Solidarisierung mit dem jetzt - "Ich kaufe nur Aufnahmen ab 2000"

  • Lieber Agon,


    damit ist IMO gemeint, dass man sich nahezu ausschließlich auf Darstellungen bzw. Interpretationen jetzt aktiver Musiker beschränkt bzw. fokussiert. Und wenn man es konsequent verfolgt, muss man letztlich eine zeitliche Zäsur setzen. Es könnte auch 1995 sein. 2000 klingt symbolträchtiger und entspräche dem Millenniumswechsel. Das bedeutet, das die allermeisten Aufnahmen ab 2000 durch jetzt noch lebende und aktive Musiker erstellt wurden. Diese Art der Solidarisierung soll die lebenden Künstler auch wirtschaftlich unterstützen. Außerdem zeichnet sich ja eine Globalisierung im E-Musikbetrieb ab, was ja für den Fortbestand dieses sehr wichtigen Kulturgutes, welches national nur von einer absoluten Minderheit beachtet und konsumiert wird, essentiell ist.


    LG Siamak

  • Aber die zeitgenössischen Interpreten, z.B. Mutter oder Zimerman haben zig Aufnahmen vor 2000 gemacht. D.h. ein solcher Schnitt ist keineswegs eine Beschränkung auf lebende/aktive Interpreten, sondern eine viel stärkere Einschränkung.
    Wenn man aktive Interpreten besonders unterstützen und am besten erleben will, sollte man ihre Konzerte besuchen.


    Früher hatte man dieses Luxusproblem auch weit weniger. Es waren viel weniger Aufnahmen leicht greifbar. In den ersten 10 Jahren der CD war vieles nicht auf CD zu kriegen, es gab insgesamt (besonders in weniger gängigem Repertoire) weniger Einspielungen und v.a. waren, wenn man nicht in einer Großstadt mit sehr gutem Fachhandel wohnte oder bereit war, (ggf. im Ausland) zu bestellen (was wiederum vor dem Internet sehr viel aufwendiger war), hat man das genommen, was man lokal kaufen konnte. Und das war typischerweise entweder "zeitgenössisch", d.h. vor relativ kurzer Zeit herausgekommen oder "Katalogklassiker", d.h. regelmäßig neu aufgelegt. Die Idee des "Zeitgemäßen" bei Klassikinterpreten wäre mir damals gar nicht gekommen. Mit Ausnahme von explizit historischen Aufnahmen und im Bereich der Alten Musik, in der sich damals die alten Instrumente gerade durchgesetzt hatten. Aber dennoch waren von gängigen Barockwerken (Bach, Händel, Vivaldi) immer auch "altmodische" (die freilich absolut gesehen oft nur 10-20 Jahre alt waren) erhältlich.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Diese freiwillige Selbstbeschränkung auf wenige Jahre des künstlerischen Schaffens führt zu einer Wissenslücke und daraus resultierend zu Verständnisproblemen.


    Man kann nur froh und dankbar sein, daß wir doch einige Jahrzehnte zurückhören können.

  • 17 Jahre, das ist ja noch nicht einmal eine Generation! Wie bereits erwähnt wurde, gibt es zudem auch heute noch zahlreiche Interpreten, die Aufnahmen bereits in den 60er Jahren gemacht haben (ich nenne nur mal Ashkenazy, Barenboim, Blomstedt, Dohnányi, Eschenbach, Muti und Ozawa). Die Grenzziehung mit dem Jahre 2000 ist rein willkürlich und folgt keinen künstlerischen Kriterien. Natürlich bleibt es jedem unbenommen, sich einer solchen (in meinen Augen absurden) Selbstbeschränkung zu unterwerfen. Allein, der Sinn erschließt sich mir mitnichten. Ausgenommen vielleicht die Alte Musik, sind für meine Begriffe die Fälle, in denen die Referenzaufnahmen von Werken ab 2000 entstanden sind, rar gesät. Aber das mag auch nur eine rein subjektive Empfindung sein.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Keineswegs, lieber Holger. Beides ist für mich notwendige Voraussetzung. Um die musikalische Qualität wertschätzen zu können, ist für mich eine bestimmte Klangqualität unverzichtbar. Ich kann auch ein Gemälde nicht wertschätzen, wenn ich es durch eine matte Scheibe betrachten muss. Ästhetische Erfahrungen haben nun mal eine sinnliche Basis. Wenn Du das oberflächlich findest, dann kann ich damit gut leben.


    Allerdings weiß ich nicht, was die Diskussion um Klangqualität mit dem Thema zu tun hat. ?( Es ist doch klar, dass der Grund des "Friesen" für die Beschränkung auf neue Aufnahmen ein ganz anderer ist. Ihm geht es doch wohl darum, dass er nur Aufnahmen hören möchte, die in seiner Zeit entstanden sind und die auch noch irgendetwas mit dem aktuellen Musikleben zu tun haben. Das kann ich durchaus nachvollziehen, auch wenn ich selbst diese Haltung in dieser Ausschließlichkeit nicht teile.

