Gegeneinander ausgespielt?!?!

  • Lieber Gerhard, ich danke Dir für Deine Antwort. Was Du aus meinen Anmerkungen an Schlüssen zieht, darauf wollte ich gar nicht hinaus in meinem Beitrag 57. Mich interessiert, warum Wagner in seinen szenische Anweisungen so penibel war, was diese bedeuten und welche Zusammenhänge es mit den Verhältnissen an den Theatern seiner Zeit gibt.


    Was da nun heutzutage angeblich "verschandelt" und "verbrochen" werden soll, interessiert mich weniger. Ich schaue mir auch diese Fotos nicht oder nicht genau an, bei denen es sich lediglich um Momentaufnahmen handeln kann. Lebendiges Theater lässt sich nicht auf Fotos reduzieren. Wenn ich mir eine Oper von Wagner anschaue im Theater, was selten genug vorkommt, pflege ich mir mein eigenes Urteil zu bilden. Das ist mir wichtig. Wie das dann ausfällt, ist eine ganz andere Sache. Ich lasse mir also nichts vormachen und bewerte eine Inszenierung nicht nach ein paar Fotos, die im Netz herumgeistern. Hier offenbaren sich für mich auch Schattenseiten des Netzes, dessen leidenschaftlicher Befürworter und Nutzer ich bin. Es wird zu wenig begründet. Kaum geht einem ein Gedanke durch den Kopf, prasselt der nächste Reiz auf einen ein. Das Internet mahnt mich täglich und stündlich zur Genauigkeit und Gründlichkeit. Ob mir das immer gelingt, weiß ich nicht.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    ich schau mir bewusst die Übertragungen im Fernsehen an - manchmal in einer Aufnahme und dann im Querschnitt - so dass ich mir schon ein Urteil bilden kann. Ebenso habe ich manche total verrückte Szene aus modischen Inszenierungen auf youtube gesehen. Außerdem lese ich viele Rezensionen. Auch wenn diese sich durchaus positiv zu der Inszenierung stellen, kann man sich aus den Schilderungen zwischen den Zeilen durchaus ein Urteil bilden, ob man so etwas sehen möchte oder nicht. Aber auch die verrückten Bilder können durchaus zeigen, um welchen Unsinn es sich mal wieder handelt. Wenn ich z.B. den knollennasigen Samiel in der Inszenierung des "Freischütz" in Hannover sehe, oder etwa - ich weiß nicht, woher sie kam - die Inszenierung, in der man dem Bauer Kilian ein Schild mit "Bauer" umgehängt hatte, dann weiß ich schon, was ich davon zu halten habe. Ebenso natürlich auch, wenn "Tannhäuser" im KZ oder im Biogasbehälter spielt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • ch bitte zu bedenken, daß Ort und Handlung des Rosenkavalier mit dem theresianischen Zeitalter absolut nichts zu tun haben, es sind reine Erfindungen des Autors, die als Theaterstück sehr wertvoll wären, nicht aber als Oper, nachdem Strauss ohne jedwedes tieferes Verständnis der Person und der Intentionen eines Hugo von Hofmannsthal seine Komposition aufgepfropft hat (Kapellmeistermusik eben), wobei lediglich die hundertjährige Gewohnheit den Opernbesucher beides als Gesamtkunstwerk zu sehen verleitet hat.
    Insofern relativieren sich schon aus diesem Grunde Analysen der Inszenierung und des Bühnenbildes.
    Wenn man schon den Rosenkavalier vertonen wollte, wäre z.B. Ernst Krenek geeigneter gewesen.


    Ich hoffe, ich habe jetzt genug Leute beleidigt und wünsche noch ein schönes Rest-Pfingsten.

    Lieber Joachim Schneider,


    Du eröffnest ja ungeahnte Perspektiven!!


    Wenn Richard Strauss vor rund 100 Jahren geahnt hätte, daß in gut 100 Jahren ein Herr Schneider seinen Rosenkavalier als Kapellmeistermusik abwertet, er hätte wohl die Hände davon gelassen. Ihm wären dann sicher Tantiemen entgangen, so daß er vielleicht auf den (fiktiven) Besuch bei Mieze Mücke verzichtet haben müßte. Dennoch dürfte sein Einkommen mit den verbliebenen 15 Opern (darunter Salome, Elektra,. Frau ohne Schatten, Arabella, schweigsame Frau, Ariadne, Capriccio), rund 600 Liedern und den zahlreichen Orchesterwerken ausreichend gewesen sein, die Villa in Garmisch nicht nur zu erwerben, sondern auch zu erhalten. Er hätte den Rosenkavalier daher finanziell durchaus verschmerzen können. Seine Bezüge aus der Kapellmeistertätigkeit habe ich gar nicht beachtet. Peanuts eben.


