Herbert von Karajan - Legende und Realität

  • Zitat von Alfred

    Wir suchen hier Aufnahmen Karajans, die so herausragend sind, daß man ihnen Legendenststus zuerkennen muß.


    Seine Sibeliusaufnahmen sind nach Auffassung von Kennern hervorragend, da scheint eine enge Geistesverwandschaft zwischen Komponist und Dirigent zu bestehen.


    Klangsuchende und Klanggeniesser werden zudem bei Karajan genügend Einspielungen (Beispiel: Beethovens Fünfte) vorfinden, die für diese Geschmacksrichtung wegweisend sind oder waren.

  • Karjan-Aufnahmen mit Referenzstatus?



    Sibelius, das unterstreiche ich dick, muss allerdings auch zugeben, dass die mein Sibelius-Hören geprägt haben. Sodann:


    Schostas 10 Sinfonie. Der Veitstanz des 2. Satzes ist unglaublich.


    Hänsel und Gretel, die alte EMI Einspielung. So mono kann die gar nicht sein, daß ich der nicht Referenzstatus und des Status der Unerreichbarkeit zusprechen würde.


    Wiederum durch zeitbedingte Prägung: die Mendelssohn-Sinfonien. Als Karajan die Platten veröffentlicht hatte, waren die auf WDR3 regelmäßig zu hören. 40 Jahre später greife ich immer noch zu diesen Aufnahmen.


    Brahms, das deutsche Requiem und auch das Violinkonzert.


    Als Letztes: Holst, die Planeten.



    Das wäre so das Bündel an Karajan-Aufnahmen, die ich nicht missen möchte.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Wer in einem totalitären System arbeiten und überleben will, muss sich anpassen.

    Karajan lebte 1933 in Österreich in keinem totalitären System, als er das erste Mal in die NSDAP eintrat!



    Ein glühender Anhänger oder Verehrer des damaligen Regimes war HvK sicher nicht, warum also von seinem künstlerischem Können und Wirken abschweifen?

    Erster Halbsatz: So sicher ist das durchaus nicht, zumindest sprechen die Tatsachen wie sein NSDAP-Eintritt 1933 in Salzburg und die bei Wikipedia zitierte Briefstelle gegen die Sicherhit deiner Annahme.


    Zweiter Halbsatz bzw. Antwort auf deine Frage: Weil das wunderbar zum Titel der hiesigen Rubrik passt: "Herbert von Karajan - Legende und Realität". Der unpolitische Karajan ist die Legende, der NSDAP-Eintritt 1933 in Salzburg die Realität!


    Aber die Annahme, dass ein großer hervorragender Künstler auch ein großer hervorragender Mensch sein müsse, ist immer noch erstaunlich weit verbreitet und hat natürlich wesentlich damit zu tun, dass man bis vor ein paar Jahrzehnten zu großen Künstlern eher Ikonographien als tatsächliche Biographien verfasst wurden. In den letzten Jahrzehnten gab es freilich genug kritische Biographien zu unterschiedlichsten Künstlern, die eindrucksvoll belegen, dass ein großer Künstler eben nicht immer auch ein großer Mensch war. Und diesen Widerspruch sollte man aushalten, anstatt vor ihm die Augen zu veschließen!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wer in einem totalitären System arbeiten und überleben will, muss sich anpassen.


    Wer sich dagegen auflehnt, hat nichts Gutes zu erwarten.

    Zwischen "nicht auflehnen" und "mitlaufen" besteht ein deutlicher Unterschied. Ich erwarte von niemandem soviel Heldentum, dass er oder sie sich aktiv gegen ein diktatorisches Regime stellt oder gar in den Widerstand geht, obwohl den Menschen, die dies unter Gefährdung und oft Verlust ihres Lebens getan haben, mein höchster Respekt gilt. Aber Mitglied der NSDAP zu werden wurde von niemandem verlangt. Wer freiwillig Mitglied dieser verbrecherischen Organisation wurde, um Vorteile für seine berufliche Laufbahn daraus zu ziehen, der handelte für mich moralisch verwerflich.



    Aber die Annahme, dass ein großer hervorragender Künstler auch ein großer hervorragender Mensch sein müsse, ist immer noch erstaunlich weit verbreitet und hat natürlich wesentlich damit zu tun, dass man bis vor ein paar Jahrzehnten zu großen Künstlern eher Ikonographien als tatsächliche Biographien verfasst wurden. In den letzten Jahrzehnten gab es freilich genug kritische Biographien zu unterschiedlichsten Künstlern, die eindrucksvoll belegen, dass ein großer Künstler eben nicht immer auch ein großer Mensch war. Und diesen Widerspruch sollte man aushalten, anstatt vor ihm die Augen zu veschließen!

