Sterben die Klassikhörer aus?

  • Jedenfalls gab es ein gutes praktisches und auch musikgeschichtliches Bildungsangebot diesbezüglich in Oslo, aber ich gebe zu, dass es bei vielen irgendwo im Kopf in der Abteilung " ist das Prüfungsrelevant?" abgelegt wurde.


    Und das, was man für die Musikgeschichte-Prüfung lernt (und da ist kein Gefühl für die Charakteristika der Modi dabei) wird nach der Prüfung sofort wieder vergessen.


    Ich könnte jetzt auch gemein sein, und Dich zur "Drame lyrique" und dem Spektralismus befragen. Wobei das nur gemein wäre, wenn wir im selben Raum säßen und Du nicht nachschlagen könntest.

  • Wie angedeutet würde ich jemanden, der nur die Pop-Alben Garretts hört, eigentlich nicht als Klassikhörer auffassen. Deswegen bin ich positiv überrascht, dass zumindest ein Teil davon sich wegen Garrett die Brahms/Bruch-CD nicht nur angehört, sondern anscheinend auch Gefallen daran gefunden hat. Während 4 Jahreszeiten oder auch die bekannten Konzerte von Mendelssohn und Bruch ziemlich eingängig und sicher auch für jemanden, der vorher eher Hummelflug oder Liebestreu in Garretts Popversionen gehört einigermaßen zugänglich sind, halte ich das Brahms-Konzert schon für einen ziemlichen Brocken und das wurde bekanntlich auch verbreitet so empfunden: Sarasate soll sich geweigert haben, das Stück zu spielen, denn wenn endlich eine Melodie käme, hätte sie die Oboe (Anfang des langsamen Satzes).
    Allein Garretts wegen hält man das eher nicht durch und wer das Sitzfleisch dafür hat, wäre auch reif für andere Klassik. Interessant wäre zu sehen, wie viele Garrett-Fans nach dem "Timeless"-Album auf den Geschmack für mehr "richtige" Klassik gekommen sind.


    Andererseits muss man sich auch immer klar machen, dass man auf allen möglichen Stufen "stehen bleiben" kann. Für sehr viele Leute ist Musik, gleich welchen Genres, nicht so zentral, dass sie "tiefer" einsteigen möchten. Genauso wie vielen Pop-Hörern die Charts oder "das Beste der 70er, 80er, 90er" ausreicht oder eben nur durch ein wenig Musik, die sie besonders interessiert (oder die alten Favoriten aus der Jugendzeit) ergänzt wird, sind viele Klassikhörer mit einer Anzahl Wunschkonzert-CDs oder vielleicht ein paar dutzend ausgewählten CDs mit Lieblingswerken und dazu ggf. "Klassikradio" oder ein vernünftiger Klassik/Kultur-Sender zufrieden.


    Das geht uns allen so mit Bereichen, die uns nur mäßig interessieren. Ich kenne ein paar "Klassiker" des Jazz schon fast so lange wie ich Klassik höre, aber ich habe nie genügend Interesse entwickelt, "tiefer" einzusteigen. Oder Bereiche der Klassik, die ich viel später kennengelernt, aber nie vertieft habe (Belcanto-Opern oder mittelalterliche Musik usw.). Daher würde ich mich kaum als "Jazzhörer" bezeichnen, obwohl ich gelegentlich Jazz höre und vermutlich mehr beim Jazz kenne, Stile identifizieren kann usw. als der typischer Garrett-Hörer bei Klassik.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • :D Wobei ich zugeben muss, dass auch für mich der Musikgenuß durch eine attraktive Geigerin, Cellistin oder ein ausschließlich weiblich besetztes Streichquartett durchaus gesteigert werden kann.


    Eben. Das betrifft vor allem Opernsängerinnen, da man ja durch Schließen der Augen und reine Konzentration auf die Musik der Gattung Oper nicht zwingend näher kommt.

  • Ich könnte jetzt auch gemein sein, und Dich zur "Drame lyrique" und dem Spektralismus befragen.