    Ob die Welt damit zufrieden gewesen wäre, ist eine andere Frage. Wenn Ernst Krenek diese Oper vertont hätte, im Stil des Kapellmeisters, dann wäre sein Name heute nicht vergessen. Seinen Johnny, der ja mehr als ein verstecktes Dasein fristet und vielleicht von mancher Dixiband übernommen werden könnte, hat es in der Beliebtheitsskala nicht sehr weit gebracht, im Gegensatz zum Münchner Kapellmeister.


    Und sollte der Rosenkavalier als Schauspiel aufgeführt werden, dann wäre er sicher ein prächtiges Boulevardstück geworden, zotig und kritisch zugleich. Der Text gibt das her. Es sei denn, Herr Castorf hätte sich seiner angenommen, dann wäre das Stück als nicht jugendfrei eingestuft worden, da der Regisseur sicher die Gelegenheit genutzt hätte, seinen mehr oder weniger gut geformten Hintern auf der Bühne vorzuführen.


    Ich betrachte Deinen Beitrag als Satire vom Dschungelcamp-Niveau. Das ist gelungen und wird auch nicht bestraft. Warum solltest Du damit jemanden hier im Forum beleidigt haben? Verstehe ich nicht. Höchstens Strauss könnte vergnatzt sein, aber der kann sich nicht äußern. Als Dirigent in Meiningen, Weimar, Berlin, Dresden usw. hat er bewiesen, ein guter Kapellmeister gewesen zu sein, das ist doch keine Schande. Und daß Du als Komiker hier aufgetreten bist, zeugt doch von Humor, den Du sicher auch beim Lesen dieses Beitrages zeigen wirst.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • [Lieber Joachim Schneider,
    Wenn Richard Strauss vor rund 100 Jahren geahnt hätte, daß in gut 100 Jahren ein Herr Schneider seinen Rosenkavalier als Kapellmeistermusik abwertet, er hätte wohl die Hände davon gelassen. Ihm wären dann sicher Tantiemen entgangen, so daß er vielleicht auf den (fiktiven) Besuch bei Mieze Mücke verzichtet haben müßte.
    Ob die Welt damit zufrieden gewesen wäre, ist eine andere Frage. Wenn Ernst Krenek diese Oper vertont hätte, im Stil des Kapellmeisters, dann wäre sein Name heute nicht vergessen. Seinen Johnny, der ja mehr als ein verstecktes Dasein fristet und vielleicht von mancher Dixiband übernommen werden könnte, hat es in der Beliebtheitsskala nicht sehr weit gebracht, im Gegensatz zum Münchner Kapellmeister.
    Ich betrachte Deinen Beitrag als Satire vom Dschungelcamp-Niveau. Das ist gelungen und wird auch nicht bestraft. Warum solltest Du damit jemanden hier im Forum beleidigt haben? Verstehe ich nicht. Höchstens Strauss könnte vergnatzt sein, aber der kann sich nicht äußern. Als Dirigent in Meiningen, Weimar, Berlin, Dresden usw. hat er bewiesen, ein guter Kapellmeister gewesen zu sein, das ist doch keine Schande. Und daß Du als Komiker hier aufgetreten bist, zeugt doch von Humor, den Du sicher auch beim Lesen dieses Beitrages zeigen wirst.


    Herzlichst La Roche



    8-):D:thumbsup:8o:hello:

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Lieber La Roche,


    Du hast den satirischen Anteil meines Beitrags zumindest teilweise richtig erkannt.
    Zum Dschungelcamp-Niveau vermag ich nichts beizutragen,da ich praktisch niemals TV sehe.
    Durchaus ernst gemeint war die Bezeichnung "Kapellmeistermusik", die ich auch nicht erfunden habe; im Zusammenhang mit Strauss wird sie durchaus auch von Profis benutzt!
    Daß Du Straussens Tantiemen erwähnst, ist sehr angemessen, denn solche sind ohne Zweifel die Antriebsfeder seiner gesamten Kompositionstätigkeit gewesen.
    Bekanntlich bezeichnet er Bruno Walter als "Lauselumpen" (in dem berühmten Brief), weil dieser nach S. Meinung zu wenig von seinen Kompositionen aufführen würde.
    Was den Rosenkavalier als Theaterstück betrifft, war Strauss an einer Verfilmung des Stoffes (Stummfilm!) beteiligt, was jedoch aus finanziellen Gründen scheiterte; es existieren noch einige Fragmnete dieses Machwerks.


