Konzertbesuche und Bewertung

  • Hallo!


    Nachdem wir schon nach 0 Uhr haben, kann ich unter "Gestern im Konzert" berichten.


    Christoph Eschenbach mit dem SWR Symphonieorchester und Tzimon Barto in der Stuttgarter Liederhalle.


    Es war ein herrlicher, sehr abwechslungsreicher Abend.

    Das Programm:


    Wolfgang Amadeus Mozart
    Konzert-Rondo A-Dur KV 386
    Wolfgang Rihm
    Klavierkonzert Nr. 2
    Richard Strauss
    Burleske für Klavier und Orchester d-Moll AV 85
    Ludwig van Beethoven
    Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93


    Bereits im Rondo, aber auch im Klavierkonzert Nr. 2 von Rihm, das für Eschenbach und Barto geschrieben wurde, ein über weite Strecken lyrisches, zeitweilig sehr dynamisches Klavierspiel von Tzimon Barto. Beeindruckend auch die Burleske.


    Im zweiten Teil Beethoven: Herrlich! Klar, differenziert, frech. Schon der Einstieg: Ohne Atem zu holen rein ins Vergnügen.
    Ich finde, so muss die 8te Beethoven klingen: Wie klares Wasser!


    Wer das Konzert sehen möchte hat morgen auf SWR Classic die Möglichkeit:


    Tzimon Barto und Eschenbach


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Lieber Woka,


    ein schönes Erlebnis für Dich. Das Rihm-Konzert kenne ich nicht. Die Strauss Burleske wir Gerhard Oppitz zusammen mit dem Mozart Klavierkonzert c-moll in einem Mozart-Strauss Abend beim Heilbronner Sinfonie Orchester spielen.


    Herzlichst
    Hans

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Während WoKa gestern im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle ein offensichtlich auch sehr gelungenes Konzert erlebt hat, kann ich von einer Sternstunde der Kammermusik aus dem Mozartsaal berichten.
    Das noch recht junge, aber schon etablierte Parker Quartett aus Boston (derzeit Residence Quartett an der Harvard University) war zu Gast und hat drei Kammermusik-Highlights abgeliefert. Die Parkers hatten vor einigen Jahren schon mit einer Grammy-Auszeichnung für die Streichquartette von Ligeti (Naxos) auf sich aufmerksam gemacht. Das Programm gestern abend:


    Haydn Quartett op. 71/2
    Britten Streichquartett Nr. 2
    Dvorak Streichquintett op. 97


    Schon nach wenigen Takten beim Haydn Quartett war klar, dass hier eine weitere Formation ins absolute Spitzenfeld vorgestossen ist. Lupenreines Kammermusikspiel von vier völlig gleichberechtigten Partnern, ein schlanker und federnder Haydn auf modernen Instrumenten, wunderbar.
    Das faszinierende 2. Britten Quartett wurde vor dem Publikum in einer spannenden und erregenden Weise ausgebreitet, dass es zu ersten Beifallsrufen kam. Schon bis hier war es einer der besten Kammerusikabende der Saison und das steigerte sich dann noch mit einer famosen und sinnlichen Wiedergabe von Dvoraks Quintett, das natürlich auch ein Publikumsreisser erster Güte ist. Für dieses Werk hatte die Violistin Jessica Bodner ihre Lehrerin mitgebracht, niemand Geringeres als die wunderbare Kim Kashkashian, die sich perfekt in das Ensemble einfügte. Beim langsamen Satz schossen mir mehrfach Tränen in die Augen, was selten vorkommt.


  • Ich bin vor eineinhalb Stunden von einem Konzertbesuch im heimischen Konzerttheater (Coesfeld) und anschließenden Essen beim Italiener in meiner Nachbarschaft zurückgekommen.


    Es gab "Die schöne Müllerin" D.795 von Franz Schubert, und es sang mein Chorleiter in beiden Chören, Maximilian Kramer:

    Den klangschönen Bechsteinflügel spielte Michael Gees:


