Fade, lasch und langweilig ...: auf diese Dirigenten kann man getrost verzichten

  • Hätte es 1960 schon Internet und das Tamino Klassikforum gegeben und jemand hätte Karajan als "langweilig" bezeichnet, so wäre das Forum vermutlich verboten und vom Netz genommen worden.....

    Versteh' ich nicht. Wer hätte es verbieten oder vom Netz nehmen sollen? Gab es im Jahre 1960 keine Meinungsfreiheit in Österreich?

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das sehe ich nun wiederum ganz anders. Natürlich können und sollen wir das Handeln von Menschen in totalitären Regimen wie dem Nationalsozialismus kritisch bewerten. Wer sich ein Gesamtbild des Menschen Karajan machen will, kann darüber nicht hinwegsehen.

    Wir sollten endlich einen Schlußstrich ziehen und in die Zukunft gucken. Sonst müßte mancher von uns (auch ich) auch seine Verwandten kritisch begutachten, nur weil sie ebenfalls Mitläufer waren. Mir ist egal, wie Furtwängler, Knappertsbusch, Karajan, Richard Strauss oder Hans Pfitzner dachten. Sie haben mit Sicherheit keinen umgebracht, aber sie bleiben durch ihre Kunst in unserem Herzen, nicht durch ihr Parteibuch. Deshalb stimme ich dieser Einstellung voll zu:

    Lieber "verstrickte" Dirigenten, die großartige Interpretationen vorgelegt haben, als astreine Widerstandskämpfer, die "fade, lasch und langweilig" waren. Wir sind hier schließlich in einem Klassikforum.

    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Wir sollten endlich einen Schlußstrich ziehen und in die Zukunft gucken.


    Ich sehe nicht, warum das eine das andere ausschließen soll. Die Gestaltung der Zukunft sollte auf einem Wissen um die Fehler und Verbrechen der Vergangenheit aufbauen.



    Sonst müßte mancher von uns (auch ich) auch seine Verwandten kritisch begutachten, nur weil sie ebenfalls Mitläufer waren.


    Und was wäre daran falsch?


    Mir ist egal, wie Furtwängler, Knappertsbusch, Karajan, Richard Strauss oder Hans Pfitzner dachten. Sie haben mit Sicherheit keinen umgebracht, aber sie bleiben durch ihre Kunst in unserem Herzen, nicht durch ihr Parteibuch. Deshalb stimme ich dieser Einstellung voll zu:

    Herzlichst La Roche


    Auch in einem Klassikforum muss es erlaubt sein, das Leben von Künstler auch außerhalb ihres eigentlichen Berufes zu betrachten. Zumal sich das eine nicht immer fein säuberlich vom anderen trennen lässt.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Meiner Meinung nach ist Dirigieren ja kein Kampfsport, wo der Beste gewinnt.

    Nein, das ist Dirigieren ja auch nicht. Aber die Geschmäcker gehen eben in der Tat weit auseinander. Und es ist wirklich eine Sache, ein Konzert live zu erleben, durchzustehen, auszuhalten und eine CD anzuhören.
    Es ist furchtbar, ein langweiliges Konzert mitzuerleben - das kann eine Qual sein, eine Folter, eine Misshandlung der Seele und des Gehörs. Aber einige Dirigenten schrecken eben vor nichts zurück und quälen den Zuhörer gerne. Ja, so etwas gibt es. Jukka-Pekka Saraste zum Beispiel macht das nichts aus. Er hat ja schon ein so langweiliges und gelangweiltes, ja angeödetes Gesicht, dass ich als Orchestermusiker mich da auch nicht weiter anstrengen würde. Aber diese Profilangweiler machen dann eben trotzdem Ihre Karriere. Leider.

  • Es ist furchtbar, ein langweiliges Konzert mitzuerleben - das kann eine Qual sein, eine Folter, eine Misshandlung der Seele und des Gehörs. Aber einige Dirigenten schrecken eben vor nichts zurück und quälen den Zuhörer gerne.

    Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen, lieber Agon? Ich habe schon viele Konzerte in der Provinz gehört, auch solche von Jugend, Amateur- und Studentenorchestern. Bisher habe ich mich noch nie gelangweilt oder misshandelt gefühlt. Könnte das nicht vielleicht an der Qualität der Musik liegen, die sich letztlich immer irgendwie durchsetzt?

    Jukka-Pekka Saraste zum Beispiel macht das nichts aus. Er hat ja schon ein so langweiliges und gelangweiltes, ja angeödetes Gesicht, dass ich als Orchestermusiker mich da auch nicht weiter anstrengen würde.