    @ Knusperhexe
    Was hat Alfred Roller mit der diskutierten Angelegenheit zu tun, außer natürlich der Tatsache, daß er der Star-Bühnenbildner seiner Zeit war?


    Viele Grüße


    Joachim

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Nur so viel, dass der Rosenkavalier bis ca 1920 in jeder Stadt gleich auszusehen hatte. Die Bühnenbilder und Kostüme von Alfred Roller waren verpflichtend für alle Bühnen weltweit.

  • Durchaus ernst gemeint war die Bezeichnung "Kapellmeistermusik", die ich auch nicht erfunden habe; im Zusammenhang mit Strauss wird sie durchaus auch von Profis benutzt!

    Also zu dir fällt mir langsam auch nichts mehr ein! Der Begriff "Kapellmeistermusik" wurde vor allem als Kampfbegriff gegen Gustav Mahler verwendet, zu seinen Lebzeiten und noch Jahrzehnte danach. Er war in diesem Zusammenhang genauso unsägich und idiotisch wie er es in Bezug auf Richard Strauss wäre (allerdings ist mir der Bezug dieses verleumderischen Begriffes nur zu Gustav Mahler bekannt, nicht zu Richard Strauss). Dass diese Musik von Strauss weit mehr als "Kapellmeistermusik" war und ist, erkennt man schon daran, dass sie heute nach 100 Jahren immer noch aufgeführt wird, von ernstzunehmenden Dirigenten und Orchester, und ihr Publikum erreicht. Wäre sie wirklich nur das, was der Begriff suggeriert, wäre sie schon längst vergessen und würde in irgendwelchen staubigen Archiven schlummern, aber nicht mehr aufgeführt werden.


    Und dass es Strauss immer nur um die Tantiemen gegangen sei, ist genau so ein Stusss! Wenn ein Mensch nur diesen Antrieb hätte, wird er nicht Musiker, sondern sucht sich lukrativere Geschäftszweige. Dazu hätte der Bierbrauersproß auch alle Möglichkeiten gehabt, aber die Musik war genauso seine Leidenschaft wie schon bei seinem Vater. Musiker ist mehr als ein Beruf, es ist Berufung. Wer diese Berufung nicht fühlt, wird auch keinen Erfolg haben. Strauss hatte mit seiner Musik sowohl seiner Mitwelt als auch der heutigen Nachwelt einiges zu sagen. Das muss man nicht mögen, aber wenn es irrelevent wäre, würde es heute nicht mehr aufgeführt werden.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Königskinder so:











    Oder so:







    Irgendwie schon bezeichnend, dass ich im Netz kein Foto von einer Inszenierung finde, die das Werk in jüngster Zeit mal dem Libretto gemäß erarbeitet hat. Auch der Entwurf, den ich als letztes verlinkt habe Komma wurde so letztlich nicht umgesetzt. Die English National Opera entschied sich dann doch dafür die malerischen Entwürfe nicht umzusetzen und eine moderne Variante anzubieten.

  • Du hast den satirischen Anteil meines Beitrags zumindest teilweise richtig erkannt.