    Ich muss gestehen, dass ich im Vorfeld etwas Unbehagen verspürte, ob das wohl gutginge. Nicht, dass ich Max (so nennen wir ihn alle) die Partie nicht zugetraut hätte, ich habe sie ja schließlich in früheren Jahren schon zweimal von ihm gehört, und es war jedes Mal gekonnt und anrührend. Aber ich weiß ja, was er sonst an Arbeitspensum leistet. Er leitet zwei Chöre, zwei Choralscholen und einen Jugendchor uns spielt in 3 Kirchen die Orgel.
    Aber es ging nicht nur gut, es war wunderbar. Wer Michael Gees kennt, der weiß, dass er nicht nur ein bloßer Begleiter ist, sondern als eigenständiger Pianist ein vollgültiger Partner des vortragenden Sängers ist. Das spürt man aus seiner Art, den Klavierpart zu gestalten, dynamische Akzente zu setzen und sowohl auf den Sänger einzugehen als auch ihn zu fordern und zu leiten. Das ist ein Geben und nNehmen bei ihm. Neben seinem exzellenten Klavierspiel war das größte Wunder, zu welcher musikalischen Synthese die Beiden bei ihrem allerersten Konzert fanden.
    Es würde jetzt zu weit führen, über jedes einzelne Lied zu schreiben, aber ich will einen Block herausgreifen, der für mich eine Art inhaltlichen, musikalischen und interpretatorischen Höhepunkt in diesem Zyklus darstellt:
    Nr. 16: Die liebe Farbe, Nr. 17: Die böse Farbe und mein persönliches Lieblingslied: Trockne Blumen, das war so ergreifend gespielt und gesungen, dass es sich mir direkt als Höhepunkt des Konzertes aufdrängte.
    Natürlich waren auch alle anderen Lieder im gemeinsamen Konzertieren über jeden Zweifel erhaben bis hin zum bitteren Ende in Nr. 20 "Des Baches Wiegenlied".


    Eine Zugabe gab es auch, und Michael Gees erklärte, dass es nur wenige Lieder gäbe, die man nach der "Schönen Müllerin" geben könnte. Sie hätten diese ausgesucht:


    Liebesbotschaft


    Rauschendes Bächlein,
    So silbern und hell,
    Eilst zur Geliebten
    So munter und schnell?
    Ach, trautes Bächlein,
    Mein Bote sey Du;
    Bringe die Grüße
    Des Fernen ihr zu.

    All’ ihre Blumen
    Im Garten gepflegt,
    Die sie so lieblich
    Am Busen trägt,
    Und ihre Rosen
    In purpurner Gluth,
    Bächlein, erquicke
    Mit kühlender Fluth.

    Wenn sie am Ufer,
    In Träume versenkt,
    Meiner gedenkend
    Das Köpfchen hängt;
    Tröste die Süße
    Mit freundlichem Blick,
    Denn der Geliebte
    Kehrt bald zurück.

    Neigt sich die Sonne
    Mit röthlichem Schein,
    Wiege das Liebchen
    In Schlummer ein.
    Rausche sie murmelnd
    In süße Ruh,
    Flüstre ihr Träume
    Der Liebe zu.


    Liebesbotschaft, Text von Ludwig Rellstab, ist die Nr. 1 aus Schuberts "Schwanengesang" D.957.


    Alle Zuschauer waren sich, wie ich glaube, einig, dass sie einem außergewöhnlichen Liederabend beigewohnt hatten, wie ich aus verschiedenen Kommentaren nach dem Konzert entnehmen konnte.
    Ich jedenfalls kann sagen, dass dieses Konzert nicht nur alle meine Zweifel zerstreut sondern auch alle meine Erwartungen übertroffen hat, und ich darf nur hoffen, dass dies nicht das letzte Mal war, dass beide Musiker gemeinsam aufgetreten sind, sondern dass sie vielleicht im nächsten Jahr mit der "Winterreise" um die Ecke kommen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ein schöner Bericht! Vielleicht schaffe ich es ja dann zur "Winterreise" nach Coesfeld. :) Im Moment bin ich leider ziemlich zugedeckt mit Terminen und Verpflichtungen. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Vielleicht schaffe ich es ja dann zur "Winterreise" nach Coesfeld. :)


    Die Fahrkarte brauchst du noch nicht zu bestellen, lieber Holger, denn das ist bis jetzt ja reines Wunschdenken meinerseits, einmal weil Michael Gees ja vor zwei Jahren in Coesfeld die Winterreise mit Christoph Prégardien aufgeführt hat und Max in dem Konzert wohl erst auf die Spur von Michael Gees gesetzte wurde, und zum anderen, weil das doch ein schönes Projekt wäre, wenn alles gut passte. Sollte sich in der Hinsicht aber etwas tun, werde ich dich früh genug informieren.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P. S.: Solltest du dich jedoch auch für Haydns "Schöpfung" interessieren, dann kann ich dir etwas mitteilen, was kein Wunschdenken mehr ist. Wir werden im nächsten Jahr im Konzerttheater Coesfeld mit beiden Chören gemeinsam mein Wunschoratorium aufführen.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich bin vorhin von einem grandiosen Klavierabend aus Köln zurückgekehrt.


