Chopin: Die Klavierkonzerte 1 & 2

  • Hallo Dr. Kaletha,


    Genauso sehe ich das auch, und es tut mir richtig weh, wenn Komponisten und Interpreten, die Großes vollbracht haben, und deren Können nachweislich und unbestreitbar ist, fast völlig in der Flut von Einspielungen nachkommender Interpreten vergessen oder einfach ignoriert werden! Auch für mich spielt bei Aufnahmen die eigentliche Interpretation eine viel größere Rolle als technische Gesichtspunkte, und meine Beurteilung hängt nur ganz marginal von dem Klangbild einer Aufnahme ab. Viel wichtiger für mich ist der jeweilige Künstler und Mensch, der hinter einer Aufnahme steht.


    Ich vermisse deshalb offen gesagt auch etwas die Beiträge von Frank Georg Bechyna, die wohl 2010 endeten (weiß jemand warum??), der nicht nur ein großes und weites Wissen gerade über die für mich sehr wichtige Klaviermusik (aber beileibe nicht nur!) offenbarte, sondern auch immer oft zu Unrecht vergessene, oder vernachlässigte, große Interpreten, wie z. B. WÜHRER, HAAS, CURZON, HOFMANN, FRANCOIS, FIRKUSNY, SCHNABEL, LUPU etc - trotz mono, und trotz oft schlechter Aufnahmequalität, mit in seine Besprechungen einschloß.Ich bin deshalb sehr froh, in Dir in dieser Beziehung offenbar einen Gleichgesinnten gefunden zu haben!!


    Viele Grüße


    wok

  • Hallo wok,


    ich bedaure es noch heute, die Gelegenheit verpaßt zu haben, Stefan Askenase im Konzert in Düsseldorf gehört zu haben. Damals war ich vielleicht 15 Jahre alt - und da ist man sich der Bedeutung noch nicht bewußt.


    Erwähnt werden sollte auch Alfred Cortot, der "Philosoph" auf dem Klavier, der sehr großen Einfluß hatte durch seine Schüler und auch die Herausgabe der Werke u.a. von Chopin. Sie werden noch heute am Pariser Konservatorium benutzt. Cortot zu hören ist immer aufregend. Vom 2. Klavierkonzert gibt es eine Aufnahme:

    Artur Rubinsteins diverse Aufnahmen der Chopin-Konzerte, die Du erwähntest, sind absolute Klassiker und dürfen in keiner Sammlung fehlen. Wirklich sehr berührend ist diese Aufnahme des 2. Konzerts, die der fast blinde (!) Rubinstein mit Andre Previn machte. Was für eine souveräne Beherrschung des Klaviers und was für ein "göttlicher" Klang - zu hören und zu sehen auf DVD!

    In meiner Jugend erlebte ich noch Adam Harasiewicz, er vertritt nach Stefan Askenase die polnische Schule und ist ein klassischer Chopin-Spieler. Er gewann den Warschauer-Wettbewerb und verwies Vladimir Ashkenazy damals auf den 2. Platz! Harasiewicz ist ein Perfektionist und ein wirklich außergewöhnlicher Chopin-Interpret. Diese günstige Box mit seinen kompletten Chopin-Einspielungen kann man nur wärmstens empfehlen:

    Schöne Grüße
    Holger

  • Bitte immer wenn möglich gleich den Link setzen


    Zunächst bin ich dazu einfach zu doof. Und 2. - diese Aufnahme habe ich im Rahmen der "Die Zeit - Klassik-Edition", Band 13. Und da fällt mir das Link-Setzen noch schwerer. Übrigens habe ich die gesamte 20-bändige Edition mit doch etlichen hörenswerten Aufnahmen und vor Allem jede Menge Infos zum Interpreten und zum Werk selbst.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zunächst bin ich dazu einfach zu doof. Und 2. - diese Aufnahme habe ich im Rahmen der "Die Zeit - Klassik-Edition", Band 13. Und da fällt mir das Link-Setzen noch schwerer. Übrigens habe ich die gesamte 20-bändige Edition mit doch etlichen hörenswerten Aufnahmen und vor Allem jede Menge Infos zum Interpreten und zum Werk selbst.