    Richtig! Aber genau das gelingt vielen Bewunderern eines Künstlers nicht. Umgekehrt besteht allerdings auch manchmal die Neigung, die künstlerische Leistung eines Menschen nicht akzeptieren zu wollen, weil er menschliche Defizite hatte oder politisch nicht dem eigenen Lager angehört.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Aber Mitglied der NSDAP zu werden wurde von niemandem verlangt.


    Wie naiv kann man eigentlich sein? Zu deiner Information: Der GMD-Posten in Aachen erforderte von Karajan zwingend die Parteimitgliedschaft. Nur so konnte der Intendant seinen Wunschkandidaten gegen den vom zuständigen NSDAP-Bonzen favorisierten Parteigänger durchsetzen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • Wie naiv kann man eigentlich sein? Zu deiner Information: Der GMD-Posten in Aachen erforderte von Karajan zwingend die Parteimitgliedschaft. Nur so konnte der Intendant seinen Wunschkandidaten gegen den vom zuständigen NSDAP-Bonzen favorisierten Parteigänger durchsetzen.


    :hello:


    Ich glaube, Du hast mich nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Hat jemand Karajan gezwungen, GMD in Aachen zu werden? Wäre er verhungert, wenn er diesen Job nicht bekommen hätte? Natürlich musste man Parteimitglied sein, um zum Beispiel im Kulturbetrieb Karriere machen zu können. Aber man konnte auch in Nazi-Deutschland leben und beruflich tätig sein, ohne in die Partei einzutreten. Und ich sage es noch einmal: wer um seiner beruflichen Karriere willen einer verbrecherischen Organisation beitritt, der handelt moralisch verwerflich.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zitat von Bertarido

    Wäre er verhungert, wenn er diesen Job nicht bekommen hätte? Natürlich musste man Parteimitglied sein, um zum Beispiel im Kulturbetrieb Karriere machen zu können. Aber man konnte auch in Nazi-Deutschland leben und beruflich tätig sein, ohne in die Partei einzutreten. Und ich sage es noch einmal: wer um seiner beruflichen Karriere willen einer verbrecherischen Organisation beitritt, der handelt moralisch verwerflich.


    Eine Frage dazu: was hat denn der Parteieintritt Karajans deiner Meinung nach für Auswirkungen gehabt?

  • Nach dem Krieg ist Herr von Karajan in allen Häusern der großen Welt ein- und ausgegangen, man hat ihn hofiert, geschätzt, bewundert, er war sakkrosankt. Zahlreiche Staaten verliehen ihm Auszeichnungen und überhäuften ihn mit Ehrungen. Er war Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfeunde in Wien, wurde von den Berliner Philharmonikern zum Chefdirigenten gewählt - und niemand hat seine Vergangenheit interessiert.


    Das stimmt so nicht, seine erste USA-Reise mit den Berlinern war 1956 von zahlreichen Protesten begleitet, zumindest vor dem Konzertsaal, drinnen war es allerdings ein voller Erfolg. Und eine Tour der Berliner nach Israel war erst nach dem Ableben von HvK möglich, er galt dort als "unerwünschte Person".

  • Ich stelle wieder mal fest dass es schwierig zu sein scheint, beim "Thema Karajan" ganz bei der Sache (hier: Aufnahmen, die seinen Legenden-Status rechtfertigen) zu bleiben.
    Seine NSDAP-Vergangenheit wurde bei anderen Gelegenheiten schon so oft diskutiert und scheint mir hier in diesem Thread doch eher off Topic zu sein.

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Ich stelle wieder mal fest dass es schwierig zu sein scheint, beim "Thema Karajan" ganz bei der Sache (hier: Aufnahmen, die seinen Legenden-Status rechtfertigen) zu bleiben.
    Seine NSDAP-Vergangenheit wurde bei anderen Gelegenheiten schon so oft diskutiert und scheint mir hier in diesem Thread doch eher off Topic zu sein.