    Da hast Du mich missverstanden, lieber Bertarido. Natürlich ist die beste Tonqualität gerade gut genug. Aber wenn Leute Aufnahmen gar nicht erst hören wegen Rauschen oder Mono, dann haben die einfach fragwürdige Hörgewohnheiten. Horowitz z.B. hatte immer das Glück, dass die Technik seiner Aufnahmen sehr gut war. Das gilt gerade auch für Mono. Es gibt sehr viele alte und sehr alte Aufnahmen, die zwar ein bisschen rauschen, von der Klangqualität her aber sehr anhörbar sind, z.B. einen sehr warmen und farbigen und dabei durchsichtigen Klang haben. Die Aufnahme ist dann nicht so großräumig, nicht so dynamisch wie eine heutige, aber es gehen keine wesentlichen Informationen verloren, so dass man ihre überragenden ästhetischen Qualitäten nicht beurteilen könnte. Dazu braucht es eben kein Stereo. Ich habe es selber festgestellt, bei einer mittelmäßigen Anlage trennt sich die Musik nicht so von den Nebengeräuschen wie bei einer Spitzenanlage, wo man sich ganz auf die Musik konzentrieren kann. Es gibt natürlich auch Aufnahmen, die tontechnisch eine Katastrophe sind - davon gibt es aber nicht nur alte, sondern durchaus auch neuere und die sind zum Glück nicht so viele. :) :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Aber wenn Leute Aufnahmen gar nicht erst hören wegen Rauschen oder Mono, dann haben die einfach fragwürdige Hörgewohnheiten.

    In der Tat.


    Ich kann es ja verstehen, wenn man gerade am Anfang des Klassikhörens von tollem Klang usw. usf. fasziniert ist. Ging mir ja selber so (alles was rauschte, wollte ich nicht mehr hören).
    Aber wenn man in so einer Haltung verharrt und es nicht schafft, darüber hinauszukommen bzw. zu hören, was hinter dem tollen Klang steckt, dann muß man es sich gefallen lassen, als oberflächlich bzw. minderbemittelt angesehen zu werden.

  • Manche Nachteile sind aber auch Vorteile, es kommt halt auf den Blickwinkel an. CDs ab dem Jahre 2000 sind in der Regel teurer. Im Schnitt, denke ich, zahle ich 15 Euro pro CD oder Download. D.H. ich kaufe mir natürlich auch nicht zwanzig Stück pro Monat. Dadurch ist die Gefahr, dass ich einen Stapel ungehörter CDs habe, natürlich deutlich geringer. Ich lese ja schon einige Zeit mit ... und weiß genau, so einen Stapel möchte ich nicht haben. :stumm:


    Und ich gebe mein Geld lieber dem Tetzlaff als den Erben von Karajan.


    Wie schon mehrfach erwähnt, am Klang liegt es nicht. Ich habe ja noch einige CDs die ich mir Ende der 80iger gekauft hatte, die klingen jetzt auch nicht schlecht. Rein subjektiv machen sie mir aber weniger Freude. Und das liegt weder an den CDs noch an der Interpretation. Es ist einfach ein rein subjektives Empfinden. Und da es mein Hobby ist, finde ich Genuss dabei schon auch sehr wichtig!


    Aber ich glaube auch, dass Alfred recht hat. Es ist ein schleichender Prozess, aber es wird sich kaum aufhalten lassen. Ich habe es halt nur für mich in diesen Grenzen definiert. Und natürlich folgt es keinen künstlerischen Kriterien, sondern nur rein subjektiven Empfindungen. Aber ich habe trotz der Begrenzung viele CDs von denen ich ganz begeistert bin und die ich sehr gerne höre, also sooo schlecht kann es ja gar nicht bestellt sein, um die Aufnahmen nach 2000 :angel:


    LG, Friese

  • Das Niveau, auf dem hier Musikhörer aufgrund ihrer Klangvorstellungen abgewertet werden, ist teilweise erbärmlich. Einen Menschen als oberflächlich oder minderbemittelt abzuqualifizieren, nur weil er bestimmte Dinge (wie rauschige, kratzige Monoaufnahmen von 1929 oder so) nicht hören möchte, ist abstoßend. Wenn man lernen möchte, wie totatlitäre Ausgrenzungsmechanismen funktionieren, die gleich den ganzen Menschen abwerten, ihn einer niedrigeren Daseins-Kategorie zuweisen, nur weil er bestimmte Merkmale erfüllt oder eben nicht erfüllt - tja, dann muss man wohl in Hinkunft die "Banalität des Bösen" schon bei Tamino suchen.


    Grüße
    Garaguly

  • Einen Menschen als oberflächlich oder minderbemittelt abzuqualifizieren, nur weil er bestimmte Dinge (wie rauschige, kratzige Monoaufnahmen von 1929 oder so) nicht hören möchte, ist abstoßend.


    Das finde ich auch. :no:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Wenn man lernen möchte, wie totatlitäre Ausgrenzungsmechanismen funktionieren, die gleich den ganzen Menschen abwerten, ihn einer niedrigeren Daseins-Kategorie zuweisen, nur weil er bestimmte Merkmale erfüllt oder eben nicht erfüllt - tja, dann muss man wohl in Hinkunft die "Banalität des Bösen" schon bei Tamino suchen.

    Was kommt denn als Nächstes? Auschwitz, oder was?


    Nur weil Dir meine Haltung/Einstellung/Meinung nicht passt, musst Du hier nicht gleich durchknallen und abstruse Behauptungen aufstellen. Ich lese hier bei Tamino auch Vieles, was mir nicht passt und/oder gefällt, aber so ein Zeug wie Du würde ich deshalb hier nicht verfassen.


    Man könnte meine Haltung durchaus verstehen, wenn man wollte, aber dazu müsste man die Bereitschaft und Offenheit mitbringen, aber das ist von so einem hasserfüllten Menschen wie Dir eben nicht zu erwarten.

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  • Hallo!