    La Roche


    Lieber LaRoche, ich meinte eigentlich den Holger! :)

  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Erwähnt werden sollte auch Alfred Cortot, der "Philosoph" auf dem Klavier, der sehr großen Einfluß hatte durch seine Schüler und auch die Herausgabe der Werke u.a. von Chopin. Sie werden noch heute am Pariser Konservatorium benutzt.

    Hallo Dr. Kaletha,


    Ja, ALFRED CORTOT gehört ganz sicher mit zu den Namen der renommierten "alten Garde", die bei Besprechungen und Vergleichen mit berücksichtigt werden sollten! Ich erwähnte in diesem Zusammenhang auch nur ganz wenige Beispiele, die man ganz schnell durch Namen wie DAME MYRA HESS, SOLOMON, HASKIL, ERDMANN, LATEINER, AESCHBACHER, GIESEKING, LILI KRAUS, ANNIE FISCHER, EDWIN FISCHER erweitern könnte (jetzt nicht nur auf ChOPIN bezogen)- und auch dies wieder nur eine ganz kleine Liste unvergeßlicher Klavierkünstler.



    Zitat

    Dr. Holger Kaletha: In meiner Jugend erlebte ich noch Adam Harasiewicz, er vertritt nach Stefan Askenase die polnische Schule und ist ein klassischer Chopin-Spieler. Er gewann den Warschauer-Wettbewerb und verwies Vladimir Ashkenazy damals auf den 2. Platz! Harasiewicz ist ein Perfektionist und ein wirklich außergewöhnlicher Chopin-Interpret. Diese günstige Box mit seinen kompletten Chopin-Einspielungen kann man nur wärmstens empfehlen:

    ADAM HARASIEWICZ darf natürlich nicht fehlen, wenn es um FRÉDÉRIC CHOPIN geht, in dessen Dienst er fast ausschließlich sein künstlerisches Wirken stellte.! Er war wohl einer der besten Interpreten von dessen Nocturnes, aber auch der Polonaises, wohl weniger der Walzer. Sein Spiel war ausgefeilt, natürlich, plastisch, vorbildlich werktreu, modern-lebendig und dennoch voller Poesie. Schade, daß er sich so frühzeitig von den Konzertpodien zurückzog!


    Viele Grüße


    wok

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  • Hallo


    meine Aufnahmen zum 2. Konzert f-moll Op.21:


    Ivo Pogorelich, p
    Claudio Abbado, cond
    Chicago Symphony Orchestra
    (DG, DDD, 1983)

    Interpretation: 10/10
    Klang: 8/10
    Der 2. Satz ein Traum ! Niemand spielt mit diesem kristallenen Anschlag und den Abstufungen der Dynamik. In den Ecksätzen federnd-modern.


    Stefan Askenase, p
    Fritz Lehmann, cond
    Berliner Philharmoniker
    (DG, AAD, 1952)

    Interpretation: 7/10
    Klang: 5/10
    Der 2. Satz ist der Höhepunkt


    Rafal Blechacz, p
    Jerzy Semkov, cond
    Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam
    (DG, DDD, 2009)

