Bayreuther Festspiele 2017: Eröffnungspremiere "Die Meistersinger von Nürnberg"


  • Es bleibt Dir natürlich unbenommen, Dich nach eigenen/m Kräften/Gutdünken zu blamieren (so gut Du es eben kannst).


    Lieber Gerhard, ich weiß um deine prinzipielle Abneigung gegen jede Regiedeuterei, die etwas vom reinen Libretto abweicht. Aber du hast nichts versäumt bei Koskys Meistersingern. Damit hast du dich nicht blamiert! Zentrales Thema dieser Oper ist bei weitem nicht die Rolle des Beckmesser, sondern das Beziehungsgeflecht Eva - Sachs - Stolzing. Das kommt überhaupt nicht rüber. Und ich gebe La Roche recht, museal ist natürlich abwertend gemeint, weil wir den Verfasser kennen, er kanns einfach nicht lassen. Und letztens wiederhole ich mich: B. Kosky ist Intendant der Komischen Oper Berlin, da weiß man doch was einen erwartet. Ansonsten müssen wir hier keine überflüssige Regietheaterdebatte führen, da kennen wir alls die jeweiligen Auffassungen zur Genüge.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Zentrales Thema dieser Oper ist bei weitem nicht die Rolle des Beckmesser, sondern das Beziehungsgeflecht Eva - Sachs - Stolzing.


    Das ist so eben auch nicht richtig. Beides sind Themen der Oper, und ein weiteres, vielleicht sogar das Thema der Oper hast Du völlig ausgelassen: das Wesen und die Funktion der Kunst.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Joachim Kaiser schrieb in seinem Buch Leben mit Wagner:


    „Obwohl sich Wagner nämlich immerfort erklärte, obwohl ihm nichts dringlicher war, als verstanden zu werden – findet sich kein einziges gezielt antisemitisches Wort in seinen Dramen und erst recht kein irgendwie antisemitischer Takt. Auch hat Wagner nie stolz oder aggressiv oder verlegen auf irgendeine judenfeindliche Passage in seinen Tondramen hingewiesen. Da wird nun mühselig interpretiert und gefragt, ob nicht Negativfiguren wie der Beckmesser oder der Mime oder die Kundry vielleicht doch irgendwie Judenkarikaturen seien.“

    Davon ausgehend stellt sich mir die Frage, ob es Wagner überhaupt möglich gewesen wäre, die erwähnten Negativfiguren so zu konzipieren, dass sie gänzlich frei von jeglichen Verhaltensweisen und Eigenschaften wären, die man im Laufe der Geschichte den Juden als Vorurteil angedichtet hat.

    "Geduld und Gelassenheit des Gemüts tragen mehr zur Heilung unserer Krankheiten bei, als alle Kunst der Medizin." (W.A. Mozart)


  • Das ist so eben auch nicht richtig. Beides sind Themen der Oper, und ein weiteres, vielleicht sogar das Thema der Oper hast Du völlig ausgelassen: das Wesen und die Funktion der Kunst.

    Das ist eben wie bei den Regisseuren, der eine meint das ist wichtig, der andere das und du meinst dieses.
    Darüber kann man lange diskutieren.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Joachim Kaiser schrieb in seinem Buch Leben mit Wagner:


    „Obwohl sich Wagner nämlich immerfort erklärte, obwohl ihm nichts dringlicher war, als verstanden zu werden – findet sich kein einziges gezielt antisemitisches Wort in seinen Dramen und erst recht kein irgendwie antisemitischer Takt. Auch hat Wagner nie stolz oder aggressiv oder verlegen auf irgendeine judenfeindliche Passage in seinen Tondramen hingewiesen. Da wird nun mühselig interpretiert und gefragt, ob nicht Negativfiguren wie der Beckmesser oder der Mime oder die Kundry vielleicht doch irgendwie Judenkarikaturen seien.“


    Das ist eine sicherlich diskussionswürdige Position. Aber man sollte schon auch sehen, dass die Frage nach dem Antisemitismus im Werk Richard Wagners in der Forschung stets heftig diskutiert wurde und man so ziemlich das ganze mögliche Spektrum an Antworten findet. Ich persönlich finde es sehr unwahrscheinlich, dass der in seinen theoretischen Schriften und Alltagsäußerungen zum Ausdruck kommende starke Antisemitismus Richard Wagners nun ausgerechnet in sein Werk überhaupt keinen Eingang gefunden haben soll.


    Das ist eben wie bei den Regisseuren, der eine meint das ist wichtig, der andere das und du meinst dieses.
    Darüber kann man lange diskutieren.
    :hello:


    Und eben das ist das Schöne an solchen Kunstwerken: sie weisen eine Vielzahl von Bedeutungsebenen auf. Und ich finde es auch legitim, dass ein Regisseur bestimmte Ebenen in einer Inszenierung betont. Dennoch darf und soll man es natürlich kritisieren, wenn essentielle Ebenen dabei verloren gehen. Ich denke aber, dass eine eventuelle Vernachlässigung des Beziehungsgeflechts Eva - Sachs - Stolzing, das ich auch als einen zentralen Bestandteil dieser Oper empfinde, nichts mit der Frage zu tun hat, ob ein Regisseur die Oper in historisch "korrekten" Kulissen spielen lässt. Das Auftreten und die Problematik solcher Dreiecksbeziehungen sind zeitlos.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zitat

    Zitat von Bertarido: Ich denke aber, dass eine eventuelle Vernachlässigung des Beziehungsgeflechts Eva - Sachs - Stolzing, das ich auch als einen zentralen Bestandteil dieser Oper empfinde, nichts mit der Frage zu tun hat, ob ein Regisseur die Oper in historisch "korrekten" Kulissen spielen lässt. Das Auftreten und die Problematik solcher Dreiecksbeziehungen sind zeitlos.

