Die größten Lichtgestalten in der Oper

  • Bertarido schrieb im Eröffnungsbeitrag


    Zitat

    auch wenn ich die Schurken und Bösewichter viel interessanter finde


    und mir kam die Aussage eines Schauspielers in den Sinn, der (sinngemäß) sagte, er hasse es, liebe und nette Figuren auf der Bühne respektive in Film oder Fernsehen darzustellen. Die Schurkenrollen seien doch viel dankbarer...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lieber Operus,
    deine Lichtgestalten will dir sicher niemand rauben.
    Doch gönne bitte denjenigen von uns, die es lieber etwas realistischer haben, auch unsere Skepsis den Allzuhehren gegenüber und die Beurteilung von Opern-Charakteren nach psychologischen Kategorien.
    Im Übrigen: Was dem einen seine Biedermeier-Nostalgie, das ist dem andern sein Barock-Klischee - und dem dritten seine Spielopernwiese. Wichtig ist doch, dass wir uns über die großen Meister nicht in die Haare kriegen. Und da möchte ich zwei Figuren das Wort reden, die allzu oft ins Diabolische bzw. ins Hehre missinterpretiert wird: Jago, schon von Shakespeare als von der Natur Benachteiligter entworfen, von Boito mit dem herrlichen Credo entsprechend aufgewertet - und von Verdi in diesem Sinne glänzend bestätigt. Und, als Gegenstück: Otello, ein Held ohne Fehl und Tadel, der sich doch durch seine Gutgläubigkeit (oder auch Dummheit!) selbst zum Sklaven seiner Gefühle erniedrigt. Solche Charaktere wie diese beiden verdienen vor allem unsere Aufmerksamkeit.
    Uns darauf zu verständigen, sollte doch möglich sein. Und davon gibt es viele: Don Giovanni, Don Alfonso, Tannhäuser, Senta, Amelia, Tosca - und viele andere - meint Sixtus

  • Lichtgestalten sind ja immer eine Illusion - Wunschdenken. Der gute Mann der alles in Ordnung bringt was bereits verpfuscht ist.
    Und wenn es ihn nicht gibt - dann wird er erfunden.
    Mir fallen dazu zwei Dinge ein; In Österreich hat sich ein politische Partei soeben so eine "Lichtgestalt" ausgedacht -und wartet nun auf ein Wunder
    (das vermutlich nicht passieren wird) irgendwie eine Variante auf "des Kaisers neue Kleider" Man sollte stets auf dem Boden der Realität bleiben.
    Schon Friedrich Schiller wusste: "Der Wahn ist kurz, die Reue lang."


    Auf der Theaterbühne indes gab es in billigen Stücken sehr oft eine unverhoffte Wendung, die allen aus der Patsche half - aber auch hier machte man sich über derart einfache Lösungen schon im 19. Jahrhundert in Form von Parodien lustig.


    Solch eine Parodie beinhaltete die folgende Stelle (Libretto des unbekannten Parodie.Stückes aus dem Gedächtnis nacherzählt):


    (Im allgemeinenGetümmel öffnet sich eine Tür in der Mitte des Raumes und eine imposante Gestalt in einen weißen Mantel gehüllt tritt ein. Sofort wird er von der Menge umringt und alle schauen gebannt auf den Fremdling)
    Fremdling: Ich bin gekommen um euch Frieden Glück und Einigkeit zu bringen - Alles wird gut !!
    Menge: Oooohhhh
    Fremdling: Ich werde Feindschaften beenden und aus Feinden Freunde machen
    Menge: AAhhhhhhh !!!!!
    Fremdlich: Ich werde Eure Finanzen in Ordnung bringen und Liebespaare verheiraten
    Menge: Ohhhhhhhh !!!!!!
    Einer aus der Menge: Gelobt Seist Du - wahrhaftig großer Mann. - Wer bist Du ? SPRICH !!!
    Menge im Chor: Wer bist Du ? SPRICH
    Der Fremde: Meinen Namen sollt ihr NIE erfahren !!
    (Er öffnet überraschend seinen Mantel und breitet des größeren Effekts wegen die Arme aus. Darunter kommen Edelsteinbesetzte golden Rangabzeichen zum Vorschein. Und nun ruft er mit heisverkündendem Ton:) Ich bins ich bins der Kaiser Joseph !!!


