegangenen Beiträgen weiß, wie wichtig dir eine Beantwortung deiner Fragen ist, dies nachzuholen.


    Herzliche Grüße,


    Melomane

  • ich denke nur, dass es bei extremen Abweichungen richtig wäre, man würde z. B. dann das Ganze nicht "Verdis Aida" nennen, sonden "Aida nach Motiven von Giuseppe Verdi" - eine solche Inszenierung könnte sich dann größere Freiheiten nehmen

    Glaubst Du wirklich, lieber Don, dass das ein Ernst zu nehmender Vorschlag ist? Das bedeutet nämlich einmal ästhetisch, dass Regiesseure, die eine andere Theatertauffassung haben als Du und deshalb ihre verändernde Inszenierung als Interpretation von Verdi ansehen und nicht Eigenkomposition, dazu gezwungen werden, Deine Auffassung zu übernehmen. Damit sprichst Du Ihnen das Recht ab, selber zu bestimmen, wo sie die Grenze von Interpretation und Neuschöpfung setzen. Es ist völlig klar, dass die betroffenen Künstler das als Entmündigungsversuch werten und mit Empörung ablehnen werden. Dann kommt die politische Seite: Wenn man sagt, eine bestimmte Theatertauffassung interpretiert ein Werk nicht mehr und ersetzt es durch ein anderes, dann erfüllt es den Bildungsauftrag nicht und wird entsprechend wie ein Kompositionsauftrag behandelt, der bekanntlich selten vergeben wird. Das bedeutet dann nichts anderes, dass die betreffenden Regisseure Aufführungsverbot, sprich Berufsverbot erhalten, weil sie praktisch keine Inszneierungsaufträge, die mit öffentlichem Geld gefördert werden, bekommen. (Man könnte jetzt etwas boshaft fragen: Ist es nicht genau das, was die RT-Gegner eigentlich wollen?) Das ist dann ein Kahlschlag der Theaterkultur mit der Sense, wo statt Vielfalt als legitime Inszenierung nur das übrig bleibt, was sich RT-Gegner unter einer "richtigen" Operninszenierung vorstellen.


    Weil es ja um einen Vergleich mit Instrumentalmusik geht. E.T.A. Hoffmann hat bekanntlich Beethoven und Mozart für "rein romantische" Komponisten gehalten. Entsprechend romantisiert dieser bekannte Herr hier:



    Mozarts Musik und spielt ihn mit der Klangästhetik eines Schubert. Dann müsste also auf der CD eigentlich "Brendel nach den Motiven von Mozart" stehen (Brendel "verunstaltet" auch noch Mozart, denn er lässt sämtliche Expositionswiederholungen weg. Auch das noch!).

    Man kann natürlich alle möglichen Gegebenheiten abstrahieren, nach dem Motto, "ob Schwert oder Maschinengewehr, ist doch egal, Waffe ist Waffe" (ich gebe das in einem vorherigen Post genannte Argument etwas freier wieder), allerdings denke ich, dass eine solche Abstrahierung oder Generalisierung die Gefahr in sich birgt, dass alles austauschbar und beliebig wird. Dann reduziert sich alles in letzter Konsequenz auf allgemeine Plots wie "Frau liebt Mann und umgekehrt, beide sterben tragisch" - nur weiß man dann nicht mehr, ob es um "Romeo und Julia" oder "Aida" geht...

    Das ist nun einfach von vorne bis hinten falsch! Was Du hier schreibt, ist wirklich eine "verunstaltende" Karrikatur von Schiller um Wischniewskis Lieblingsvokabel aufzugreifen, wozu Melomane das Richtige gesagt hat. Das Schwert könnte in der Tat auch ein Maschinengewehr sein. Es ist eben nicht ein wirkliche Waffe, sondern ein Symbol. Das hat aber mit Beliebigkeit gar nichts zu tun. Und man weiß eben sehr wohl, dass Wotan Wotan ist, auch wenn er nicht als Gott, sondern als Kapitalist auf der Bühne erscheint. Wotan wird ja nicht umbenannt in Bill Gates oder Trump, sondern es wird lediglich vom Zuschauer verlangt, dass er reflektiert und sich fragt: Wer ist eigentlich dieser Wotan, von dem die Rede ist? Ist er nicht der Gottherrscher in einer Religion des Geldes?

    Ort, Zeit, Identität, Namen sind für mich mehr als nur schmückendes Beiwerk oder Kolorit, sie sind für mich sinnstiftende, charakteristische Faktoren, die nicht einfach entbehrlich und austauschbar sind.

    Neben wir doch einmal Aida:


    Wikipedia:


    Zum Festakt[3] der Eröffnung des Suezkanals 1869 und zur Eröffnung des neuen Khedivial-Opernhauses in Kairo[4] wurde an Giuseppe Verdi der Auftrag vergeben, eine Hymne zu komponieren. Verdi wurde zwar vom regierenden Khediven Ismail Pascha, der europäisch erzogen worden war, und dessen Operndirektor darum gebeten, lehnte aber mehrfach ab. Daher wurde das Opernhaus mit Verdis Rigoletto eröffnet.[5] Trotzdem wünschte der Khedive die Neukomposition einer Oper „in ausschließlich ägyptischem Stil“ für das neue Theater.


