Der Tamino Liederabend: Richard Strauss


  • https://www.youtube.com/watch?v=NmQE5cWZAF4


    Cäcilie
    Heinrich Hart (1855-1906)


    Gesungen von Christa Ludwig, begleitet von Gerald Moore
    1961


    Wenn du es wüsstest,
    Was träumen heißt von brennenden Küssen,
    Von Wandern und Ruhen mit der Geliebten,
    Aug in Auge,
    Und kosend und plaudernd,
    Wenn du es wüsstest,
    Du neigtest dein Herz!


    Wenn du es wüsstest,
    Was bangen heißt in einsamen Nächten,
    Umschauert vom Sturm, da niemand tröstet
    Milden Mundes die kampfmüde Seele,
    Wenn du es wüsstest,
    Du kämest zu mir.


    Wenn du es wüsstest,
    Was leben heißt, umhaucht von der Gottheit
    Weltschaffendem Atem,
    Zu schweben empor, lichtgetragen,
    Zu seligen Höhn,
    Wenn du es wüsstest,
    Du lebtest mit mir!

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ein Richard-Strauss-Liederabend ohne Elisabetbeth Schwarzkopf ist für mich undenkbar.



    https://www.youtube.com/watch?v=OSzPL4RekR8


    Schlechtes Wetter
    Heinrich Heine (1797 - 1856)


    Gesungen von Elisabeth Schwarzkopf, begleitet von Gerald Moore
    1948


    Das ist ein schlechtes Wetter,
    Es regnet und stürmt und schneit;
    Ich sitze am Fenster und schaue
    Hinaus in die Dunkelheit.


    Da schimmert ein einsames Lichtchen,
    Das wandelt langsam fort;
    Ein Mütterchen mit dem Laternchen
    Wankt über die Straße dort.


    Ich glaube, Mehl und Eier
    Und Butter kaufte sie ein;
    Sie will einen Kuchen backen
    Für's große Töchterlein.


    Die liegt zu Hause im Lehnstuhl
    Und blinzelt schläfrig ins Licht;
    Die goldnen Locken wallen
    Über das süße Gesicht.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber WoKa!


    Vielleicht darf ich noch ein Lied nachschieben, das ich ganz besonders liebe:


    "Des Dichters Abendgang"


    Es ist auf den romantisch tiefgründigen Text von Ludwig Uhland komponiert!
    Strauss hat es 1900 in Es-dur komponiert - für Singstimme und Klavier.
    1918 hat er eine Version für Singstimme und Orchester geschrieben, diesmal in Des-dur.
    Als Tempobezeichnung gibt Strauss "Sehr ruhig and feierlich" vor.


    Dieses Lied mag ich eigentlich wegen seiner wundervoll zwischen dunkel und hell wechselnden Stimmungen. Im Klavierpart schafft Strauss ein breites Kaleidoskop herrlich traumverlorener Harmonien. Und darüber spannt die Singstimme Bögen von atemberaubender Schönheit.
    Das Lied sollte eigentlich - meiner Meinung nach - eine Sopranistin singen.
    Ich habe es zuerst von Elisabeth Grümmer kennengelernt.
    Leider hat seine keine Aufnahme davon gemacht.
    Nach WoKa's Regeln ist sie also raus: Schade, sehr schade!


    Die Uraufführung der Orchesterfassung hat 1919 der berühmte Tenor Ernst Kraus gesungen. Aber ich habe bisher keinen Tenor gehört, der den Zauber solcher Zeilen wie bei
    "Wo alles Heil'ge sich erschleußt,
    Und himmlische Gebilde wallen"

    überzeugend realisiert hat. Nicht Araiza, nicht Jerusalem, nicht Beczala....
    Und die Magie am Schluß bleiben sie alle schuldig.
    Es sollte also schon ein Sopran sein.


    Eine besonders schöne Aufnahme ist die von Felicity Lott und Graham Johnson. Lott hat in den tieferen Lagen leider nicht den Reichtum an Farben einer Grümmer, aber den Bögen in der Höhe gibt sie ein wundervolles Leuchten!