    Happy End ! Der Vorhang fällt unter allgemeinem Jubel.....
    _______________________________________________


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Rahmen meines letzten Beitrags ist mir kurz nach Ende des Schreibens ein WIRKLICHE Lichtgestalt in eine Oper eingefallen.
    Vielleicht wird der eine oder andere hier Zweifel an der Richtigkeit meiner Wahl haben, aber die handelnden Personen der Oper werden mir - vielleicht von einer Ausnahme abgesehen - beipflichten.
    Die von mir entdeckte Lichtgestalt heisst "Dottore Dulcamara" (über die Echtheit des Doktirtitels werden vermutlich nur Kleingeister dikutieren wollen - meines Wissens nach hat er an der selben Universität promoviert wie unser Dr. Pingel - und an dessen Echtheit dürfte ja wohl kein Zweifel bestehen.


    Was bewirkt diese Person in der Oper ? Sie verkauft ein Elixier, welches ein reines Naturprodukt (Bordeaux) ist und einem Liebenden den Mut gibt sich seiner Angebeteten zu erklären - und das noch dazu erfolgreich. Die Geschichte ist ein wenig unglaubwürdig, aber nur deshalb, weil man die genauen Zusammenhänge nicht kennt. Warum bitte, sollte Nadine jetzt plötzlich Gefallen an einem eher unattraktiven Bauerntölpel finden, den sie die ganze Zeit verspottet hat ?


    Für die Lösung solcher kniffliger psychologisch tiefgründiger Fragen bietet sich eigentlich nur EINE LÖSUNG an: DAS REGIETHEATER. In diesem Falle muss der Eingriff nicht allzu groß sein: Nicht nur Nemorino, nein auch Nadine bekommt - und das nicht zu knapp - von dem Bordeaux zu trinken (das kann man in den Hintergrund der Szene- aber dennoch deutlich sichtbar - verlagern. Ein hübscher Regieeinfall wäre hier, daß sie nach Genuss der zwei Flaschen liebestoll auf die beiden Nemorino-Zwillingbrüder zueilt - aber da ist nur EIN Nemorino. Für diesen Vorschlag allen bekam ich schon diverse Einladungen Deutscher Provinzopernhäuser - ich bin noch am Auswählem. Jedenfalls wird durch Dottore Dulcamare ein glücklicher Ausgang der Oper garantiert. Inwieweit das Mittel die anderen propagierten Eigenschaften erfüllt ist eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist, kann der Galbe doch bekanntlich Berge versetzen......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schon mehrfach ist angeklungen, dass die Bezeichnung "Lichtgestalten" nicht jedermanns Sache ist. Einmal sind sie nicht leicht aufzufinden, andererseits, wenn man sie näher besieht, halten sie einer Prüfung selten stand. Sie erweisen sich schnell als erträumte Wunschbilder, die man im wirklichen Leben vergeblich sucht. Wer ist schon einmal einem Eremiten oder einem Don Fernando begegnet? Sie sind zu gut, um wahr zu sein.
    Besser gefallen mir dagegen Charaktere, die in sich selbst ruhen und sich kaum darum scheren, was ihre Mitmenschen von ihnen halten. Ich denke an Loge. der als Einziger die Götter durchschaut: "Ihrem Ende eilen sie zu..." Oder Don Alfonso, der gelassen die 24 Stunden seiner Wette abwarten kann, seines Sieges sicher. Und sogar so leichte Mädchen wie Verdis Maddalena oder Preziosilla stehlen allemal ihren Gegnern die Schau, und Moralapostel wie Melitone sehen sehr schnell sehr alt aus, wenn sie ihnen begegnen.
    Ich würde mich freuen, wenn wir unsere Suche in diese Richtung lenkten: als Suche nach stimmigen, gelassenen Charakteren aus Fleisch und Blut - auch wenn sie nicht immer politisch korrekt sind.

  • [...]und Moralapostel wie Melitone sehen sehr schnell sehr alt aus [...]