    Schließlich verfiel der Gründer der ägyptischen Antikenverwaltung und in Kairo lebende Ägyptologe Auguste Mariette auf eine Idee. Er hatte 1869 das Libretto für eine im Alten Ägypten spielende Oper namens Aida verfasst. Dieses ließ er in mehreren Exemplaren drucken und schickte es an Verdis früheren Librettisten und Manager der Pariser Opéra-Comique, Camille du Locle. Dieser übergab das Libretto mit einer Handlungsskizze als Entwurf eines Opernszenars an Verdi mit dem Wink, dass man, wenn er nicht in das Projekt einsteige, es seinem Konkurrenten Wagner antragen würde. Verdi war danach geneigt, sich mit dem Werk zu beschäftigen. Er hielt das Libretto für geeignet, verhandelte das Honorar und begann mit der Komposition.[3]


    Warum also Ägypten? Das hat etwas mit einem Auftrag zu tun, mit dem Zeitalter des Kolonialismus und des Nationalismus, dass die Ägypter eine Oper haben wollten, wo ähnlich wie Wagner einen deutschen Mythos stiften wollte den Ägyptern ihr Ägypten-Mythos gegeben werden sollte, so dass sich ihr Nationalstolz daran entzünden kann. Verdi selbst fand das alles gar nicht lustig:


    „Eine Oper für Kairo komponieren!!! Puh! Ich gehe nicht hin, sie zu inszenieren, weil ich fürchten müsste, dort mumifiziert zu werden. Ich muss Euch jedoch sagen, dass der Vertrag noch nicht unterschrieben ist. Aber da meine Bedingungen – und die waren hart – telegrafisch akzeptiert worden sind, kann man ihn für abgeschlossen halten. Wenn mir jemand vor zwei Jahren gesagt hätte, ‚du wirst für Kairo schreiben‘, hätte ich ihn für einen Verrückten gehalten, aber jetzt sehe ich ein, dass ich der Verrückte bin.“


    Er hat schließlich nachgegeben, weil man ihn mit viel Geld erpresst hat und der Drohung, den Auftrag an seinen Konkurrenten Wagner zu vergeben. Diese Kränkung seiner Komponisten-Eitelkeit konnte Verdi schließlich nicht ertragen. Sehr viel Geld (150000 Goldfranken) zu bekommen, schmeichelt ungemein und lässt vieles vergessen.


    Das alles, behauptest Du nun, sind "sinnstiftende Faktoren" der Handlung, die nicht austauschbar seien? Was habe ich als Zuschauer von heute mit dem Nationalstolz der Ägypter im 19. Jhd. am Hut und der Eitelkeit und Profitgier eines Komponisten, der sich zu dieser Auftragskomposition hat nötigen lassen, die er eigentlich gar nicht wollte?


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich bin ein wenig in Eile, danke Dir jedoch für Deine ausführliche Antwort und möchte zumindest kurz auf Deine Punkte eingehen:
    ich denke schon, dass z. B. Bach in der Version des Jacques Loussier Trios phantastisch klingt - aber niemand würde ernsthaft behaupten, dass dies ein "klassisches" Konzert sei, sondern man würde es -wie er auch selbst- als Jazz-Konzert bezeichnen. Ähnliches sehe ich im Bereich der Inszenierung. Natürlich will ich niemanden entmündigen oder gar ein indirektes Berufsverbot erteilen - man müsste die Rahmenbedingungen schaffen, die Regisseuren weiter ihre freie kreative Auslegung ermöglichen, jedoch dem Operngänger deutlich signalisieren, dass dies eine Arbeit ist, die sich in der Tat von den Beschreibungen, die das Libretto vorgibt, in gewissem Maße entfernt.


    Die Tatsache, dass insbesondere Symbole eine ganz spezifische Bedeutung haben, ist doch genau der springende Punkt, lieber Holger. Ein Schwert hat ganz andere Konnotationen als ein Maschinengewehr, oder nicht? So schlage ich doch jemanden mit einem Schwert zum Ritter, nicht mit einem Maschinengewehr, beispielsweise. Und ja: ich sehe tatsächlich die Gefahr, dass Wotan nicht mehr als göttliche Figur, sondern als etwas ganz anderes dargestellt wird, was dann zwar auch interessant sein mag, allerdings doch von der ursprünglichen Figur in ihrer Eigentümlichkeit weit entfernt ist. Und wenn man Wotan v.a. als Boss einer kapitalistischen Konsumsekte sieht, greift man einen Aspekt dieser Figur auf, die man auch in einer anderen Weise darstellen könnte als in einer modernen, denke ich - Geldgier und Besitzstreben könnte auch eine historisierende Darstellung vermitteln.


    Dass Verdi die Oper zähenknirschend geschrieben hat, ist wohl wahr - aber er hat sie nun mal in Ägypten situiert, dies war ja schließlich auch so gewünscht. Daher ist es natürlich höchst spekulativ, wenn man sich fragt, ob er nicht lieber eine Oper über ein anderes Land geschrieben hätte - das mag wohl sein, aber letzten Endes hat er sich nun doch einmal festgelegt, und wenn ich ein Sonnett schreibe, aber eigentlich lieber eine Ballade verfasst hätte, bleibt ungeachtet der Entstehungsbedingungen das Sonett doch ein Sonett - nicht?


    Nur um es nochmal zu unterstreichen, ich verwende die Vokabel der Verunstaltung etc. nicht, will auch nicht das RT unterbinden oder jemanden entmündigen, trotz meiner Vorbehalte gegenüber RT finde ich einen sachlichen, respektvollen Umgang in dieser Debatte, der hier zurecht eingefordert wird, sehr wichtig.