    Ich habe ihn mal ausschnittsweise im Fernsehen gesehen und fand das gar nicht schlecht. Was soll an ihm langwerilig sein? Die Interpretation? Die Art zu musizieren? Dann muss man aber die Kritik auf das Orchester ausdehnen. Sind die Orchestermusiker - über 100 an der Zahl - alle Langweiler oder solche, die einen Langweiler gerade gut finden? Es gibt ja auch berühmte, sogar sehr berühmte, Instrumentalisten, die so gar keine erregten Grimassen schneiden, sondern mit regungsloser Miene musizieren. Darauf zu schließen, dass sie innerlich unbeteiligt oder gelangweilt wären, ist aber ziemlich verwegen - und falsch.


    Ist dieser ganze Thread nicht relativ sinnfrei? Man sollte sich finde ich mit der wirklichen musikalischen Leistung und der Interpretation auseinandersetzen. Musiker in einer Argumentation ad hominem als Langweiler oder Nicht-Langweiler zu kategorisieren - kann das wirklich mehr sein als leerlaufende Rhetorik mit der starken Tendenz zur Klischeebildung? Ich glaube letztlich nicht. Ich halte das alles für absolut überflüssig und verzichtbar.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wer für mich hierhin gehört, ist Zubin Mehta. Ich habe nicht viel von ihm, das hat seinen Grund eben in der Durchschnittlichkeit dieser Person, da reißt mich gar nichts vom Hocker. Er macht alles ordentlich, aber da springt der Funke nicht über.


    Hallo timmiju,
    warscheinlich hast Du immer das "falsche" Repertoire mit Metha gehört. Ich stimme Dir zu, dass Metha die reine Klassik zwar ordentlich, aber ohne herausragende Eigenschaften oder kaum mit Hochspannung dirigiert.


    Aber die Spätromantik und Moderne scheint mehr sein Repertoire zu sein, denn hier gibt es so einige mitreissende Aufnahmen, die es in sich haben (darin ist er R.Muti relativ ähnlich) - hier einige sehr positive Beispiele:
    Holst - Die Planeten (Decca) = gehört für mich zu den allerbesten Aufnahmen dieses genialen Werkes
    Mahler - Sinfonie Nr.2 (Decca) = TOP-Aufnahme
    Schmidt - Sinfonie Nr.4 (Decca) = IMO beste Aufnahme der 4
    Copland - Appalachian Spring, Lincoln Porträt (Decca) = meine absoluten Lieblingsaufnahmen
    Edgar Varese - Orchesterwerke (Decca) - Spitze !
    William Kraft - Concerto for Persussion and Orchestra (Decca) = Whow !
    Prokofieff - VC Nr.1 und 2 mit Stern (SONY) = mein Favorit für VC Nr.1

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe schon viele Konzerte in der Provinz gehört, auch solche von Jugend, Amateur- und Studentenorchestern. Bisher habe ich mich noch nie gelangweilt oder misshandelt gefühlt.


    So geht es mir auch, lieber Holger. Dieser Thread ist jetzt mehr als zehn Jahre alt. Ich frage mich, ob das Thema in dieser pauschalen Form heute überhaupt noch so aufgegriffen würde. Und wer ist überhaupt "man"?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • So geht es mir auch, lieber Holger. Dieser Thread ist jetzt mehr als zehn Jahre alt. Ich frage mich, ob das Thema in dieser pauschalen Form heute überhaupt noch so aufgegriffen würde.


    Diese Frage war es, die ich mir auch gestellt habe, als ich den Thread gewissermaßen "aufgewärmt" ha, notabene, da einige der damals abschätzig erwähnten inzwischen doch ihre Anhänger im Forum gefunden haben. An generell muß leider gesagt werden, daß die Sucht nach "Interpretenbashing" sich ebensowenig gelegt hat, wie die bedingungslose Anbetung mancher Stars von ihren Bewunderern.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dieser Thread ist in der Welt (nicht von mir), wurde wiederbelebt (nicht von mir) - also habe ich das Recht, hier zu schreiben und mich auf den Titel zu beziehen. Dafür habe ich mich nicht zu entschuldigen.
    Ich schreibe hier nach bestem Wissen und Gewissen.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Gleich die beiden ersten Beiträge dieses Threads aus 2006 überraschen mit folgenden Statements zu Herbert Blomstedt:


    getreu dem motto, ach, der hat(te) mal wieder was neues gemacht, vergessen wirs gleich ... eine cd von ihm ist schon zuviel ...


    zähle ich dazu blomstedt


    Blomstedt hätte ich nie unter die Großen gezählt, war aber für mich, ebenso wie Masur, immer ein Garant fürs Gähnen.

    Zwei Einschätzungen, die mich in Anbetracht verschiedener in den letzten Jahren selbst erlebter Konzerte (siehe z.B. hier) einigermaßen überraschen! - Würde man dieses Urteil heute noch so treffen?