    Moment mal! Der Rubrik-Titellautet "Herbert von Karajan - Legende und Realität" (nicht: "Herbert von Karajan - seine schönsten Aufnahmen") und diese Rubrik befindet sich im Ordner "MAESTRO - das TAMINO DIRIGENTENPORTRAIT".
    Zu diesem Dirigent-PORTRAIT gehört nunmal die NSDAP-Mitgliedschaft ganz zweifelsfrei dazu, ob das einigen nun passt oder nicht...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich zitiere Alfred im Eröffnungs-Posting dieses Threads:


    "Manch einer erschauert vor Ehrfurcht, wenn er nur den Namen hört, mancher hält ihn für eine überschätzte Figur der neueren Interpretationsgeschichte. Wie sieht es aber aus, wenn wir uns seine Aufnahmen ohne Vorurteil anhören?
    Teilt sich das Legendäre dem willigen Hörer mit - oder bedarf es dazu einiger Unterstützung?
    Das wird - so es überhaupt der Fall ist, von Aufnahme von Aufnahme verschieden sein. Wir suchen hier Aufnahmen Karajans, die so herausragend sind, daß man ihnen Legendenststus zuerkennen muß."


    Für mich geht es damit eindeutig um seine Aufnahmen - und zwar um die der Musik und nicht um die in die Partei... :stumm::stumm::stumm:

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Ich zitiere Alfred im Eröffnungs-Posting dieses Threads:


    "Manch einer erschauert vor Ehrfurcht, wenn er nur den Namen hört, mancher hält ihn für eine überschätzte Figur der neueren Interpretationsgeschichte. Wie sieht es aber aus, wenn wir uns seine Aufnahmen ohne Vorurteil anhören?
    Teilt sich das Legendäre dem willigen Hörer mit - oder bedarf es dazu einiger Unterstützung?
    Das wird - so es überhaupt der Fall ist, von Aufnahme von Aufnahme verschieden sein. Wir suchen hier Aufnahmen Karajans, die so herausragend sind, daß man ihnen Legendenststus zuerkennen muß."


    Für mich geht es damit eindeutig um seine Aufnahmen - und zwar um die der Musik und nicht um die in die Partei... :stumm: :stumm: :stumm:


    Das mag schon sein, den Eröffnungsbeitrag hatte ich nicht gelesen und sehe jetzt auch die zig Rubriken, die es bei TAMINO zu Karajan gibt. Ich erlaube mir aber, immer da auf etwas zu reagieren, wo es geschrieben wird. In diesem Fall war es Alfreds Bewertung Karajans als "rechtskonservativ", die mich zum Widerspruch provozierte, weil man eben gerade nicht alle Rechtskonservativen (die wirklichen Rechtskonservativen dürften Anfang der 1930er Jahre in Deutschland eher der DNVP angehört haben) mit NSDAP-Mitgliedern gleichsetzen kann. Das war eine meines Erachtens unzulässige Verharmlosung, die ich so nicht unkommentiert stehenlassen konnte und wollte. Aber wie gesagt: Die politische Ebene ist hier von Alfred ins Spiel gebracht worden, nicht von mir!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es ist schon richtig, dass es hier eine Menge HvK-Threads gibt. Der Mann hat polarisiert, viele seiner Fans mögen Kritisches ungern hören. Das hat die Diskussion in keinem der Threads leicht gemacht. Die moralischen Bewertungen halte ich für schwierig, zumal 1933 wohl niemand einen solchen Geschichtsverlauf weder erwartet, noch vorhergesehen oder gar gewollt hätte. Mit heutigen Rechten, die die Geschichte vor Augen haben, habe ich erheblich mehr Probleme als mit denen der 1930er-Jahre, die keine persönliche Gewalt ausgeübt haben, die sich sicherlich ihr Schärflein dur Opportunismus gesichert hatten, was aber heute immer noch der Fall ist. Bei den Alten musste das alles erst durch intensive historische Forschung zutage gefördert werden. Ich möchte nicht wissen, was für schäbige Händel heute im Geschacher um Posten, Stellen oder Plattenaufnahmen abgehen. Bei NGO's bekommt man zuweilen einen unangenehmen Einblick, wenn man mit ihnen zu tun hat. Es gibt wahrlich schlimmere Verstrickungen auszugraben, als die Frage von Karajans Parteimitgliedschaft (zumal ja auch keiner der Karajan-Threads ohne diese Anmerkungen auskommt).