    Mir ging es allerdings ähnlich. Da ich mir irgendwann vorgenommen habe, grundsätzlich keine Aufnahmen zu erwerben, die vor 1960 (mein Geburtsjahr) entstanden sind, hatte ich auch das Gefühl dass die Gefahr der Polarisierung besteht. Schließlich wurde mein Hörverhalten als fragwürdig bezeichnet.


    Der Genuss der Musik kippt bei mir mit abnehmender Aufnahme- bzw. Klangqualität. Da hilft die Qualität der Interpretation nichts mehr.


    Gruß WoKa :hello:

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • "fragwürdig", "oberflächlich", "minderbemittelt", das übliche Vokabular unserer Weltversteher. Und wir verstehen sie. Und bedauern sie.


    Ach ja, "durchgeknallt", "abtrus", "haßerfüllt" kommt bei diesen liebeerfüllten Exemplaren auch noch hinzu.

  • Das Niveau, auf dem hier Musikhörer aufgrund ihrer Klangvorstellungen abgewertet werden, ist teilweise erbärmlich. Einen Menschen als oberflächlich oder minderbemittelt abzuqualifizieren, nur weil er bestimmte Dinge (wie rauschige, kratzige Monoaufnahmen von 1929 oder so) nicht hören möchte, ist abstoßend. Wenn man lernen möchte, wie totatlitäre Ausgrenzungsmechanismen funktionieren, die gleich den ganzen Menschen abwerten, ihn einer niedrigeren Daseins-Kategorie zuweisen, nur weil er bestimmte Merkmale erfüllt oder eben nicht erfüllt - tja, dann muss man wohl in Hinkunft die "Banalität des Bösen" schon bei Tamino suchen.

    Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen? Ich ärgere mich auch über schlechte Aufnahmequalität, z.B. aus der ehemaligen Sowjetunion. Leider gibt es einige bedeutende Interpreten, die nie in den Genuss kamen, die Sowjetunion verlassen zu dürfen. Dazu gehörte Vladimir Sofronitzky, Scriabins Schwiegersohn. Die Melodia-Aufnahmen sind leider alle eher von mäßiger Klangqualität. Trotzdem sind seine Scriabin-Aufnahmen Legende. Wer sich wirklich für Scriabin und Scriabin-Interpretationen interessiert, wird sie trotzdem hören. Anderes Beispiel: Wilhelm Kempff hat die Beethoven Sonaten zuletzt in Stereo als auch vorher in Mono aufgenommen bei der DGG und es gibt auch noch einzelne Aufnahmen aus den 30iger Jahren. Der Liebhaber wird nun nicht nur die Stereo-Aufnahme hören, sondern Kempff mit Kempff vergleichen. Die Aufnahmen aus den 30iger Jahren haben z.B. einen Zauber, welche die späten Aufnahmen nicht mehr haben - welche dafür wiederum andere Qualitäten besitzen. Der einzigartige Zauber kommt also rüber trotz Mono und Rauschen. In der Stereo-Aufnahme ist das weg, weil der Interpret inwzischen eine Entwicklung durchgemacht hat. Und man erfährt etwas über den gewandelten Interpretationsstil. In den 30igern arbeitet Kempff nämlich noch mit Tempowechseln, in der Jahrzehnte später gemachten Stereo-Aufnahme sind die Tempi dann konstant. Noch ein anderes Beispiel: Walter Gieseking. Seine Pianistik ist absolut einzigartig und seine Aufnahmen von Debussy und Ravel unvergleichlich. Leider - für alle Stereoklang-Fetischisten - ist er schon in der Mono-Ära verstorben. Es ist für einen wirklichen Liebhaber von Debussy nun völlig undenkbar, dass er Gieseking nicht hört nur wegen des Mono-Klangs - der übrigens sehr gut ist. Hier darf man einfach feststellen: Wer als Selektions-Kriterium perfekte Aufnahmetechnik hat und Stereo, dem werden all diese Dimensionen entgehen, welche den Musik-Kenner gerade interessieren. Da darf man dann schon fragen: Wofür interessiert sich ein solcher Hörer eigentlich? Wenn er glaubt, Gieseking oder Sofronitzky seien durch - zweifellos auch gute - Aufnahmen von heute beliebig ersetzbar, dann zeugt das nicht gerade von einem tiefen Verständnis der Materie. Das ist dann in den Augen der Kenner so und darf auch gesagt werden.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Einstweilen lese ich hier noch keine Beleidigungen oder Ausgrenzungsankündigungen, lese alles als eine persönliche Auffassung. Es mag sein, dass manche Jüngere so an den antiseptischen Klang moderner Tonträger gewöhnt sind (wenngleich da auch nicht immer alles zum Besten ist), dass der Klang älterer Aufnahmen verstört. Letztlich alles eine Gewohnheitsfrage. Persönlich habe ich eher weniger Einschränkungen. Generationsbedingt habe ich allerdings auch einiges an Platten aus der Ära Karajan und Böhm, bei denen ich mich noch an derern Erscheinen kann. Mir geht es eher umgekehrt: nicht, dass ich satt wäre, aber da man das alles ja auch hören sollte, mag ich aus dem Standardrepertoire nichts Neuse kaufen. Zuweilen interessiert mich ein Musiker live und ich kaufe dann eine CD, aber ich bleibe doch eher bei meinen alten Penaten. Ist das umgekehrte Vorgehen zum Vorschlag des Friesen (den ich durchaus nachvollziehen kann). Man kann vielen alten Aufnahmen -zumindest bei den großen Labeln- zugute alten, dass sie sorgfältig im Studio produziert wurden. Bei den heute erscheinenden CD's freut mich die schiere Vielzahl an Aufnahmen wenig bekannter Komponisten. Viele Spezialensembles nehmen alte Musik in einer Weise auf, dass mich plötzlich begeister, was ich zuvor nicht hören mochte. Hat also alles sein Gutes.