    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich frage mich nach der Lektüre dieses Fadens gerade, warum viele Regisseure meinen, dass es grundsätzlich ein Gewinn ist (für wen? warum?) wenn man Zeit und Ort der Handlung verfremdet, aktualisiert oder was auch immer. Ich lese zZT mal wieder Tolstoi und zwar "Der Tod des Iwan Iljitsch". Das Ganze spielt in einer andern Zeit, einer anderen Kultur, viele Verhaltensweisen der Akteure muten mir fremd an - und doch sind die behandelten Probleme, Konflikte zeitlos, und das Buch hat mir etwas zu sagen.
    Wäre es ein Gewinn, eine Neufassung zu schreiben, in der Handlungsort usw. in die Gegenwart verlegt werden ? Ich glaube nicht.
    Wenn man zB die "Butterfly" nimmt: Da geht es ja (unter vielem anderen) zB um skrupellose sexuelle Ausbeutung innerhalb eines Machtgefälles, Rassismus, Achtung/Missachtung anderer Kultur. Und ich glaube: Wer Ohren hat für Text und Musik, der wird das verstehen. Ist es ein Erkenntnisgewinn, wenn man die Handlung zB nach Bangkok anno 2017 verlegt?
    Im "Ring" geht es(unter vielem anderen) um das Verhältnis von Geld, Macht und Liebe, Schuld und Sühne? Gewinnt das Stück, wenn man es durch "Neufixierung" in einen konkreten historischen Rahmen (zB) irgendeine dem Regisseur besonders schlimm erscheinende Phase des Kapitalismus quasi einengt?
    Rosenkavalier (mit Strauß hab ich es nicht so). Was ich von dem Stück meine zu verstehen, sagen mir Text und Musik. Und ich denke, dass sich die Urheber etwas dabei gedacht haben, dass sie die Konflikte und Beziehungen auf einem historischen Hintergrund mit einer bestimmten Ästhetik der Bilder entwickeln, der ja übrigens auch nicht der ihre war. Wenn man meint, dass es ihnen gelungen ist, muss man es so spielen; wenn man anderer Ansicht ist, soll man die Finger davon lassen und etwas Anderes oder Eigenes inszenieren.
    Es ist ja schön, wenn ein Regisseur in einem Meisterwerk Deutungen aktueller Probleme erkennt - muss er aber dem Zuschauer seine Erkenntnis mit dem Holzhammer vermitteln?
    Verdient große Kunst nicht so viel Vertrauen, dass man sie dem Rezipienten auch ohne Eingriffe zur eigenen Deutung überlassen kann?

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Was du hier schreibst, haben viele Taminos in unzähligen Beiträgen vorher auch schon geschrieben. Vielleicht kann ich als Theologe und Kenner des Alten Testaments noch einmal wiederholen, was ich schon oft gesagt habe: der Reiz des Alten Testaments liegt gerade in seiner Fremdheit begründet. (Das NT ist bis auf einige Jesus-Geschichten ausgesprochen langweilig). Diese ist religiös, sprachlich und kulturell. Viele Pfarrer auf der Kanzel machen das, was RT-Regisseure auch machen: sie aktualisieren, wo es nichts zu aktualisieren gibt.
    Ein Beispiel: die Juden hatten auch Sklaven, die zu bestimmten Zeiten freigelassen werden konnten. Dann hatten die Sklaven die Wahl: wollten sie frei sein, waren sie frei; aber ihre Frauen und Kinder durften sie nicht mit in die Freiheit nehmen. Wollten sie bleiben, geschah dies: der Sklave stellte sich an einen Türpfosten, der Hausherr kam mit Hammer und Nagel und nagelte den Sklaven am Ohrläppchen an den Türrahmen. Damit war klar, dass er auf immer bleiben musste. Wenn ich jetzt ein Regietheater-Pastor wäre, ließe sich eine tolle Hartz-IV-Story draus basteln. Vielleicht mache ich eine Serie draus, in der ein Pastor begeistert vom RT ist und das auf seine Arbeit in der Gemeinde überträgt. Den Schluss weiß ich schon: er ist mit "krachendem Desaster" nur unzureichend beschrieben.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Lieber Misha,