    Interpretation: 7/10
    Klang: 7/10


    LG Siamak

  • Eigentlich sollte ich ja derzeit alle meine Neuerscheinungen der letzt 3-5 Jahre durchhören - aber irgendwie habe ich schon seit Monaten keine richtige Lust dazu. Dieser Thread hat mich indes animiert nachzusehen was den von Chopins Klavierkonzerten in meiner Sammlung ist: Viel ist es nicht. Das Klavierkonzert nr 1 ist 2mal vorhanden, mit Emanuel Ax (Sony, bei jpc gestrichen) und mit Claudio Arrau, das Konzert Nr 2 lediglich mit Arrau.
    Es muß an die 15 Jahre her sein, daß ich die Konzerte gehört habe. Heute beschloß ich diesen Bann zu brechen - und ich habe es nicht bereut. Meine Wahl fiel auf Das Klavierkonzert Nr 1 mit Emanuele Ax als Solosten, der es auf einem historischen Erard spielt.
    Es entstand in zeitlicher Nähe zum 2. das vermutlich kurz davor geschrieben war, die Reihenfolge ist also verdreht, auch von der Opuszahl her.
    Es hatte Tradition Chopins Klavierkonzerte abzuwerten, in den mir zur Verfügung stehenden Konzertführern findet sich allerdings kein Hinweis darauf, ebensowenig wie im WIKIPEDIA Artikel, diese Ansicht scheint überwunden, vielleicht auch deshalb, weil die politische Dimension des Werkes etwas in den Vordergrund der Betrachtungen gestellt wurde. Chopin spielte das - Friedrich Kalkbrenner gewidmete - Klavierkonzert Nr 1 knapp vor seiner Abreise nach Wien, am 11. Oktober 1830 in seinem Abschiedskonzert im Nationalteater Warschau mit großem Erfolg, letztlich wissen wir das aus einem Brief an seinen Freund Tytus Woyciechowski.
    Am 2. November 1830 trat er mit ebendiesem Freund die Reise nach Wien an, von wo er über Stuttgart nach Paris reiste.


    Das Konzert war bei den Polen überaus beliebt, beinhaltete es doch etlich dem polnischen Nationalstil nachempfundene Themen.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zuletzt hörte ich die beiden Chopin-Konzerte mit Samson Francois. Das 1. Konzert fand ich eher schwach, das zweite deutlich besser. Wirklich ein absolutes "Muss" ist die 2. Aufnahme von Krystian Zimerman:


    Krystian Zimerman : Primus inter Pares?


    Auch Claudio Arraus Aufnahme kann ich nur noch einmal nachdrücklich empfehlen. Das ist exemplarisch - einmal gehört, wird man das nie vergessen. Eine der wirklich zeitlosen Arrau-Großtaten:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    die spätere Aufnahme beider Chopin-Konzerte mit Krystian Zimerman habe ich zwar nicht, habe sie aber durch eine Leihgabe damals gehört. Sie ist absolut empfehlenswert, aber IMO geht die Detailfreudigkeit etwas zu Lasten des Impetus in den Ecksätzen. Leider habe ich die Arrau-Aufnahme nicht, obgleich ich viele andere Konzerteinspielungen Arraus habe.


    Bevor ich mit der Beurteilung der eigenen Aufnahmen weitermache, muss ich hier noch von einem gigantischen Konzertabend aus 2002 (so aus meiner Erinnerung) berichten. Es war in der Stadthalle Wuppertal im Rahmen der von Bayer gesponserten Konzerte:


    F Chopin
    Klavierkonzerte Nr. 1 und 2
    Balladen Nr. 1-4
    Scherzi Nr. 1-4


    François-René Duchable, p
    Wuppertaler Symphoniker
    Dirigent habe ich vergessen (oder dirigierte Duchable vom Flügel aus ?)


    Alles an einem Abend. Man hätte sofort aufnehmen können.


    LG Siamak

  • Die zweite Aufnahme Zimermans ist sehr speziell. Gerade auch im Orchestralen sicher eine der (oder die) differenzierteste(n), aber die Tempi, besonders in den Kopfsätzen sind sehr breit und der Detailreichtum insgesamt kann etwas manieriert wirken. Man sollte sie kennen, aber nicht nur diese.
    (Mit Samson Francois gibt es übrigens je eine Mono- und eine Stereoaufnahme der Konzerte; sie sind in der großen Box natürlich beide drin, ich habe die aber auch nie verglichen.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Diese Aufnahme finde ich unerreicht. Jede andere Aufnahme enttäuscht mich da nur. Früher habe ich sie sehr oft gehört, mittlerweile höre ich kaum noch Chopin.

  • Diese Aufnahme finde ich unerreicht. Jede andere Aufnahme enttäuscht mich da nur. Früher habe ich sie sehr oft gehört, mittlerweile höre ich kaum noch Chopin.

