Applaus während des Konzertes

  • Hallo


    zu diesem Thema ein kleiner Bericht von einem Erlebnis kürzlich (November 2008 ) im Dortmunder Konzerthaus:


    Es spielten Hille Perl mit dem Lautenisten Lee Santana, der Sopranistin Dorothee Mields und den Sirius Viols, einem Gambenquartett (meine ich zumindest) Stücke von John Dowland. Nach dem ersten Lied begannen einige Besucher zu klatschen, erst zögerlich, dann immer mehr. Da kam ein kurzer Blick von Hille Perl zu dem Lautenisten - der auch ihr Lebensgefährte ist - und dieser erhob sich, ging nach vorne und bedankte sich höflichst für den Befall, bat aber darum, hinfort bis zum Ende des Konzertes davon abzusehen, weil es die Aufführung stören würde.


    Der Auftritt machte nicht den Eindruck, dass es das erstmal gewesen war, dass ein solches Einschreiten erforderlich wurde.


    VG, Bernd

  • Interessant wie man das "Applaus-Verbot" zwischen den Säthe HEUTE beurteilt.
    Natürlich wird sich von den etablierten Konzertbesuchen niemand hinreissen zu lassen zu applaudieren, zeigte man dadurch seine Unbildung in Sachen "klassischer Musik" Allerdings mag es en einen oder andern doch in den Fingen jucken, denn hier wird ja ein sogenanntes "Urbedürfnis" oder, wer so will, ein "natürlicher Reflex" unterdrückt. Der Grund für die Wieder auchnahme dieses Thread ist . nicht nur - abe unter anderem - daß ich durch einen Zeitungsartilel wieder daran erinnert wurde, daß man in vergangenen Jahrhunderten sehr wohl zwischen den Sätzen applaudiert hat, die Künstler wären ansonst beleidigt gewesen. Das Applausverbot ist ein gesellschaftlicher Konsens, oder wem das besser gefällt, ein selbstauferlegtes Tabu. Vielleicht hat das aber auch damit zu tun, daß etwa seit Ende des 19. Jahrhunderts. der Anteil an rein "unterhaltender" Musik immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde und durch - nun im wahrsten Sinn des Wortes "ernste" Musik ersetzt wurde...(?)


    Natürlich werde ich - (ich wurde diesbezüglich sozialisiert) nicht zwischen den Sätzen applaudieren. Wer will sich schon als "Ahnungsloser" outen....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Selbstverständlich wird ein halbwegs erfahrener Konzertbesucher nicht zwischen den Sätzen applaudieren. Auf der anderen Seite bin ich dagegen, das Publikum zu bevormunden. Wenn die Begeisterung so groß wird, dass sie expodiert, dann ist dies ein positiver zu tolerierender Gefühlsausbruch. Wir hatten im Abschlusskonzert ein Trompetenfestival. Dazu war der Musikzug eines Gymnasiums eingeladen. Die Jugendlichen waren nicht zu halten, nach jedem Satz wurde lebhaft applaudiert, nach jedem Stück gejohlt und gepfiffen und am Ende sogar getrampelt.
    Ich fand diese Begeisterung der Jungen spontan, ehrlich und mitreissend. Am Ende habe ich stehend mitgejubelt und wurde von meiner Holden ganz sanft wieder zur Einhaltung der Etikette ermahnt. Meine Begeisterung wurde erstickt und ich wieder einmal angepasst. Schade - darf man im Konzertsaal nicht auch einmal ausflippen und die Sau rauslassen?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Für die Besucher der Berliner Waldbühne (ich hatte erst "Walküre" geschrieben 8-) ) ist das kein Tabu - und mich hat es auch nicht gestört.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Nie vergessen werde ich ein Konzert, das Friedrich Gulda 1993 in der Hamburger Musikhalle (Laeiszhalle) gebeben hat. Er spielte nach meiner Erinnerung die Klavierkonzerte d-Moll KV 466 und A-Dur KV 488, nach der Pause schließlich sein eigenes
    "Concerto for myself". Die Matinee begann mit einer launigen Ansprache Guldas, in der er das Publkum aufforderte, mit Beifall an den Stellen nicht zu geizen, die besonders gefielen. Ob er auch zu Unmutsbezeugungen ermunterte, weiß ich nicht mehr, weil es keine gegeben hat. Wahrscheinlich doch. Es hätte zu ihm gepasst. Es wurde eine sehr bewegte Veranstaltungen. Wir alle waren wie aus dem Häuschen. Seither habe ich nichts dagegen, wenn auch zwischendurch mal geklatscht wird. Schließlich ist doch am Ende das Publikum die höchste Instanz. Das habe ich damals begriffen. Und darauf wollte Gulda wohl auch hinaus.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Früher hat mich solches Verhalten des Publikums auch gestört, heute längst nicht mehr. Je weiter die Lebenszeit fortschreitet, desto ruhiger wird man - werde ich (ich will das durchaus nicht verallgemeinern).


    Noch vor zwei Wochen hatte ich so ein Erlebnis, als ich mit meinem Enkel ein öffentliches Orchesterkonzert der hiesigen Musikschule besuchte. Neben dem großen Orchester (bestehend nur aus Kindern und Jugendlichen der Musikschule), das beispielsweise Elgars "Pomp and Circumstance" (Land of Hope and Glory), Respighis "Ancient Airs and Dance", Schostakowitschs "Walzer Nr. 2" und aus dem Finalsatz der Neunten von Dvorak spielte, war auch ein Akkordeonorchester mit Bach (BWV 565) und der Filmmusik "Pirates of the Caribbean" zu hören.


    Natürlich wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit geklatscht.


    Auch bei den Schlusstücken (Mozarts A-Dur-Sinfonie Nr.29) und Haydns erster Sinfonie (beide vollständig mit allen Wiederholungen) aufbrausender Beifall nach jedem Satz - trotz mancher Fehlgriffe hat es Spaß gemacht. Und: Demnächst (wann?) wird mein Enkel mit seiner Geige auch mitspielen. Ist für mich eine runde Sache, mit der ich eigentlich nicht gerechnet hatte, weil ihm anderer "neumodischer Tüddelkram" ( ;) ) mehr liegt...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Wenn die Begeisterung so groß wird, dass sie explodiert, dann ist dies ein positiver zu tolerierender Gefühlsausbruch …


    Das ist sogar einmal einem der großen Dirigenten – es war m.E. Zubin Mehta – passiert: Als der erste Satz von Brahms Violinkonzert mit der Kadenz endete – Gil Shaham brillierte mit der Violine – da gab es für den Dirigenten kein Halten mehr, denn er rief lautstark »Bravoooooooooo« …

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)