    Aber da habe ich mit Dir, lieber Holger, ja auch nie Probleme, sondern freue mich trotz unterschiedlicher Meinung immer über den Austausch mit Dir, da viele Deine Gedanken durchaus zum Nachdenken anregen und interessant sind.


    liebe Grüße

  • Lieber Hans Heukenkamp,
    auch ich habe mir diesen Lohengrin aus der Scala angetan. Das ist 5 Jahre her, und in meiner Erinnerung ist nur eines geblieben: Lohengrin (Kaufmann, dessen Gesang ich hier nicht bewerten will) litt offensichtlich unter Epilepsie. Es hat mich erheblich gesört (und nur das ist mir in Erinnerung geblieben), daß er sich ständig unter Anfallserscheinungen auf dem Boden wälzte, wohl Schaum vor dem Munde hatte und offensichtlich nicht ganz gesund war, ja sogar ziemlich krank.
    Daß sich Elsa diesen Mann in ihren Träumen vorstellte mit der Mission, sie zu retten, daß erscheint abwegig. Wenn eine Frau von einem starken Mann träumt, dann hat der nicht gebrechlich zu sein. Und wenn er sie retten soll ("er soll mein Streiter sein"), dann besteht doch eher die Gefahr, daß es ihm im entscheidenden Moment des Kampfes mit Telramund gerade wieder einmal schlecht wird. Ich hätte es ja noch verstanden, wenn an dieser Stelle eine Werbung erschienen wäre mit dem Text "das passiert Ihnen nicht, wenn Sie bei doc Morris das richtige und preiswerte Medikament kaufen". Dann hätten wir das hier im Satirethread besprechen können. Aber so muß ich Gerhard voll zustimmen
    Arme Elsa, das konnte von vornherein nichts werden. Und so ist das meine einzige Erinnerung an diesen Lohengrin. Eigentlich traurig.
    Herzlichst La Roche
    PS: Gerade habe ich den Beitrag von MSchenk gelesen. Frage an Dich: Würdest Du diesen tappeligen Lohengrin als Streiter für Deine Probleme haben wollen??


    Lieber La Roche,
    immer noch angeregt vom gestrigen Lohengrin in der Deutschen Oper möchte ich zwei Dinge zu bedenken geben:
    Die Verknüpfung zur Epilepsie - wenn man die Zuckungen bei der Ankunft Lohengrins so deuten will - ist nicht unplausibel. Im Altertum wurde die Krankheit als von Gott gesandt gesehen. Die Verbindung zum von Gott gesandten Lohengrin ist also ohne Umwege herzustellen.
    Auch wenn man die Epilepsie als Krankheit gar nicht sehen will, kann man die Krämpfe angesichts der unlösbaren Aufgabe, der der Held sich gegenüber sieht und in die er sich tiefer verwickelt, als es sein Auftrag ist, für einen sprechende Idee der Regie halten, um diese Überforderung darzustellen.


    Ich will aber anmerken, daß mich die pessimistischen Sichtweisen auf den L. immer schon besonders überzeugt haben und ich es dann berechtigt finde, fatale Zeichen auch schon im ersten Akt zu zeigen.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber Melomane,


    ich will deine fünfte Antwort noch schnell beantworten, auch wenn dir die Antwort nicht gefällt. Ich sehe mich sowohl hier wie auch im Freundes- und Bekanntenkreis in einer großen Menge von Leuten, die diese Verunstaltungen (ich bleibe bei den Tatsachen!) genauso sehen wie ich. Das wird mir hier - wenn du richtig nachgelesen hast - auch immer wieder bestätigt. Deswegen darf ich wohl auch - nicht als Vertreter - sondern als Mitglied einer großen Gemeinschaft das Wort "wir" gebrauchen. Wenn du das anders siehst, meinetwegen.
    Solange und die Befürworter des Regisseurstheater die Mätzchen und Entstellungen, die sich diese Regisseure bei fremden Werken erlauben, nicht konkret in allen Einzelheiten erklären können, werde ich mich auf reine theoretische pseudowissenschaftliche Erörterungen hier nicht mehr einlassen, was mich aber nicht hindern wird, solche Entstellungen hier immer wieder aufzuzeigen. Für mich ist das Thema jetzt abgeschlossen.


    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber La Roche,
    immer noch angeregt vom gestrigen Lohengrin in der Deutschen Oper möchte ich zwei Dinge zu bedenken geben:
    Die Verknüpfung zur Epilepsie - wenn man die Zuckungen bei der Ankunft Lohengrins so deuten will - ist nicht unplausibel. Im Altertum wurde die Krankheit als von Gott gesandt gesehen. Die Verbindung zum von Gott gesandten Lohengrin ist also ohne Umwege herzustellen.
    Auch wenn man die Epilepsie als Krankheit gar nicht sehen will, kann man die Krämpfe angesichts der unlösbaren Aufgabe, der der Held sich gegenüber sieht und in die er sich tiefer verwickelt, als es sein Auftrag ist, für einen sprechende Idee der Regie halten, um diese Überforderung darzustellen.


    Ich will aber anmerken, daß mich die pessimistischen Sichtweisen auf den L. immer schon besonders überzeugt haben und ich es dann berechtigt finde, fatale Zeichen auch schon im ersten Akt zu zeigen.