    Nochmal zu den alten Aufnahmen: ich bin kein Musikwissenschaftler. Ich muss auch nicht Vergleichsreihen von Aufnahmen durchführen um mitreden zu können (wenn ich das tue, mache ich das aus Spaß an der Freud). Ich liebe Musik. Und leiste mir den Luxus, die Platten aufzulegen, die ich hören möchte oder einfach aus interessierter Neugierde. Es gibt Lieblingsstücke, da gibt's durchaus einige Aufnahmen des gleichen Werkes im Bestand. Oder Lieblingskünstler, über die dann auch Aufnahmedoppelungen in den Bestand kommen. Zugleich nehme ich mir heraus, Gattungen, die mir nicht so sehr liegen (Oper und Gesang) sträflich zu vernachlässigen und mich nur gelegentlich damit zu beschäftigen.


    Wenn dann also jemand nur stereo oder nur digital oder nach 2000 entstandenes hören möcht, bitteschön, interessant. Ist zunächstmal ein gutes Ordnungssystem.


    Also bitte, bleibt entspannt.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Noch ein Beispiel:



    Gerade höre ich die 1. Dvorak aus dieser Box. Sie habe ich mir kürzlich bestellt, obwohl ich die zweite - digitale - Neumann-Aufnahme der Dvorak-Symphonien schon habe. Warum? Der Klang der Tschechischen Philharmonie ist in den 70igern eben anders als in den 80igern oder 90igern. Stichwort: Die böhmische Spieltradition, die noch an frühere Zeiten anknüpft und hier noch lebendiger ist. Die Supraphon-Klangqualität auch aus den 70igern ist übrigens sehr gut.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen? Ich ärgere mich auch über schlechte Aufnahmequalität, z.B. aus der ehemaligen Sowjetunion. Leider gibt es einige bedeutende Interpreten, die nie in den Genuss kamen, die Sowjetunion verlassen zu dürfen. Dazu gehörte Vladimir Sofronitzky, Scriabins Schwiegersohn. Die Melodia-Aufnahmen sind leider alle eher von mäßiger Klangqualität. Trotzdem sind seine Scriabin-Aufnahmen Legende. Wer sich wirklich für Scriabin und Scriabin-Interpretationen interessiert, wird sie trotzdem hören. Anderes Beispiel: Wilhelm Kempff hat die Beethoven Sonaten zuletzt in Stereo als auch vorher in Mono aufgenommen bei der DGG und es gibt auch noch einzelne Aufnahmen aus den 30iger Jahren. Der Liebhaber wird nun nicht nur die Stereo-Aufnahme hören, sondern Kempff mit Kempff vergleichen. Die Aufnahmen aus den 30iger Jahren haben z.B. einen Zauber, welche die späten Aufnahmen nicht mehr haben - welche dafür wiederum andere Qualitäten besitzen. Der einzigartige Zauber kommt also rüber trotz Mono und Rauschen. In der Stereo-Aufnahme ist das weg, weil der Interpret inwzischen eine Entwicklung durchgemacht hat. Und man erfährt etwas über den gewandelten Interpretationsstil. In den 30igern arbeitet Kempff nämlich noch mit Tempowechseln, in der Jahrzehnte später gemachten Stereo-Aufnahme sind die Tempi dann konstant. Noch ein anderes Beispiel: Walter Gieseking. Seine Pianistik ist absolut einzigartig und seine Aufnahmen von Debussy und Ravel unvergleichlich. Leider - für alle Stereoklang-Fetischisten - ist er schon in der Mono-Ära verstorben. Es ist für einen wirklichen Liebhaber von Debussy nun völlig undenkbar, dass er Gieseking nicht hört nur wegen des Mono-Klangs - der übrigens sehr gut ist. Hier darf man einfach feststellen: Wer als Selektions-Kriterium perfekte Aufnahmetechnik hat und Stereo, dem werden all diese Dimensionen entgehen, welche den Musik-Kenner gerade interessieren. Da darf man dann schon fragen: Wofür interessiert sich ein solcher Hörer eigentlich? Wenn er glaubt, Gieseking oder Sofronitzky seien durch - zweifellos auch gute - Aufnahmen von heute beliebig ersetzbar, dann zeugt das nicht gerade von einem tiefen Verständnis der Materie. Das ist dann in den Augen der Kenner so und darf auch gesagt werden.


    Schöne Grüße
    Holger


    Nein, es ist nicht dick aufgetragen. Es geht um die Wortwahl, die hier in einigen Posts an den Tag gelegt wird. Ich werde es nie hinnehmen und unwidersprochen lassen, wenn hier solches Vokabular wie "minderbemittelt" gebraucht wird. Die gesamte Diktion mancher Posts ist auf Abwertung des gesamten Menschen, der eine bestimmte Auffassung vertritt (hier: Mono nicht zu mögen), ausgerichtet.


    Zur Sache:


    1. Aufnahmen ab 2000:
    Natürlich ist diese Grenze höchst willkürlich gewählt und alle Sachargumente dagegen, die hier vorgebracht wurden, kann ich teilen. Dennoch könnte ich mir vorstellen, dass eine Beschränkung auf Aufnahmen ab 2000 dem Sammlerwahnsinn eine entscheidende Grenze setzte. Ich könnte mich nicht an diese 2000er-Grenze halten, aber ich könnte jemanden verstehen, der sagt, dass diese Art der Einschränkung seinem sammlerischen Seelenfrieden dient.