    Die Aufnahme kann man noch überall bekommen, gebraucht sogar für weniger als 2 EURO! Nur bei Youtube ist sie nicht zu finden. Deshalb stelle ich ersatzweise die Aufnahme von Marjorie Lawrence ein (Vorher singt sie noch " Lied an meinen Sohn"! Ab 3:54 dann "Des Dichters Abendgang"). Sie ist die Einzige, die ich auf Youtube mit der Klavierfassung des Liedes gefunden habe. Und sie zu hören, lohnt!


    https://www.youtube.com/watch?v=dnuXUPJ-Qz0



    Wenn Du das Lied aufnehmen willst, musst Du entscheiden: Grümmer, Lott oder Lawrence!
    Aber bitte keinen Tenor! Die sind eigentlich nur in der Orchesterfassung richtig am Platze!



    Des Dichters Abendgang


    Ergehst du dich im Abendlicht –
    Das ist die Zeit der Dichterwonne –,
    So wende stets dein Angesicht
    Zum Glanze der gesunknen Sonne!
    In hoher Feier schwebt dein Geist,
    Du schauest in des Tempels Hallen,
    Wo alles Heil'ge sich erschleußt,
    Und himmlische Gebilde wallen.


    Wann aber um das Heiligtum
    Die dunkeln Wolken niederrollen,
    Dann ist's vollbracht, du kehrest um,
    Beseligt von dem Wundervollen.
    In stiller Rührung wirst du gehn,
    Du trägst in dir des Liedes Segen;
    Das Lichte, das du dort gesehn,
    Umglänzt dich mild auf finstern Wegen.


    Ludwig Uhland


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hallo!


    Zu Beginn des Threads habe ich lange darüber nachgedacht, ob ich die Vier letzten Lieder mit Klavierbegleitung einbeziehen soll und habe mich dann dagegen entschieden, da die Gestaltung frei sein sollte.


    Jetzt bietet es sich als Abschluss des Programmes an, darüber nachzudenken, die Eichendorff-Vertonung "Im Abendrot" einzustellen. Es gibt mehrere gelungene Interpretationen mit Klavierbegleitung, wobei ich die Orchesterfassung selbstverständich deutlich vorziehe.


    Eine sehr gelungene Interpretation besitze ich von Waltraud Meier, die allerdings in youtube nicht eingestellt ist.


    Ich greife daher auf die ebenfalls von mir sehr geschätzte Barbara Bonney zurück:



    "Im Abendrot


    Wir sind durch Not und Freude
    Gegangen Hand in Hand,
    Vom Wandern ruhen wir beide
    Nun überm stillen Land.


    Rings sich die Täler neigen,
    Es dunkelt schon die Luft,
    Zwei Lerchen nur noch steigen
    Nachträumend in den Duft.


    Tritt her und laß sie schwirren,
    Bald ist es Schlafenszeit,
    Daß wir uns nicht verirren
    In dieser Einsamkeit.


    O weiter, stiller Friede!
    So tief im Abendrot ,
    Wie sind wir wandermüde –
    Ist das etwa der Tod? "


    Damit wäre das Programm bei 90 Minuten angelangt. Auch wenn ich jetzt dran gehe, einen Vorschlag für die Reihung der Lieder zu erstellen, heißt das nicht, dass nicht weitere Ideen und Vorschläge willkommen sind.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Obwohl dieses Lied durch orsini im Beitrag 21 schon eingestellt wurde, möchte ich eine zweite Variante von "Traum durch die Dämmerung" einstellen. ich überspringe dabei meinen Schatten, denn eigentlich bevorzuge ich die Lieder mit Orchesterbegleitung, und eigentlich bin ich Fan von Peter Anders. Die nachstehende Aufnahme mit Jussi Bjoerling aus dem Jahre 1959 mit Harry Ebert am Klavier hat mich aber fast umgehauen. Björling kenne ich eigentlich weniger als Strauss-Liedsänger. Hier hat mich (live gesungen!!) die Klarheit seiner Stimme, der innige Ausdruck, die strahlende, dennoch zurückgehaltene Höhe fasziniert. Ich glaube nicht, daß es nur mir so geht.