    Lieber Agon,


    ich stimme Dir absolut zu, dito :hail: :hello:


    LG Siamak

  • Hallo,


    ein Nachzügler zum 2. Klavierkonzert:


    Alexis Weissenberg, p
    Stanislaw Skrowaczewski, cond
    Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire
    (EMI, ADD, 1967)


    Interpretation: 8/10
    Klang: 7/10


    Ich muss sagen, dass ich diese Aufnahme zwischen Pogorelich und Askenase einordne. Der moderne und prokofiefsk anmutende Part Weissenbergs paart sich mit einem straff organisierten Orchestersound.


    LG Siamak

  • Meine absolute Nummer 1 des 1. Klavierkonzertes:


    Maurizio Pollini
    Philharmonia Orchestra Paul Kletzky, 1960


    Bei YT kann man viele, viele andere hören, aber keiner hat mich so berührt wie Pollini. Marta Argerich kommt nahe. Begründen kann ichs nicht, damit habe ich hier schon wieder schlechte Karten.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber Agon,


    ich stimme Dir absolut zu, dito :hail::hello:


    LG Siamak

    Ja, lieber Siamak, es ist hier besonders der Zweite Satz, der mich immer wieder in absolutes Erstaunen versetzt und mich fasziniert. Diese traumähnliche Sphäre, die Pogorelich mit seiner unglaublich nuancierten Anschlagskunst hier erschafft zusammen mit Abbados höchst feinsinnigem Dirigat. Das Chicago Symphony Orchestra ist natürlich für dieses Konzert eine absolute Luxusbesetzung. Und es ist eine Freude, es hier so großartig, ernsthaft und mitreißend aufspielen zu hören. Dank dieser Aufnahme schätze ich das Zweite Konzert mittlerweile mehr als das Erste.

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  • Lieber La Roche,


    die Aufnahme des 1. Klavierkonzertes e-moll Op.11 Pollinis mit Kletzki und dem Philharmonia Orchestra bei der EMI ist berühmt. Polin hatte gerade als 18-Jähriger den Chopin-Wettbewerb gewonnen. Ich habe dieses Konzert, welches IMO im Kopfsatz pianistisch deutlich dichter strukturiert ist und technisch deutlich anspruchsvoller erscheint, mit der ebenfalls berühmten RCA-Aufnahme Artur Rubinsteins mit dem New Philharmonia Orchestra unter Stanislav Skrowaczewski aus Anfang der 60er Jahre (oder war es Ende der 50er, jedenfalls Stereo) kennengelernt. ich hatte es auf MC. Ich habe diese Aufnahme so häufig gehört, dass ich mich traue, obwohl seit 27 Jahren nicht mehr gehört, eine Bewertung abzugeben. Die obige Pollini-Aufnahme war dann die zweite auf MC, welche ich auch als CD habe. IMO orientiert sich Polin hinsichtlich Tempi und Phrasierung sehr an Rubinstein. Im 2. Satz fehlt etwas Eleganz und Lässigkeit in den Figurationen. Im 3. Satz geht der Hinweis auf die polnische Folklore IMO, da sehr maschinell gespielt, verloren. Ich bewerte mal zunächst diese beiden, bevor ich auf den übrigen mir zur Verfügung stehenden Aufnahmen eingehe:


    Artur Rubinstein, p
    Stanislav Skrowaczeweski, cond
    New Philharmonia Orchestra
    (RCA, ADD, Ende 50er oder Anfang 60er)
    Interpretation: 10/10


    Klang: 6/10


    Maurizio Pollini, p
    Paul Kletzki, cond
    Philharmonia Orchestra
    (EMI, ADD, 1960)
    Interpretation: 7/10
    Klang: 6/10


    LG Siamak

  • Lieber Siamak,


    im Falle von Pollini bin ich mal nicht Deiner Meinung! :D Ich liebe ja auch die Rubinstein-Aufnahme und es ist natürlich bekannt, dass sich der junge Pollini mit Rubinstein befreundete und ihn sich zum Vorbild nahm (neben ABM). Aber vergleichen kann man die beiden Aufnahmen so einfach nicht, finde ich! Pollini steht für einen modernen, "neusachlichen" Stil der Chopin-Interpretation, das zeigen auch schon die Dokumente des Warschauer Wettbewerbs. Für das "Idiomatische" bei Chopin interessiert er sich einfach nicht. Und da ist diese Aufnahme in ihrer Geradlinigkeit und Klarheit einfach singulär. Ich will keine der so völlig unterschiedlichen Top-Aufnahmen vermissen, weder Rubinstein, Arrau, Gilels, Zimerman oder Pollini (sicher habe ich da jetzt noch Jemanden vergessen).