    Lieber Hans Heuenkamp, liebe Taminomitstreiter


    im ewigen Streit zwischen zwei unversöhnlichen Parteien hilft eigentlich nur eines, nämlich der sachliche Diskurzs an aktuellen Beispielen. Beide Parteien sollten gesehen haben, über was gesprochen wird.


    Im Beitrag 3 dieses Threads hat MSchenk einen Link eingestellt, worin sachlich Arguemnte und Gegenargumente angebracht wurden, gerade am Beispiel des Mailänder Lohengrins. Ich habe geschrieben, was mir nicht gefallen hat, und MSchenk hat seine sachliche Meinung dazu gegengestellt. So stelle ich mir Diskussionen vor. MSchenk zeichnet sich durch einen sachlichen, nicht beleidigenden und korrekten Stil aus, einen Stil, den ich bei vielen anderen hier vermisse. Vielleicht kannst Du da nochmals nachlesen, MSchenk hat das gut verlinkt.


    Herzliche Grüße


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich sehe mich sowohl hier wie auch im Freundes- und Bekanntenkreis in einer großen Menge von Leuten, die diese Verunstaltungen (ich bleibe bei den Tatsachen!) genauso sehen wie ich. Das wird mir hier - wenn du richtig nachgelesen hast - auch immer wieder bestätigt. Deswegen darf ich wohl auch - nicht als Vertreter - sondern als Mitglied einer großen Gemeinschaft das Wort "wir" gebrauchen. Wenn du das anders siehst, meinetwegen.

    Lieber Gerhard,


    ich denke, jeder von uns hat Bekannte, die in einigen Punkten die eigene Meinung teilen. So auch du. Das berechtigt dich aber nicht, deiner hier vertretenen Einzelmeinung scheinbar mehr Gewicht zu verleihen, indem du durch die Verwendung von „wir“ statt „ich“ vortäuscht, deine Meinung sei mehr wert als die des Diskussionspartners, weil sie die Meinung einer Gruppe und nicht die einer Einzelperson sei. Ich halte dieses Verhalten von dir für eine Verfälschung der Diskussion und bitte dich herzlich darum, dies in Zukunft - im Sinne einer guten Diskussionskultir - zu unterlassen.
    Die zweite Verfälschung, die du vornimmst, ist, dass du das, was du „Verunstaltungen“ nennst als eine Tatsache ausgibst. Es ist aber keine Tatsache, dass eine Opernaufführung, die dir nicht gefällt eine „Verunstaltung“ ist, sondern deine persönliche Meinung.
    Andere sehen das anders, u.a. übrigens der Gesetzgeber, für den eine derartige Aufführung nicht eine „Verunstaltung“ ist, sondern unter die Kunstfreiheit fällt. Von Tatsache kann also gar keine Rede sein.
    Ich bitte dich daher sehr herzlich, im Sinne einer guten Diskussionskultur, auf derartige Verfälschungen durch scheinbare Objektivierungen deiner persönlichen Meinung zu verzichten.
    Des weiteren bitte ich dich herzlich um die Beantwortung meiner in Beitrag 7 gestellten Fragen, die du, wie ich in. Eintrag 37 dargelegt habe, bisher nicht oder nur unzureichend beantwortet hast.


    Ganz herzliche Grüße,


    Melomane

  • Lieber MDM,


    für diesen Beitrag meinen herzlichen Dank. Ich gehöre zu denen, für die Oper lange Zeit ein Lebensinhalt war. Sicher 150-200 verschiedene Opern (ich hab nicht gezählt, es können auch mehr sein) habe ich live erlebt, manche sicher bis zu 10 mal. Mein Radius bewegte sich von Dessau über Leipzig bis Dresden, weiter über Chemnitz, Plauen, Gera, Weimar, Erfurt und Eisenach bis Meiningen und Rudolstadt/Saalfeld.


    Trotz meines fortgeschrittenen Lebensalters habe ich dieses große Hobby leider aufgeben müssen. Nicht, weil mich gesundheitliche oder finanzielle Gründe hindern würden, sondern weil die Art, heute Oper zu zelebrieren, mich zutiefst abschreckt. Ich habe jahrelang Premierenanrecht gehabt, teilweise an mehreren Theatern gleichzeitig, aber je mehr ich von diesen Inszenierungen sehen mußte, die von Zeitverlegung bis Sinnentstellung, von Ekelinszenierungen bis ins Absurde führten, da wurde mir mein Geld zu schade. Ich habe alle Anrechte gekündigt und gehe nur noch in solche Inszenierungen, bei denen mich im Internet eingestellte Trailer davon überzeugen, mich nicht ärgern zu müssen. Leider sind das im genannten Radius höchstens 2-3 Opern im Jahr. Alles andere gehört zu den Insznierungen, die ich nicht sehen will. Damit will ich aber nicht leben, deshalb kämpfe ich gemeinsam mit Taminos, aber auch mit der Hannoveraner Initiative von Frau Prof. Gilles (zu der sich z.B. auch Bernd Weikl bekennt) für eine Veränderung.