    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Nun packt mich doch der Hafer. Richard Strauss kann man mehrere Abende hintereinander hören, ohne je gelangweilt zu hören. Eines meiner Lieblingslieder ist der "Liebeshymnus". Hier eine Aufnahme von 1942 mit -wen wunderts bei mir - Peter Anders. Es spielt das Orchester des Deutschen Opernhauses Berlin, es dirigiert Joseph Keilberth.



    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Hallo!


    Die Interpretation hat mich überzeugt. Ich gehe davon aus, dass orsini damit einverstanden ist... Schade nur, dass Mitsuko Shirai jetzt nicht vertreten ist. Aber man kann bekanntlich nicht alles haben.


    Ich habe zwischenzeitlich den Versuch einer Zusammenstellung unternommen. Dabei habe ich zunächst darauf geachtet, die späten Werke nach Strauss´ Liedpause in den zweiten Teil zu nehmen. Außerdem Habe ich Lieder, die einem Zyklus zugeordnet sind zusammen gelegt und etwas auch die Dichter geachtet. Dabei habe ich allerdings unberücksichtigt gelassen, ob es sich um Dichter des 18, 19ten oder zeitgenössische Dichter handelt.


    In der folgenden Übersicht findet Ihr nach der laufenden Nummer und der Liedbezeichnung


    Dichter
    Entstehungsjahr des Liedes
    Bezeichnung des Zyklus´ (oder Einzellied)
    Werkverzeichnis nach Franz Trenner
    Vorgeschlagener Interpret


    Wenn dazu in der nächsten kürzeren Zeit keine Änderungswünsche mehr folgen, werde ich die Lieder wieder - wie bei Schubert und Friedrich Rückert - sozusagen als "Programmheft" mit den Texten posten.


    Gruß WoKa


    1 Wiegenlied Johanna Pschorr 1878 Einzellied TRV 59 Margret Price
    2 Ständchen A.F. von Schack 1886 Sechs Lieder von A.F. von Schack TRV 149 II Simon Keenlyside
    3 Kornblumen Felix Dahn 1888 Mädchenblumen TRV 153 I Roberta Alexander
    4 Efeu Felix Dahn 1888 Mädchenblumen TRV 153 III Roberta Alexander
    5 Zueignung Hermann von Gilm 1885 Acht Gedichte TRV 141 I Brigitte Fassbaender
    6 Die Nacht Heinrich Vogl 1885 Acht Gedichte TRV 141 III Jessye Norman
    7 Allerseelen Heinrich Vogl 1885 Acht Gedichte TRV 141 VIII Simon Keenlyside
    8 Traum durch die Dämmerung Otto Julius Bierbaum 1900 Drei Lieder TRV 172 I Jussi Björling
    9 Glückes genug Detlev von Liliencron 1898 Sechs Lieder TRV 187 I Arlene Augér
    10 Ruhe, meine Seele Karl Henckell 1894 Vier Lieder TRV 170 I Andreas Schmidt
    11 Cäcilie Heinrich Hart 1894 Vier Lieder TRV 170 II Christa Ludwig
    12 Heimliche Aufforderung John Henry Mackay 1984 Vier Lieder TRV 170 III Peter Anders
    13 Morgen John Henry Mackay 1984 Vier Lieder TRV 170 IV Christiane Karg
    Pause
    14 Notturno Richard Dehmel 1899 Zwei Größere Gesänge TRV 197 I Thomas Hampson
    15 Befreit Richard Dehmel 1898 Fünf Lieder TRV 189 IV Jonas Kaufmann
    16 Am Ufer Richard Dehmel 1899 Fünf Lieder TRV 195 III Brigitte Fassbaender
    17 Waldseligkeit Richard Dehmel 1901 Acht Lieder TRV 204 I Edith Wiens
    18 Des Dichters Abendgang Ludwig Uhland 1900 Fünf Lieder TRV 200 II Marjorie Lawrence
    19 Freundliche Vision Otto Julius Bierbaum 1900 Fünf Lieder TRV 202 I Fritz Wunderlich
    20 Winterweihe Karl Henckell 1900 Fünf Lieder TRV 202 IV Gundula Janowitz
    21 Schlechtes Wetter Heinrich Heine 1918 Fünf kleine Lieder TRV 237 V Elisabeth Schwarzkopf
    22 Amor Clemens von Brentano 1918 Sechs Lieder TRV 235 V Edda Moser
    23 Malven Betty Knobel 1948 Einzellied TRV 297 Kiri Te Kanawa
    24 Im Abendrot Josef von Eichendorff 1948 Vier letzte Lieder TRV 296 IV Barbara Bonney

