Tamino Opernkanon

  • Lieber Bertarido!


    ich kann es ziemlich kurz machen, da ich im wesenlichen mit Stimmenliebhaber übereinstimme.


    Opéra comique


    Ich würde dafür plädieren, nur drei Beispiele in den Kanon aufzunehmen und zwar weil ich die Qualität eigentlich aller anderen Werke eher bescheiden finde.


    • Auber - "Fra Diavolo"


    • Thomas - "Mignon"


    • Adam - "Le postillon de Lonjumeau"


    Sie sind gut gearbeitet und haben wirklich inspirierte Arien und Ensembles.


    "La dame blanche" ist ein zäher Langweiler, den auch ein guter Tenor nicht retten kann. Wegen einer Arie sollte man das Werk nun wirklich nicht in den Kanon aufnehmen.


    "Hamlet" ist ein sehr interessantes Werk mit fabelhaften Soloszenen des Hamlet (Aufnahmen von Titta Ruffo!!!), einer großartigen Wahnsinnssznene der Ophelia, einer interessant charakterisierten Mezzo-Partie (Gertrude) und sehr großen Ensembles.
    Aber dass man sie in den Kanon aufnehmen sollte, bezweifle ich. Wenn, dann wäre es natürlich eher eine Grand Opera!


    Grand opéra


    Da bin ich voll einverstanden mit den Vorschlägen:

    • Auber - "La muette de Portici"


    • Meyerbeer - "Les Huguenots"


    • Meyerbeer - "Le Prophète"


    • Meyerbeer - "L’Africaine"/"Vasco da Gama"


    • Halévy - "La Juive"


    Berlioz


    Da sollte wirklich nur eine Oper berücksichtigt werden und zwar die meiner Meinung nach wirklich bedeutendste!


    • Berlioz - "Les Troyens"


    Von den anderen Opern käme ja nur der "Benvenuto Cellini" in frage, und meiner Meinung nach ist das ein Werk mit einigen genialen Passagen und fürchterlichen Längen.


    Die "Damnation de Faust" ist einfach keine Oper, auch wenn sie heute viele Regisseure auf die Bühne bringen.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • "La dame blanche" ist ein zäher Langweiler, den auch ein guter Tenor nicht retten kann. Wegen einer Arie sollte man das Werk nun wirklich nicht in den Kanon aufnehmen.


    Das kann ich derzeit weder bestätigen noch widerlegen, da ich bisher nur die Ouvertüre kenne (ja, natürlich macht auch die keine ganze Oper).


    Knusperhexe nominierte diese Oper jedenfalls. Vielleicht will er ja kurz dazu etwas sagen?


    Wie gesagt: Ansonsten fliegt Boieldieu komplett raus, während Auber zweifach vertreten ist (wenn es auch gut begründet wurde). Gibt es eine andere Oper von Boieldieu, die ihr für besser erachtet? Er schrieb ja über vierzig.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Bertarido, wo willst Du denn "Les contes d’Hoffmann" unterbringen?


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Joseph II,


    Was soll ich sagen? Ich komme mit der Auswahl für den Kanon, wie Sie hier getätigt wird, nicht sonderlich gut klar. Mir fiel es schon schwer meine Auswahl zu treffen, aber jetzt da noch mal zu sieben, das ist für mich unmöglich. Die von mir ausgewählten Stücke bieten eine gute Zeitreise durch die Operngeschichte. Ausgenommen Barock, da kenne ich mich nicht so gut aus. Von der weißen Dame jedenfalls mit ihren schönen Arien, den volkstümlichen Melodien und großartigen Ensemble Szenen führt der Weg direkt weiter zu Meyerbeer. Der Einsatz von Harfe und Holzbläsern führt direkt zur Lucia. Wie man dieses Werk langweilig finden kann, das erschließt sich mir nicht. Aber selbst wenn, so ist die musikgeschichtliche Bedeutung nicht von der Hand zu weisen. Umso mehr, wo wir bereits mehrfach gesagt haben, dass persönliches Gefallen oder Nichtgefallen eines Werkes sowie die Aufführungsziffer oder die Einspielziffer nicht ins Gewicht fallen sollten.