    :D


    Ach komm, außer Monteverdi, Mozart und Wagner interessiert mich die Oper eher kaum, und die Sache mit den Obertönen kenn ich tatsächlich von irgend so einer Sendung auf WDR 3, damals, als ich noch in Deutschland wohnte. Doch es stimmt, ich kenne mich da kaum mit aus.


    Aber Du musst auch zugeben, dass das schon sehr spezielle Randgebiete sind, jedenfalls verglichen mit meiner Annahme, dass ein Klassikhörer wahrscheinlich eine diatonische Skala in Dur singen kann, bzw. Melodien, die darauf beruhen, wie z.B. "Freude schöner Götterfunken".
    Wenn er dann noch hörend erkennt, dass der Anfang der Fünften von Beethoven nicht in Dur sondern faktisch in Moll steht, dann ist das doch schon ein Pluspunkt, bzw. ein Einstieg.


    War es nicht so, dass solche Grundkenntnisse "früher" tatsächlich in der Breite vorhanden waren? Wenigsten einen Durdreiklang in der Grundstellung als Arpeggio rauf und runter singen?
    Ich verlange nicht, dass man reines Moll, harmonisches und melodisches Moll sofort singend findet oder gar dorisch abwärts kann, aber wenigstens La la la la la ( C E G E C.....Do Mi So Mi Do) habe ich für jemanden, der in ein klassisches Konzert geht, noch so als Grundverständnis der musikalischen Syntax angenommen. Wenn Pur auftritt, singt die "Gemeinde" doch auch mit...


    Irgendwelche Aufhängepunkte muss man wohl haben, wenn man sich Musik anhört, sonst kann es doch irgendwie keinen Spaß machen, denke ich mir. Von Gehörlosen weiß man, dass sie die Bass-Vibrationen mögen.
    Ich jedenfalls würde mir wohl kaum eine chinesische Talkshow ansehen/anhören, bei der man dann auch noch nur alte Männer zu Gesicht bekommt....
    Von daher will ich "den Klassikhörer" lieber nicht unterschätzen...


    Jetzt weiß ich nicht, wie Du das meinst.
    Mittlerweile ist es mir jedenfalls schon egal, wer da zuhört und ob die Kirche schwach besucht oder brechend voll ist. Ich habe mir zur Regel gemacht, mich so vorzubereiten, als ob ich vor einem Plenum wichtig aussehender Orgelprofessoren spielen müsste.
    Der Spruch mit mindestens einem, der im Publikum sitzt und versteht, was Du da tust, der ist übrigens unter Kollegen sehr verbreitet..... war der tatsächlich neu? Ich kenne den schon von meinen ersten Klavierlehrern.


    Mein früherer Jazz-Pianolehrer (ich profitiere heute noch in der Begleitpraxis davon...) sagte immer, dass das Publikum dein Klavierspiel umso weniger gut findet, je besser du wirst. Er verdiente seine Kohle hauptsächlich mit Tanzmusik (musste also "besoffene Spießer" bei Hochzeiten etc. mit Sachen wie "Sieben Fässer Wein" in Stimmung bringen...) , aber eigentlich war er ein richtig toller Jazzpianist, der im Jazzclub brillierte und die verschiedenste Stile drauf hatte, auch die für mich immer wieder begeisternden Grusin-Sachen konnte er rauf und runter. Aber auch er versuchte, nie nur seinen Leisten runterzuspielen, sondern er gab sein Bestes.


    Sein großes Hobby war übrigens das Hören Alter Musik, Frühbarock, Barock, Renaissance.....


    Das alles sind stilistische Betätigungsfelder, durch die Du sicherlich nicht in die Lage versetzt wirst, Dir ein mit einer konkreten Kaufabsicht verbundenes Abo für die Zeitschrift "Boote exklusiv- die Welt der Superyachten" sinnvollerweise zuzulegen (lese ich immer gerne bei Wartezeiten in deutschen Bahnhöfen...)
    Aber wenn Du nach dem Spielen weißt, dass es im Rahmen deiner Möglichkeiten nicht so ganz schlecht war und du es ein Jahr zuvor nicht so gut gemacht hättest, dann ist das vielleicht mehr wert, als wenn Du weißt, dass Du eigentlich Mist produzierst, der sich aber glänzend verkauft.