    Hans Sachs aber lebte von 1494 bis 1576. Das kann doch wohl niemand ernsthaft leugnen wollen.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Die entstellende Handlung des Regisseurs wird aber doch unter "Die Meistersinger von Nürnberg" ausgegeben und damit die Historie geleugnet. Unter einem anderen Titel und mit einer eigenständigen Musik hätte ich gegen eine Handlung des Herrn Kosky, die dieses Dreiecksverhältnis darstellt, überhaupt nichts einzuwenden, denn auch mit Figuren mit Namen Hans Sachs (ohne allerdings unter den historischen Begriff "Meistersinger von Nürnberg" zu fallen), Eva, Stolzing, die es wohl auch heute noch gibt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Die entstellende Handlung des Regisseurs wird aber doch unter "Die Meistersinger von Nürnberg" ausgegeben und damit die Historie geleugnet.


    Ich weiß, Du hast bisher "Über die Kosky-Inszenierung [...] soviel gelesen, sowie Bilder und klamaukhafte Ausschnitte gesehen" (s. Beitrag 107), aber tatsächlich würde ich vielleicht bis auf den Anfang mit Cosima, Liszt und Levi nicht sagen, dass die Handlung entstellt wurde. Nein, eigentlich passiert sogar alles so, wie es m.W. im Libretto steht.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Davon ausgehend stellt sich mir die Frage, ob es Wagner überhaupt möglich gewesen wäre, die erwähnten Negativfiguren so zu konzipieren, dass sie gänzlich frei von jeglichen Verhaltensweisen und Eigenschaften wären, die man im Laufe der Geschichte den Juden als Vorurteil angedichtet hat.

    Meines Erachtens exakt erkannt, beschrieben und die richtigen Schlussfolgerungen gezogen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Nachdem ich mir nun die Kosky-Inszenierung zum zweiten Mal angesehn, bzw. angehört habe, meine Einschätzung:
    Zunächst muss ich zugeben, dass ich die Meistersinger nicht mag. Für mich ist es das problematischste Wagner-Werk seit dem Rienzi. Dieser "deutsche" Humor, der letztlich auf Schadenfreude basiert, hat mich immer eher abgestossen.
    Unter diesen Vorzeichen habe ich die Kosky-Interpretation durchaus genossen. Die Langeweile, die ich des öfteren in früheren Aufführungen häufig empfand, wurden hier durch die Clownerien weitgehend gebannt. Es gab zwar viele Diskrepanzen zwischen Text, Musik und der Deutung, aber es war selten laaangweilig (dies im Gegensatz zu Katharinas Leistungen, bezüglich der Inszenierungen der letzten Jahre.)
    Das einzige, was mich wirklich gestört hat, war Volles Sachs. Über weite Strecken war das deklamatorischer Sprechgesang (man muss wahrlich bis zu Schöffler, Edelmann zurückgehen, um den Unterschied zu merken).
    Star der Szenerie war für mich Kränzle als Beckmesser, selbst Vogt, den ich eigentlich überhaupt nicht mag, hat mich Dank seines Spiels auch gesanglich ausnahmsweise überzeugt.
    Dies ein paar wenige Anmerkungen.

  • Da wird nun mühselig interpretiert und gefragt, ob nicht Negativfiguren wie der Beckmesser oder der Mime oder die Kundry vielleicht doch irgendwie Judenkarikaturen seien.“


    Davon ausgehend stellt sich mir die Frage, ob es Wagner überhaupt möglich gewesen wäre, die erwähnten Negativfiguren so zu konzipieren, dass sie gänzlich frei von jeglichen Verhaltensweisen und Eigenschaften wären, die man im Laufe der Geschichte den Juden als Vorurteil angedichtet hat.

    Der Beckmesser war ja nun eine Hanslick-Karrikatur. Und gegen Hanslick hat sich der Antisemit Wagner ziemlich gehässig geäußert. Es ist eine rezeptionsästhetische Binsenweisheit, dass der Zuschauer Projektionen macht, wenn ihm das Stück, was er sieht, dazu die Gelegenheit bietet. Und Wagner hat einfach nichts dagegen getan, dass solche (gehässigen, antisemitischen) Projektionen möglich sind. (Vielleicht wollte er das auch gar nicht, dafür spricht zumindest einiges.) Das ist immer diese Zweideutigkeit und Uneigentlichkeit, welche die Sache ungemütlich macht. Ein Spiel mit dem Feuer. Deswegen bin ich dafür, dass man von der Regie her solche Vorurteile offen legt, um damit frei und vernünftig umgehen zu können, damit keine Missverständnisse entstehen bzw. solche Projektionen wirklich unterbunden werden, wo sie der Autor (hier Wagner) eben nicht eindeutig unterbunden hat.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Eigentlich wollte ich mich aus diesem Thread ganz heraushalten, weil mir die Meistersinger zu schade sind für die Schlammschlacht, die ich hier erwartet habe - und die auch tatsächlich stattfindet.
    Aber nachdem ich mich durchgelesen und entdeckt habe, dass mein Beitrag an anderer Stelle hierher transportiert wurde, will ich noch ein paar Sätze dazu sagen:


    Ich bescheinige Herrn Kosky, dass er sein Handwerk versteht und dass er mit brillanten Ideen die Handlung durch Verdopplung bereichert, aber sie damit auch gleichzeitig bis zur Unverständlichkeit verballhornt. Diese Rechnung, die er im 1.Akt aufmacht, kann schon vom Personal her nicht aufgehen. Da stimmt einfach nichts. Also: auf hohem Niveau gescheitert!