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Der Tamino Liederabend: Richard Strauss



    Wiegenlied


    Träume, träume, du mein süßes Leben,
    Von dem Himmel, der die Blumen bringt.
    Blüten schimmern da, die leben
    Von dem Lied, das deine Mutter singt.


    Träume, träume, Knospe meiner Sorgen,
    Von dem Tage, da die Blume sproß
    Von dem hellen Blütenmorgen,
    Da dein Seelchen sich der Welt erschloß.


    Träume, träume, Blüte meiner Liebe,
    Von der stillen, von der heilgen Nacht,
    Da die Blume seiner Liebe
    Diese Welt zum Himmel mir gemacht.

    Richard Dehmel (1863 - 1929


    Ständchen


    Mach auf, mach auf, doch leise mein Kind,
    Um keinen vom Schlummer zu wecken.
    Kaum murmelt der Bach, kaum zittert im Wind
    Ein Blatt an den Büschen und Hecken.
    Drum leise, mein Mädchen, daß nichts sich regt,
    Nur leise die Hand auf die Klinke gelegt.


    Mit Tritten, wie Tritte der Elfen so sacht,
    Die über die Blumen hüpfen,
    Flieg leicht hinaus in die Mondscheinnacht,
    Zu mir in den Garten zu schlüpfen.
    Rings schlummern die Blüten am rieselnden Bach
    Und duften im Schlaf, nur die Liebe ist wach.


    Sitz nieder, hier dämmert's geheimnisvoll
    Unter den Lindenbäumen,
    Die Nachtigall uns zu Häupten soll
    Von unseren Küssen träumen,
    Und die Rose, wenn sie am Morgen erwacht,
    Hoch glühn von den Wonnenschauern der Nacht


    Adolf Friedrich, Graf von Schack (1815 - 1894)


    Kornblumen


    Kornblumen nenn’ ich die Gestalten,
    Die milden mit den blauen Augen,
    Die, anspruchslos in stillem Walten,
    Den Tau des Friedens, den sie saugen,
    Aus ihren eigenen klaren Seelen,
    Mitteilen allem, dem sie nahen,
    Bewusstlos der Gefühlsjuwelen,
    Die sie von Himmelshand empfahn.
    Dir wird so wohl in ihrer Nähe,
    Als gingst du durch ein Saatgefilde,
    Durch das der Hauch des Abends wehe,
    Voll frommen Friedens und voll Milde.


    Felix Dahn (1834 – 1912)


    Efeu


    Aber Efeu nenn’ ich jene Mädchen
    Mit den sanften Worten,
    Mit dem Haar, dem schlichten, hellen
    Um den leis’ gewölbten Brau’n,
    Mit den braunen seelenvollen Rehenaugen,
    Die in Tränen steh’n so oft,
    In ihren Tränen gerade sind unwiderstehlich;
    Ohne Kraft und Selbstgefühl,
    Schmucklos mit verborg’ner Blüte,
    Doch mit unerschöpflich tiefer
    Treuer inniger Empfindung
    Können sie mit eigner Triebkraft
    Nie sich heben aus den Wurzeln,
    Sind geboren, sich zu ranken
    Liebend um ein ander Leben:
    An der ersten Lieb’umrankung
    Hängt ihr ganzes Lebensschicksal,
    Denn sie zählen zu den seltnen Blumen,
    Die nur einmal blühen.