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Zitat

    Jetzt weiß ich nicht, wie Du das meinst.


    Der Spruch war für mich neu.


    Er gefällt mir sehr, weil ich mir das gut vorstellen kann, wie einer sein Bestes gibt und anstatt Beifall das lustlose Klatschen eines inkompetenten Publikums erfährt.

  • [...]
    Aber Du musst auch zugeben, dass das schon sehr spezielle Randgebiete sind[...]


    Mein Referenzpunkt war ja die Gregorianik, bei der Du annimmst, dass da jeder Klassikliebhaber eine Ahnung davon haben sollte.
    Die einstimmige mittelalterliche Musik ist zwar musikgeschichtlich extrem wichtig, da noch in der Renaissance die Stücke oft quasi da herumgebaut sind (um einen Cantus firmus), andererseits finden sich schon Formulierungen der Art, dass die Kunstmusik mit der Mehrstimmigkeit anfängt, insofern wäre der gregorianische Choral noch außerhalb der klassischen Musik - jedenfalls auch ein Randgebiet.


    Gounods Faust ist im Repertoire der Opernhäuser, also weniger Randgebiet als die Gregorianik.
    Der Spektralismus ist eine der wichtigsten Strömungen der letzten Jahrzehnte in der Neuen Musik.


    Ich will nicht behaupten, dass man jetzt eher Gounod und Grisey kennen sollte als Gregorianik. Aber der Klassikliebhaber sucht sich einfach aus, was er mag, und kennt vieles nicht, und das gilt auch (eingeschränkt) für den Profimusiker.

  • :D Wobei ich zugeben muss, dass auch für mich der Musikgenuß durch eine attraktive Geigerin, Cellistin oder ein ausschließlich weiblich besetztes Streichquartett durchaus gesteigert werden kann.



    Stelzbock! :D

  • Ich habe mir mal den Spaß gemacht, die komplette Studie Allbus 2014 zu besorgen. Es sind ca. 3500 Leute befragt worden, da wird also schon ein ziemlich großes Rad gedreht. Entsprechend gut kann man Subgruppen aufteilen und untersuchen, z. B. "Sehr gern"-Hörer.


    Da ich die Häufigkeiten der Beliebtheit in den verschiedenen Musikkategorien schon dargestellt habe (wenn auch nur mit Hilfe der Kompaktversion der Studie, immerhin 1000 Leute, die sich aber nur unwesentlich von den Häufigkeiten in der Gesamtstudie unterscheiden), mache ich mich mal an die Untersuchung von ein paar Zusammenhängen.


    Führt man einen Mittelwertvergleich auf Alter und Geschlecht durch, bekommt man Folgendes:


    "Sehr gern"- Hörer Klassischer Musik sind im Schnitt 56 Jahre alt und haben ein Durchschnittsgeschlecht von 1,6 also eher weiblich
    "Gern"- Hörer bringen es auf knapp 51 Jahre und 1,55
    "Weder noch" sind knapp 47 Jahre und 1,43, also eher männlich
    "Ungern" sind etwas mehr als 45 Jahre alt und 1,41
    "Sehr ungern" sind mit 48 Jahren wieder etwas älter bei 1,43


    Das sieht nach einer erheblichen Korrelation zwischen Geschmack und Alter aus, tatsächlich ergibt sich aber nur ein r = - 0,15, also kein ausgeprägter Zusammenhang. Aufgrund der großen Fallzahl ist der zwar hochsignifikant, aber eben nicht relevant.


    Im Rahmen einer Regressionsrechnung (wir tun mal so, als sei Musikgeschmack metrisch skaliert) erklären Alter und Geschlecht gerade mal 4% der Varianz bei Klassikhören, das Modell fällt also auch nach den schwachen Standards der Sozialwissenschaften komplett durch, Alter und Geschlecht spielen bei der Klassikaffinität keine erkennbare (lineare) Rolle.