  • Lieber Bertarido, wo willst Du denn "Les contes d’Hoffmann" unterbringen?


    Keine Angst, es kommen noch französische Opern, auch Offenbach. :) Ich habe nur irgendwo einen Schnitt machen wollen. Man könnte natürlich auch die nationalen Traditionen von Anfang bis Ende durchgehen, aber ich finde es sinnvoller, vorher erst wieder zeitlich benachbarte Werke aus anderen Ländern zu besprechen. Wir sind ja im wesentlichen immer noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, auch wenn Joseph II. zu Recht darauf hingewiesen hat, dass hier schon einige spätere Werke auftauchen.


    Grand opéra


    Da bin ich voll einverstanden mit den Vorschlägen:


    Müssen es wirklich drei Werke von Meyerbeer sein? Ich hätte ja zwei für ausreichend erachtet.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Genauso ist es gemeint. Die Gattungsbezeichnung Opéra comique lässt sich nur historisch verstehen, von ihren Ursprüngen in den volksnahen Vaudevilles und der Etablierung als Oper der Bürger, denen nur das "Komische" blieb, weil die ernste Tragédie lyrique die Oper des Adels war. Die Stoffe haben sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, waren aber nie auf das Komische beschränkt. Formal ist die Opéra comique dadurch gekennzeichnet, dass sie gesprochende Dialoge hat und in Paris im gleichnamigen Opernhaus aufgeführt wurde.


    Die bekannteste Opéra comique ist eine handfeste Tragödie: Carmen!

    Danke, jetzt habe ich etwas gelernt!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Müssen es wirklich drei Werke von Meyerbeer sein?


    Das würde dem Gewicht, das Meyerbeer in der und für die Musikgeschichte hatte, durchaus gerecht werden.
    Außerdem würde es auch dem wachsenden Interesse, das heute wieder Meyerbeer entgegen gebracht wird, berücksichtigen! Ich nehme mal an, dass Wagner mit mehr als sechs Werken im Kanon vertreten sein wird. Da ist es nur angemessen, dass von Meyerbeer drei aufgenommen werden.
    Wir vergessen ja oft, dass Meyerbeer bis in die 30er Jahre hinein ein zentraler Komponist auf den Spielplänen war. Dann ist er aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr gespielt worden. Aber inzwischen ist ja doch eine erfreuliche Wiederaneignung der Werke durch viele unserer Opernhäuser festzustellen.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Von der weißen Dame jedenfalls mit ihren schönen Arien, den volkstümlichen Melodien und großartigen Ensemble Szenen führt der Weg direkt weiter zu Meyerbeer. Der Einsatz von Harfe und Holzbläsern führt direkt zur Lucia. Wie man dieses Werk langweilig finden kann, das erschließt sich mir nicht. Aber selbst wenn, so ist die musikgeschichtliche Bedeutung nicht von der Hand zu weisen. Umso mehr, wo wir bereits mehrfach gesagt haben, dass persönliches Gefallen oder Nichtgefallen eines Werkes sowie die Aufführungsziffer oder die Einspielziffer nicht ins Gewicht fallen sollten.


    Stimmt, aus musikhistorischer Sicht darf diese Oper eigentlich nicht im Kanon fehlen, persönlicher Geschmack hin oder her.


    Ich zitiere Wikipedia ja eher ungern, aber der Einfachkeit halber mal aus dem Artikel zu "La dame blanche": "Standardwerk des Opernrepertoires im 19. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland".


    Der Musik wird dort "eine außerordentliche Farbe und Geschmeidigkeit" bescheinigt, die "von einfacher Spontaneität und Raffiniertheit" sprühe. "Der Stil der Oper beeinflusste die Opern Lucia di Lammermoor, I puritani und La jolie fille de Perth. La dame blanche war einer der ersten Versuche, die Fantasie in die Oper zu bringen. Sie war auch Vorbild für Werke wie Giacomo Meyerbeers Robert le diable und Charles Gounods Oper Faust." Es ist von einem "großen Erfolg" bei der Uraufführung die Rede.