    Ansonsten hat Stimmliebhaber mit seiner Diskussion des Begriffs "Rechtskonservativ" durchaus recht, wäre allerdings dankbar, wenn wir das Thema einstweilen ad acta legen könnten und uns tatsächlich wieder den Aufnahmen zuwenden. Bin wahrlich kein Fan, eher ein Nörgler, was HvK betrifft, aber es gibt sie eben doch, die Preziosen unter den (zu)vielen Aufnahmen des Meisters.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ansonsten hat Stimmliebhaber mit seiner Diskussion des Begriffs "Rechtskonservativ" durchaus recht, wäre allerdings dankbar, wenn wir das Thema einstweilen ad acta legen könnten und uns tatsächlich wieder den Aufnahmen zuwenden. Bin wahrlich kein Fan, eher ein Nörgler, was HvK betrifft, aber es gibt sie eben doch, die Preziosen unter den (zu)vielen Aufnahmen des Meisters.


    Lieber Thomas Pape,


    da ich zu diesem Thema (aktive NSDAP-Mitgliedschaft vs. "rechtskonservativ") alles gesagt habe, was ich sagen wollte, habe ich meinerseits kein Problem, deiner Bitte nachzukommen und das Thema Karajan und Politik ruhen zu lassen - solange zumindest, bis ich mich gemüßigt sehe, auf neuerliche Reinwaschungsversuche zu reagieren. :yes: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Eine Frage dazu: was hat denn der Parteieintritt Karajans deiner Meinung nach für Auswirkungen gehabt?


    Weil ich direkt gefragt wurde, möchte ich dann aber doch noch antworten: Mit dem Eintritt in eine Partei bekennt man sich zu ihren Zielen, zu ihrem politischen Programm. Karajan ist das erste Mal im April 1933 in Salzburg beigetreten, dann noch einmal 1935 in Aachen. Zu einem Zeitpunkt also, als die Machtergreifung der Nazis schon zwei Jahre zurück lag, hat er nochmals entschieden, dieser Organisation angehören zu wollen. Da konnte man schon einiges erkennen, wenn man denn wollte. Und mit dem Eintritt in die Partei ermöglicht man es deren Führung natürlich auch, diese Mitgliedschaft eines aufstrebenden Künstlers zu Propagandazwecken auszuschlachten. Direkt geschadet hat Karajan damit niemanden, darauf zielt wohl Deine Frage ab. Die bloße Mitgliedschaft in der NSDAP hat nach dem Krieg ja auch keine strafrechtlichen Konsequenzen gehabt. Aber ich bin dennoch der Meinung, dass man damit seine moralische Integrität verloren hat. Ich könnte mir jedenfalls morgens nicht mehr im Spiegel ins Gesicht sehen, wenn ich ein Parteibuch einer Einrichtung wie der NSDAP in der Schublade liegen hätte, schon gar nicht zu einem späteren Zeitpunkt, als deren Verbrechen offensichtlich wurden.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Karajan war mit Sicherheit kein überzeugtes Parteimitglied - es war ihm einfach EGAL. Das war auch der Grund, warum er (versehentlich) ZWEI Parteibücher hatte, er hatte einfach VERGESSEN, dass er schon eines hatte. Zur Sicherheit - um seine künftige Karriere nicht zu gefährden - beantragte er ein zweites - eine Tatsache, die immer wieder gerne dazu herangezogen wurde ihm politische Begeisterung zu unterstellen, die er einfach nicht hatte. Karajan hatte nur zwei Interessen - das waren der perfekte, elegante über alles schöne Klang UND natürlich sich selbst.


    So sehe ich das auch. Gerade Musiker sind politisch oft sehr naiv und haben einen Tunnelblick, damit sehen sie keine gesellschaftlichen Zusammenhänge. Karajan soll einmal gesagt haben, dass er unbedingt eine Festanstellung wollte und deshalb seine Unterschrift gab. Und weiter, dass er, wenn nötig, auch in den Alpenverein eingetreten wäre. Damit hat er der NSDAP seinen Stellenwert gegeben. Ich meine andere, wie z.B. Karl Böhm, haben sich damals noch als viel staatsnaher erwiesen.


    Aufnahmen mit Legendenstatus:
    Für mich ist seine Live-Einspielung der 9. Sinfonie von Gustav Mahler aus dem Jahre 1982 eine:



    Das ist nicht bloß klangschön gespielt und gebügelt, ganz im Gegenteil. Hier gibt es Emotionen pur, die Aufnahme fesselt bis zum erschütternden Finale. Ich habe die Sinfonie mehrmals, aber an Karajan reicht keine heran.


    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Zitat

    Mit dem Eintritt in eine Partei bekennt man sich zu ihren Zielen, zu ihrem politischen Programm.