    Hier im Forum wird von beiden Seiten nicht immer sachlich diskutiert. Wie es gehen könnte, zeigt Deine Verlinkung zur Diskussion über den Mailänder Lohengrin (siehe auch Beitrag 3 dieses Threads). Die Diskussion ändert zwar nichts, sie zeigt aber, wie man sachlich miteinander reden kann, wenn auch die Antwort von MSchenk meine Fragen nicht lösen konnte. Im Gegensatz dazu kommt es immer wieder zu persönlichen Angriffen und unnützen philosophischen Aussagen, die meine Abneigung nicht beseitigen, sondern vertiefen. Ich will in der Oper vergessen, was in der Welt an Schlechtem passiert, und im Nabucco z.B. nicht (wie erlebt) auf den Krieg im nahen Osten hingewiesen werden. Dazu reichen mir die Nachrichten. Ich wäre schon zufrieden, wenn ich jeden Monat einmal in die Oper gehen könnte. Nun mache ich das Beste daraus, meine Frau und ich ziehen uns fein an (was wir in der Oper auch immergetan haben, weil das für uns immer etwas Besonderes war!) und gehen lieber essen, als uns über einen Ring auf dem Alex oder der Route 66 zu ärgern.


    Herzlichst und nochmals danke


    La Roche (der in der Oper Capriccio über die Theatermacher sagt "sie höhnen das Alte, aber sie schaffen nichts Neues")

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Melomane: Wunderbar

    ???????

    was ist daran wunderbar???
    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    es gibt nichts, wofür Du Dich bei mir bedanken müsstest. Ich habe nur in einem in der Wortauswahl etwas einfacheren bzw. klareren Stil wie hier sonst oft üblich versucht auszudrücken, wie meine Meinung zum bekannten Sachverhalt aussieht.


    Dass die Jüngeren schlechte Chancen haben,sich einmal Stücke im traditionellen Aufführungsstil anzusehen, habe ich schon kritisiert und operus und Don Gaiferos pflichteten mir da im wesentlichen bei. ( Übrigens ist "jung " in diesem Zusammenhang relativ, da viele erst mit 40/50+ auf den (Opern)-Geschmack kommen, man ist dann immer noch ein " Jüngling" in dieser Hinsicht. ;)


    Andererseits bedauere ich auch die älteren Semester, die quasi im Spätherbst oder Winter ihres Lebens stehen, dass es dieser Generation so schwer gemacht wird, ihre geliebten klassischen Meisterwerke in Wohnortnähe zu sehen, wie sie es über Jahrzehnte ganz selbstverständlich immer gewohnt waren. Sie haben dazu leider nicht mehr viele Gelegenheiten.


    Ab einem bestimmten Alter will man auch ganz einfach bestimmten Gewohnheiten nicht mehr ändern, auch wenn man dafür gescholten, belächelt oder angemacht bzw. als doof, denkfaul oder "unbelehrbar" abgekanzelt wird.


    Die ältere Operngängergeneration sollte einfach ein gewisses Anrecht darauf haben, den gewohnten klassischen Genuss geboten zu bekommen, ohne sich dafür immer rechtfertigen zu müssen.


    Klamauk wird schließlich ständig und überall geboten , in allen Medien, Kanälen in unzähligen Varianten und rund um die Uhr. Da braucht es dieses Treiben nicht auch noch zu so einem hohen Prozentsatz ausgerechnet an öffentlich geförderten Kulturhochburgen wie Opernhäusern und Theatern. (Wobei ich nicht jede moderne Operninszinierung Klamauk nennen würde, es gibt hin und wieder auch passable und akzeptable Zwischen-und Kompromissvarianten.) Irgendwann wird es ganz sicher auch wieder den umgekehrten Trend geben, wenn die Leute die Nase voll davon haben, und es wird dann wieder vielleicht öfter mal "oldschool classic opera" gegeben werden. Leider kann es dann für viele von uns schon zu spät sein.


    Es bleibt mir jetzt für mich nur noch Dich, lieber La Roche, und alle anderen ähnlich denkenden Taminos ganz herzlich zu grüßen und uns zu wünschen, dass wir doch noch den einen oder anderen schönen Opernabend genießen können.
    :hello:
    Freundlich,


    MDM

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

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  • ein Haus ist schließlich ein Haus


    Mit Verlaub, das scheint mir doch eine sehr kindliche Sichtweise ...
    In der Denkmalpflege wird meist sehr darauf geachtet, dass da mit alter Bausubstanz kein Schindluder getrieben wird.
    Wenn die Fassade neu gestrichen wird, schabt man so lange herum, bis in der hintersten Ecke die Originalsubstanz gefunden wird und in diesem Farbton erfolgt der Neuanstrich.


    Bei Opern, wird das natürlich ganz anders gehandhabt, da konnten sich fortschrittliche Kräfte durchsetzen ...
    Schau´n mer mal, was draus wird. Über das mir nächstliegende Theater schrieb die Zeitung in diesen Tagen:
    Das Nationaltheater Mannheim (NTM) hat in der vergangenen Spielzeit 18 000 Besucher weniger erreicht als noch ein Jahr zuvor, besonders betroffen war übrigens die Oper.

  • Die Tatsache, dass insbesondere Symbole eine ganz spezifische Bedeutung haben, ist doch genau der springende Punkt, lieber Holger. Ein Schwert hat ganz andere Konnotationen als ein Maschinengewehr, oder nicht?

    Da hast Du Recht, lieber Don. Ich bin auch kein Freund von Gewaltsamkeiten - deshalb schätze ich z.B. Claudio Abbado, der subtil vorgeht und nicht "krachende" Lösungen bevorzugt, nur um die größte Wirkung zu erzielen. Es kommt in der Tat auf den Kontext an.

    So schlage ich doch jemanden mit einem Schwert zum Ritter, nicht mit einem Maschinengewehr, beispielsweise.