    Schöne Grüße
    Holger

  • Meine Favoriten für das Erste Konzert sind:


    - Martha Argerich, London Symphony Orchestra, Abbado (DG, 1968)
    - Arthur Rubinstein, New Symphony Orchestra of London, Skrowaczewski (RCA, 1961)
    - Emil Gilels, Philadelphia Orchestra, Ormandy (Sony, 1964)
    - Olli Mustonen, San Francisco Symphony Orchestra, Blomstedt (Decca, 1994)
    - Claudio Arrau, London Philharmonic Orchestra, Inbal (Philips, 1970)
    - Earl Wild, Royal Philharmonic Orchestra, Sargent (Chesky, 1965)

  • Ich muß gestehen, daß ich mich nie mit der Pollini/Kletzki-Aufnahme des Ersten Konzerts anfreunden konnte. Ich finde sie zwar respektabel, aber mehr irgendwie nicht. Sie ist von zu großer Zurückhaltung und Diskretion geprägt. Auch der Orchesterpart ist nicht sehr durchgeformt.


    Ich finde es sehr schade, daß Pollini die Konzerte nicht in den 1970er Jahren mit seinem Freund Abbado aufgenommen hat, als er sich auf dem Höhepunkt seiner Kunst befand (wie seine Aufnahmen der Etudes, Preludes und Polonaisen auf DG zeigen). Sehr schade, daß hätte was werden können...

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  • Ich muß gestehen, daß ich mich nie mit der Pollini/Kletzki-Aufnahme des Ersten Konzerts anfreunden konnte. Ich finde sie zwar respektabel, aber mehr irgendwie nicht. Sie ist von zu großer Zurückhaltung und Diskretion geprägt. Auch der Orchesterpart ist nicht sehr durchgeformt.


    Ich finde es sehr schade, daß Pollini die Konzerte nicht in den 1970er Jahren mit seinem Freund Abbado aufgenommen hat, als er sich auf dem Höhepunkt seiner Kunst befand (wie seine Aufnahmen der Etudes, Preludes und Polonaisen auf DG zeigen). Sehr schade, daß hätte was werden können...

    Lieber Agon,


    zum Glück hat der hyper-selbstkritische Pollini diese Aufnahme nicht Jahrzehnte zurückgehalten wie die Aufnahme der Etüden op. 10 u. op. 25 aus demselben Jahr! Man darf nicht vergessen finde ich, dass dies die Aufnahme eines 18jährigen ist! Mit einer solchen Klarheit, Reife, Schlüssigkeit und Kraft Chopin so maßstabsetzend "modern" und dazu auch noch so ästhetisch vorzutragen, ist für einen jungen Mann einfach eine "visionäre" Leistung. Auf Youtube gibt es irgendwo noch einen Konzertmitschnitt des "alten" Pollini - und da muss ich sagen, beeindruckt mich diese seine frühe Aufnahme immer noch weit mehr. Der Orchesterpart ist natürlich heikel. Kletzki ist finde ich nicht schlecht, Abbado (als Begleiter von Martha Argerich) einfach Spitze. Insofern ist es wirklich schade, dass Pollini das 1. Konzert (oder beide) nicht nochmals mit seinem Jugendfreund Abbado aufgenommen hat. Beide waren ein wirklich ideales Gespann. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Man darf nicht vergessen finde ich, dass dies die Aufnahme eines 18jährigen ist! Mit einer solchen Klarheit, Reife, Schlüssigkeit und Kraft Chopin so maßstabsetzend "modern" und dazu auch noch so ästhetisch vorzutragen, ist für einen jungen Mann einfach eine "visionäre" Leistung.

    Das ist allerdings wahr, lieber Holger. Und es war 1961 sicherlich auch nicht leicht, sich gegen die "großen Alten" durchzusetzen bzw. zu behaupten.