    Felix Dahn (1834 – 1912)


    Zueignung


    Ja, du weißt es, teure Seele,
    Daß ich fern von dir mich quäle,
    Liebe macht die Herzen krank,
    Habe Dank.


    Hielt ich nicht, der Freiheit Zecher,
    Hoch den Amethysten-Becher,
    Und du segnetest den Trank,
    Habe Dank.


    Und beschworst darin die Bösen,
    Bis ich, was ich nie gewesen,
    Heilig an das Herz dir sank,
    Habe Dank.

    Hermann von Gilm zu Rosenegg (1812 - 1864)


    Die Nacht


    Aus dem Walde tritt die Nacht,
    Aus den Bäumen schleicht sie leise,
    Schaut sich um im weitem Kreise,
    Nun gib acht.


    Alle Lichter dieser Welt,
    Alle Blumen, alle Farben
    Löscht sie aus und stiehlt die Garben
    Weg vom Feld.


    Alles nimmt sie, was nur hold,
    Nimmt das Silber weg des Stromes,
    Nimmt vom Kupferdach des Domes
    Weg das Gold.


    Ausgeplündert steht der Strauch,
    Rücke näher, Seel an Seele;
    O die Nacht, mir bangt, sie stehle
    Dich mir auch.


    Hermann von Gilm zu Rosenegg (1812 - 1864)


    Allerseelen


    Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
    Die letzten roten Astern trag herbei,
    Und laß uns wieder von der Liebe reden,
    Wie einst im Mai.


    Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke
    Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei,
    Gib mir nur einen deiner süßen Blicke,
    Wie einst im Mai.


    Es blüht und duftet heut auf jedem Grabe,
    Ein Tag im Jahr ist ja den Toten frei,
    Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe,
    Wie einst im Mai.


    Hermann von Gilm zu Rosenegg (1812 - 1864)


    Traum durch die Dämmerung


    Weite Wiesen im Dämmergrau;
    die Sonne verglomm, die Sterne ziehn,
    nun geh' [ich]1 zu der schönsten Frau,
    weit über Wiesen im Dämmergrau,
    tief in den Busch von Jasmin.


    Durch Dämmergrau in der Liebe Land;
    ich gehe nicht schnell, ich eile nicht;
    mich zieht ein weiches samtenes Band
    durch Dämmergrau in der Liebe Land,
    in ein mildes, blaues Licht.


    Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910)


    Glückes genug


    Wenn sanft du mir im Arme schliefst,
    ich deinen Atem hören konnte,
    im Traum du meinen Namen riefst,
    um deinen Mund ein Lächeln sonnte -
    Glückes genug.


    Und wenn nach heißem, ernstem Tag
    du mir verscheuchtest schwere Sorgen,
    wenn ich an deinem Herzen lag
    und nicht mehr dachte an ein Morgen -
    Glückes genug


    Detlev von Liliencron (1844 – 1909)


    Ruhe, meine Seele


    Ruhe, meine Seele
    Nicht ein Lüftchen
    Regt sich leise,
    Sanft entschlummert
    Ruht der Hain;
    Durch der Blätter
    Dunkle Hülle
    Stiehlt sich lichter
    Sonnenschein.
    Ruhe, ruhe,
    Meine Seele,
    Deine Stürme
    Gingen wild,
    Hast getobt und
    Hast gezittert,
    Wie die Brandung,
    Wenn sie schwillt.
    Diese Zeiten
    Sind gewaltig,
    Bringen Herz
    Und Hirn in Not --
    Ruhe, ruhe,
    Meine Seele,
    Und vergiß,
    Was dich bedroht!


    Karl Friedrich Henckell (1864 - 1929)


    Cäcilie


    Wenn du es wüsstest,
    Was träumen heißt von brennenden Küssen,
    Von Wandern und Ruhen mit der Geliebten,
    Aug in Auge,
    Und kosend und plaudernd,
    Wenn du es wüsstest,
    Du neigtest dein Herz!