    2. Die leidige Mono-Diskussion:
    Man kann hier gut und gerne unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Was aber dreist ohne Ende ist, ist das hohe Ross, auf das sich so mancher Monoverteidiger setzt. Die eigene Überhöhung ist manchem dabei wohl das Wichtigste. Es geht oft nach dem Motto: Wir Monohörer sind doch die wahren Kenner und ihr anderen, die ihr euch in euren Stereoklangbädern suhlt, seit doch nichts weiter als billige Konsumäffchen, die man nicht für voll nehmen kann.
    Und von da ist's dann nur noch ein kleiner Schritt zur Demütigung anderer Menschen als "minderbemittelt", "oberflächlich" etc.
    Jemandem, der sich mit der Aufnahmegeschichte klassischer Musik seit der Einführung der Stereophonie um 1955 herum bis in die Gegenwart auseinandersetzt, zu unterstellen, er kenne sich nicht aus, ist absurd. Schließlich umfasst die Zeit seit 1955 bis 2017 einen größeren Raum als die aufnahmegeschichtlichen Jahrzehnte vor ca. 1955.


    Grüße
    Garaguly


  • Hier darf man einfach feststellen: Wer als Selektions-Kriterium perfekte Aufnahmetechnik hat und Stereo, dem werden all diese Dimensionen entgehen, welche den Musik-Kenner gerade interessieren. Da darf man dann schon fragen: Wofür interessiert sich ein solcher Hörer eigentlich?

    Für die Musik, lieber Holger, und wahrscheinlich reicht die Platte, die er besitzt. Ich fange auch keine Diskussion über verschiedene Scriabin-Aufnahmen an, zumal dieser Komponist ja nicht wirklich viel gespielt und aufgenommen wird. Wenn mir der Gawrilow reicht, dann ist das eben so.

    Zitat

    Wenn er glaubt, Gieseking oder Sofronitzky seien durch - zweifellos auch
    gute - Aufnahmen von heute beliebig ersetzbar, dann zeugt das nicht
    gerade von einem tiefen Verständnis der Materie. Das ist dann in den
    Augen der Kenner so und darf auch gesagt werden.


    Schöne Grüße
    Holger

    Diese Aussage folgt nicht logischerweise aus dem vorher Gesagten. Es geht ja nicht um Ersetzen; es geht um das Genügen am aktuell so Gespielten. Es ist durchaus statthaft zu sagen, dass einen die alten Aufnehmen nicht interessieren (Zeitgründe, Familie, alles Mögliche). Und sich dann eben am Gawrilow freut. Oder Ashkenazy. Ich halte das für einen nicht unnatürlichen und durchaus statthaften Selektionsprozess. Bin in dem Punkt allerdings eher Papageno und weniger Tamino.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Was kommt denn als Nächstes? Auschwitz, oder was?


    Nur weil Dir meine Haltung/Einstellung/Meinung nicht passt, musst Du hier nicht gleich durchknallen und abstruse Behauptungen aufstellen. Ich lese hier bei Tamino auch Vieles, was mir nicht passt und/oder gefällt, aber so ein Zeug wie Du würde ich deshalb hier nicht verfassen.


    Man könnte meine Haltung durchaus verstehen, wenn man wollte, aber dazu müsste man die Bereitschaft und Offenheit mitbringen, aber das ist von so einem hasserfüllten Menschen wie Dir eben nicht zu erwarten.


    Wer austeilt, muss auch einstecken können.


    Grüße
    Garaguly

  • Lieber Garaguly,


    die Auseinanderstzung über die Wortwahl haben wir hier immer wieder. Sie mag berechtigt sein, wie es eben berechtigt ist, einander an bestimmte Umgangsformen zu erinnern. Gleichwohl lese ich nicht überall Beleidigungen heraus, wo man das tun könnte. Ich unterstelle grundsätzlich, dass hier niemand jemanden anderes am Brett einfach abqualifiziert, ungeachtet zuweilen unglücklicher Wortwahl. Spiegel die Diktion an ihren Verfasser zurück und Du kannst sehen, was für ihn geht und was nicht. Alles gut also.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
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  • Piano ! Piano !


    Irgendwie war es mir unheimlich, daß heute scheinbar wenig geschrieben wurde, als ich dann aber draufkam, daß gar nicht wenig geschrieben wurde, sondern sich alles auf diesen Thread konzentriert hatte, da wurde es mir noch unheimlicher.


    Ich finde hier manches überzogen, denn in wirklichkeit ist es ja so, daß wir alle hier einem gewissen Luxus frönen, was das Sammeln von klassischer Musik angeht.
    Aber selbst dann wird man eine Auswahl treffen müssen. Der eine wird sagen, ihn interessiere lediglich Musik der Wiener Klassik. mit einzelnen Ausreissern in Richtung Barock und 20 CDs in Richtung Sinfonien des 19 Jahrhunderts, eines unserer Mitglieder sammelt ausschliesslich Violinkonzerte - noch dazu solche des 20. und 21. Jahrhunderts und wenn ich mich nicht irre, dann auch keinen "Mainstream" in diesem Zeitraum. Andere grenzen Oper komplett aus. Wieder andere akzeptieren Aufnahmen erst ab Einführung der Stereophonie (es gibt von verschiedenen Firmen Aufnahmen bereits seit 1955). Zu dieser Gruppe gehöre ich (wobei ich bei Singstimmen diese Regel breche). Ich habe auf diese Weise einen Pool von derzeit 62 Jahren Schallplattengeschichte. Einzelne Aufnahmen ausserhalb dieses Zeitraums sind auch in meiner Sammlung- allerdings nicht zum Musikgenuss, sondern als Infoquelle.