    Man entschuldige, wenn ich an dieser Stelle laut auflache.
    Immer wieder sehe ich, wie manipulierbar und blauäugig die "jüngeren Generationen" - und nicht nur sie - sind.
    Ich meine mit "jünger" nicht unbedingt junge Menschen, sondern Leute die eine Generation jünger sind als ich (*1949)
    Es ist eine Unart älterer Menschen, immer wieder auf ihre Vergangenheit hinzuweisen, deshalb vermeide ich es tunlichst, aber manchmal kommt man zur Klärung eines Sachverhalts oder eines Auffassungsunterschieds nicht umhin.
    In meiner Kindheit und vielleicht noch frühen Jugend traten in Wien zahlreiche Leute der SPÖ (Sozialistische Partei Österreichs) bei. So viele überzeugte Sozialisten gab es gar nicht. Die haben ihre alten Parteibücher verbrannt und waren jetzt "überzeugte Sozialisten".
    Das Parteibprogramm und die politischen Ziele waren den meisten unbekannt. Woher aber dann der plötzliche Zulauf. ??
    Die rot gefärbte Gemeinde Wien baute "Gemeindewohnungen" am laufenden Band und verteilte sie dann vorzugsweise an --- Parteigenossen.
    Eine Gemeindewohnung kostete damals NICHTS und die Miete war urgünstig. (Heute ist ein gewisser Baukostenzuschuss zu entrichten, umsonst gibts gar nichts mehr.) Diejenigen die damals die Gemeindwohnung erhalten haben erheben Protest dagegen, daß man ihnen "ausländisches Gesindel" in die Gemeindebauten setzt, welches laut ist, viele Kinder hat, zu Gewalttätigkeiten neigt etc, und viele der "überzeugten Sozialisten" sind mit wehenden Fahnen zur rechtskonservativen FPÖ übergelaufen, eine Tendenz die immer noch anhält, wenngleich stagnierend.


    Soviel zu Parteieintritten - verbunden mit politischen Überzeugungen. Ich will hier sicher nicht Herrn von Karajan "reinwaschen" - denn das braucht er nicht. Sein Entnazifizierungsverfahren wurde nicht mal abgeschlossen - er wurde einfach als sakrosankt betrachtet - über den Dingen stehend.


    Diese Betrachtungsweise Künstlern gegenüber ist nicht neu. Als der berühmte Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini (bekannt durch sein goldenes Salzfass "Saliera" und als Titelheld einer Oper von Berlioz, den Mörder seines Bruders ermordete, strafte ihn sein Diensgeber, der Papst "mit einem grimmigen Seitenblick", meinte aber, bei Künstlern müsse man eben andere Maßstäbe anlegen. Weil das so gut funktionierte, ermordet er einige Zeit später seinen Widersacher Pompeo de´Capianeis. Der neue Papst, Paul III stellt Cellini einen Freibrief aus, der Cellini vor strafrechtlicher Verfolgung schützt.....


    Oder der Maler Caravaggio, der seine Engel nach Modellen malte, die wunderschöne Knaben waren. Allerdings waren sie Strichjungen, auch hier mahnte der damals Regierende Papst zur Toleranz......


    Was ICH auf jeden Fall vermeiden möchte, daß das Tamino Klassikforum als "ANTIFA" Forum fungiert und sich als solches der Aussenwelt präsentiert! Ich lasse "linke" Sympathiekundgebungen zwar zu - distanziere mich allerdings von ihnen, Ich möchte kein karajanfeindliches Forum sein, dem man deshalb ablehnend gegenübersteht. Ich glaube auch nicht an den "Unschuldsengel" Schostakowitsch, der die Staatspreise der kommunistischen Sowietunion nur so einheimste (sie waren gut dotiert) und sich , nachdem er sich in den Westen abgesetzt hatte - von allem distanzierte.
    Orden des Roten Banners der Arbeit (1940)
    Stalinpreis (1941, 1942, 1946, 1950, 1952)
    Leninorden (1947, 1956)
    Volkskünstler der RSFSR (1948)
    Mit ist das ebenso egal, wie die politische Ausrichtung Karajans war, denn in beiden Fällen - das ist meine Meinung - sind sie lediglich den Weg des geringsten Widerstands gegangen.
    Es entspricht übrigens nicht den Tatsachen, daß im Jahre 1933 in Österreich keine Diktatur geherrscht habe - nach heutiger Auffassung war die Regierung Dollfuß eine solche (Austrofaschismus) - und für Strategiker und Taktiker war die kommende Entwicklung vorhersehbar.