    Man mache sich selber ein Bild:



    Andererseits, Blomstedts Zeit als Chefdirigent des (damals noch) NDR-Sinfonieorchesters von 1996 bis 1997 ist auch an mir ziemlich spurlos vorbeigegangen ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Auch wenn ich Edwin und klingsor mit ihren Beiträgen sehr schätze, aber hier kann ich mich bezüglich ihrer Aussagen gar nicht anschliessen.


    Blomstedt erlebe ich durchweg als TOP-Dirigenten, bei dem ich kaum an "Langeweile" denken würde. :thumbup: Mir fällt soeben sein Nielsen (mit der Beste) ein ...
    Gerade habe ich mal in den YT-Datei Sibelius 2 aus dem Vorbeitrag von MSChenk reingehört - das war alles Andere als langweilg = exqisit !!!


    Machen wir es kurz:
    8-) Der Name Blomstedt hat in diesem Thread nichts zu suchen !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Blomstedt erlebe ich durchweg als TOP-Dirigenten, bei dem ich kaum an "Langeweile" denken würde.

    Mein erster Kontakt mit Blomstedt war im Jahre 2005, er gab sein Abschiedskonzert als Chef des Gewandhausorchesters. Auf dem Programm nur die 8. Sinfonie von Bruckner. Ich hatte sie vorher noch nie gehört, meine Brucknerzeit hatte gerade erst angefangen. Ich war schockiert darüber, daß ich um diese großartige Musik bis dato einen Bogen gemacht hatte, und Blomstedt brachte sie begeisternd herüber. Keine Kunst bei dem Orchester.
    Inzwischen habe ich Blomstedt sicher 10 x gehört, immer in Leipzig, als Gast. Er war nie langweilig. Und nun mit über 90 dirigiert er immer noch. Großartig. Je älter, desto besser.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Von Blomstedt habe ich Hindemith - wirklich sehr gut:



    Vor dem Typ des absolut uneitlen, der Musik dienenden Orchesterleiters und -lehrers habe ich jedenfalls großen Respekt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich finde auch, dass der Name Herbert Blomstedt im Zusammenhang mit diesem Thread nun wirklich nichts verloren hat.


    "Uneitel" und "der Musik dienend" fasst es sehr gut zusammen. Blomstedt hat einen sehr unmittelbaren, unprätentiösen Stil und ist für sein hohes Alter oft erstaunlich flott, aber nie gehetzt unterwegs.


    Der Mann spricht übrigens tadelloses Deutsch. Es gibt spannende Interviews mit ihm bei YouTube, wo er sehr kluge und zum Nachdenken anregende Dinge äußert.



    Selbst live erlebt habe ich ihn erst einmal, vor einem knappen Jahr im Wiener Musikverein mit den Bamberger Symphonikern, denen er ja auch sehr eng verbunden ist (Ehrendirigent seit 2006). Was soll ich sagen? Die Aura dieses scheinbar alterslosen, stets elegant gekleideten Herrn ist bezwingend. Es gab Schuberts "Unvollendete" und Bruckners Siebte. Die Rezensionen waren sich alle einig: besser kann man das heutzutage kaum hören. Am Ende des langen Beifallsturmes hielt Blomstedt demonstrativ die Partitur in die Luft und ließ diese bejubeln. Damit bewies er einmal mehr seine ehrlich bescheidene Art.


    Je älter, desto besser.


    Wie ein guter Wein. Mit 90 scheint er nun wirklich auf seinem künstlerischen Höhepunkt angelangt sein. Ad multos annos!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich kenne von Blomstedt nur "Das Ewige Evangelium" von Janacek (eine der drei Mini-Opern neben dem "Tagebuch eines Verschollenen" und "Amarus"). Und das ist erstklassig.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Da ich bisher nur Brilliant-Box mit den Beethoven Symphonien habe und die mich nie so richtig begeistert haben, hätte ich auch gesagt Blomstedt ist ehr langweilig, aber die Aufnahme die MSchenk gepostet hat, ist wirklich toll. Gefällt mir sehr gut.und ist kein bisschen langweilig, also Meinung revidiert.

  • Da ich bisher nur Brilliant-Box mit den Beethoven Symphonien habe und die mich nie so richtig begeistert haben, hätte ich auch gesagt Blomstedt ist ehr langweilig, aber die Aufnahme die MSchenk gepostet hat, ist wirklich toll. Gefällt mir sehr gut.und ist kein bisschen langweilig, also Meinung revidiert.


    Blomstedts brandaktuelle Neueinspielung der Beethoven-Symphonien aus Leipzig ist eine ganz andere Liga. Der alte Zyklus aus Dresden wirkt dagegen tatsächlich etwas angestaubt.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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