    Letztlich hat hier jeder seine Grenzen, wer hört heute schon - Hand aufs Herz - Aufnahmen von Bülow, Nikisch, Weingartner oder Pfizner (als Dirigent) ??
    Und wie viele wollen heute keinen Karl Böhm mehr hören, trotz einwandfreiem Stereoton. Jeder von uns hat heute mehr Auswahl an klassischer Musik, als es bei den reichsten Fürsten der vergangenen Jahrhunderte der Fall war.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nein, es ist nicht dick aufgetragen. Es geht um die Wortwahl, die hier in einigen Posts an den Tag gelegt wird. Ich werde es nie hinnehmen und unwidersprochen lassen, wenn hier solches Vokabular wie "minderbemittelt" gebraucht wird. Die gesamte Diktion mancher Posts ist auf Abwertung des gesamten Menschen, der eine bestimmte Auffassung vertritt (hier: Mono nicht zu mögen), ausgerichtet.

    Die Vokabel habe ich nie gebraucht. Ich habe es lediglich "oberflächlich" genannt, wenn jemand die Musik nicht wegen der Musik oder der Qualität der Interpretation, sondern nur wegen audiophiler Eigenschaften auswählt.

    2. Die leidige Mono-Diskussion:
    Man kann hier gut und gerne unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Was aber dreist ohne Ende ist, ist das hohe Ross, auf das sich so mancher Monoverteidiger setzt. Die eigene Überhöhung ist manchem dabei wohl das Wichtigste. Es geht oft nach dem Motto: Wir Monohörer sind doch die wahren Kenner und ihr anderen, die ihr euch in euren Stereoklangbädern suhlt, seit doch nichts weiter als billige Konsumäffchen, die man nicht für voll nehmen kann.

    Das ist doch nun wirklich Unsinn. Es gibt Talich oder Furtwängler oder Gieseking oder Cortot nun mal nur in Mono. Da hat man einfach keine andere Wahl. Wenn man diese Persönlichkeiten und die Art, wie sie Musik machen, für unverzichtbar hält, dann ist die Frage Mono oder Stereo schlicht nicht relevant. Eine Überhöhung wäre, wenn man Mono für besser hielte als Stereo.

    Jemandem, der sich mit der Aufnahmegeschichte klassischer Musik seit der Einführung der Stereophonie um 1955 herum bis in die Gegenwart auseinandersetzt, zu unterstellen, er kenne sich nicht aus, ist absurd. Schließlich umfasst die Zeit seit 1955 bis 2017 einen größeren Raum als die aufnahmegeschichtlichen Jahrzehnte vor ca. 1955.

    Wenn man Furtwängler oder Mengelberg oder Artur Schnabel nicht zur Kenntnis nimmt nur wegen Mono, dann kennt man sich auf diesem Gebiet nun mal wirklich nicht aus.

    Für die Musik, lieber Holger, und wahrscheinlich reicht die Platte, die er besitzt. Ich fange auch keine Diskussion über verschiedene Scriabin-Aufnahmen an, zumal dieser Komponist ja nicht wirklich viel gespielt und aufgenommen wird. Wenn mir der Gawrilow reicht, dann ist das eben so.

    Subjektive Gründe würde ich ja auch nie bestreiten, lieber Thomas. Aber ein Gawrilow kennt natürlich bezeichnend den Sofronitzky in und auswendig. Letztlich ist das eine Frage des Interesses für den Komponisten und/oder die Interpretationsgeschichte, die mehr oder weniger ausgerpägt sein kann. Trotzdem entsteht ein verzerrtes Bild (und letztlich auch eine nicht genügend an den wirklichen Spitzenaufnahmen geschulte Hörgewohnheit), wenn man die Referenzaufnahmen nicht kennenlernt nur wegen solcher Äußerlichkeiten wie dem Aufnahmedatum.

    Diese Aussage folgt nicht logischerweise aus dem vorher Gesagten. Es geht ja nicht um Ersetzen; es geht um das Genügen am aktuell so Gespielten. Es ist durchaus statthaft zu sagen, dass einen die alten Aufnehmen nicht interessieren (Zeitgründe, Familie, alles Mögliche). Und sich dann eben am Gawrilow freut. Oder Ashkenazy. Ich halte das für einen nicht unnatürlichen und durchaus statthaften Selektionsprozess. Bin in dem Punkt allerdings eher Papageno und weniger Tamino.