    Das scheint den Mittelwertvergleichen etwas zu widersprechen, was aber daran liegt, daß die Gruppe der "Sehr Gern-Hörer" nur etwa 13% der Befragten umfaßt und daran, daß "sehr ungern" wieder älter wird. Man muß also tatsächlich auf Subgruppenebene runter, um eventuell stärkere Aussagen treffen zu können.

  • Das sieht bei Schulbildung etwas anders aus:


    Bildet man eine Variable "Schulbildung" mit 1 = ohne Abschluß (aber nicht mehr Schüler), 2 = Haupt- oder Realschulabschluß, 3 = höherer Abschluß, ergeben sich die folgenden Mittelwerte:


    Sehr gern : 2,51
    Gern: 2,43
    Weder noch: 2,36
    ungern: 2,20
    sehr ungern: 2,09


    Je weniger geachtet die klassische Musik, desto geringer die Bildung, was Alfred ja schon immer vermutet hatte...

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  • Ganz interessant ist auch die Frage, inwieweit Musikunterricht den Musikgeschmack beeinflußt (resp. umgekehrt, eine klare kausale Zuordnung fällt, wie bei Henne-Ei, schwer):


    es wurde in der Studie danach gefragt, ob jemand
    - bis zum Alter von 13 Jahren
    - zwischen 14 und 20 Jahren
    - ab 21 Jahren
    Musikunterricht hatte


    Leute, die bis 13 Musikunterricht hatten, unterscheiden sich überhaupt nicht von Leuten, die in dem Alter keinen hatten (2,34 bzw. 2,35 als Mittelwert bei Hören klassischer Musik), zwischen 14 und 20 Jahren Musikunterricht zu haben ist etwas prägender (2,23 zu 2,47, Leute mit Unterricht hören klass. Musik also etwas lieber), aber bei Musikunterricht in höheren Jahren ist dies noch viel ausgeprägter (1,91 zu 2,45).


    Hat man später im Leben Musikunterricht, mag man klassische Musik (resp. umgekehrt).

  • Die Affinität zu klassischer Musik hat praktisch nichts zu tun mit der eigenen politischen Verortung auf einer 10-stufigen Links-Rechts-Skala (r = 0,1) oder dem Netto-Einkommen der Befragten (r = -0,12), etwas mehr allerdings mit der subjektiven Schichteinstufung (10-stufige Skala von 0 (Unterschicht) bis 10 (Oberschicht), r = - 0,27) - Leute, die sich höheren Schichten zugehörig fühlen, hören tendentiell lieber Klassik.

  • Zum Abschluß zeigt eine Faktorenanalyse folgende Struktur: alle 12 Musikhör-Items führen zu 3 Faktoren (Eigenwerte 3,0; 2,6; 1,4).


    Auf dem ersten Faktor laden hoch (rotierte Ladung > 0,5): Rock, Pop, Hip-Hop, stark negativ laden Volksmusik und Schlager,
    auf dem zweiten Faktor laden hoch: Volksmusik anderer Kulturen, Klassik, Oper, Musical und Jazz, keine starken negativen Ladungen,
    auf dem dritten Faktor laden hoch: Volksmusik, Schlager und Pop, auf Klassik und Oper liegen leichte negative Ladungen.


    Das strukturiert das Musikhör-Universum doch sehr schön!

  • Ich hab zwar mal vor langer Zeit Mathematik mit Spezialiserung math. Statistik studiert, aber der letzte Beitrag hat mich jetzt doch überfordert... ;(

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Lieber Reinhard,


    das tendentiell 12-dimensionale Gebilde (12 Items) Musikhör-Universum kann de facto auf 3 orthogonale Dimensionen reduziert werden, ohne viel an Erklärungskraft einzubüßen.


    Entlang der ersten Dimension (Faktor 1) hocken wie auf einem Strahl Rock, Pop und Hip-Hop, gehören also laut Musikgeschmack-Antwortgeber zum (annähernd) gleichen Musik-Material. Die dort angesiedelten Antwortgeber halten andererseits Volksmusik und Schlager für was Gegensätzliches, also eher Anti-Musik.