    Ich bescheinige ihm weiter, dass er keine Veränderungen an Wagners Text vorgenommen hat. Aber dadurch, dass er den 2.und 3.Akt gänzlich mit dem Kriegsverbrechersaal ideologisch überzogen hat, verliert das Ganze seine Seriosität und verdreht die Aussage des Stücks bis zur Unkenntlichkeit.


    Was Kosky hier zeigt, ist, trotz vermeintlicher Buchstabentreue, so ziemlich das Gegenteil von dem, was Wagner sagen will. Er führt ihn, mit diesem trojanischen Pferd, voller Häme vor! Das ist so ziemlich das Infamste, was er ihm antun konnte. Dabei hätte er, grade als Jude, Gelegenheit gehabt, bei aller kritischen Haltung auch seinen Respekt vor diesem Genie deutlich machen und zeigen können, dass jetzt endlich einmal Schluss sein soll mit dieser unsäglichen Vermischung von Wagners Prosaschriften und seinen Opern.
    Aber vermutlich wurde er genau dafür engagiert. Wenn schon die alten Wagnerianer inzwischen reihenweise einen Bogen um Bayreuth machen, will man ja die leeren Reihen im Festspielhaus irgendwie schließen - mit Eventjublern.
    Von Bayreuth ist nichts mehr zu erwarten - aber einige scheinen ganz gut davon zu leben - meint Sixtus

  • Was Kosky hier zeigt, ist, trotz vermeintlicher Buchstabentreue, so ziemlich das Gegenteil von dem, was Wagner sagen will. Er führt ihn, mit diesem trojanischen Pferd, voller Häme vor! Das ist so ziemlich das Infamste, was er ihm antun konnte. Dabei hätte er, grade als Jude, Gelegenheit gehabt, bei aller kritischen Haltung auch seinen Respekt vor diesem Genie deutlich machen und zeigen können, dass jetzt endlich einmal Schluss sein soll mit dieser unsäglichen Vermischung von Wagners Prosaschriften und seinen Opern.
    Aber vermutlich wurde er genau dafür engagiert. Wenn schon die alten Wagnerianer inzwischen reihenweise einen Bogen um Bayreuth machen, will man ja die leeren Reihen im Festspielhaus irgendwie schließen - mit Eventjublern.


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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es wäre sicher sachdienlich, lieber Rheingold, wenn nicht nur ich, sondern auch andere deine mehr als hundertköpfige Irritation mit Inhalt gefüllt bekäme(n). Wie soll sonst eine Auseinandersetzung stattfinden?


    Mit meiner Empfehlung an Kosky, ein Zeichen der Entspannung zu setzen, dachte ich z.B. an die Initiativen von Barenboim, die ich ja hier nicht näher erläutern muss. Ich denke, das wäre ein konstruktiver Schritt in Richtung Entspannung und Versachlichung gewesen. Aber Kosky hat sich für die bequemere Methode entschieden: Bedienung abgegriffener politischer Klischees - und virtuose Selbstdarstellung. Nicht neu, aber es wird durch ständige Wiederholung nicht besser.


    Etwas anderes hatte ich vergessen - und zwar etwas Erfreuliches:
    Zumindest einem ist aufgefallen, dass man dem Jubel der meisten Rezensenten über die gesangliche Leistung von Michael Volle nicht unbedingt rundum zustimmen muss. Denn bei allem Facettenreichtum der Stimme ist es um sein Legato (von dem Sachs einiges fordert) nicht zum Besten bestellt. Deshalb fiel mir deine Bemerkung vom Sprechgesang, lieber Marcel, angenehm auf. Tatsächlich ist Volles Gesang weit entfernt von dem, was Wagner deutschen Belcanto nennt. Er singt fast durchweg im rezitativischen, deklamatorischen Stil. Es fehlt das klangliche Zentrum, das durchgehende persönliche Timbre. Aber da ist er, wenn auch nicht in guter, so doch in großer Gesellschaft - meint Sixtus

  • deine mehr als hundertköpfige Irritation

    136 lieber Sixtus, 136.
    Ordnung muß sein.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich habe für Freunde, die am Kinobesuch gehindert waren, einen Bericht geschrieben, den ich hier teilen möchte.


    -- Beckmesser, keiner besser!
    -- Darauf macht Euch gefaßt, wenn ihr mich ruhig singen laßt.