    Aber gerade der hat mir immer sehr viel Vergnügen bereitet - eine Erinnerung an länsgt vergangene Zeiten für mich.


    [...]auch wenn sie nicht immer politisch korrekt sind.

    Da fällt mir das Zitat von einer Frau ein, die, vom TV zitiert, sagte, die politische Korrektheit gehöre auf den Müll.


    :stumm::untertauch:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lieber Musikwanderer,
    wenn eine Bühnenfigur als Verlierer dasteht, kann sie ja trotzdem großes Vergnügen machen. Grade die Trottel können das besonders gut. Ich finde Fra Melitone herrlich (besonders wenn er von einem erstklassigen Belcantisten gesungen wird, der zugleich ein Komödiant ist). Aber als vorbildliche Lichtgestalt scheidet eine solche Karikatur wohl eher aus.
    Es scheint einfach schwierig zu sein, ganz und gar positive Charaktere zu finden, die nicht langweilig sind. Aber die Suche ist ja noch nicht zu Ende...

  • Es gibt ein sehr schönes Beispiel, wie ein Komponist einen dummen Spießer zur Abschreckung hinstellen wollte, den man aber am Ende der Oper richtig liebgewinnt, weil er so normal ist. Er liebt Frauen, Zigarren, Bier, Schweinswürstel, statt in den Krieg zu ziehen, versteckt er sich unter dem Bett. Kundige haben es sicher schon erraten: es ist Matthias Broucek aus der Janacek-Oper "Die Ausflüge des Herrn Broucek". Es gibt einen Text, in dem Janacek Broucek verdammt und ihn als ewigen Spießer darstellt. Wenn man die Oper dann sieht oder hört, ist man eher den Fundamentalisten auf dem Mond und im Mittelalter gram.
    Dabei fällt mir noch einmal ein wunderbarer Wiener Spruch ein (vielleicht ist ja sogar Alfred der heimliche Autor):
    Was haben die Frauen vom Leben? Rauchen tun´s nicht, saufen tun´s nicht, und Weiber san´s sölber.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ja, lieber Dottorre, der Broucek, Matthias, ist schon ein dufter Typ. Und - ganz besonders nett:


    Zitat

    Was haben die Frauen vom Leben? Rauchen tun´s nicht, saufen tun´s nicht, und Weiber san´s sölber.


    Aber ehrlicherweise muss man zwei dieser "Todsünden" aus dem Spruch streichen...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Dann trau ich mich mal den Ochs von Lerchenau in die Runde zu werfen. Er verstellt sich nicht und nimmt sogar die Niederlage am Ende gelassen hin.

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  • Die moderne Fassung lautet: Die modernen jungen Frauen können zwar nicht mehr kochen wie ihre Mütter, aber saufen wie ihre Väter.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Da fällt mir das Zitat von einer Frau ein, die, vom TV zitiert, sagte, die politische Korrektheit gehöre auf den Müll.

    Ja, die die dann dagegen geklagt hat, als ein Satiremagazin zu ihr nicht "politisch korrekt" war - und mit Hinweis auf ihre Forderung in der Urteilsbegründung verloren hat! :thumbsup:


    https://www.welt.de/regionales…Verfuegung-gegen-NDR.html



    Dann trau ich mich mal den Ochs von Lerchenau in die Runde zu werfen. Er verstellt sich nicht und nimmt sogar die Niederlage am Ende gelassen hin.

    Komisch, weder im Text "Leopold, wir gängen!" noch in der Musik, die dort erklingt, höre ich "Gelassenheit"! ?(

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Der "Ochs" gehört für mich in die Rubrik "Die größten Kotzbrocken der Oper".

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Der "Ochs" gehört für mich in die Rubrik "Die größten Kotzbrocken der Oper".