    Hat Pollini eigentlich das Zweite Konzert jemals gespielt? Eine offizielle Aufnahme gibt es jedenfalls nicht.


    Es gibt ja die Bartok-Klavierkonzerte Nr.1&2 mit Pollini/Abbado aus Chicago. Diese Aufnahme finde ich unerreicht. Ich hatte immer die Phantasie, daß es toll gewesen wäre, wenn sie damals auch gleich noch die beiden Chopin-Konzerte in dieser Besetzung für DG eingespielt hätten. Aber das ist natürlich nur hypothetisch... :)

  • Hat Pollini eigentlich das Zweite Konzert jemals gespielt? Eine offizielle Aufnahme gibt es jedenfalls nicht.

    Ich glaube nein, lieber Agon! Leider! Das ist genau umgekehrt wie bei Ashkenazy, der hat in seinen jungen Jahren eine sehr schöne Aufnahme des 2. Konzerts mit David Zinman gemacht, aber das 1. Konzert nicht aufgenommen (wenn ich mich nicht irre, bei Ashkenazy weiß man in dieser Hinsicht nie! :D )


    Es gibt ja die Bartok-Klavierkonzerte Nr.1&2 mit Pollini/Abbado aus Chicago. Diese Aufnahme finde ich unerreicht. Ich hatte immer die Phantasie, daß es toll gewesen wäre, wenn sie damals auch gleich noch die beiden Chopin-Konzerte in dieser Besetzung für DG eingespielt hätten. Aber das ist natürlich nur hypothetisch... :)

    Ich habe gerade für nur 17 Euronen diese Neuerscheinung bestellt:



    Davon habe ich zwar das Meiste, aber zu dem Preis! ;) Auch bei mir sind Pollini-Abbado die Nummer 1 bei Bartok, aber diese frühen Digitalaufnahmen der DGG sind auch etwas kritisch mit ihrem schlanken, leicht gläsernen und etwas scharfen Klang. Eine sehr gute Testplatte für die Anlage und die Boxen jedenfalls ist der Bartok! :D Und ich hoffe nun, dass die Aufnahmen in der Box technisch doch noch besser überspielt sind (was die Erfahrung bei mir immer wieder bestätigt hat) mit neuester Wandler-Technologie als die Ersterscheinungen, die ich vornehmlich habe (bei Bartok ist meine CD aus der uralten "Galeria"-Serie). :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo,


    hier folgt nun die Beurteilung (alles natürlich IMO) der mir zur Verfügung stehenden Aufnahmen des 1. Klavierkonzertes e-moll Op.11:


    Friedrich Gulda, p
    Adrian Boult, cond
    London Philharmonic Orchestra
    (DECCA/DG, AAD, 1954)
    Anmerkung: Orchesterfassung von Mili Balakirev

    Interpretation: 10/10
    Klang: 5/10


    Rafal Blechacz, p
    Antoni Wit, cond
    Warsaw Philharmonic Orchestra
    (DDD, live, 15th International Piano Competition 'Chopin ', Warschau, 2005)

    Interpretation: 9/10
    Klang: 8/10


    Abdel Rahman El Bacha, p
    Stefan Sanderling, cond
    Orchestre de Bretagne
    (Forlane, DDD, 2002)

    Interpretation: 8/10
    Klang: 10/10


    Stefan Askenase, p
    Willem van Otterloo, cond
    Residentie Orkest Den Haag
    (DG, ADD, 1959)

    Interpretation: 8/10
    Klang: 8/10



    Rafal Blechacz, p
    Jerzy Semkov, cond
    Royal Concertgebouw Orchestra
    (DG, DDD, 2009)

    Interpretation: 7/10
    Klang: 9/10



    Nelson Freire, p
    Heinz Wallberg, cond
    NDR Sinfonieorchester Hamburg
    (Decca, ADD, 1968)

    Interpretation: 7/10
    Klang: 8/10



    Maurizio Pollini, p
    Paul Kletzki, cond
    Philharmonia Orchestra
    (EMI, ADD, 1960)

    Interpretation: 7/10
    Klang: 6/10



    Alexis Weissenberg, p
    Stanislav Skrowaczewski, cond
    Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire
    (EMI, ADD, 1967)

    Interpretation: 5/10
    Klang: 7/10


    Ich werde im weiteren noch einige Erläuterungen geben. Die Reihenfolge in obiger Liste ist nach meiner Beurteilung von favorisiert bis weniger favorisiert gelistet.