    Ich habe gelernt, daß die Bayreuther Festspiele immer am 25. Juli eröffnet werden. Das war in diesem Jahr ein verregneter Dienstag. Man gab die Meistersinger, inszeniert von Barrie Kosky, der in Berlin Intendant der Komischen Oper ist. Eine Karte für den Grünen Hügel hatte ich nicht bekommen, aber eine für das Kino im Berliner Sony-Center, in das die Oper etwas zeitversetzt übertragen wurde.
    Oper im Kino ist vergnüglich - man hört fast so gut wie im Saal, sieht aber auf jeden Fall besser.
    Vor der Ouvertüre mußte man einen eitlen, aber miserabel vorbereiten Journalisten/Conférencier über sich ergehen lassen, der mit einer blonden Walküre, die im bürgerlichen Leben Katharina Wagner heißt und die Bayreuther Festspiele leitet, sowie dem Regisseur Barrie Kosky sprach.
    Kosky hatte ein paar Sätze Zeit, um über seine Inszenierung zu reden und die Meistersinger aus der Biographie des Komponisten zu erklären. Wagner "ist" Hans Sachs, Cosima Evchen. Die beiden haben sich Briefe geschrieben, die sie so unterzeichneten. Kosky spricht überzeugend, schnell und lustig. Man glaubt ihm sofort, daß er Komödien inszenieren kann.
    Endlich wird ins Festspielhaus umgeschaltet. Das "Stahlbad in C-Dur", so hat Hans Richter, der Dirigent der Uraufführung, die Musik der Oper bezeichnet, beginnt.
    Kosky nutzt die Ouvertüre, während der kein eigentliches Theater stattfindet, um seinen biographischen Ansatz zu entfalten. Statt in der Katharinenkirche Nürnbergs, wo der erste Akt der Meistersinger eigentlich spielen soll, ist der großbürgerliche Salon der Villa Wahnfried in Bayreuth die Szene. Wagners haben Besuch und Cosima Migräne. Liszt, Wagners Schwiegervater, erkennt man sofort. Günther Groissböck, der dann die Partie des Goldschmieds Pogner singt, mimt ihn. Michael Volle stellt den Komponisten selber dar und singt dann Hans Sachs. Ein weitere Gast fällt sofort ins Auge: Hermann Levi, gespielt von Johannes Martin Kränzle. Levi dirigierte die Uraufführung des Parsifal in Bayreuth. Kränzle wird dann den Beckmesser singen, der zur zentralen Figur dieser Inszenierung wird.
    Viel Slapstick und Aktion in den ersten Minuten, so daß man kaum der Ouvertüre folgen kann, die Philippe Jordan recht schwungvoll angeht. Wagner wird uns als Egozentriker gezeigt, der allen über den Mund fährt, Schwiegervater und Levi vom Klavier verdrängt und in seinem Aktionismus wenig Rücksicht auf das Leiden seiner Frau nimmt. In dieser Rahmenhandlung drängt Wagner nun Frau und Gäste in ihre Rollen, die sie in den Meistersingern spielen sollen. Levi nimmt nur sehr widerwillig an. Nach knapp zehn Minuten - so lang dauert die Ouvertüre bei Jordan, sind die Rollen verteilt. Die Haushälterin, Wiebke Lehmkuhl, singt Magdalene, Cosima das Evchen. Inzwischen sind weitere Gäste aus dem weit geöffneten Flügel geklettert: Junge Männer und Jungs, die alle wie Richard Wagner aussehen. Alle, bis zum kleinsten, habe den charakteristischen Bart unter dem Kinn, den Wagner auf manchen Porträts zeigt. Der größte und schönste von ihnen ist Klaus Florian Vogt, der den Stolzing singen wird. Ihm ganz ähnlich, aber jünger, Daniel Behle, dann David.
    Die Ouvertüre geht in den Bachchoral über: "Da zu dir der Heiland kam". Stolzing muß in den Katharinenkirche zwischen den Säulen herumschleichen und mit Eva zu äugeln versuchen. Bei Kosky kniet der Wagnerclan samt Gästen zum Gebet nieder. Mit einer Ausnahme - Levi beteiligt sich nicht. Was hätte der jüdische Atheist auch für eine Veranlassung, das zu tun? Wagner und Liszt nötigen ihn und geben keine Ruhe. Levi leidet. Kränzle macht das sehr eindrucksvoll. Sein Levi ist ein schöner Mann, von großem, schlankem Wuchs und klaren Gesichtszügen. Als er sich endlich auf dem Boden niederläßt, ist der halbe Choral verklungen. Ebenso verpaßt er den Moment, sich rechtzeitig zu erheben. Von oben herab wird er von den anderen dazu aufgefordert.