    Richtig. Aber: Ich erinnere mich an eine schöne Ballett-Inszenierung in Düsseldorf, das ist allerdings schon urlange her. Das war von Bela Bartok "Der wunderbare Mandarin". Das ist ein expressionistisches Stück mit schon sehr "schreiender" Musik. Passend zur grellen Musik waren die Tänzer als Punks verkleidet und das Bühnenlicht war grelles Neon. Dann erscheint der expressionistische "neue Mensch", der Mandarin. In der originalen Regieanweisung steht, dass er mit dem Samurai-Schwert erstochen wird, in Düsseldorf haben sie ihn aber mit der Pistole erschossen. In diesem Fall war das schlüssig, denn Punks, die einen "Fremden" mit einem Samurai-Schwert ins Jenseits befördern wollen, das wäre einfach nur lächerlich gewesen. Die Pistolenschüsse auf der Bühne erschrecken natürlich, aber wirken so organisch-natürlich in diesem aufreizenden expressionistischen Kontext, dass man auch meinen könnte, das alles steht so in der Regieanweisung, wenn man es nicht besser weiß. Wenn man also dieses Gefühl hat, dass alles so zusammenpasst und nicht irgendein "Krampf" da ist, mit Gewalt etwas Provozierendes machen zu wollen, dann finde ich das in Ordnung.

    Und ja: ich sehe tatsächlich die Gefahr, dass Wotan nicht mehr als göttliche Figur, sondern als etwas ganz anderes dargestellt wird, was dann zwar auch interessant sein mag, allerdings doch von der ursprünglichen Figur in ihrer Eigentümlichkeit weit entfernt ist. Und wenn man Wotan v.a. als Boss einer kapitalistischen Konsumsekte sieht, greift man einen Aspekt dieser Figur auf, die man auch in einer anderen Weise darstellen könnte als in einer modernen, denke ich - Geldgier und Besitzstreben könnte auch eine historisierende Darstellung vermitteln.

    Wagner ist ein interessanter Fall. Ich gehöre ja zu denjenigen, die Wagner als Schriftsteller und vor allem als Musiktheoretiker Ernst nehmen - ich halte ihn für wirklich bedeutend. Gerade Wagner zeigt, dass es eben nicht reicht, nur das Libretto als Maßstab zu lesen. Erst einmal ist in Wagners Selbstverständnis der Stoff des musikalischen Dramas nicht historisch, sondern ein Mythos. Das ist das eine. Das andere ist die Bedeutung eben dieses Mythos. Wenn sich konservative Wagnerianer über Chereau aufregen, ist das insofern lustig, als sie damit zeigen, dass sie zwar regelmäßig in die Oper gegangen sind, aber Wagners Schriften nicht Ernst genommen haben. Wenn man nämlich Wagners Ausführungen zum "Mythos" liest, dann ist das ziemlich entlarvend und desillusionierend. Wagner ist nämlich so gar kein Romantiker, sondern ein Positivist und aufgeklärter Modernist, für den das mythische Zeitalter unwiederbringlich vergangen ist. Wenn er also so einen Mythos auf die Bühne bringt, dann ist das im Grunde bloße Allegorie für etwas ganz unmythisch Menschliches. So jemand wie Chereau hat letztlich einfach nur gezeigt, dass diese Götter-Geschichte gar keine Götter-Geschichte ist, wie man es bei Wagner selbst auch lesen kann. Es ist natürlich so, dass der "Ring" ein unglaublich komplexes Kunstwerk ist und so eine Deutung Komplexität reduziert. Das ist unbestreitbar. Aber wie sagt einer der berühmtesten Werktheoretiker, Roman Ingarden: Für die Interpretation sind "perspektivische Verkürzungen" und sogar "Deformationen" konstitutiv. Es gibt letztlich keine Inszenierung, die wirklich ausschöpft, was in diesem Werk steckt. Fischer-Dieskau sagte mal dem Sinne nach, dass man die "Winterreise" von Schubert 1000 Mal singen kann, aber was in ihr an Sinnpotential schlummert, wird man nie vollständig oder adäquat ausloten.

    Dass Verdi die Oper zähenknirschend geschrieben hat, ist wohl wahr - aber er hat sie nun mal in Ägypten situiert, dies war ja schließlich auch so gewünscht. Daher ist es natürlich höchst spekulativ, wenn man sich fragt, ob er nicht lieber eine Oper über ein anderes Land geschrieben hätte - das mag wohl sein, aber letzten Endes hat er sich nun doch einmal festgelegt, und wenn ich ein Sonnett schreibe, aber eigentlich lieber eine Ballade verfasst hätte, bleibt ungeachtet der Entstehungsbedingungen das Sonett doch ein Sonett - nicht?