    Eine Lichtgestalt ist der Ochs aus meiner Sicht nicht, aber er ist auch kein ausgemachter Bösewicht. Aber was ist er dann? Ist er der in unserer Diskussion so oft beschworene vielschichtige und vieldeutige Charakter? Er ist ein um seine gesellschaftliche Reputation kämpfender Parvenue, ein von seiner Epoche geprägter Wichtigtuer und dann letzlich doch liebenswert, weil er so herrlich K und K Diplomatie, legere österreichische Lebensart und Lebenslust verkörpert. Eine Art österreichischer Land- Falstaff. Diskutieren wir mit Bösewicht und Lichtgestalt vielleicht tatsächlich zu eindimensional und müssten ein dritte Rubrik schaffen, die vielschichtigen Charaktere in der Oper?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Bei der Diskussion über die Werke, die für den Opern-Kanon vorgeschlagen wurden, bin ich doch tatsächlich auf eine lupenreine Lichtgestalt gestoßen. Oder gibt es da auch Einsprüche?


    Zitat

    von Caruso41


    Zu Dukas' "Ariane et Barbe-Blueu" ist mir eingefallen, dass eigentlich erstaunlich ist, dass Ariane von Maeterlinck/Dukas in dem Thread, in dem so ausdauernd wie verzweifelt Lichtgestalten auf den Opernbühnen gesucht werden, noch nicht genannte wurde. Maeterlinck hat sie ja ausdrücklich als Lichtbringerin konzipiert und Dukas hat das auch musikalisch beglaubigt! Das Dunkel der ersten Szenen ("Fifty shades of grey" oder eigentlich "of black") wird ja nach dem Steinwurf Arianes mit der plötzlich durchbrechenden, prächtig strahlenden Helle des vollen Orchesters geradezu bildhaft konfrontiert!
    Im Übrigen halte ich aber das Werk nicht für so stark, dass wir es in den Kanon aufnehmen müßten. Die Musik ist doch recht äußerlich. Sie malt mit schönen schillernden Farben, entfaltet oft einen wahren Farbenrausch, aber es fehlen subtilere harmonische Wendungen, die die psychologischen Entwicklungen verdeutlichen würden. Das Werk hat hat letztlich keine Tiefe - trotz aller Mythen und Symbole, die Maeterlinck ins Rennen schickt.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hatten wir schon Angelina (La Cenerentola)? - Ihr wird bekanntlich übel mitgespielt und am Ende bittet sie trotzdem um Verzeihung für ihren Vater und ihre Schwestern. Ein wahrer :angel:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Eine Lichtgestalt ist der Ochs aus meiner Sicht nicht, aber er ist auch kein ausgemachter Bösewicht. Aber was ist er dann? Ist er der in unserer Diskussion so oft beschworene vielschichtige und vieldeutige Charakter? Er ist ein um seine gesellschaftliche Reputation kämpfender Parvenue, ein von seiner Epoche geprägter Wichtigtuer und dann letzlich doch liebenswert, weil er so herrlich K und K Diplomatie, legere österreichische Lebensart und Lebenslust verkörpert. Eine Art österreichischer Land- Falstaff. Diskutieren wir mit Bösewicht und Lichtgestalt vielleicht tatsächlich zu eindimensional und müssten ein dritte Rubrik schaffen, die vielschichtigen Charaktere in der Oper?