    ich muss dir wieder einmal in vollem Umfang zustimmen. Die Verlegung in eine andere Zeit oder an einen anderen Ort, gar noch die Verdrehung der Handlung bringt absolut keinen Gewinn. Sie nimmt nicht nur den Zuschauern jede Möglichkeit, den Inhalt des Originals selbst zu interpretieren sondern zwingt sie noch, über die irren Phantasien des Regisseurs, die zu dem Stück und seiner Musik überhaupt nicht passen, zu grübeln, die er häufig nicht nachvollziehen kann und und zwingtt ihm somit ein Korsett auf, das zur Enttäuschung und Frustration führt.
    Der Regisseur sollte sich lieber auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren, nämlich die darstellerischen Fähigkeiten der Sänger in die Richtung zu lenken, die den Intentionen des Komponisten möglichst nahe kommt. Dazu müsste er sich aber mit dem Werk (auch der Musik) weit tiefer auseinandersetzen, was einige Regisseure sogar verweigern.
    Mir kommt es nicht so sehr auf üppige Kulissen an, wie ich schon mehrfach betont habe (Herr Stockert bitte zählen !) . Wesentlich ist, dass Ort und Zeit der Originalhandlung eindeutig erkennbar sind (wobei es wahrhaftig uninteressant ist, ob ein Baum oder ein Haus oder was sonst, das nach dem Libretto rechts stehen soll, aus praktischen Gründen links steht oder - falls es für die Handlung ohne Bedeutung ist - nicht vorhanden ist).
    Ich führe hier - wie schon wiederholt (Herr Stockert, bitte zählen!) - die Inszenierung von Patrice Chereau "Tristan und Isolde" in der Mailänder Scala an, die sich jeder auf youtube ansehen oder zumindest hineinschnuppern kann. Hier sind in schlichten Bildern die Orte der Originalhandlung erkennbar und die Kostüme zeitlos genug, um sich in der wahren Oper zu fühlen; für mich eine packende und angemessene Inszenierung.
    Wenn ich mir viele Bilder anschaue, die Knusperhexe als schlechte Gegenbeispiele eingestellt hat, so ist durchaus erkennbar, dass sie überhaupt nicht zu den Werk passen. Ich selbst hatte hier eine Szene (als Gegenbeispiel zu der werkgerechten Inszenierung von Otto Schenk in der MET) eingestellt, in der Siegfried in einer Art Garage auf einer Waschmaschine auf sein Schwert einhaut, während Mime im Hintergrund auf einem Bügelbrett Gift mixt (siehe Beitrag 11) und frage nun: Welchen Gewinn soll solch ein Schwachsinn bringen?? Im "Sammelplatz für absurde und lächerliche Inszenierungen" kann man eine Vielzahl solcher Beispiele ansehen, die heute gang und gäbe sind.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Es ist ja schön, wenn ein Regisseur in einem Meisterwerk Deutungen aktueller Probleme erkennt - muss er aber dem Zuschauer seine Erkenntnis mit dem Holzhammer vermitteln?
    Verdient große Kunst nicht so viel Vertrauen, dass man sie dem Rezipienten auch ohne Eingriffe zur eigenen Deutung überlassen kann?


    Lieber Misha,


    das fragen wir uns schon lange!!!! Eine befriedigende Antwort haben wir noch nicht erhalten. :D

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • .....Wenn ich jetzt ein Regietheater-Pastor wäre, ließe sich eine tolle Hartz-IV-Story draus basteln. Vielleicht mache ich eine Serie draus, in der ein Pastor begeistert vom RT ist und das auf seine Arbeit in der Gemeinde überträgt. ..


    Eine schöne Paralelle: Solche Regiethetaerpastoren gibt es zumindest in der EKD haufenweise. Ein Grund warum ich mir keinen Kirchentag mehr antue; Peter Hahne hat nicht zu Unrecht den Kirchentag als „reinste Polit-Show“ bezeichnet. Ebenso wie Kunstwerke kann man auch biblische Texte als Vehikel für Ideologie missbrauchen.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Wagner gab ihnen eine Handreichung mit. Daraus nun den Schluss zu ziehen, dass das für alle Ewigkeit so sein soll, halte ich für unhistorisch und irrtümlich.

    Ganz richtig, lieber Rheingold. Man muss sich nur die Mühe machen und Wagners Schriften zur Kunst und zur Oper lesen. Denen kann man dann entnehmen, dass Wagner - ein Kind des 19. Jhd., das das "Historische" entdeckt hat - einen radikalen, völlig antiidealistischen Historismus vertritt. Die idealistische Vorstellung zeitloser Kunst, die "für die Ewigkeit" geschaffen wird, lehnt er kategorisch ab. Oper insbesondere wird nach Wagner auschließlich für das Hier und Jetzt gemacht, ist etwas Unwiederholbares und Einmaliges, das mit der Zeit entsteht und vergeht. Eine solche Auffassung vom Werk und von "Werktreue", wie er hier von den RT-Gegnern vertreten wird, ist für Wagner schlicht ein Unding. Gerade Wagner zeigt sehr schön, dass man ihm damit eine Vorstellung von der Theateraufführung aufzwingen will, die nachweislich in den 20iger Jahren des 20. Jhd. entstanden ist und mit seinem Selbstverständnis reichlich wenig zu tun hat.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Dieser posierende drittklassige Westernheld als "Freischütz", der sich auf die Opernbühne verirrt hat...