    LG Siamak

  • :D


    Das ist diese CD, lieber Siamak:



    Sie befindet sich in meiner Sammlung und in der Geschichte dazu muss ich über mich selbst lachen! :D Letzte Weihnachten gibt es sie im hiesigen CD-Shop im Sonderangebot. Ich überlege im Laden: Sollst Du sie kaufen? Zuhause höre ich die Hörschnipsel und denke: Wenn Gulda eines nicht kann, dann Chopin spielen!!! Also dachte ich mir, warum eine CD kaufen, die Du dann sowieso nicht hören willst? Vor Tagen suche ich nun in der Chopin-Abteilung meiner Sammlung und sehe: Ich habe sie ja bereits gekauft! :D Nach Deinem Posting denke ich: War da nicht das Klavierkonzert drauf? Ja! Ich sehe auf die Hülle und die Nummer ist leicht verblasst. Ich staune: Seit Anschaffung dieser CD sind ungefähr 1000 neue dazugekommen. :untertauch:


    Also habe ich sie mir gerade angehört. Ich muss sagen: Für Gulda wirklich anhörbar! Nur: Jede Note wird deutlich, dass er einfach kein Chopin-Spieler ist. Die Lyrik klingt irgendwie nach Haydn und Mozart und die kräftigen, virtuosen Passagen etwa wie Beethoven. Was Gulda einfach nicht hat, ist ein "Stil", den man braucht, um Chopin zu spielen. Er spielt diesen Chopin aber nicht wie ein Aristokrat, sondern eher wie ein Plebejer. Ohne diese Aristokratie wirkt gerade das Passagenwerk bei Chopin dann ein bisschen lieblos (und manchmal etwas wienerisch-schlampig) heruntergespielt. Chopin ist eben kein Beethoven, sondern virtuose Romantik, da muss man dem Technischen zum Glanz verhelfen, sonst wirkt das leer. Z.B. die Glockenstelle im Übergang vom 2. zum 3. Satz spielt er einfach unglaublich prosaisch! Die Instrumentation von Balakireff überzeugt mich auch nicht mit ihren "Einfällen". Ich muss nach dem Hören sagen: Ein Alexis Weissenberg sagt mir einfach weit, weit mehr als Friedrich Gulda: Weissenberg ist viel individueller, er hat die Kühnheit, Chopin mit architektonischer Kühle zu spielen, aber er ist eben auch ein begnadeter hochindividueller Lyriker, der einen bei den Seitenthemen immer wieder regelrecht becircen kann. Weissenberg, auch wenn sein Chopin sicher unorthodox ist, ist ein Chopin-Spieler, Gulda dagegen ist es nicht! :D


    So, nun bin ich gspannt, was Du darauf sagen wirst! 8o (Weiter höre ich gerade Horowitz Welte-Mignon 1926!)


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Meine absolute Nummer 1 des 1. Klavierkonzertes:


    Maurizio Pollini
    Philharmonia Orchestra Paul Kletzky, 1960


    Bei YT kann man viele, viele andere hören, aber keiner hat mich so berührt wie Pollini.

    Nach langer Zeit habe ich mir die Pollini/Kletzki-Aufnahme wieder angehört. Auch ich muss da sagen: Das ist berührend. Pollini spielt das Konzert wie aus einem Guss, ungemein klar und formbewusst (dagegen ist Gulda mit seinem quasi-improvisatorischen Dirty-Play fast schon ein Chaot :D ), dabei alles andere als kühl, sondern immer organisch und vor allem mit einer intimen Schlichtheit und Feinsinnigkeit, welche die Schönheit dieses Chopin-Spiels zu einem innerlich beseelten macht. Da sitzt jeder Ton, das Rubato-Spiel ist gekonnt, der Klavierton hat Fülle und Strahlkraft. Vor dieser Gestaltungskraft und diesem Einfühlungsvermögen eines 18jährigen kann ich nur den Hut ziehen! An Gulda, den ich zuvor gehört habe, will ich gar nicht mehr denken. In der Malersprache ausgedrückt: Wo Pollini mit dem Marderpinsel arbeitet, benutzt Gulda den Ölspachtel. :P