    Immer wieder fürchte ich, vom Titelthema abzukommen, stelle dann aber fest, daß wir dennoch sehr nah am Thema sind.


    Es gibt aber weitere Facetten zum Thema "Legende und Realität", wie zum Beispiel Karajans angebliche Arroganz, oder Widerspruchsresistenz, sein "Charisma" oder seine Auftritte in der Gesellschaft der Reichen und schönen, sein Verhältnis zu den Medien und seine Verhalten als "Diktator".


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich will hier sicher nuicht Herrn von Karajan "reinwaschen" - denn das braucht er nicht. Sein Entnazifizierungsverfahren wurde nicht mal abgeschlossen - er wurde einfach als sakrosankt betrachtet - über den Dingen stehend.

    Doch genau das willst du! Du dass ein Mensch "sakrosankt über den Dingen stehend" kann doch niemand ernsthaft glauben, und Karajan wurde ganz sicher nicht allgemei so betrachtet, höchstens von dir und einer Handvoll weiterer Unverbesserlicher...



    Karajan soll einmal gesagt haben, dass er unbedingt eine Festanstellung wollte und deshalb seine Unterschrift gab. Und weiter, dass er, wenn nötig, auch in den Alpenverein eingetreten wäre. Damit hat er der NSDAP seinen Stellenwert gegeben. Ich meine andere, wie z.B. Karl Böhm, haben sich damals noch als viel staatsnaher erwiesen.

    Auch schon die erste Unterschirft 1933, als es noch gar nicht um eine konkrete Festanstellung ging und es eben nicht opportun war, in Österreich in die NSDAP einzutreten?
    Und der Vergleich NSDAP - Alpenverein ist nun wirklich geschmacklos! Von ihm, diesen überhaupt bemüht zu haben, und von dir, ihn hier anzuführen!



    Lieber Thomas Pape, ich war meinerseits wirklich bereit, dieses Thema zu beenden, aber solange dann solche Beiträge folgen, sehe ich mich von meinem Gewissen genötigt darauf zu reagieren!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Mit ist das ebenso egal, wie die politische Ausrichtung Karajans, denn in beiden Fällen - das ist meine Meinung . sind sie lediglich den Weg des geringsten Widerstands gegangen.
    Es entspricht übrigesn nicht den Tatsachen, daß im Jahre 1933 in Österreich keine Diktatur geherrscht habe - nach heutiger Auffassung war die Regierung Dollfuß eine solche (Austrofaschismus) - und für Strategiker und Taktiker war die kommende Entwicklung vorhersehbar.


    Der "Austrofaschismus" von Dollfuß war am italienischen Faschismus orientiert, den deutschen Faschismus der NSDAP lehnte Dollfuß ab. Umso bemerkenswerter, dass Karajan unter diesen Bedingungen in diesem Land im Jahre 1933 Mitglied der NSDAP wurde!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat von Alfred

    ... sind sie lediglich den Weg des geringsten Widerstands gegangen.


    Genauso ist es, das lehrt uns die gelebte Realität.


    Warten und Zuschauen, daß weniger Talentierte die guten Jobs bekommen, warum denn?


    Es konnte doch keiner abschätzen, wie lange das Regime dran bleibt. Bei angekündigten 1000 Jahren zu lange, um den Moralapostel zu geben.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner

  • Genauso ist es, das lehrt uns die gelebte Realität.


    Warten und Zuschauen, daß weniger Talentierte die guten Jobs bekommen, warum denn?


    Es konnte doch keiner abschätzen, wie lange das Regime dran bleibt. Bei angekündigten 1000 Jahren zu lange, um den Moralapostel zu geben.


    Ja, genau das ist die Haltung des gewissenlosen Opportunisten, der mir widerwärtig ist wie wenig anderes. Immer schön auf seinen Vorteil bedacht sein, immer sein Fähnlein nach dem Winde richten, niemals zu seinen Prinzipien stehen, sofern man denn überhaupt welche hat. Ob die Machthaber Vernichtungskriege anzetteln oder Millionen von Menschen vergasen, ist mir doch egal, solange ich meine Pöstchen bekomme. Ekelhaft.