    Das Argument der Ersetzbarkeit kann man aber durchaus immer wieder hören. Ashkenazy ist natürlich auch eine Referenz wie auch Gawrilows Aufnahme der Preludes. Aber dem Scriabin-Liebhaber wird das nicht reichen. Er wird z.B. den sagenhaften Richter-Mitschnitt der "Preludes" (in Mono) sofort kaufen, wenn er davon hört. ;)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich muss sagen, dass ich es gut habe. Ich brauche mich nämlich überhaupt nicht zu entscheiden. Meine beiden Standbeine, Janacek und die Alte Musik, sind erst spät und sofort mit der Stereophonie entdeckt worden. D.h., die gesamte Alte Musik ist in den frühen Aufnahmen der ersten Stunde veraltet. Also: Leppard mit Cavalli, Jean-Claude Malgoire mit seinem schrecklichen Orchester, dann die vielen polyphonen Messen mit obskuren Chören (einer der schrecklichsten Chöre ist bis heute die Cappella Sixtina). Die neuen Ensembles von Herreweghe und Gardiner haben Bach und Monteverdi revolutioniert. Im Moment ist das Gardiner-Projekt mit der halbszenischen Aufführung der 3 Opern eine Sensation; der Orfeo ist ja hier auch, u.a. von mir, besprochen worden. Die Vokalpolyphonie steht in großer Blüte: Palestrina, Victoria, Morales und viele, viele andere. Dazu kommt, dass die Zahl der Orchester, die die Alte Musik lebendig spielen, sehr gewachsen ist. Ich nenne hier William Christie als Beispiel. Die Zahl der leistungsfähigen Vokalensembles ist unübersehbar, hier nenne ich nur Tenebrae (Nigel Short), King´s Singers, The Sixteen, Tallis Scholars, Stile Antico. Mit einem englischen Ensemble macht man sowieso nichts falsch.
    Bei Janacek das gleiche Bild: da gibt es gute ältere Aufnahmen (siehe hierzu das Thema Jenufa auf deutsch)), vor allem die bahnbrechenden von Bohumil Gregor und die neuen von Charles Mackerras. Dazu kommt, dass auch die Orchester heute Janacek brillant spielen können.
    Allerdings gibt es auch immer Kritik an meinem Standpunkt. Als Beispiel nehme ich die Haydn-Sinfonien, bei denen ich nur kleine Orchester mit alten Instrumenten gelten lasse. Die alten Aufnahmen mit großem Orchester von Szell, Böhm, Karajan sind für mich Bearbeitungen. Wer die mag, wird sie auch weiterhören, ich aber nicht.
    Zu den persönlichen Kämpfen hier möchte ich nichts sagen; ich habe mir angewöhnt, das einfach zu überlesen (meine Art der ataraxia).

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Lieber Alfred,


    ich danke Dir für diesen ausgewogenen und trefflichen Kommentar. Ich fand den Kommentar von Garaguly auch übertrieben anklagend. ich habe in den Äußerungen davor nicht im Ansatz Abwertungen auf persönlicher Ebene erkennen können. Einige haben mit Ihrer inneren Überzeugung geäußert, dass sie die historischen Aufnahmen nicht missen wollen. That's it. :hello:


    Ich wollte hier abschließend noch etwas zu Klavieraufnahmen sagen. Beim obertonreichen Klavierton ist das schöne, dass man bei historischen Aufnahmen aus der Mono-Zeit kaum Abstriche machen muss, um eine Interpretation und Phrasierungskunst nicht nur zu beurteilen sondern auch klanglich zu geniessen. Alfred Brendel hatte geschrieben, dass er für die alten Klavieraufnahmen aus der Mono-Ära schwärmte und aufnahmetechnisch mit dem Digitalzeitalter nicht wirklich zufrieden sei. Ich höre häufig meine Klavieraufnahmen mit dem Iphone ohne Kopfhörer, da spielt die Aufnahmetechnik eine noch geringere Rolle. Neulich hörte ich Aufnahmen Cortots aus den 1930er Jahren (Chopin, Schumann): welch eine Verzauberung, welch klanglich-poetischer Zugriff.


    Außerdem ist es wahnsinnig spannend, Komponisten ihre eigene Werke spielen zu hören, das wäre ja HIPer als HIP :yes:
    als Beispiel verweise ich auf die Aufnahmen Rachmaninows und Prokofievs



    LG, Siamak

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  • Wie es der Zufall will, hörte ich gestern noch sehr spät eine Gesamtaufnahme des "Boris Godunov" zur Hälfte, mehr schaffte ich nicht mehr. Heute war der zweite Teil dran. Es handelt sich um eine Aufnahme der MELODIA in Vinyl aus dem Jahre 1983 unter V. Fedoseyev. Die Solisten sind in den Hauptrollen I. Arkhipova, A. Vedernikov, V. Plavko und Y. Masurok. Es ist eine erstaunlich gute Pressung und die Klangqualität stimmt auch, vor Allem eine Top-Besetzung. Da brauche ich wirklich keine neue Digitalaufnahme.

    W.S.

  • Die Vokabel habe ich nie gebraucht. Ich habe es lediglich "oberflächlich" genannt, wenn jemand die Musik nicht wegen der Musik oder der Qualität der Interpretation, sondern nur wegen audiophiler Eigenschaften auswählt.

    Das ist doch nun wirklich Unsinn. Es gibt Talich oder Furtwängler oder Gieseking oder Cortot nun mal nur in Mono. Da hat man einfach keine andere Wahl. Wenn man diese Persönlichkeiten und die Art, wie sie Musik machen, für unverzichtbar hält, dann ist die Frage Mono oder Stereo schlicht nicht relevant. Eine Überhöhung wäre, wenn man Mono für besser hielte als Stereo.


    Deine Äußerungen waren auch nicht der auslösende Stein des Anstoßes.