    Kosky klopft die Meistersinger also auf ihr Potential als "antisemitische Kampfoper" (Hartmut Zelinsky) ab. Er prüft, ob Wagners Antisemitismus die Figur des Beckmesser geformt hat. Die Diskussion ist - auch außerhalb der Wagner-Fachliteratur - über Jahrzehnte geführt worden, die Beiträge von Walter Jens, Ernst Bloch und Dietmar Holland in Egon Voss' Büchlein über die Meistersinger sind diesbezüglich lesenswert. Wieland Wagner hat in Bayreuth die utopische Antithese inszeniert. Dort endet Beckmesser auf der Festwiese nicht als ein Ausgestoßener, sondern wird in den Kreis der Nürnberger zurückgeholt.
    In der aktuellen Bayreuther Inszenierung ist Beckmesser der jüdische Stadtschreiber, den die Nürnberger im ersten Akt nur am Rand dulden, im zweiten verprügeln und im dritten aus ihrer Mitte ausscheiden. Kosky erprobt, was Dieter Borchmeyer mißlingen sieht: "Daher muß auch der Versuch scheitern, 'jüdische' Figuren als propagandistisch verwendbare Negativbilder in Wagners Musikdramen dingfest zu machen." Seine Inszenierung entfaltet sich im Spannungsfeld zwischen den Thesen der Jahrgangsgefährten (1941) Zelinsky und Borchmeyer.
    Das ist Regietheater. Wenn es auch "in zahllosen Kommentaren Wagners zu seinem Werk keine Äußerung gibt, die Figuren oder Handlungselemente seiner Musikdramen in antisemitischem Sinne oder überhaupt jüdisch interpretiert" (Borchmeyer), muß sich auf der Bühne erweisen, ob die Vermutung, Wagner habe sich in Beckmesser antisemitisch ausgedrückt, trägt.
    Der Regisseur kann das nur unternehmen, weil er mit Kränzle einen großartigen Schauspieler und Sänger zur Verfügung hat. K., etatmäßiger Papageno, hat an der Met einen sehr komödiantischen Beckmesser in der Schenk-Inszenierung gesungen. Bei Kosky ist er ein unmittelbar überzeugender Levi wie dann ein leidender - aber nicht ablassen könnender - Beckmesser. Levi, der seine zwölf Jahre als Dirigent in Bayreuth als "Leidens- und Freudenszeit" resümiert hat, in die Handlung einzuführen, ist ein kluger Kunstgriff und die gelungenste Facette von Koskys Zugriff. Den Eheleuten Wagner war L. zeitweise freundschaftlich verbunden, aber immer auch Objekt ihres Antisemitismus und der Rankünen von Konkurrenten und Assistenten in Bayreuth. Weil Kränzle aus einem eindrucksvollen Levi ein ebenso hinreißender Beckmesser wird, gelingt Kosky die Verkettung des Antisemitismus des Komponisten mit dem des Volkes in Gassen und Straßen.


    Nur aus diesem Konzept von Kosky ist die Besetzung von Cosima/Eva mit Anne Schwanewilms erklärbar. Die Cosima nimmt man ihr sofort ab, die Eva während dreier Akte nicht. Unglücklicherweise muß sie sich aber über vier Stunden als Eva bewähren und nur wenige Minuten als Wagners Gattin. Wann immer sie diese spielt, etwa wenn sie idiosynkratisch getrieben von Beckmesser/Levi auf der Festwiese abrückt, überzeugt sie, jene, die mädchenhafte, in der Johannisnacht zur Frau reifende, vorzustellen, gelingt Schwanewilms nicht. Dazu trägt auch ihr angestrengter, teilweise enger Gesang bei, der schon in der Mittellage gefährliche Schärfen hat. Sie kassiert am Ende einige heftige Buh-Rufe aus dem Publikum. Schwanewilms, die für ihre Marschallin Anfang des Jahres in München gelobt wurde, hätte sich nicht als Eva besetzen lassen dürfen.
    Kosky weiß sicher auch, daß Eva keine Cosima, sondern eine camouflierte Mathilde ist. Die hätte Annette Dasch singen können, sie hätte aber nicht zu seinem Ansatz gepaßt, in dem Cosima unverzichtbar ist.


    Zurück zum Beginn des ersten Akts. Als Kavalier mit Kaffeetasse startet Stolzing/Wagner jun. seine Annäherungsversuche an Cosima/Eva. Wenig engagiert geht er dabei vor. "Verweilt! Ein Wort - ein einzig Wort!" singt er, und es ließe sich mit Hofmannsthal höhnen: Das ist die Sprache der Leidenschaft, verbunden mit einem unrichtigen Objekt.
    Klaus Florian Vogt ist ein bewährter und ansehnlicher Walther von Stolzing. Er hat die Partie schon in Katharina Wagners Inszenierung der Meistersinger vor zehn Jahren in Bayreuth und unter der Regie von Andrea Moses 2015 an der Berliner Staatsoper gesungen. Einige seiner Gesten erkennt man wieder, so, wenn er auf den Bäckermeister Kothner, gesungen von Daniel Schmutzhardt, losgeht, als der bei der Freiung nach Stolzings Herkunft fragt. Vogt glänzt sanft, warm und golden. Die Gefährlichkeit des in der Katharinenkirche lauernden Lungerers geht ihm ab, und Kosky benötigt sie auch nicht. Ein therapeutischer Stolzing ohne Klassenbewußtsein.


    Und hier, schon im ersten Akt, werden die Schattenseiten von Koskys Regie deutlich. Die spannungsreichen Beziehungen von Wagners Figuren belichtet er nicht. Er bietet keine neuen Sichtweisen oder Deutungen innerhalb der Wagnerschen Konstruktion. Wenn er das Geschehen auf der Bühne nicht seinem Ansatz, der im ersten Akt am klarsten ist, unterordnen kann, läßt er es routiniert ablaufen und würzt nur komödiantisch nach.
    Der Salon der Villa Wahnfried samt zeternder Meister wird zurückgezogen. Die Bühne öffnet sich zum Saal der Nürnberger Prozesse, die Fahnen der Alliierten im Hintergrund. Sachs/Wagner steht allein am Pult: "Merk, wie's endet! Acht auf mich!"