    Und wenn die 1000 Jahre dann vorbei sind, etwas schneller als gedacht, dann wird das Unschuldslamm gegeben, denn man war ja nur in der Partei und hat sich nicht viel dabei gedacht. Und eigentlich war man ja immer dagegen und wurde nur durch die Verhältnisse gezwungen, und überhaupt: alle anderen haben es ja auch getan. Nein, alle eben nicht. Es gab auch integere Menschen, die Nachteile in Kauf genommen haben, weil sie niemals einer Partei wie der NSDAP beigetreten wären. Die verhaftet, gefoltert, ermordet wurden, weil sie aktiv Widerstand geleistet haben. Die emigriert sind und im Ausland noch mal ganz von vorn angefangen haben, weil sie in einem Unrechtsstaat nicht leben wollten. Na ja, selber schuld, warum haben die auch den Moralapostel gegeben? Wenn ich so etwas lese, bekomme ich wirklich das - nein, ich sag's jetzt nicht.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Ich glaube auch nicht an den "Unschuldsengel" Schostakowitsch, der die Staatspreise der kommunistischen Sowietunion nur so einheimste (sie waren gut dotiert) und sich , nachdem er sich in den Westen abgesetzt hatte - von allem distanzierte.


    Kurze Korrektur: Schostakowitsch hat Zeit seines Lebens in der Sowjetunion gelebt, war Professor In Moskau und verstarb auch daselbst.


    Und zum Sakrosankten: Karajan ist nach Mailand abgetaucht und wurde von dort aus direkt zu den Wienern geworben. Ich erinnere daran: Chef der Berliner war zur Entnazifizierungszeit eigentlich Wilhelm Furtwängler. Der sich sehr wohl einem aufwändigen Entnazifizierungsverfahren zu stellen hatte und von den Beiden der eigentlich Sakrosankte hätte sein müssen. Das deutsche Verfahren wurde gegen Karajan ohne schriftliche Belege durch eine britische Empfehlung abgeschlossen. Karjan dirgierte 1945 in Wien und wurde da allerdings von der sowjetischen Besatzungsmacht mit Berufsverbot bis 1947 belegt. Zur Erinnerung: auch Österreich war in Besatzungszonen aufgeteilt. Die spätere Alpenrepublik verpflichtete sich 1955 zu dauerfafter Neutralität - was die BRD nicht tat - und war somit schon 1955 ein selbstständiger Staat. Genau in dem Jahr übernahm Karajan die Berliner, die bis dahin von Furtwängler und Celibidache geleitet wurden. So viel kurz zum Geschichtlichen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Ob die Machthaber Vernichtungskriege anzetteln oder Millionen von Menschen vergasen, ..


    Hätte sich daran etwas geändert, wenn Karajan nicht in die Partei eingetreten wäre?


    Ganz nebenbei, stand das zum Zeitpunkt des Eintritts damals schon in der Zeitung, was später passieren würde?

  • Hallo!


    Allen, die sich wirklich mit Schostakowischs Zerrissenheit auseinandersetzen möchten, empfehle ich dieses Buch:



    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • denn in beiden Fällen - das ist meine Meinung - sind sie lediglich den Weg des geringsten Widerstands gegangen.


    Also, Shostakovich ist nun sicherlich niemals "den Weg des geringsten Widerstands gegangen" - im Gegenteil.
    Und er hat sich auch zu keiner Zeit in den Westen abgesetzt, obwohl er das gekonnt hätte, denn er war mehrfach in den USA.
    Aber der Vergleich Shostakovich - Karajan hinkt sowieso gewaltig - das geht eigentlich gar nicht. Hier steht Idealist gegen Karrierist.

  • In diesem Thread läuft etwas gewaltig falsch, wie so oft in ähnlichen Threads. Der Threadgründer Alfred hat in seinem Eröffnungsbeitrag m. E. eindeutig gesagt, was er haben will:


    Zitat

    Alfred Schmidt: Wir suchen hier Aufnahmen Karajans, die so herausragend sind, daß man ihnen Legendenststus zuerkennen muß.


    Wenn ich richtig gezählt habe, haben auf der ersten Seite erst zwei Taminos diese Vorgabe in ihren ersten Beiträgen erfüllt, Don Gaiferos (Beitrag 3) und Edwin Baumgartner (Beitrag 4). Dann ging eine muntere Diskussion über Karajans politische Vergangenheit im Dritten Reich kos. Auch hier auf der zweiten Seite geht es noch weiter. Erst timmiju hat in Beitrag 46!! wieder eine Aufnahme mit Legendenstatus eingestellt. Dann geht die Diskussion munter weiter, und die wenigen Beiträge zum Thema muten wie Fremdkörper an in einem ganz anderen Thread.