    Der vergleich mit dem Sonnett hinkt natürlich gewaltig. Letztlich geht es darum, weswegen die Wahl des Aufführungsortes erfolgt ist. Das sind ganz "unkünstlerische" Gründe. Gewisse Parallelen gibt es zum "Freischütz". Der ist ja so eine Identifikations-Projektions-Plattform für das nationale Selbstbewußtsein. Das Publikum reagiert nicht zuletzt deshalb so empfindlich auf "Veränderung", weil das diesen nationalistischen "Mythos" der deutschesten aller deutschen Opern antastet und weniger wegen der abstrakten Frage, ob denn nun die Kulisse zur Handlung passt. Es gibt jede Menge Opern, wo man sehen kann, dass die Wahl des Handlungsortes solchen ganz äußerlichen Umständen entsprungen sind, die so eigentlich überhaupt nicht "künstlerisch" begründet ist oder ästhetisch. Warum will denn das Publikum Aida in historischen Kulissen sehen? Hand aufs Herz: Wen interessiert da die hochtheoretische Frage der Einheit von Handlung und Milieu? Niemanden! Es geht um die schöne Kulisse, die etwas von Hollywood-Kino oder Musical-Theater hat. Ich finde es deshalb reichlich aufgesetzt, da irgendwelchen Tiefsinn hineinzuinterpretieren. Ich bin immer für Tiefsinn zu haben - aber da, wo er angebracht ist. Hier glaube ich daran nicht. Wenn dann ein Regisseur kommt und sagt: Ich will dieses Stück als ernstes Musikdrama sehen und verzichte auf diese Kino-Kulisse, dann lasse ich es mir deshalb gefallen.

    Nur um es nochmal zu unterstreichen, ich verwende die Vokabel der Verunstaltung etc. nicht, will auch nicht das RT unterbinden oder jemanden entmündigen, trotz meiner Vorbehalte gegenüber RT finde ich einen sachlichen, respektvollen Umgang in dieser Debatte, der hier zurecht eingefordert wird, sehr wichtig.

    Das schätze ich auch an Dir sehr. Ich finde, ab und zu ist die Erinnerung an Alt-Bundespräsident Rau nicht schlecht, dessen Maxime war: "versöhnen statt spalten!".

    Aber da habe ich mit Dir, lieber Holger, ja auch nie Probleme, sondern freue mich trotz unterschiedlicher Meinung immer über den Austausch mit Dir, da viele Deine Gedanken durchaus zum Nachdenken anregen und interessant sind.

    Das freut mich! So soll es ja auch sein in einem Forum! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Wenn die Fassade neu gestrichen wird, schabt man so lange herum, bis in der hintersten Ecke die Originalsubstanz gefunden wird und in diesem Farbton erfolgt der Neuanstrich.

    Genau da zeigt sich, dass der Historismus nicht im Einklang mit der Lebenswelt steht. In Düsseldorf hat man die romanischen Kirchen, die in Dörfern wie Himmelgeist oder Itter stehen, alle gemäß der modernen Forschungsergebnisse so wieder "bunt" angestrichen, wie sie im Mittelalter aussahen. Was ist passiert: Die Dorfbewohner haben rebelliert. Sie wollten wieder ihre schön unscheinbar schlicht gelbe Kirche haben wie eh und je. Also hat man den ganzen historisch-originalgetreuen Anstrich wieder entfernt und den so gar nicht originalen Anstrich von früher wieder hergestellt. Heute ist diese "Episode" vergessen. :D


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    Zitat von MDM: Klamauk wird schließlich ständig und überall geboten , in allen Medien, Kanälen in unzähligen Varianten und rund um die Uhr. Da braucht es dieses Treiben nicht auch noch zu so einem hohen Prozentsatz ausgerechnet an öffentlich geförderten Kulturhochburgen wie Opernhäusern und Theatern. (Wobei ich nicht jede moderne Operninszinierung Klamauk nennen würde, es gibt hin und wieder auch passable und akzeptable Zwischen-und Kompromissvarianten.)

    Lieber MDM.


    auch ich danke dir für die klaren Worte. Du hast vollkommen recht. Klamauk gibt es reichlich in unserer Welt und leider wird auch die Oper immer mehr auf Klamauk getrimmt. Andererseits ist - wie du sehr richtig sagst - nicht jede (leider aber die bei weitem überwiegende Anzahl) moderne Inszenierung auf Klamauk und Brutalität getrimmt. Ich habe in früheren Beiträgen auch schon Beispiele genannt, in denen die modernere Darstellung der Oper nicht geschadet hat. Dabei wurde die Originalhandlung aber nicht - wie heute fast immer übliche - total entstellt. Da ist aber wirklich nur "hin und wieder".
    Ich denke, alle haben das Recht, die echte, vom Komponisten vorgegebene Handlung zu sehen. Dieses Recht aber nimmt man ihnen heute, mit dem Erfolg, dass die Opernbesucher immer weniger werden. Bei uns werden wegen fehlender Nachfrage nach diesen "modischen" (ich sage ausdrücklich nicht modern) Inszenierungen so gut wie keine Opern mehr angeboten. Dafür muss man sich bei den Übertragungen vernünftiger Inszenierungen aus der MET beeilen, schnell am ersten Tag des Vorverkaufs (trotz inzwischen Öffnung eines zweiten großen Kinosaals) beeilen, noch Karten für die nächste Saison zu erhalten, weil es inzwischen so viele Regisseurstheaterflüchtlinge gibt, dass höchstens noch ein paar Plätze in der ersten Reihe, wo man ständig in die Höhe schauen muss, zu erhalten sind.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)


  • Mit Verlaub, das scheint mir doch eine sehr kindliche Sichtweise ...

    Mit Verlaub, ich würde es begrüßen, wenn du mich korrekt zitieren würdest und nicht einfach einen Halbsatz aus dem Zusammenhang reißen würdest.


    "Gerhard Wischniewski" hatte geschrieben, eine Violine sei eine Violine, egal aus welcher Zeit sie stammt und egal wie sie klingt. Ich habe vorübergehend das gleiche Argumentationsschema angewendet und gesagt, nach dieser Logik könne man auch sagen, dass ein auf der Bühne dargestelltes Haus ein Haus sei, egal ob es ein Fachwerkhaus oder ein Plattenbau ist, und eine Waffe eine Waffe, egal, ob sie ein Maschinengewehr oder ein Schwert sei. Ich habe "Gerhard Wischniewski" gefragt, warum er in dem einen Fall (Instrument) so großzügig ist, was die historische Abweichung betrifft, in dem anderen (Haus bzw. Waffe) jedoch nicht. Bisher drückt sich "Gerhard Wischniewski" übrigens noch vor der Beantwortung dieser Frage.

  • Na, ja, mein lieber Musikbesessener, ich habe nicht nur meine Schwierigkeiten mit Deinen Häusern, sondern auch mit dem Waffenvergleich; so glaube ich zum Beispiel, dass der Unterschied einer Violine zu Meister Bachs Zeiten und einem heute gefertigten Instrument weit geringer ist, als der Unterschied zwischen Schwert und Maschinengewehr ...


    Das Hauptproblem ist doch die hochmütige Arroganz der Regisseure, die ihrem Publikum unterstellen, dass es zu blöd ist, sich selbst diesen historischen Hintergrund in die heutige Zeit zu übersetzen.
    Am spannendsten wird es, wenn einer kommt, der überhaupt keine Ahnung von Opern hat. »Es kann nur etwas Neues entstehen, wenn man das macht, was man nicht kann«, sagte mal einer in Bayreuth und sonnte sich anschließend in den langanhaltenden Buh-Rufen.
    »Hat Tristan die Isolde nie geliebt?« fragte Joachim Kaiser, der das Ganze nicht verstand.
    Wenn das noch nicht einmal Joachim Kaiser versteht, dann muss die Regie gut gewesen sein.

  • Na, ja, mein lieber Musikbesessener, ich habe nicht nur meine Schwierigkeiten mit Deinen Häusern, sondern auch mit dem Waffenvergleich; so glaube ich zum Beispiel, dass der Unterschied einer Violine zu Meister Bachs Zeiten und einem heute gefertigten Instrument weit geringer ist, als der Unterschied zwischen Schwert und Maschinengewehr ...

    Das zu glauben, steht dir natürlich frei. Für andere, durchaus kompetente und mit der Materie vertraute Leute, ist der Unterschied zwischen den Violinen jedoch nicht ganz so marginal, wie zum Beispiel "Gombert" in Beitrag Nummer 11 sehr deutlich zeigt. Aber die Frage, warum die eine (Instrument) historische Abweichung toleriert wird, die andere (Haus, Waffe auf der Bühne) jedoch nicht, ging ja in erster Linie nicht an dich, sondern an "Gerhard Wischniewski", der die Frage bisher leider nicht beantworten kann oder will.

  • Zitat

    Wie The New Grove Dictionary ausführt, können diese Instrumente [zur Zeit Mozarts] aber kaum noch effektiv in Tonarten mit mehr als drei Vorzeichen gespielt werden. Mit wachsender Entfernung von der Grundtonart wird es ja immer schwieriger, die (in der mitteltönigen Skala dann zu groß werdenden) Terzen oder die falschen Quinten noch "hinzubiegen". Natürlich haben die chromatischen Töne ihr eigenes, charakteristisches Timbre, chromatische Skalen sind "interessant", Tonartwechsel erhalten die zusätzliche Dimension eines Farbwechsels.



    Zitat

    In der Ouvertüre zur Zauberflöte war es also bereits nach dem dritten Fanfarenstoß der Trompeten und Hörner mit der Terzenherrlichkeit vorbei. Jetzt mußten sich die Holzbläser mit Harmonien abquälen, die tief in die B-reichen Tonarten eintauchen, mußten Flöte und Oboe des, die Oboe auch noch ges greifen. Mozart hatte diese Noten natürlich nicht geschrieben, um seine Musiker zu blamieren; sie waren genau richtig platziert, um die gar nicht perfekte Nachtwelt von Sarastros Antipoden vorzustellen. Moderne Orchester haben dieser Vorstellung längst ein Ende bereitet, indem sie voller Stolz alle Toninvervalle gleich "schön" spielen. So ist von Mozarts einst kräftig gefärbtem Klangteppich nur eine vergiltbte Antiquität übriggeblieben. So ausgebleicht kann die Zauberflöten-Ouvertüre nur noch "echte Märchenpoesie" und "feierliche Stimmung" ausstrahlen (Abert).


    aus: Mozarts Musiksprache (Gunthard Born)




    LG,
    Hosenrolle1

  • »Hat Tristan die Isolde nie geliebt?« fragte Joachim Kaiser, der das Ganze nicht verstand.
    Wenn das noch nicht einmal Joachim Kaiser versteht, dann muss die Regie gut gewesen sein.


    Ja, mein lieber "hart", da hat Joachim Kaiser offenbar einiges nicht verstanden. Schade für ihn, lief damit doch eine der grandiosesten Tristan-Produktionen der letzten 50 Jahre an ihm vorbei.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Ja, mein lieber "hart", da hat Joachim Kaiser offenbar einiges nicht verstanden. Schade für ihn, lief damit doch eine der grandiosesten Tristan-Produktionen der letzten 50 Jahre an ihm vorbei.

    Ja, so ein einhelliger Reinfall kann die Inszenierung ja nicht gewesen sein, wenn sich das Opernhaus von Lyon in der letzten Spielzeit sogar die Mühe gemacht hat, sie vollständig zu rekonstruieren. :thumbup:

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