    Wenn du es wüsstest,
    Was bangen heißt in einsamen Nächten,
    Umschauert vom Sturm, da niemand tröstet
    Milden Mundes die kampfmüde Seele,
    Wenn du es wüsstest,
    Du kämest zu mir.


    Wenn du es wüsstest,
    Was leben heißt, umhaucht von der Gottheit
    Weltschaffendem Atem,
    Zu schweben empor, lichtgetragen,
    Zu seligen Höhn,
    Wenn du es wüsstest,
    Du lebtest mit mir!


    Heinrich Hart (1855-1906)


    Heimliche Aufforderung


    Auf, hebe die funkelnde Schale empor zum Mund,
    Und trinke beim Freudenmahle dein Herz gesund.
    Und wenn du sie hebst, so winke mir heimlich zu,
    Dann lächle ich und dann trinke ich still wie du...


    Und still gleich mir betrachte um uns das Heer
    Der trunknen Schwätzer - verachte sie nicht zu sehr.
    Nein, hebe die blinkende Schale, gefüllt mit Wein,
    Und laß beim lärmenden Mahle sie glücklich sein.


    Doch hast du das Mahl genossen, den Durst gestillt,
    Dann verlasse der lauten Genossen festfreudiges Bild,
    Und wandle hinaus in den Garten zum Rosenstrauch,
    Dort will ich dich dann erwarten nach altem Brauch,


    Und will an die Brust dir sinken, eh du's erhofft,
    Und deine Küsse trinken, wie ehmals oft,
    Und flechten in deine Haare der Rose Pracht.
    O komme, du wunderbare, ersehnte Nacht!


    John Henry Mackay (1864 - 1933)


    Morgen


    Und morgen wird die Sonne wieder scheinen,
    und auf dem Wege, den ich gehen werde,
    wird uns, die [Seligen]1, sie wieder einen
    inmitten dieser sonnenatmenden Erde . . .


    Und zu dem Strand, dem weiten, wogenblauen,
    werden wir still und langsam niedersteigen,
    stumm werden wir uns in die Augen schauen,
    und auf uns sinkt des Glückes grosses Schweigen. . .


    John Henry Mackay (1864 - 1933)


    Notturno


    Hoch hing der Mond; das Schneegefild
    lag bleich und öde um uns her,
    wie meine Seele bleich und leer,
    Denn neben mir, so stumm und wild,
    so stumm und kalt wie meine Not,
    Als wollt' er weichen nimmermehr,
    Saß starr und wartete der Tod.


    Da kam es her wie einst so mild,
    so müd' und sacht
    aus ferner Nacht,
    so kummerschwer
    kam seiner Geige Hauch daher,
    Und vor mir stand sein stilles Bild.


    Der mich umflochten wie ein Band,
    daß meine Blüte nicht zerfiel,
    und daß mein Herz die Sehnsucht fand,
    die große Sehnsucht ohne Ziel:
    da stand er nun im öden Land
    Und stand so trüb und feierlich
    und sah nicht auf noch grüßte mich,
    Nur seine Töne ließ er irr'n
    und weinen durch die kühle Flur;
    und mir entgegen starrte nur
    aus seiner Stirn,
    als wär's ein Auge hohl und fahl,
    der tiefen Wunde dunkles Mal.


    Und trüber quoll das trübe Lied
    und quoll so heiß, und wuchs, und schwoll,
    so heiß und voll
    wie Leben, das nach Liebe glüht,
    wie Liebe, die nach Leben schreit,
    nach ungenossner Seligkeit,
    so wehevoll,
    so wühlend quoll
    das strömende Lied und flutete;
    und leise, leise blutete und strömte mit
    in's bleiche Schneefeld rot und fahl
    der tiefen Wunde dunkles Mal.