    Die Faktoren 2 und 3 können analog interpretiert werden, sind aber in ihrer Erklärungskraft nicht mehr ganz so stark (Eigenwerte).


    Der für uns interessante Faktor 2 heißt also: Die Leute sehen Klassik, Oper, Musical und Jazz (und auch Volksmusik anderer Kulturen) auf ähnliche Art und Weise resp. beurteilen sie ähnlich. Ausgeprägte Anti-Richtungen bestehen nicht.


    Die Faktorenanalyse kann man cum grano salis auch als "Clusteranalyse für Variablen" verstehen, heißt: die Leute sehen vier ausgeprägte Gruppen von Musik: die erste Gruppe besteht aus Rock, Pop und Hip-Hop, verortet man sich selbst als Hörer in diesem Bereich, hält man Schlager und Volksmusik für eine Anti-Gruppe.


    In der zweiten Gruppe werden Klassik, Oper etc. zusammengefaßt, in der dritten Volksmusik und Schlager.

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  • Ich versuche es nochmal anders: es gibt 12 Musikeier. Die liegen in 3 Körben.


    Leute, die Eier in den ersten Korb gepackt haben, glauben, es gäbe auf der entgegengesetzten Seite des Tisches noch einen vierten Korb mit faulen Eiern.


    Für Leute, die Eier in den zweiten Korb gepackt haben, gibt es keinen Korb auf der entgegengesetzten Seite.


    Leute mit Eiern im dritten Korb haben eine leichte Tendenz, den zweiten Korb als auf der entgegengesetzten Seite aufgestellt zu betrachten.

  • Entlang der ersten Dimension (Faktor 1) hocken wie auf einem Strahl Rock, Pop und Hip-Hop, gehören also laut Musikgeschmack-Antwortgeber zum (annähernd) gleichen Musik-Material. Die dort angesiedelten Antwortgeber halten andererseits Volksmusik und Schlager für was Gegensätzliches, also eher Anti-Musik.


    Das sehe ich auch so, obwohl ich auf dem Klassik-Strahl sitze ;)


    Und vielen Dank für die Analyse. Wirklich überraschende Korrelationen haben sich allerdings meiner Meinung nach nicht ergeben. Am interessantesten finde ich das Fehlen einer relevanten Korrelation zwischen Musikgeschmack und Alter (wenn ich das Ergebnis richtig verstanden habe).

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Danke, lieber m-mueller. Beitrag 105 war sehr hilfreich. Das habe ich jetzt verstanden.

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  • Ist damit Instrumental/Gesangs (also "Musizier") unterricht gemeint oder schulischer Musikunterricht? Ich vermute das erste. In diesem Falle vermute ich weiter, dass beim Instrumentalunterricht der >21jährigen ein gut Teil der Kausalrichtung von "mag klassische Musik" zum Instrumentalunterricht geht, nicht umgegekehrt.
    Dass der Instrumental/Musikunterricht in jungen Jahren irrelevant ist, ist bedauerlich, aber nicht allzu verwunderlich. Vermutlich zu viele von Eltern mehr oder minder sanft gezwungen, hauptsächlich aber weil man den Musikgeschmack erst in der Pubertät und dann natürlich mit starkem (und meist verheerendem) Einfluss der peer group entwickeln dürfte.


    Faktorenanalyse ist anscheinend so etwas ähnliches wie eine "Hauptachsentransformation".
    Das Ergebnis bzgl. der zweiten Gruppe passt gut zu einiger soziologischer Forschung, die ich vor Jahren mal gelesen habe, nämlich dass die Klassikhörer oft tolerante "Querbeet"-Hörer (omnivor wurden die auch genannt) sind. D.h. wer Klassik hört, hört typischerweise nicht nur Klassik und ist gegenüber vieler Musik aufgeschlossen und lehnt nur wenig vehement ab.