    Michael Volle als Wagner/Sachs changiert am längsten zwischen beiden Figuren. Er gibt einen grüblerischen Sachs mit einigen groben Gesten. Im Verhältnis zu Levi überzeugt er als Wagner und nimmt davon viel in das Verhältnis von Sachs zu Beckmesser mit. Den Verzicht auf, das Leiden um Eva, merkt man ihm weniger an.
    Zu Beginn des zweiten Aktes gerät Kosky mit der Oper am stärksten in Konflikt. Eben haben Volle und Schwanewilms noch als Richard und Cosima noch zusammen auf der Wiese gelegen, da muß Volle als Sachs Evas unausweichlichen Verlust im Fliedermonolog beklagen. Das hat nur als Klage um Mathilde Sinn. Cosima verliert er ja nicht an einen jüngeren. Und so hört man den Fliedermonolog Sachsens, "Lenzes Gebot, die süße Not", von Volle nicht als Genuß der Qual, wie Adorno es nennt, weil es in dieser Inszenierung auch nicht aufginge.


    Volle und Kränzle liefern in der nächtlichen Szene vor der Schusterwerkstatt den Höhepunkt der Inszenierung. Beckmessers Ständchen voller Slapstick und Stürzen vor Pogners Haus wird fast zur körperlichen Auseinandersetzung mit dem Schuster. Das Ende des zweiten Aktes mit der Prügelfuge zeigt die Nürnberger, die auf Beckmesser als Juden und Störer einprügeln. Kosky beläßt dabei konsequent die allgemeine Schlägerei im Hintergrund. Nachdem sich der Nürnberger Mob verlaufen hat, bleibt ein zusammengeschlagener Jude zurück, kein Meister, kein Stadtschreiber mehr.


    Nach dem zweiten folgt der lange, lange dritte Akt. Eine Schusterstube gibt es nicht. Die Szene ist erneut der Saal der Nürnberger Prozesse. Die Werkstattprobe, der Stolzing sich stellen muß, geht konventionell über die Bühne. Kosky bietet die langweiligste aller Deutungen, Sachs als biederen Lehrer des Meistergesangs, der wie ein Trainer Stolzing für die Festwiese präpariert. Aber, wie gesagt, was die Wagners Figuren miteinander in den Meistersingern abzumachen haben, steht in dieser Inszenierung nicht im Fokus. Das Quintett wirkt zerfahren auf mich, die fünf, die so unauflöslich miteinader verquickt sind, agieren merkwürdig fern und beziehungslos. Selbst beim Nachhören zu Hause kann es mich nicht überzeugen.


    Die Festwiese ist der Gerichtssaal. Das Nürnberger Volk ist packend choreographiert, präzise singt und agiert der Chor. Da ist hart gearbeitet worden. Die Meister werden begeistert empfangen, nur beim zerschlagenen Beckmesser bleibt der Jubel demonstrativ aus. Kosky folgt auch hier seiner Linie. Beckmesser quält sich durch das Werbelied, das Kosky dehnt und dehnt, um das Leiden zu verlängern. Evchen/Cosima zeigt alle Zeichen des Abscheus, die dem verletzten Mann und Juden gelten. Kränzle ist auch tragisch großartig. Er stellt sich diesem Kampf, den er nicht nur nicht gewinnen kann, sondern in dem er als allgemein verhaßter Akteur auftritt. So wie Levi zu Beginn leidet, leidet Beckmesser am Ende. Wenn ich richtig gesehen habe, drängen ein paar der Meister ihn von der Bühne. Er wird nicht zurückkehren.
    Stolzing gewinnt die Braut in diesem Wettbewerb, der keiner ist und weist die Meisterehrung zurück.
    Die Fahnen der Alliierten neigen sich. Das junge Paar mitsamt Nürnberger Volk verläßt die Bühne. Zurück bleibt Sachs und singt: "Verachtet mir die Meister nicht!" Ein Orchester rollt auf die Bühne. Die jungen Musiker spielen die letzten Takte der Oper hingebungsvoll und singen mit. Kosky hat einen starken Schluß gefunden.


    Der Radiomitschnitt der Meistersinger ist inzwischen auf Youtube zu hören: https://youtu.be/eKRt37JJt7I


    Mir Laien hat das Dirigat gut gefallen. Ich habe es auch beim Wiederhören als frisch und zupackend empfunden. Sängerisch werden mir Kränzle und Behle als David in Erinnerung bleiben. Mit Vogts Auffassung von Stolzing kann ich wenig anfangen. Ich vermisse das Metall, den Abenteurer, die Arroganz in seiner Stimme.


    Die Inszenierung von Barrie Kosky wird sich einprägen. "S' war viel gewagt..." Es war wohl unvermeidlich, daß seinem Ansatz viel vom Eigentlichen der Meistersinger zum Opfer gefallen ist.


    Doch wie heißt es in der Schusterstube?


    -- Wie fang ich nach der Regel an?
    -- Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann."