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich kann aus Deiner Sicht das Unverständnis gegenüber der Gulda-Aufnahme verstehen. Als ich besagte Doppel-CD bekam, sagte mir sein 1. Chopin-Konzert nicht zu. Allerdings war ich von seinen anderen Darstellungen, den Preludes und Balladen begeistert, mal von seinem genialen Epitaph ganz zu schweigen. Desto häufiger ich Das 1. Konzert mit ihm hörte, desto mehr war ich auch davon fasziniert. Ich finde gerade seine Rubati und Phrasierungen betörend. Der Balakirevsche Zusatz im Orchesterpart ist zumindest interessant. IMO ist Gulda genial. Pollini ist sehr gut, aber ich empfinde ihn nicht sehr poetisch. Aber ich finde es hochinteressant, dass wir hier so unterschiedlicher Meinung sind. Vielleicht ist die schlechte Aufnahmequalität für Dich ein Hindernis.


    LG :hello: Siamak

  • Vielleicht ist die schlechte Aufnahmequalität für Dich ein Hindernis.

    Das bestimmt nicht, lieber Siamak! Ich höre viel historische Aufnahmen und bin in dieser Hinsicht einiges gewohnt. :D Kletzki finde ich übrigens wirklich nicht schlecht, weil er sehr rhythmisch ist. Balakireff mag ich ja sonst, er hat eine geniale Paraphrase von Glinkas schlichtem Stück "Die Lerche" gemacht im Stile spätromantischer Dekadenz. Umwerfend gespielt von Kissin. Hier beim Chopin-Konzert versucht er einzelne Stellen etwas "interessanter" zu machen wie Du ja auch bemerkst, aber irgendwie entsteht daraus nichts Eigenständiges - ganz anders ist da doch das Niveau der Godowski-Paraphrasen der Chopin-Etüden für meinen Geschmack. :hello:


    P.S. Die anderen Gulda-Aufnahmen werde ich mir demnächst auch noch mal zu Gemüte führen - allerdings ist mein Stapel ungehörter CDs in den letzten Wochen zu einem größeren Berg angewachsen! :D


    Schöne Grüße
    Holger


  • Lieber Holger,


    Zitat von »AcomA02«




    Vielleicht ist die schlechte Aufnahmequalität für Dich ein Hindernis.
    Das bestimmt nicht, lieber Siamak! Ich höre viel historische Aufnahmen und bin in dieser Hinsicht einiges gewohnt. Kletzki finde ich übrigens wirklich nicht schlecht, weil er sehr rhythmisch ist. Balakireff mag ich ja sonst, er hat eine geniale Paraphrase von Glinkas schlichtem Stück "Die Lerche" gemacht im Stile spätromantischer Dekadenz. Umwerfend gespielt von Kissin.

    Lieber Holger,


    ich kenne die Glinkasche Lerche in der Balakirev-Bearbeitung mit Kissin. Ich hab auch noch eine Live-Aufnahme dieses Stückes mit dem späten Nikita Magaloff, auch top.


    LG Siamak

  • ich kenne die Glinkasche Lerche in der Balakirev-Bearbeitung mit Kissin. Ich hab auch noch eine Live-Aufnahme dieses Stückes mit dem späten Nikita Magaloff, auch top.

    Lieber Siamak,


    welche Aufnahme von Magaloff ist das denn? Ich bedaure immer noch, dass ich den Zeitpunkt verpasst habe, die Magaloff-Chopin-Box zu kaufen. Aber wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. :D Die Balakireff-Paraphrase spielt auch Olga Scheps sehr schön. Das schlichte Original von Glinka (ein Stückchen von knapp einer Minute) gibt es als Ersteinspielung hier:


    http://www.aton-recordings.de/…e=1&main_kat=&start=0&nr=



    Schöne Grüße
    Holger

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