    Ich würde vorschlagen, lieber Alfred, diesen Thread umzubenennen, damit sich die Diskutanten nach Lust und Laune austoben können, oder? Heißt es nicht in den Mitgliedsbedingungen/Forenregeln:
    "Themen wie Politik..."
    Ich werde jedenfalls solange keine Beiträge dem Thema entsprechend einstellen, solange diese Diskussion andauert und mich auch an ihr keineswegs beteiligen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi, Alfred ist nun gerade derjenige, der die politische Diskussion immer wieder anfeuert.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Hätte sich daran etwas geändert, wenn Karajan nicht in die Partei eingetreten wäre?


    Ganz nebenbei, stand das zum Zeitpunkt des Eintritts damals schon in der Zeitung, was später passieren würde?

    Sorry, aber noch naiver geht's ja kaum! Weil viele mitgemacht haben, konnte man selbst auch mitmachen? Andersrum wird ein Schubh draus: Je weniger mitmachen, desto weniger Schaden kann angerichtet werden!


    Und ja, für die Bewertung der Person Karajan (nicht unbedingt des Künstlers Karajan) nach 1945 hätte sich dadurch natürlich gravierend etwas verändert!



    Da gibt es dutzende Bücher, die das schwierige, ja lebensgefährliche Verhältnis zwischen Schostakowitsch und den sowjetrussischen Machthabern eindrucksvoll beleuchten!


    Der Vergleich Schostakowitsch - Karajan ist wirklich eine Frechheit!



    Also, Shostakovich ist nun sicherlich niemals "den Weg des geringsten Widerstands gegangen" - im Gegenteil.
    Und er hat sich auch zu keiner Zeit in den Westen abgesetzt, obwohl er das gekonnt hätte, denn er war mehrfach in den USA.
    Aber der Vergleich Shostakovich - Karajan hinkt sowieso gewaltig - das geht eigentlich gar nicht. Hier steht Idealist gegen Karrierist.

    Absolut, da hast du völlig Recht! Und dass sich Schostakowitsch in den Westen abgesetzt hätte, ist "Fake News" der schlimmsten Sorte!



    In diesem Thread läuft etwas gewaltig falsch, wie so oft in ähnlichen Threads. Der Threadgründer Alfred hat in seinem Eröffnungsbeitrag m. E. eindeutig gesagt, was er haben will:

    Nun hat freilich Alfred durch seine Formulierung "rechtskonservativ" für Karajan selbst diese Diskussion angestoßen!
    Wenn die NSDAP eines ganz sicher nicht war, dann konservativ! Sie war wertzerstörerisch (eigentlich alle Werte der Humanität und Aufklärung) von Anfang an!


    Die Unterscheidung ist doch ganz einfach: rechtskonservativ = Herr Kna, bekennender Nazi per Parteibuch = Herr Ka! :yes:


    Gerade der Fall Knappertsbusch ist nun wirklich der Beweis dafür, das man in dieser Zeit auch anders handeln konnte und sich bei den Nazis nicht anbiedern musste.
    Und das, obwohl auch Kna kein Heiliger war (siehe Pamphlet gegen Thomas Mann), aber er war eben auch kein Nazi!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Und dass sich Schostakowitsch in den Westen abgesetzt hätte, ist "Fake News" der schlimmsten Sorte!
    Nun hat freilich Alfred durch seine Formulierung "rechtskonservativ" für Karajan selbst diese Diskussion angestoßen!
    Wenn die NSDAP eines ganz sicher nicht war, dann konservativ! Sie war wertzerstörerisch (eigentlich alle Werte der Humanitt und Aufklärung) von Anfang an!


    Dem ist zuzustimmen. Ich bin sehr entsetzt über den Vergleich mit Schostakowitsch, der sich in den Westen abgesetzt haben soll :thumbdown: . Das hat ja nicht irgendwer geschrieben. Und mit konservativ hat die Nazipartei nun wirklich nichts zu tun. Ich finde die Mitgliedschaft Karajans dort natürlich auch nicht gut und deshalb erklärungsbedürftig. Das wars aber von mir zu diesem Thema. Ich bin im Forum, um über Musik und ihre Interpreten zu diskutieren, aber nicht über Politik in jeder Form. Willi hat dazu das Richtige geschrieben. Punkt.

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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