    Unter diesen Gesichtspunkten wäre ich, wie Du, dagegen, sie aus dem Kanon zu werfen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Im gesamten Tamino Klassikforum kennen anscheinend ganze zwei Personen "La dame blanche". Andere haben mal die Tenorarie oder die Ouvertüre gehört oder beides. Mehr nicht! Nur einer dieser zwei hat das Werk vorgeschlagen.
    Ist das nicht schon ein Argument, das Werk nicht in den Kanon aufzunehmen?
    Ich jedenfalls finde es merkwürdig, Werke zu nehmen, die niemand kennt.
    Aber wir können ja einen Anhang machen mit Ratschlägen, was eine Entdeckung lohnen würde. Da können dann Werke genannt und detaillierter vorgestellt werden, die der eine oder andere Opernafficiado nicht im Kanon unterbrigen konnte. Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel mein Vorschlag, Kokkonens Viimeiset kiusaukset (Die letzten Versuchungen) in den Kanon aufzunehmen, keine Unterstützung findet. Für die Oper würde ich dann gerne in einer solchen Liste werben.


    Caruso41

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  • Und wieder einmal verstehe ich deine Argumentation nicht, Caruso. Dann beschäftige dich doch mal mit diesem Stück eingehend. Und mit all denen, die du nicht kennst. Ich habe auch noch nie einen Meyerbeer auf der Bühne gesehen. Und werde mir das auch nicht antun, wenn ich Fotos dieser bescheuerten Inszenierungen sehe. Dennoch kann ich anhand der Einspielungen mir sehr wohl ein Urteil bilden. Und anhand der Fotos auch Eindrücke von der Aufführungspraxis. Ich bin mal gespannt, was ihr zur Königin von Saba sagt. Da bin ich wohl auch der einzige, der diese Oper genannt hat. Und gehörtest Du nicht auch zu Fraktion, die Königskinder nicht dabei haben wollte? Zumindest hier haben sich ja mehrere gefunden, so dass dieses Werk wohl im Kanon problemlos sein dürfte.


    Ein Stück nur rauszuwerfen, weil es viele nicht kennen, das ist die völlig falsche Herangehensweise. Gerade dieser Opernkanon sollte doch Allgemeingültigkeit haben und in anderen noch Neugierde wecken können.. im besten Fall hoffe ich, dass mal einige Intendanten hier vorbeischauen und sehen, welche Werke sie schon viel zu lange vernachlässigen. Die Spielpläne der neuen Saison sind bislang dermaßen einfallslos, billig und dürftig. Unser Kanon sollte inspirieren und dem entgegenhalten.


    Wenn aber andere Maßstäbe angesetzt werden sollen, dann ziehe ich meinen Kanon zurück und erstelle eine neue Liste. Auf der ist dann garantiert kein Parsifal zu sehen. IGITT!

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  • Es gelten weiterhin die im ersten Beitrag genannten Kriterien. Gefallen oder Nichtgefallen sind also keine Argumente für oder gegen die Aufnahme eines Werks in den Kanon. Auch die Anzahl der Taminos oder Opernfreunde im allgemeinen, die ein bestimmtes Werk kennen, sollte m.E. kein Kriterium sein. Wenn also die "Dame blanche" zur Diskussion steht, dann kommt es auf die Qualität des Werks an, zu der es ganz offensichtlich unterschiedliche Auffassungen gibt, und auf die Frage, wie einflussreich das Werk gewesen ist.


    Wir sollten allerdings auch die Gesamtzahl der Werke aus diesem einen historischen Abschnitt der Opéra comique im Blick haben. Die Zahl sollte auch irgenwie der Bedeutung des Genres entsprechen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Die Spielpläne der neuen Saison sind bislang dermaßen einfallslos, billig und dürftig.


    Ich bin wirklich gespannt, was an den drei Wiener Opernhäuser 2017/18 geboten wird. Nächste Woche wird die Staatsoper den Anfang machen und die neue Saison vorstellen.


    Zumindest das Konzertprogramm steht ja bereits. Hier trifft diese Feststellung leider mal wieder über weite Teile zu. Sehr wenige ausgefallene Sachen, immerhin einmal Rott und Langgaard. Aber dies führt an dieser Stelle natürlich zu weit.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich war, wie gesagt, von der "Weißen Dame" eher positiv überrascht und fand es nicht langweilig (was aber auch an der modernen sehr unterhaltsamen, wenn auch etwas albernen Inszenierung in deutscher Sprache gelegen haben könnte). Ich glaube schon, dass mehr als zwei Leute das Stück kennen und dass es kein völlig abwegiger Kandidat ist. Aber ich kenne einfach zu wenig anderes aus der Zeit und praktisch nichts von den offensichtlichen Alternativen Auber oder Adam o.ä. (in diesen Fällen nämlich wirklich nur die bekanntesten Arien), um das Stück, oder auch den Komponisten einordnen zu können (daher habe ich aus der franz. komischen Oper dieser Zeit gar nichts nominiert).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Und wieder einmal verstehe ich deine Argumentation nicht, Caruso. Dann beschäftige dich doch mal mit diesem Stück eingehend. Und mit all denen, die du nicht kennst.


    Sonderbare Forderung!! Sehr sonderbar, lieber Knuperhexe!!!


    Ich habe das Werk dreimal in drei verschiedenen Produktionen auf der Bühne erlebt und besitze drei Aufnahmen darunter immerhin die von Minkowski, dem ich zugute halte, dass er das Werk besser erscheinen läßt, als es meiner Meinung nach ist!
    Ich muss mich wirklich nicht von dir ermuntern lassen, mich mit Opern eingehend zu beschäftigen. Das habe ich genug getan. Und über die, mit denen ich mich nicht beschäftigt habe, rede ich auch nicht!


    Ein Stück nur rauszuwerfen, weil es viele nicht kennen, das ist die völlig falsche Herangehensweise. Gerade dieser Opernkanon sollte doch Allgemeingültigkeit haben und in anderen noch Neugierde wecken können..


    Da hast Du mein Argument falsch gelesen oder verstanden.
    Wir, also das Tamino-Klassikforum, versteht sich gewissermaßen als eine Jury, die einen Kanon, also einen Korpus derjenigen Werke zusammenstellen will, denen ein herausgehobener Wert bzw. eine wesentliche, normsetzende und zeitüberdauernde Stellung zugeschrieben wird - von uns.
    Wenn aber bisher nur Du und ich, also zwei Mitglieder dieser Jury, deutlich gemacht haben, dass sie überhaupt das Werk, um das es geht, kennen, dann finde ich das - wie ich geschrieben habe - "merkwürdig".
    Inzwischen hat auch Johannes Röhl geschrieben, dass es das Werk kennt. Ihm hat es gefallen! Schön! Dann votieren vielleicht jetzt zwei für eine Aufnahme in den Kanon. Mir soll es recht sein. Aber auf der Liste hatte Johannes das Werk nicht stehen!


    Diese ganze kleine Kontroverse wirft allerdings die Frage auf, ob die beteiligten Taminos - sehr viel haben sich ja leider nicht beteiligt - eine genügend breite Repertoirekenntnis haben, um an dem Projekt mitzuarbeiten. Wenn ihr Urteil nur auf Opernführerlektüre, Wikipedia-Recherche oder Hörensagen gründet, dann ist eigentlich der Sinn des Projektes fragwürdig!


    Also zurück zur "Dame blanche".
    Ich will mich nicht quer stellen. Es gibt ja wirklich nicht viele Werke der Opera Comique, die besser wären. Wir haben immerhin drei identifiziert. Wenn wir übereinkommen, dass es vier sein müssen, dann solte es meinetwegen die weiße Dame sein. Vielleicht passt ja eine Oper, die davon handelt, dass die Adelsgesellschaft in ihr altes Recht wieder eingesetzt wird, mit ihrer so unverholenen restaurativen Botschaft ganz gut in unsere Zeit?


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Ich habe es wirklich gut. Zwischen Rameau und "Pelléas" gibt es nicht eine französische Oper, die mir gefällt. Das gilt sogar für Carmen. Trotzdem müssen sie natürlich hier in den Kanon hinein. Das wird mir nämlich die Aufnahme einer bestimmten heiteren Oper des 20. Jahrhunderts leichter machen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Tja, da habe ich es leichter: Ich mag weder Rameau noch den Pelléas! Dafür liebe ich den Werther heiss, auch die Manon, den Hoffmann, die Carmen! Zum Glück hat es in diesen Werken kaum nennenswerte Chöre, die den dramatischen Fluss nur aufhalten. :untertauch:

  • Ich freue mich, dass sich bei diesem Abschnitt wieder mehr Taminos beteiligt haben und auch leidenschaftlich für „ihre“ Werke eingetreten sind. Ich selbst kann hier leider wenig beitragen, weil ich die zur Diskussion stehenden Opern nur oberflächlich oder gar nicht kenne. Und ich stimmte Caruso zu, dass man eine Beurteilung nicht auf bloßes Buchwissen stützen sollte. Letzteres hätte mich dazu gebracht, von den komischen Opern eher den „Postillon de Lonjumeau“ auszusortieren als die „Dame blanche“. Aber die Adam-Oper war hier unumstritten und hatte auch mehr Nennungen. Ich bin allerdings immer noch nicht restlos überzeugt, dass wir wirklich alle vier Werke brauchen und erlaube mir daher, die „Dame blanche“ mit einem Fragezeichen zu versehen, zumal sie auch nur einmal vorgeschlagen wurde und ihre Qualität strittig ist. Bei der Grand opéra würde ich mich dann das Urteil der Kenner verlassen und alle fünf Werke in den Kanon aufnehmen, allerdings die nur einmal nominierte „L’Africaine“ auch mit Fragezeichen. Wir werden am Ende wahrscheinlich deutlich über 100 Werke haben und dann noch einmal in einer vergleichenden Bewertung aussortieren müssen (wenn ich mich täusche, dann umso besser).


    Somit hätten wir folgendes Ergebnis:


    Boieldieu - La dame blanche - 1 (?)
    Auber - Fra Diavolo - 4
    Adam - Le postillon de Longjumeau - 3
    Thomas - Mignon - 2


    Auber - La muette de Portici - 4
    Meyerbeer - Les Huguenots - 12
    Meyerbeer - Le Prophète - 5
    Meyerbeer - L’Africaine (Vasco de Gama) - 1 (?)
    Halévy - La Juive - 5


    Berlioz - Les Troyens - 12



    Eine persönliche Randbemerkung: Für mich bringen die Diskussionen um den Kanon viele Anregungen für künftige Hörprojekte. So habe ich mir fest vorgenommen, in der nächsten Zeit noch einmal einen Versuch mit der Grand opéra zu unternehmen. Erfreulicherweise gibt es hier inzwischen auch etliche Aufzeichnungen auf Bluray oder DVD, was mir den Zugang erleichtert. Ganz anders sieht es bei den hier diskutierten Werken der Opéra comique aus, die überhaupt nicht auf DVD zu finden sind (abgesehen von der legendären Laurel & Hardy-Verfilmung von Fra Diavolo, die aber wohl nicht als werkgerecht gelten kann ;) ). Immerhin gibt es einiges von Grétry, so dass ich auch hier den Versuch einer Annäherung wagen werde.


    P.S. Wer es noch nicht kennt:


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Immerhin gibt es einiges von Grétry, so dass ich auch hier den Versuch einer Annäherung wagen werde.


    Dessen komplettes Fehlen in unserem Kanon erscheint mir mittlerweile als ein Fehler. Ich habe ihn in meiner Auflistung schlichtweg vergessen. Als Meister der Opéra comique in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts kann man ihn mit seinen über siebzig Opern eigentlich nicht unterschlagen. Die Schwierigkeit ist eher, welches seiner Werke man überhaupt nominieren sollte. "Richard Cœur de Lion" scheint am bekanntesten zu sein und wurde auch am häufigsten aufgenommen, auch wenn mir "Le Magnifique" besonders zusagte. Nachträglich eine Grétry-Oper einzufügen, verstieße wohl gegen die Spielregeln. Dieser Fall zeigt trotzdem auch gut die Schwächen eines solchen Vorhabens.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dieser Fall zeigt trotzdem auch gut die Schwächen eines solchen Vorhabens.


    Da hast Du Recht, auch die zusammengenommene Repertoire-Kenntnis von 15 Taminos hat offenbar Lücken. Wobei wir meiner Meinung nach auch nicht sklavisch an den Regeln kleben müssen. Wenn wir alle der Meinung sind, dass eine Oper von Grétry unbedingt in den Kanon gehört - und ich denke, das ist so -, dann sollten wir nachträglich noch eine nominieren.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Diese ganze kleine Kontroverse wirft allerdings die Frage auf, ob die beteiligten Taminos - sehr viel haben sich ja leider nicht beteiligt - eine genügend breite Repertoirekenntnis haben, um an dem Projekt mitzuarbeiten. Wenn ihr Urteil nur auf Opernführerlektüre, Wikipedia-Recherche oder Hörensagen gründet, dann ist eigentlich der Sinn des Projektes fragwürdig!


    Was uns da ein Kenner der Materie ins Stammbuch geschrieben hat, sollte uns alle nochmal ganz tief in sich gehen lassen. :) Dieser Opernkanon wird wohl das bleiben, was er ist: ein Laienprojekt, das zunächst den Beteiligten hoffentlich viel Freude macht. Mir hat das Mitmachen Freude bereitet. Die genügend breite Kenntnis aber habe ich nicht. Insofern muss es mir egal sein, ob da nun noch ein Komponist mehr oder weniger aufgenommen wird. Für Grétry könnte ich lediglich dem Gefühl nach sein, nicht aber einer musikwissenschaftlichen Erkenntis nach.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Dieser Opernkanon wird wohl das bleiben, was er ist: ein Laienprojekt, das zunächst den Beteiligten hoffentlich viel Freude macht.


    Mehr als ein Laienprojekt zu sein war aber auch gar nicht der Anspruch, lieber Rheingold. Trotzdem sind wir, denke ich, auf einem guten Wege.


    Mir hat das Mitmachen Freude bereitet.


    Das freut mich, und ich hoffe, dass es auch weiter Spaß macht. Noch ist die Arbeit nicht getan. :hello:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Da hast Du Recht, auch die zusammengenommene Repertoire-Kenntnis von 15 Taminos hat offenbar Lücken. Wobei wir meiner Meinung nach auch nicht sklavisch an den Regeln kleben müssen. Wenn wir alle der Meinung sind, dass eine Oper von Grétry unbedingt in den Kanon gehört - und ich denke, das ist so -, dann sollten wir nachträglich noch eine nominieren.


    Das freut mich sehr zu lesen. Flexibilität und ggf. nachträgliche Nachbesserung kann ja im Endeffekt nicht schaden. Am Ende zählt das Ergebnis und keiner fragt mehr groß, wie es zustande kam.


    Das wirft allerdings wirklich die Frage aus, welche Oper von Grétry wird nominieren sollen. Ich schaute mich gerade noch ein wenig durchs Angebot der Werbepartner. Man findet dort neben "Richard Cœur de Lion" "Zémire et Azor", "La Caravane du Caire", "L'Amant jaloux", "L'épreuve villageoise", "Le Magnifique", "Céphale et Procris", "Denys le tyran" und den erst kürzlich wiederentdeckten "Guillaume Tell". "Andromaque" ist als Tragédie lyrique ein Sonderfall.


    Ich würde vorschlagen: "Le Magnifique" (stellvertretend für die Opéra comique von A.-E.-M. Grétry)


    Die neue Einspielung von Ryan Brown (Naxos) ist ganz hervorragend gelungen. Zudem hat diese Oper vermutlich die bekannteste Ouvertüre, die zudem eine der ersten programmatischen in der Musikgeschichte war (ich kenne mittlerweile insgesamt in etwa zehn Ouvertüren von Grétry).

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    – Luís de Camões

  • Das wirft allerdings wirklich die Frage aus, welche Oper von Grétry wird nominieren sollen. Ich schaute mich gerade noch ein wenig durchs Angebot der Werbepartner. Man findet dort neben "Richard Cœur de Lion" "Zémire et Azor", "La Caravane du Caire", "L'Amant jaloux", "L'épreuve villageoise", "Le Magnifique", "Céphale et Procris", "Denys le tyran" und den erst kürzlich wiederentdeckten "Guillaume Tell". "Andromaque" ist als Tragédie lyrique ein Sonderfall.


    Ich würde vorschlagen: "Le Magnifique" (stellvertretend für die Opéra comique von A.-E.-M. Grétry)


    In meinen Führern und Nachschlagewerken wird "Richard Cœur de Lion" als eine seiner erfolgreichsten und besten Opern hervorgehoben, aber das ist auch wieder nur Buchwissen. Selbst gehört und gesehen (auf DVD) habe ich inzwischen nur eine Aufführung von "Pierre le Grand". Diese Oper hat eine sehr schöne Ouvertüre und einige Nummern, deren Esprit an Mozart erinnert. Aber so gut, dass sie stellvertretend für Grétrys Opernschaffen stehen könnte, ist sie (wahrscheinlich) auch wieder nicht.


    Vielleicht kann Caruso noch einen Rat geben, welches Werk von Grétry am besten als Stellvertreter geeignet wäre.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich habe mir gerade ins Auto "L´enfant et les sortilèges" von Ravel (Text:Colette) gelegt, und zwar zwei in deutscher Sprache von Hiroshi Wakasugi (WDR-Aufnahme mit einer hinreißenden Helen Donath) und eine Referenzaufnahme von Herbert Kegel.
    Diese Oper ist ein kleines Kleinod und ich möchte es nominieren.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich habe mir gerade ins Auto "L´enfant et les sortilèges" von Ravel (Text:Colette) gelegt, [...]
    Diese Oper ist ein kleines Kleinod und ich möchte es nominieren.


    Lieber dottore, die Zeit der Nominierungen ist eigentlich schon lange abgeschlossen. Aber das Werk war ohnehin bereits in der Liste Deiner Vorschläge enthalten ;), und es wird dann zu gegebener Zeit natürlich auch besprochen werden. Aber so weit sind wir noch nicht.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Immerhin gibt es einiges von Grétry, so dass ich auch hier den Versuch einer Annäherung wagen werde.


    P.S. Wer es noch nicht kennt:

    Und wo kann man heute eine Oper von Gretry auf der Bühne erleben? Spielt das keine Rolle für den Kanon?? Also ich würde ihn nicht brauchen.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Vielleicht kann Caruso noch einen Rat geben, welches Werk von Grétry am besten als Stellvertreter geeignet wäre.


    Gerne! Morgen nachmittag!



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    von meinem iPhone gesendet.

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  • Damit kann ich gut leben. Bin froh, dass die Afrikanerin dabei ist. Eines meiner Lieblingswerke!

  • Und wo kann man heute eine Oper von Gretry auf der Bühne erleben?


    Gar nicht mal so selten, lieber La Roche. Laut Operabase in den letzten Jahren:



    13 Mär 2014 19 Jun 2014 10 Staatsoper Hannover Die Schöne und das Tier Premiere
    16 Okt 2014 14 Jan 2015 8 Staatsoper Hannover Die Schöne und das Biest
    22 Apr 2014 27 Apr 2014 7 Opéra Royal de Wallonie, Liège Zémire et Azor
    17 Mär 2017 26 Mär 2017 7 Skylight Music Theatre, Milwaukee Zémire et Azor
    13 Mai 2016 1 Opéra de Reims Raoul Barbe-Bleue
    3 Dez 2015 8 Dez 2015 4 Pinchgut Opera, Sydney L'Amant jaloux
    27 Mai 2015 28 Mai 2015 2 Opera Lafayette, Washington L'Epreuve villageoise


    Sicher kein viel gespielter Komponist, aber es gibt andere hier vertretene Komponisten, die noch seltener auf den Bühnen zu sehen sind. Und Kriterium war dies ohnehin bislang nicht.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Vielleicht kann Caruso noch einen Rat geben, welches Werk von Grétry am besten als Stellvertreter geeignet wäre.