    Und müder glitt die müde Hand,
    und vor mir stand
    ein bleicher Tag,
    ein ferner, bleicher Jugendtag,
    Da starr im Sand
    zerfallen seine Blüte lag,
    da seine Sehnsucht sich vergaß,
    in ihrer Schwermut Übermaß
    und ihrer Traurigkeiten müd
    zum Ziele schritt;
    und laut aufschrie das weinende Lied,
    Das wühlende, und flutete,
    und seiner Saiten Klage schnitt,
    und seine Stirne blutete
    und weinte mit
    in meine starre Seelennot,
    als sollt' ich hören ein Gebot,
    als müßt ich jubeln, daß ich litt,
    mitfühlen alles Leidens Schuld
    und alles Lebens warme Huld --
    und weinend, blutend wandt' er sich
    ins bleiche Dunkel und verblich.


    Und bebend hört' ich mir entgehn,
    entfliehn sein Lied. Und wie so zart
    So zitternd ward,
    der langen Töne fernes Flehn,
    da fühlt' ich kalt ein Rauschen wehn
    Und grauenschwer
    die Luft sich rühren um mich her,
    und wollte bebend nun ihn sehn,
    ihn lauschen sehn,
    der wartend saß bei meiner Not,
    und wandte mich -- : da lag es kahl,
    das bleiche Feld, und fern und fahl
    entwich ins Dunkel auch der Tod.


    Hoch hing der Mond, und mild und müd
    hin schwand es in die leere Nacht,
    das flehende Lied,
    und schwand und schied,
    des toten Freundes flehendes Lied.


    Richard Dehmel (1863 – 1929)


    Befreit


    Du wirst nicht weinen. Leise, leise
    wirst du lächeln: und wie zur Reise
    geb' ich dir Blick und Kuß zurück.
    Unsre lieben vier Wände! Du hast sie bereitet,
    ich habe sie dir zur Welt geweitet -
    o Glück!


    Dann wirst du heiß meine Hände fassen
    und wirst mir deine Seele lassen,
    läßt unsern Kindern mich zurück.
    Du schenktest mir dein ganzes Leben,
    ich will es ihnen wiedergeben --
    o Glück!


    Es wird sehr bald sein, wir wissen's beide,
    wir haben einander befreit vom Leide;
    so geb' ich dich der Welt zurück.
    Dann wirst du mir nur noch im Traum erscheinen
    und mich segnen und mit mir weinen --
    o Glück!


    Richard Dehmel (1863 – 1929)


    Am Ufer


    Die Welt verstummt, dein Blut erklingt;
    in seinen hellen Abgrund sinkt
    der ferne Tag,


    er schaudert nicht; die Glut umschlingt
    das höchste Land, im Meere ringt
    die ferne Nacht,


    sie zaudert nicht; der Flut entspringt
    ein Sternchen, deine Seele trinkt
    das ewige Licht.


    Richard Dehmel (1863 – 1929)



    Waldseligkeit


    Der Wald beginnt zu rauschen,
    den Bäumen naht die Nacht,
    als ob sie selig lauschen,
    berühren sie sich sacht.


    Und unter ihren Zweigen,
    da bin ich ganz allein,
    da bin ich ganz mein eigen:
    ganz nur Dein!


    Richard Dehmel (1863 – 1929)


    Des Dichters Abendgang


    Ergehst du dich im Abendlicht –
    Das ist die Zeit der Dichterwonne –,
    So wende stets dein Angesicht
    Zum Glanze der gesunknen Sonne!
    In hoher Feier schwebt dein Geist,
    Du schauest in des Tempels Hallen,
    Wo alles Heil'ge sich erschleußt,
    Und himmlische Gebilde wallen.


    Wann aber um das Heiligtum
    Die dunkeln Wolken niederrollen,
    Dann ist's vollbracht, du kehrest um,
    Beseligt von dem Wundervollen.
    In stiller Rührung wirst du gehn,
    Du trägst in dir des Liedes Segen;
    Das Lichte, das du dort gesehn,
    Umglänzt dich mild auf finstern Wegen.