    Lieber Operus, Dank sei Dir, dass Du dem Ochs nicht nur Schlechtigkeiten abgewinnen kannst. Vielleicht hast Du dabei auch die Salzburger Kupfer-Inszenierung des "Rosenkavalier" mit Groissböck in Erinnerung, die den Ochs sehr differenziert betrachtet. Wir diskutierten an anderer Stelle darüber. Schließlich sollte ja die ganze Oper ursprünglich mal "Ochs auf Lerchenau" heißen. Als Lichtgestalt würde auch ich ihn nicht sehen wollen, aber das, was Bertarido durch eine sehr robuste Wortwahl aus ihm macht, ist er nach meiner Überzeugung nicht. Für mich ist er mehr Opfer denn Täter. Es lohnt sich, das Libretto in ganzer Länge - also ohne die Striche - genau zu studieren. Dieser deftige Mensch vom Dorf, ausgestattet mit einer gehörigen Portion Bauernschläue, kann in des Kaisers Hauptstadt gar nicht bestehen. Er wird dort ja nur wegen seines Adelstitels gebraucht, mit dem das aufkommende Kapital gesellschaftlich reüssieren will. Das ist eine gefährliche und erzkonservative Melange. Faninal will seine blutjunge Tochter mit Ochs verkuppeln. Sie wird wie auf dem Präsentierteller gereicht. In aller Öffentlichkeit. Was für ein fieses Spiel. Faninal ist ein Parvenu. "Er hat die Lieferung für die Armee, die in den Niederlanden steht" - und die Frau des Feldmarschalls tut so, als hätte sie seinen Namen nie gehört: "Sind's keine Hiesigen?" Das ist genial arrangiert und verknüpft. Ich kenne kein besseres Libretto als das des "Rosenkavalier". Viel Politik und Hintersinn. Nein, der Ochs ist kein ausgemachter Bösewicht. Der benimmt sich nur schlecht, nämlich so, wie er es von seinem Dort gewohnt ist.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Danke, lieber Rüdiger, für die kenntnisreiche, weitere Analyse des doch differenzierten Charakters des Ochs und die Beleuchtung des "Rosenkavalier"-Librettis.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich kann mich auch an die Salzburger Inszenierung erinnern. Ich war sehr überrascht, den Ochs in ganz neuem Licht zu sehen; das hat mich auf Anhieb überzeugt.
    Auch sein Diener Leopold, der nicht singt, wurde als listenreicher Drahtzieher dargestellt!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich kann mich auch an die Salzburger Inszenierung erinnern. Ich war sehr überrascht, den Ochs in ganz neuem Licht zu sehen; das hat mich auf Anhieb überzeugt.
    Auch sein Diener Leopold, der nicht singt, wurde als listenreicher Drahtzieher dargestellt!

    In der Salzburger Inszenierung wurde mit Günther Groissböck der ideale Interpret für diese Auffassung des Ochs gefunden. Kein alter abgewrackter Lüstling, sondern ein strammes, fesches Mannsbild, das in dem Liebesreigen glaubhaft mitwirken konnte. Dazu die wunderschöne, balsamische Stimme. Eine Kontraauffasung zur herkömmlichen Lesart mit Böhme, Weber und Edelmann, die alle auch großartig waren, nur eben anders. Übringens war dieser junge Ochs auch ein Musterbeispiel gelungener Neudeutung einer Opernfigur.


    Hezrlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Tut mir leid, aber ich kann dem Ochs überhaupt nichts Positives abgewinnen. Mir ist dieser Mensch zutiefst unsymphatisch.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Um die Ausführungen von Rheingold zu ergänzen, muss man bedenken, dass der Ochs doch auch eine höfische Erziehung genossen hat, auf die er als Landjunker aber vergessen hat. Heute würde man sagen: "Dorfkaiser".
    Auch braucht er das Geld des Schwiegervaters in spe genauso, wie der von ihm den Adelsstand braucht. So gehen Kapital und Adel Hand in Hand.
    Das Libretto liefert mehr, als die Oper aussagt.

  • Zitat Sikxtus in Beitrag Nr 35

    Zitat

    Oder Don Alfonso, der gelassen die 24 Stunden seiner Wette abwarten kann, seines Sieges sicher.


    Er mag gewiss eine in sich ruhende Figur sein, seiner Sache selbst absolut sicher , da er es ja ist, der Regie führt, aber selbst unter tolerantester Auslegung aller seiner Eigenschaften - Lichtfigur ist er keine - auch keine positive Spielfigur. Er setzt die handelnden Personen ein wie Schachfiguren und sieht deren vorhersehbaren Leiden genüsslich zu. Ein Zyniker. Ich habe nichts gegen Zynikerm gelegentlich werde sogar ich verdächtigt einer zu sein. Aber im konkreten Fall doch eher eine böse, als eine gute Spielfigur.

    Zitat


    Wer ist schon einmal einem Eremiten oder einem Don Fernando begegnet?