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber Hans,


    danke für diesen sehr detaillierten, profunden Bericht. Das sind genau die Beiträge, die wir brauchen, um am konkreten Beispiel und Deinen Schlussfolgerungen diskutieren zu können. Ich sah Ausschnitte im Fernsehen und hörte einiges von den neuen "Meistersingern" in Bayreuth im Radio. Deshalb bin ich noch nicht so weit, qualifiziert in die Diskussion einsteigen zu können. Zum jetzigen Zeitpunkt nur ein Kommentar, der sicherlich ein bereits geprägtes Vorurteil von mir und meiner Frau wiedergibt. Wir sind es leid, immer und immer wieder irgendwelche Nazisymbole auf der Bühne zu ertragen und die immer währende Diskussion über den Antisemitismus von Wagner zu führen.Ein kluger Tamino schrieb in diesem Zusammenhang: "Eine Meistersingerinszenierung muss sich der Auseinandersetzung dieser Fragen stellen". Warum denn? Es gibt doch nicht nur diesen einen Ansatz, sich dieser "Komödie zu nähern. Laßt die Altmeister, wie Schenk, Kupfer, Hampe, Adler usw. an eine solche Inszenierung ran und wir werden gerade von den Alten Inszenierungen mit ganz neuen Ideen und Deutungen erleben,die nicht vom ewig abgenudelten Klischee erdrückt werden. Mein Freund Bernd Weikl hat in Tokio eine durchaus moderne Inszenierung gemacht, die ganz ohne die von uns verurteilten Stereotypen ausgekommen und sehr gut angekommen ist. Es geht also: Man muss nur Wagner in seiner Vielschichtigkeit und seinen dialektischen Deutungsmöglichkeiten kennen und ernst nehmen, sein Handwerk als Regisseur beherrschen und bei der Realisierung auf Show und Eventrummel weitgehend verzichten. Um diesen Versuchungen nicht zu erliegen, muss man allerdings reif, weise und bereits anerkannt sein.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Auch ich bedanke mich für die fundierte und differenzierte Rezension, die sich höchst angenehm von manchen anderen Beiträgen abhebt. Sie versucht, den Ansatz des Regisseurs zu verstehen und zu würdigen, zeigt neben dem Gelungenen aber auch Schwächen und Unzulänglichkeiten auf. So soll und muss man es machen! :thumbup:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Auch ich habe diese Betrachtung mit großer Anteilnahme und viel innerer Zustimmung gelesen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich bedanke mich für alle Kommentare. Es war ja mein erster längerer Text für das Tamino-Forum, so freue ich mich, daß er freundliche Beachtung findet.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Cosima oder Mathilde


    Lieber Hans Heukenkamp,


    zunächst einmal herzlichen Dank auch von mir für deinen ausführlichen Bericht. Er bestärkt weiterhin meinen Entschluss, meine Zeit nicht mit dieser Inszenierung oder gar noch Geld (etwa im Kino) dafür vergeudet zu haben.
    Du zeigst auch eine von den vielen Ungereimtheiten dieser Inszenierung auf. Hatte der Regisseur nun unter Eva Mathilde oder Cosima entdeckt? Wie du sehr richtig feststellst, konnte beides nicht passen, da Mathilde Wesendonck wohl kaum mit Wahnfried in Verbindung gebracht werden kann und Wagner wohl nie von von einem jüngeren weggenommen wurde, während andererseits Wagner - wie wie Wissen - einem anderen (Hans von Bülow) entfremdet hat. Auch alles andere passte - mal abgesehen von der Deutung des Beckmesser, wobei der vorgegebene Antisemitismus Wagners schon aufgrund seiner Bekannt- und Freundschaften mit Juden nicht mit heutigen Maßstäben zu messen ist - auch wieder die im Regisseurstheater häufig verwendeten Schablonen bedient. Wie viel im Regisseurstheater ohne eine Beziehung zum Werk heutzutage zur undeutbaren Suppe verquirlt wird, zeigt wieder einmal dieses Beispiel.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zit. operus: "Das sind genau die Beiträge, die wir brauchen, um am konkreten Beispiel und Deinen Schlussfolgerungen diskutieren zu können."


    Das war mein erster Gedanke, als ich besagten Beitrag las. Und deshalb war mir spontan danach, Hans Heukenkamp dafür zu danken. Ich tat es nur deshalb nicht, weil ich mir ja auferlegt habe, in Opern-Threads nicht mehr zu schreiben. Aber zwischen Tür und Angel darf man ja doch wohl Dank sagen.
    (Den nicht eingestellten Beitrag leitete ich mit den Worten ein: "Welch eine Wohltat...")

  • Zit. operus: "Das sind genau die Beiträge, die wir brauchen, um am konkreten Beispiel und Deinen Schlussfolgerungen diskutieren zu können."


    Das war mein erster Gedanke, als ich besagten Beitrag las. Und deshalb war mir spontan danach, Hans Heukenkamp dafür zu danken. Ich tat es nur deshalb nicht, weil ich mir ja auferlegt habe, in Opern-Threads nicht mehr zu schreiben. Aber zwischen Tür und Angel darf man ja doch wohl Dank sagen.
    (Den nicht eingestellten Beitrag leitete ich mit den Worten ein: "Welch eine Wohltat...")

    Lieber Helmut,


    wie oft nahm ich mir schon vor, etwas nicht zu tun. Besonders auch hier im Forum und habe dann doch wieder mitgemacht. Genau darum würde ich Dich ebenfalls bitten. Obwohl Du manchmal damit kokettierst, für Opernbeiträge nicht so berufen zu sein, hat Deine Meinung in jedem Bereich also auch bei und für die Oper Gewicht und ist wichtig.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zit. operus: "Obwohl Du manchmal damit kokettierst, für Opernbeiträge nicht so berufen zu sein,..."