    Ludwig Uhland (1787 – 1862)


    Freundliche Vision


    Nicht im Schlafe hab' ich das geträumt,
    Hell am Tage sah ich's schön vor mir.
    Eine Wiese voller Margeriten;
    Tief ein weißes Haus in grünen Büschen,
    Götterbilder leuchten aus dem Laube.
    Und ich geh' mit einer, die mich lieb hat,
    Ruhigen Gemütes in die Kühle
    Dieses weißen Hauses, in den Frieden,
    Der voll Schönheit wartet, daß wir kommen.
    Und ich geh' mit einer, die mich lieb hat,
    In den Frieden voll Schönheit.


    Otto Julius Bierbaum (Martin Möbius) (1865 – 1910)


    Winterweihe


    In diesen Wintertagen,
    Nun sich das Licht verhüllt,
    Laß uns im Herzen tragen,
    Einander traulich sagen,
    Was uns mit innerm Licht erfüllt.


    Was milde Glut entzündet,
    Soll brennen fort und fort,
    Was Seelen zart verbündet,
    Und Geisterbrücken gründet,
    Sei unser leises Losungswort.


    Das Rad der Zeit mag rollen,
    Wir greifen kaum hinein,
    Dem Schein der Welt verschollen,
    Auf unserm Eiland wollen
    Wir Tag und Nacht der sel'gen Liebe weih'n.


    Karl Friedrich Henckell (1864 - 1929)


    Schlechtes Wetter


    Das ist ein schlechtes Wetter,
    Es regnet und stürmt und schneit;
    Ich sitze am Fenster und schaue
    Hinaus in die Dunkelheit.


    Da schimmert ein einsames Lichtchen,
    Das wandelt langsam fort;
    Ein Mütterchen mit dem Laternchen
    Wankt über die Straße dort.


    Ich glaube, Mehl und Eier
    Und Butter kaufte sie ein;
    Sie will einen Kuchen backen
    Für's große Töchterlein.


    Die liegt zu Hause im Lehnstuhl
    Und blinzelt schläfrig ins Licht;
    Die goldnen Locken wallen
    Über das süße Gesicht.


    Heinrich Heine (1797 - 1856)


    Amor


    An dem Feuer saß das Kind,
    Amor, Amor,
    Und war blind;
    Mit dem kleinen Flügel fächelt
    In die Flamme er und lächelt,
    Fächle, lächle, schlaues Kind!


    Ach, der Flügel brennt dem Kind,
    Amor, Amor
    Läuft geschwind!
    »O, wie mich die Glut durchpeinet!«
    Flügelschlagend laut er weinet,
    In der Hirtin Schoß entrinnt
    Hülfeschreind das schlaue Kind.


    Und die Hirtin hilft dem Kind
    Amor, Amor,
    Bös und blind.
    Hirtin, sieh, dein Herz entbrennet,
    Hast den Schelm du nicht gekennet?
    Sieh, die Flamme wächst geschwind,
    Hüt dich vor dem schlauen Kind!


    Clemens von Brentano (1778 – 1842)


    Malven


    Aus Rosen, Phlox und Zinienflor,
    ragen im Garten Malven empor,
    duftlos und ohne des Purpurs Glut,
    wie ein verweinte«, blasses Gesicht
    unter dem gold'nen himmlischen Licht.
    Und dann verwehen leise sie im Wind,
    zärtliche Blüten Sommers Gesind.


    Betty Wehrli-Knobel (1904 - 1998)


    Im Abendrot


    Wir sind durch Not und Freude
    Gegangen Hand in Hand,
    Vom Wandern ruhn wir beide
    Nun überm stillen Land.
    Rings sich die Täler neigen,
    Es dunkelt schon die Luft,
    Zwei Lerchen nur noch steigen
    Nachträumend in den Duft.
    Tritt her, und laß sie schwirren,
    Bald ist es Schlafenszeit,
    Daß wir uns nicht verirren
    In dieser Einsamkeit.
    O weiter stiller Friede!
    So tief im Abendrot
    Wie sind wir wandermüde –
    Ist das etwa der Tod?


    Joseph von Eichendorff (1788-1857)

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo