Der blinde Fleck - welche Häuser die zeitgenössische Oper meiden

  • Die Niedersächsischen Staatsoper Hannover wird heute eine Uraufführung bringen:


    LOT


    Oper von Giorgio Battistelli in drei Akten (2016)
    Libretto von Jenny Erpenbeck

    Uraufführung am 1. April 2017


    Die Geschichte um Lot gehört zu den merkwürdigsten und widersprüchlichsten Episoden des Alten Testaments. Ein regelrechter Handel Abrahams mit Gott ist der Ausgangspunkt: Gott will die Stadt Sodom wegen ihrer moralischen Verkommenheit vernichten, doch Abraham sorgt sich um seinen dort lebenden Neffen Lot, der ein gottesfürchtiger Mann ist. Abraham feilscht mit Gott um die Mindestzahl von Unschuldigen, die Sodom aufweisen müsse, damit die Stadt verschont bleibe. Doch die Engel Gottes finden nur den einen, Lot, dessen Familie sie retten wollen, bevor die Stadt dem Erdboden gleichgemacht wird. Denn ein einziger »Gerechter« ist der göttlichen Macht nicht genug, um das Massaker an den anderen zu verhindern. Die Rettung erweist sich für Lot allerdings als Fluch. Sein Weg führt ins Ungewisse, wohin ihm seine Frau nur zögerlich folgen mag und deshalb ebenfalls vernichtet wird. Allein gelassen von seinem Gott, flüchtet er sich mit seinen beiden Töchtern in die Berge, haust dort in der sozialen Isolation mit ihnen wie ein wildes Tier und zeugt mit ihnen Kinder.


    In der Gestalt Lots verkörpert sich der unbedingte Glaube an das göttliche Gebot von Güte und Menschlichkeit, dem er sogar seine Töchter zu opfern bereit gewesen wäre, als es galt, das Gesetz der Gastfreundschaft zu wahren. Er ist also bereit, auch über Leichen zu gehen, um seinem Ideal von Humanität gemäß zu leben. Doch Lots Weg ist kein selbstbestimmter; er gehorcht der göttlichen Macht blindlings und verliert eben dadurch seine Menschlichkeit. Seine »Gerechtigkeit« gebiert Schuld, und sein Fundamentalismus, der die drohende Vernichtung der anderen stillschweigend akzeptiert, mündet in die Barbarei. Lot ist das deformierte Opfer seiner Ideologie von einem gottgefälligen Leben. Die Hoffnung, aus der Vernichtung des »Bösen« möge eine bessere Welt erstehen, hat sich bis heute immer wieder als


    Verirrung erwiesen und nur Opfer hinterlassen. Der 1953 geborene Italiener Giorgio Battistelli ist einer der produktivsten und bedeutendsten Opernkomponisten der Gegenwart. Aus seiner Feder stammen Opern wie Prova d' orchestra nach Federico Fellini, Die Entdeckung der Langsamkeit nach Sten Nadolnys Roman, Auf den Marmorklippen nach Ernst Jünger oder Richard III. nach Shakespeare. Das Libretto zu seiner Oper Lot, in der er erstmals einen biblischen Stoff aufgreift, schrieb die vielfach preisgekrönte Schriftstellerin Jenny Erpenbeck, die 2013 für ihr literarisches Werk mit dem Joseph-Breitbach-Preis ausgezeichnet wurde, einem der höchstdotierten Literaturpreise im deutschsprachigen Raum. 2016 wird ihr der Walter-Hasenclever-Literaturpreis verliehen.



    Die Uraufführung wird live auf NDR Kultur in folgender Besetzung übertragen.



    Giorgio Battistelli wurde 1953 in Albano Laziale bei Rom geboren. Nach Kompositionskursen bei Stockhausen und Kagel in Köln sowie bei Jean Pierre Drouet und Gaston Sylvestre in Paris berief ihn Hans Werner Henze als Künstlerischen Leiter der Sommerakademie Cantiere Internazionale d’Arte in Montepulciano. 1996 bis 2002 und erneut seit 2011 leitet Battistelli zudem das Orchestra della Toscana. Von der Vlaamse Opera Antwerpen und der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf wurde er 2005 bis 2008 als composer in residence eingeladen.


    Giorgio Battistelli hat sich wie kaum ein anderer Komponist der Nachkriegszeit dem Musiktheater gewidmet, genauer: der musikalischen Theatralik. Sowohl seine inzwischen knapp 20 szenischen Werke als auch die Orchesterkompositionen und Kammermusiken sind auf verschiedene Weise von theatralen Dimensionen bestimmt. So spielt auch in den Orchesterwerken dramaturgisches Denken eine Rolle, die rein instrumentalen Kompositionen sind häufig inspiriert von Literatur, Film oder Bildender Kunst. Zu den bekanntesten Werken Battistellis zählen »Experimentum Mundi« (Rom 1981), »Teorema« (München 1992), »Prova d’orchestra« (Strasbourg 1995), »Die Entdeckung der Langsamkeit« (Bremen 1997), »Auf den Marmorklippen« nach Ernst Jünger (Mannheim 2002) und zuletzt »Richard III« (Strasbourg 2009). Als Auftragswerk der Staatsoper Hannover komponierte Giorgio Battistelli 2011 »H 375« für großes Orchester. 2016 wird hier seine Oper »Lot« auf ein Libretto von Jenny Erpenbeck zur Uraufführung kommen.



    Ich werde nicht in der Premiere sein sondern eine spätere Aufführung besuchen!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Eine informative Rezension über die Uraufführung von Giorgio Battistellis "LOT" steht in der FAZ:


    Uraufführung der Oper „Lot“
    Vom Wahnsinn weltweiter Flucht


    Ein beklemmendes Traumspiel und verstörendes Experiment:
    Giorgio Battistellis aktuelle Musiktheater-Parabel „Lot“
    wurde in Hannover exzellent uraufgeführt.
    FAZ; 04.04.2017,
    von Jürgen Kesting


    http://www.faz.net/aktuell/feu…in-hannover-14955656.html


    Sie kann kostenlos gelesen werden!


    Caruso41

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