    Lieber Bertarido!


    Wenn man denn Grétry in den Kanon aufnehme wollte, kämen meiner Meinung nach dafür vor allem "Richard Cœur de Lion" oder "Zémire et Azor" in Frage. Ich kenne beider Werke einigermaßen gut. "Richard Cœur de Lion" habe ich nur einmal live gehört (Orginellerweise in Nottingham!), "Zémire et Azor" habe ich immerhin dreimal live gehört (Unter anderem in der hinweißenden Einstudierung von John Dew in Bielefeld). Ausserdem habe ich von beiden verschiedene Aufnahmen - und die habe ich auch mehrfach gehört.


    "Richard Cœur de Lion" gilt allgemein als das bedeutendste Werk Grétrys. Vermutlich wegen des heroischen Stoffes und der musikalischen Dramaturgie, die einige starke romantische Vorahnungen enthält. Auch sieht man in dem Werk oft einen Wegbereiter für die Grand Opera, da es spektakuläre Theatereffekte gibt ( Gefechtsszene; Einsturz der Burg). Schließlich enthält die Oper ein der schönsten Melodien Grétrys (Arie der Laurette " Je Crains de lui"), die später häufig zitiert wurde (ganz prominent ist das Zitat bei Tschaikowski in "Pikowaja dama"). Ansonsten enthält das Werk eigentlich kaum großen Arien oder Ensembles. Es gibt vielmehr kleine Lieder, Romanzen und Canzonen, Rondeaus und Tänze. Die Zeitgenossen empfanden diese musikalischen Nummern als leicht und unterhaltsam. Sie zeichnet aber mit einfachen Mittel die Charaktere und die Situationen der Handlung oft wirklich trefflich. Köstlich ist an verschiedenen Stellen, wie der heroische Ton der Helden immer wieder unterlaufen wird. Man hat oft den Eindruck, Grétry habe für die Personen niederen Standes eine besondere Sympathie gehegt.


    Ich habe folgende Aufnahme die allerdings in mehrfacher Hinsicht nicht befriedigend ist:



    "Zémire et Azor" ist ein Werk, das mir eigentlich sympathischer ist.
    Die Geschichte von der Schönen und dem Biest wird hier so wunderbar zwischen Rationalität und Gefühlsüberschwang erzählt, voll Empfindsamkeit und echter Rührung, aber auch mit Charme und ironischen Tönen. Diese Oper nimmt mit ihrer Geschichte und ihrem Zauber gefangen, weil das Thema der Erlösungssehnsucht, das ja im weiteren Verlauf der Operngeschichte so eine unerhörte Bedeutung bekommen sollte, in einer Märchenwelt behandelt wird, in der die Rationalität der Aufklärung und die Irrationalität der Romantik zugleich zu ihrem Recht kommen. Aber auch musikalisch ist die Oper spannend, da Grétry hier nicht einfache Liedformen aneinander reiht sondern vielfältige Musiknummern - vor allem auch Ensembles - mit abwechslungsreicher, höchst origineller, teilweise nach italienischem Gusto instrumentierter Begleitung schreibt.
    Interessant ist vielleicht noch, dass zu Mozarts Nachlas ein Exemplar der Partitur gehörte, weswegen gelegentlich angenommen wird, dass Grétrys "Zémire et Azor" ein Vorbild für Mozarts eigene Märchenoper gewesen sein könnte. Das sind natürlich Spekulationen. Sicher aber sind die Märchenopern von Siegfried Wagner und Engelbert Humperdinck ganz bewußt in der Nachfolge Gretrys geschrieben.


    Aufnahmen gibt es einige: Wer das Werk kennen lernen will, sollte vielleicht zu diesen greifen:





    Ich hatte in meiner Liste für den Kanon keine Oper von Grétry. Wenn Platz dafür wäre, und wenn allgemein Übereinstimmung herrscht, dass Grétry in den Kanon gehört, würde ich "Zémire et Azor" vorschlagen - zumal sie doch entschieden häufiger gespielt wird als "Richard Cœur de Lion".


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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