    Einem Eremiten beinahe, das ist eine Fremdenverkehrsattraktion in Saalfelden, siehe Artikel. Ich war in der Klause, aber sie war zu diesem zeitpunkt (Mein Gott das ist schon an die 40 Jahre her) gerade vakant.
    Wie ich soerben lese gibt es diese in der Oper so rare Lichtgestalt im realen Leben immer noch - soeben wurde ein neuer Eremit gefunden...
    https://kurier.at/chronik/oest…lden-gefunden/259.224.899


    Einem Don Fernando begenen wir auch heute immer wieder. Und zwar in der Form von Politikern, die irgendwelche positiven Veränderungen unter großem Brimborium dem Volk vorstellen und als eigene Verdienste oder die der eigenen Partei darstellen. In Wirklichkeit handelt es sich meist nur um Abshaffung oder Milderung eines seit Jahren bekannten Übelstandes, der nun als Großtat bejubelt werden soll-


    Ähnlich handelt ja auch der Minister Don Fernando, der sich auf einen Wink des "Besten Königs" beruft, der das Land bislang scheinbar blind und ahnungslos regiert hat, oder dem gewisse Zustände gleichgültig waren. Plötzlich ist alles ganz anders und er schickt Don Fernando als Segensbringer ins Staatsgefängnis um dort eine große Befreiungsaktion zu starten, Dort waren jahrelang völlig unschuldige Friedenslämmer inhaftiert, wurden vom Staat verköstigt und bewacht - und der König hat das alles nicht gewusst. Nun weiß er es plötzlich und schickt als Vertreter den Minister als Engel der Gerechtigkeit, der geradezu penetrant freundlich ein Füllhorn an Gnade über die befreiten Inhaftierten ausgießt, was natürlich . wie in solchen Fällen üblich - Jubelstürme auslöst. Der Vorhang fällt und die Gefangenen, sowie das Publikum gehen mit Freude im Herzen nach Hause.


    Auch heutig Politiker treten stahlend, freundlich und selbstsicher lächelnd vor das Volk, wenn sie eine längst fällige Fehlerminimierung ihres Regierungsstils ankündigen und dies als persönliche Leistung ihrerseits verkaufen.....


    Auch hier seher ich keine Lichtgestalten....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das Libretto liefert mehr, als die Oper aussagt.


    Da stimme ich Dir zu, lieber Erich. In der bisherigen Rezeptionsgeschichte des "Rosenkavalier" auf der Opernbühne ist der Ochs zu einseitig festgelegt worden. Bestimmte Inszenierungen haben das Ihre getan und immer wieder das Klischee bedient. Es ist sehr bequem, den Ochs nur negativ zu sehen. Mich wundert, dass schon in der Dresdener Uraufführung entsprechende Zeichen gesetzt wurden. Dabei gibt es in der gut dokumentierten Zusammenarbeit beim "Rosenkavalier" zwischen Hofmannsthal und Strauss genügend Anhaltspunkte für eine differenzierte Sicht. Der entsprechende Briefwechsel, den ich zur Lektüre empfehle und andere Äußerungen sind sehr aufschlussreich. Darin erscheint Ochs auch dem Alter nach der Marschallin ebenbürtig. Beide sollen nicht viel älter als dreißig sein. Sie haben auch durch adlige Herkunft und weitläufige Verwandtschaft eine gemeinsame Ebene. Das wird ja im Dialog im ersten Aufzug deutlich. Die Fürstin ist - wenn man so will - die deutlich feinere weibliche Ausgabe des Ochs. Der treibt's es im Stall mit den Mägden, sie im Ehebett mit einem Knaben, der fast ihr Sohn sein könnte. Das sind nun mal die Tatsachen. Die Oper ist ein ziemlich kühnes, freches und unanständiges Stücke, weshalb es auch so geliebt wird.


    Nach meiner Überzeugung ist der Ochs auf dem Theater vor allem deshalb als gemeiner lüsterner Dickwanst gezeichnet worden, um die Geschichte für eine breites Publikum annehmbarer zu machen und die Marschallin als grundguten Menschen mit tragischen Zügen erscheinen zu lassen. Das ist viel einfacher als eine genauere Sichtweise, die die landläufigen Moralvorstellungen durcheinander wirbelt. Das einseitige Image hängt der Figur des Ochs bis jetzt an. Ich kann gut verstehen, wenn sich ein Teil des Publikums diese Lesart zu eigen macht. Die tut nicht weh. Das Gute bleibt gut, das Böse bleibt böse.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent