Wenn es denn so einfach wäre ... Ist es nicht auch denkbar, dass ein chinesischer (Oper-)Regisseur garnicht anders inszenieren kann bzw. darf, da er sonst Repressalien zu befürchten hätte!? Und an dieser Stelle haben Kunst und Politik eben leider sehr, sehr viel miteinander zu tun, auch wenn immer wieder gerne versucht wird, diese Zusammenhänge (ebenso, wie die von Sport und Politik) weg-zu-ignorieren.
Lieber Michael,
ganz sicher ist eine "politische" Inszenierung in China so nicht möglich - wie so etwas ausgeht, zeigt der Fall Ai Weiwei. Andererseits ist die Frage, ob diese Art der Inszenierung wirklich politisch motiviert ist, also einer "inneren Zensur" entspricht oder nicht vielmehr auch einfach nur der asiatischen Außensicht der europäischen Kultur entspringt. Dazu müsste man vergleichen, wie es in demokratischen Staaten wie Korea oder Japan aussieht. Es könnte natürlich sein, dass die Asiaten generell eine für unseren Geschmack etwas klischeehafte traditionalistische Inszenierung bevorzugen, die für sie "typisch europäisch" daherkommt. Dazu müsste man letztlich die Aufführungstraditionen genau kennen. Ich habe ja mal während meiner Stdienzeit Koreaner mit in die Düsseldorfer Rheinoper geschleppt. Da gab es Ballette von Strawinsky. Frappierend war schon, dass sie die spektakuläre und lebendige Petruschka-Inszenierung regelrecht verschreckte, während sie den für meinen Geschmack langweiligen klassizistischen Strawinsky ganz toll fanden. Das entsprach wohl mehr dem Gestus der asiatischen Zurückhaltung. All das war aber kein Regietheater. Ich kann mir aber lebhaft vorstellen, dass sie Provokationen auf dem Theater noch mehr verschreckt als moderner Strawinsky. Es gibt allerdings in Asien auch die ganz treuen Pina Bausch-Fans, die gerade modernes Theater mögen. Das sollte man nicht vergessen.
Heute will ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums offenbar die hedonistische "kulinarische Oper", wo man sich gemütlich zurücklehnen will in seinen Sessel, sich berauschen lässt und die Wirklichkeit vergisst. Repräsentativ ist diese Haltung operngeschichtlich aber durchaus nicht. Was das Politische angeht, war das emanzipatorische Bürgertum des 19. Jhd. gerade an einer Politisierung des Theaters interessiert. Nach Friedrich Schiller geht es darum, die "moralische Weltregierung" auf der Bühne darzustellen.
Schöne Grüße
Holger