    passt zu C. G. Carus, philosophischer deutscher Romantik, nun wirklich wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Bei Carus ist man im Grunde schon bei Rilkes Ding-Gedichten. Der Mensch "verschwindet" (man erkennt die Gestalt auf dem Balkon kaum noch) in dieser Steinlandschaft wie versteinert, anstatt selbstgefällig vor der Naturlandschaft zu posieren. (Genau das kritisiert Carus übrigens in seiner berühmten Schrift über Landschaftsmalerei als "unromantisch"!):



    Schöne Grüße
    Holger

  • Wenn ich vor einem Bild von Kaspar David Friedrich oder von Carl Gustav Carus stehe, dann geht mir das Herz auf.

    ... mir auch! Nur davon sehe ich bei diesen Bildern von der Opernbühne (s.o.! "Apropos Carus") einfach nichts!


    Am Sonnntag sah ich die "Bauernhochzeit" von Peter Breughel d.Ä. im Kunstmuseum in Gent (Belgien) im Original:



    Warum finde ich nur diesen Breughel-Realismus so unendlich viel besser als den hier immer wieder gezeigten Opernrealismus? :S


    Schöne Grüße
    Holger


  • Eine schöne Paralelle: Solche Regiethetaerpastoren gibt es zumindest in der EKD haufenweise. Ein Grund warum ich mir keinen Kirchentag mehr antue; Peter Hahne hat nicht zu Unrecht den Kirchentag als „reinste Polit-Show“ bezeichnet. Ebenso wie Kunstwerke kann man auch biblische Texte als Vehikel für Ideologie missbrauchen.


    Ich fand es gar nicht so schlimm beim EKT. Und ich bin katholisch :thumbsup:

  • Ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode ;(


    Einmal die Spinnstubenszene in Bottrop: :hahahaha: (Nein, eigentlich wollte ich ein heulendes Smiley posten, aber das gibt es hier nicht, ist ja auch ein Widerspruch in sich.)






    Und so im Michigan Opera House, Detroit, mit Elisabet Strid als Senta:





  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Blöder und mehr an Werk vorbei als diese Spinnstubenszene in Bottrop geht es wohl kaum noch. Aber vielleicht habe ich unrecht, wahrscheinlich erleben wir noch Regisseure mit noch blöderen Phantasien. Dem Schwachsinn sind anscheinend keine Grenzen gesetzt. Für wie primitiv will man eigentlich das Publikum verkaufen?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard, hier kommt Nachschlag:







    Übrigens habe ich von der hübschen Elisabet Strid auch ein Video gefunden, wo sie dazu verdammt ist, die Senta in einer Variante zu singen, wo... Ach, seht selbst. Wem's gefällt ;( :


    watch?v=5XyMnkHWMFo


    Und das als Widergutmachung, wobei mir das in der Inszenierung von Wieland Wagner auch nicht mehr soooo gefällt:






  • ....
    Übrigens habe ich von der hübschen Elisabet Strid auch ein Video gefunden, .......


    Live ist sie ab dem 17.06. in Leipzig als Salome zu erleben.


    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ja, ja, lieber Knuspi, gerade den "Fliegenden Holländer" hat man ja schon oft so entsetzlich verunstaltet. Den Holländer in der Ventilatorenfabrik hatte ich mir im Fernsehen im Querschnitt angesehen und hier im Forum auch schon gefragt, auf welche Weise Ventilatoren "ein Fädchen spinnen", die gleiche Frage stellte sich mir bei dem ebenfalls übertragenen "Holländer" aus einem Handelskontor, wo die Aktenmappen "Fädchen spannen". Auch hier genügte mir ein Querschnitt der Aufnahme, vollständig wäre diese Spinnerei (ich meine jetzt die gesamte Inszenierung) kaum zu ertragen gewesen. Ja, und ich habe auch noch erfahren, dass Waschmaschinen ebenfalls "Fädchen spinnen". Eine Antwort habe ich von den Befürwortern solchen Schunds bisher nicht erhalten.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)