    Zudem wollen wir beide wohl wirklich Unterschiedliches. In Diskussionen über Klaviermusik-Interpretationen (zum Beispiel), in denen es dann um Schnabel oder Gieseking oder den frühen Kempff geht, äußere ich mich nie, weil ich nämlich deren einschlägige Aufnahnen nicht kenne und bis dato auch noch nie das Bedürfnis hatte, diese zu hören. Das hatte und hat sehr stark mit der Klangqualität zu tun, die für mich eben eine Rolle spielt. Nichtsdestotrotz höre auch ich Beethovens Klaviersonaten von Zeit zu Zeit und Material zum Hören auch dieser Werke in unterschiedlichen Interpretationen habe ich zur Genüge. Nur: ich kann mich beim Musikhören nicht quälen. Wenn ich etwas nicht hören möchte, dann tu ich's mir nicht an. Entwicklungen sind da nicht ausgeschlossen, unabhängig von der Klangqualität ihrer Aufnahmen konnte ich lange mit der Musik Schostakowitschs nichts anfangen. Mit 18/19 hätte ich, obwohl schon seit dem 11. Lebensjahr Klassik hörend, keine Schostakowitschsymphonie durchgehalten. Heute liebe ich sie. So kann es durchaus noch dazu kommen, dass ich Schnabels Beethoven (steht hier nur als pars pro toto) irgendwann hören werde, vielleicht werden mich Klangfragen einmal nicht mehr so sehr bewegen. Aber zur Zeit: nein!


    Grüße
    Garaguly

  • Dieser Thread ist ja deshalb so interessant, weil er eigentlich exakt jene Aufnahmen in den Focus stellt, die von den Taminos eher vernachlässigt werden, das sind die Neuaufnahmen der gegenwärtigen Generation. Das ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, welche eine Vielfalt an Aufnahmen zusammenkommt , die "Lieblingspianisten", "Lieblingsdirigenten" und "Lieblingssänger" in den letzten -zig Jahren aufgenommen haben. Beim Versuch, meine aufgelassene LP-Sammlung sozusagen "nachzukaufen" bin ich draufgekommen, daß ich viele dieser "nachgekauften" Aufnahmen gar nie besessen habe, ich hatte sie bei Bekannten gehört, und dann in meine Wunschliste aufgenommen. Erst jetzt - im Rahme der "Gesamtboxen" (anders werden alte Aufnahmen derzeit ja nicht mehr angeboten) wandern sie wirklich in meine Sammlung, Aber immer wenn ich der Auffassung bin, ich hätte meine Sammlung an von mir gewünschten Aufnahmen komplett, dann erscheint wieder ein Remake aus der Vergangenheit, Aufnahmen, von denen ich nicht mal wusste, daß sie überhaupt existieren.
    Das ist einerseits erfreuilich, verstellt aber irgendwie den Blick aufs Neue. Wenn jemand seine Sammlung von der anderen Seite her beginnt, dann ist das seine persönliche Entscheidung. Liebestraum - der ja nicht mehr bei uns im Forum ist, hatte ja stets beklagt, daß Neuaufnahmen hier im Forum von der Mehrheit ignoriert würden. Das dürfte allerdings nicht nur im Forum der Fall sein, denn viele der neuen Interpreten verschwinden schon nach kurzer Zeit aus den Katalogen und von der Bildfläche, nämlich dann, wenn sie die Erwartungshaltung der gierigen Konzerne nicht erfüllen können, die Klassikaufnahme vermarkten wie Waschmittel und die Grenzen des Marktes nicht erkennen wollen oder können, einfach weil die Entscheidungsträger in den Direktionsetagen, selbst keine Liebe zu ihrem eigenen Produkt aufbringen. Das funktioniert fast überall - aber bei klassischer Musik eben nicht.
    Zu Brendels Kritik an Stereoaufnahmen von Klavieren. Ähnlich wie bei der Solo Singstimme handelt es sich um ein Instrument, das nicht wirklich "räumlichen" Klang vermittelt. Der Deckel des Flügels dient als Reflektor und Diffusor und verhindert so die "Ortung" woher der einzelne Ton wirklich kommt. Dazu ist es noch so, daß die Baßtöne sich prinzipiell nicht orten lassen. Aber das ist nur ein Nebenschauplatz, vielleicht wird es zum Thema "Klavieraufnahmen" aus technischer Sicht dereinst einen eigenen Thread geben. Und noch ein kleiner "Seitenhieb" von meiner Seite. Wenn man soooo Wert auf die älteren Interpretationen legt, dann müssten Aufnahmen von Welte Mignon Rollen geradezu DER Renner sein. Aber die fristen - wenn überhaupt ein Nischendasein"


    Welte Mignon - nie gehört!


    Aber kaum jemand, der diese Aufnahmen nicht kennt wird sich als "uninformiert" vorkommen.....


    Und dabei sind das Aufnahmen in HIFI Qualität, teilweise um sie Jahre 1905 gespielt von den grössten Pianisten der Zeit oder oft sogar vom Komponisten selbst....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aber es ist mir beim Klassik hören, tatsächlich recht wichtig von hier in die Zukunft zu gucken, nicht von hier in die Vergangenheit. (Vielleicht trifft es das auch ganz gut)

    Klar, kann man so machen! - Aber vieles von dem, was in der Gegenwart passiert und in der Zukunft passieren wird, kann ohne die Kenntnis der Vergangenheit nicht wirklich verstanden werden. Dies trifft nicht nur auf die Musik (und da ist nicht nur die klassische Musik, sondern auch Rock, Pop, HipHop etc. gemeint), sondern auch z.B. auf die Literatur und in ganz besonderer Weise auf den Film mit seinen vielfältigen Referenzen zu. Selbst von den Simpsons gibt es Folgen, die ohne wenigstens rudimentäre Kenntnisse von Citizen Kane einfach vollkommen unlustig sind ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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