    Es ist kein „Kokettieren“, lieber operus. Bitte glaub mir das! Ich mag mich, - nein, ich kann mich nicht zu Dingen äußern, von denen ich aufgrund mangelhafter Erfahrung und einschlägiger Kenntnisse nichts verstehe. Das geht mir gegen die Natur, um´ s mal salopp zu formulieren.


    Die neuen Bayreuther „Meistersinger“ habe ich mir natürlich in der Fernseh-Übertragung angeschaut, ganz einfach deshalb, weil es sich bei diesem Werk um meine biographisch erste Begegnung mit der Musik Wagners handelt, - mit dem Effekt eines Hingerissen-Seins durch eine ganz und gar traditionelle Aufführung.
    Ich könnte natürlich Kommentar geben zu all dem, was sich gedanklich und emotional in mir bei der Wiederbegegnung mit diesem Werk Wagners in Gestalt der Kosky-Inszenierung an Gedanken und Gefühlen einstellte. Zum Beispiel –
    - dass mich doch sehr störte, dass Philippe Jordan in seinem Bestreben, die Musik von ihrem – angeblichen – Ballast an volkstümelndem Pathos zu befreien, sie, obwohl insgesamt gut musiziert wurde, gleichwohl in ihrem klanglichen Wesen schmälerte;
    - dass die – an sich stimmlich-interpretatorisch beachtlichen – Sängerinnen und Sänger darunter zu leiden hatten, dass man ihnen verschiedene Rollen zumutete, - besonders schlimm bei Anne Schwanewilms;
    - dass das Regie-Konzept nicht aus dem Geist der Musik Wagners und dem ihr zugrundeliegenden episch-dramatischen Fundament entwickelt wurde, sondern aufgepfropft, ihm aufoktroyiert wirkte, - besonders krass im Falle der Einbeziehung der Nürnberger Prozesse.
    Es ist verständlich und berechtigt, dass man an Wagners Werk heute mit der Last der deutschen Geschichte auf den Schultern herantritt. Das muss aber in der Verantwortung auch gegenüber diesem Werk selbst geschehen (so etwas gibt´s für mich nämlich!). Indem man da eine historische Kontinuität herstellt und ihm gar eine historische Mitverantwortlichkeit für das auferlegt, was sich danach historisch ereignete, verhält man sich nicht in diesem Sinne verantwortlich. Für einen Historiker (und ich bin dieser Spezies zugehörig) handelt es sich dabei um ein konstruktivistisches, sachlich nicht begrünbares historisches Narrativ. Gewiss, ein Regisseur darf so etwas machen. Er muss dabei aber in Kauf nehmen, dass man ihm das im Nachhinein kritisch vorhält.
    Wie das zum Beispiel Eleonore Büning getan hat, wenn sie in diesem Zusammenhang von einem „Griff in die allerunterste Demagogenschublade“ spricht und hinzufügt: „Es führt kein Weg von der Kunstreligion direkt in den Massenmord, egal, was der Boulevard so vor sich hintratscht.“


    Wie gesagt, - ich könnte mich in diesem Fall auf eine Diskussion dieser Fragen einlassen, aber dann müsste ich mich gründlich in das musikalische Werk und die Literatur darüber vertiefen, um zu einem wirklich soliden Urteil gelangen zu können. Das würde aber derart viel Zeit in Anspruch nehmen, dass ich, was ich nun wirklich nicht möchte, meine Liedbetrachtungen einstellen müsste.


  • Ich könnte natürlich Kommentar geben zu all dem, was sich gedanklich und emotional in mir bei der Wiederbegegnung mit diesem Werk Wagners in Gestalt der Kosky-Inszenierung an Gedanken und Gefühlen einstellte.


    Lieber Helmut, warum sprichst Du hier im Irrealis, nur um Deine Kommentare dann gleich doch abzugeben?



    Wie gesagt, - ich könnte mich in diesem Fall auf eine Diskussion dieser Fragen einlassen, aber dann müsste ich mich gründlich in das musikalische Werk und die Literatur darüber vertiefen, um zu einem wirklich soliden Urteil gelangen zu können. Das würde aber derart viel Zeit in Anspruch nehmen, dass ich, was ich nun wirklich nicht möchte, meine Liedbetrachtungen einstellen müsste.


    Nimm es mir nicht übel, aber ich finde Deine Kommunikationsweise hier unredlich. Du äußerst Dich in einer stark wertenden Weise zu der Aufführung, die hier zur Diskussion steht, um dann gleich darauf jede weitere Begründung und damit auch argumentative Auseinandersetzung darüber abzulehnen. Wenn Du nichts sagen willst, dann schweige doch. Ansonsten solltest Du meiner Meinung nach auch bereit sein, in einen Dialog über Deine Äußerungen einzutreten. Darin sehe ich jedenfalls den Sinn eines Forums.


    Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich wünschte mir, Du würdest Dich an Diskussionen auch zum Thema Oper beteiligen, denn ich schätze Deine Beiträge sehr. Auch wenn (oder gerade weil) wir hier sehr unterschiedliche Auffassungen haben. Ich habe allerdings schon einige Male festgestellt, dass Du auf Widerspruch zu Deinen Äußerungen nicht reagierst. Da habe ich dann oft den Eindruck, Du ziehst Dich in Dein Schneckenhaus zurück, statt in einen Diskurs einzutreten. Das finde ich sehr schade.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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