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  • Schon beinahe traditionell antworte ich auf spetielle Fragen , Themen oder Beitröge viel zu spät:


    Leute, die bis 13 Musikunterricht hatten, unterscheiden sich überhaupt nicht von Leuten, die in dem Alter keinen hatten (2,34 bzw. 2,35 als Mittelwert bei Hören klassischer Musik), zwischen 14 und 20 Jahren Musikunterricht zu haben ist etwas prägender (2,23 zu 2,47, Leute mit Unterricht hören klass. Musik also etwas lieber), aber bei Musikunterricht in höheren Jahren ist dies noch viel ausgeprägter (1,91 zu 2,45).


    Das ist alles sehr schön. ist Statistik, aber sie beantwortet nur demjenigen der Statistiken deuten kann die URSACHE.. die dahinter steckt, denn an sich wäre das Ergebnis unlogisch.


    Meine Analyse dazu ist, die Affinität bei Menschen, die in fortgeschrittenen Jahren Musikunterricht hattem ist daher erklärbar, weil die diesen Unterricht FREIWILLIG auf sich genommen haben, und nicht weil sie vom Elternhaus dazu gedrängt wurden.


    Im übrigen bin ich der Meinung (ich habe das vor mahr als 10 Jahren einst in einem Forum im Fidonet geschrieben und wurde dafür abgewatscht) daß es so etwas wie eine genetische Disposition gibt, ein "Klassik Gen" das man hat oder nicht. Dies wird den Prädisponierten irgendwann im Laufe seines Lebens zu Klassischen Musik hinleiten - so nicht widrige Umstände das verhindern, und zwar unabhängig davon ob der Betreffende Musikunterricht hatte oder nicht. Man kann ja auch Feinschmecker sein ohne Kochen zu können.


    mfg aus Wien
    Alfred


    EDIT: Wie ich sehe ist Johannes Röhl in der Auswertung zu ähnlichen Ergebnissen gekommen . kein Wunder: Er ist ja Mathematiker....

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ist damit Instrumental/Gesangs (also "Musizier") unterricht gemeint oder schulischer Musikunterricht?


    Die Frage lautete: In welchem Alter haben Sie privaten Musik- oder Gesangsunterricht erhalten? Bitte nennen Sie alle zutreffenden Antwortmöglichkeiten.

  • Ich bin kein Mathematiker. Meine höchste Mathematik-Qualifikation ist ein Nebenfach-Vordiplom. Das ist zwar nicht nichts, aber weit von einem Vollstudium entfernt und ich habe keine Ahnung von den Feinheiten statistischer Auswertung.

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  • Ein bißchen Interesse, ein wenig Musikunterricht in der Schule, evtl. ein Instrument und damit Noten lesen lernen, ein wenig Einflußnahme im Elternhaus, rechtzeitiges Besuchen der richtigen Oper oder des richtigen Konzertes im richtigen Moment, das Erkennen der musikalischen Vorlieben, evtl. von Lieblingsopern, Lieblingskonzerten, Lieblingssängern usw, und schon ist der Grundstock gelegt.


    Und später die passende Frau dazu für gemeinsame Erlebnisse, und es könnte weitergehen.


    Aber wehe, es kommt falsche oder neue, mehr zusagende Musik, die falsche Frau, das Ändern der Interessen allgemein, mißratenen Opernbesuche usw. und plötzlich spielen andere Dinge die Hauptrolle.


    Aber wenn der Grundstock da ist, besteht die Chance, 20 Jahre später die Ohren zu spitzen, wenn man wieder einmal Verdi hört.


    Es wird sicher kaum gelingen, jemanden zur Klassik zu bewegen, dessen erste Begegnung damit auf völlige Ablehnung stößt. Es sei denn, man trifft auch gereift im richtigen Moment die richtige Frau, hört plötzlich Musik, die einen entführt in unbekannte Himmelsregionen und wird auf einmal Mahlerfan. "Wachet auf" und "das ewig Weibliche zieht uns hinan" werden zur Sehnsuchtsmelodie.


    Aber Klassik auf Rezept gibt es nicht.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.