    Maestro Maurizio Pollini

    gab sich die Ehre, und das meine ich durchaus wörtlich. Wenn er die Bühne betritt, kommen mir manchmal die Anfangszeilen des "Atlas" aus Schuberts Schwanengesang in den Sinn:


    Ich armer, unglücksel'ger Atlas! Eine Welt,
    Die ganze Welt der Schmerzen muss ich tragen...


    dann dreht er sich um zum Publikum, ein Ruck geht durch seinen Körper und ein Lächeln gleitet über sein Gesicht, und dann setzt er sich hin und spielt, und gestern spielte er dieses:


    Frédéric Chopin
    Deux Nocturnes op. 27 (1835/36)
    für Klavier


    Frédéric Chopin
    Ballade Nr. 3 As-Dur op. 47 (1841)
    für Klavier


    Frédéric Chopin
    Ballade Nr. 4 f-Moll op. 52 (1824/43)
    für Klavier


    Frédéric Chopin
    Berceuse Des-Dur op. 57 (1844)
    für Klavier


    Frédéric Chopin
    Scherzo h-Moll op. 20 (1835)
    für Klavier


    Pause


    Frédéric Chopin
    Deux Nocturnes op. 55 (1842/44)
    für Klavier


    Frédéric Chopin
    Sonate für Klavier h-Moll op. 58 (1844)


    Und wie er spielte! Ich habe vor einer Weile einen Konzertbericht gelesen, in dem ihm ein teilweises fehlerhaftes Spiel konstatiert wurde. Er spielte so, wie ich ihn in den letzten Jahren kennengelernt habe, risikofreudig, mitreißend, anrührend in seiner lyrischen Gestaltung und mustergültig in seinem dramatisch-dynamischen Impetus.


    Da ich kein Chopin-Experte bin, kann ich nur einige allgemeine Bemerkungen über die Stücke machen und meine Meinung über die Interpretation wiedergeben.


    Es begann mit den beiden kontrastierenden, weil irgendwie zusammengehörenden Nocturnes op. 27: Nr. 1 cis-moll und Nr. 2 Des-dur, zwei enharmonischen Tonarten, wobei Pollini die beiden gegensätzlichen Stimmungen, düster-leidenschaftlich hier (Nr. 1) und lieblich-wohlklingend da (Nr. 2) wunderbar herausarbeitete. In diesen beiden Stücken überwog noch das Lyrische, wenngleich eben durchaus unterschiedlich gestimmt.
    Die nächsten beiden Programmpunkte, die Ballade Nr. 3 As-dur op. 47 und Nr. 4 f-moll op. 52, bargen diese Gegensätzlichkeit so nicht in sich, wobei sie sich im Aufbau nicht unähnlich sind und jeweils auf ein hochvirtuoses Finale ausgerichtet sind. Auch diese beiden Stücke spielte Pollini mit Bravour und, wie ich finde, fehlerfrei.
    Das nächste Programmpaar kann man eigentlich nicht als solches bezeichnen, denn sie waren m. E. doch von großer Gegensätzlichkeit gezeichnet.
    Die Berceuse Des-dur op. 57, ein wahres Kleinod, die mir nicht mehr so erinnerlich war, fiel mir sofort positiv auf in ihrer Variationsstruktur. Pollini spielte das sehr geschlossen in einem großen Bogen. Da kam man, ähnlich wie bei den einleitenden Nocturnes schon ins Träumen.
    Und dann das Scherzo h-moll op. 20: das war mir natürlich erinnerlich. In diesem grandiosen Stück konnte Pollini seine immer noch große Virtuosität unter Beweis stellen, zugleich im beinahe überirdischen Mittelteil, in dem das polnische Volkslied: "Schlaf, kleiner Jesus", verarbeitet ist, wieder unendlich lyrisch sein, und trotz des bald wieder aufgegriffenen ersten Teils die Einheit des Werkes erhalten, wobei ihm hier sicherlich sein nicht allzu langsames Tempo zu Gute kam.
    Da dieses Husarenstück das letzte vor der Pause war und Pollini hier schon seine (virtuose) Höchstform zum ersten Mal erreicht hatte, war der triumphale Beifall des vollbesetzten Hauses ihm schon vor der Pause gewiss (wie es nach der Pause und mit dem Beifall allgemein war), drauf komme ich noch zu sprechen.
    Jedenfalls musste er noch dreimal angesichts der Standing Ovations auf die Bühne kommen, bevor er in die wohlverdiente Pause durfte.


    Nach der Pause wurde zunächst die dynamische Kurve wieder etwas herunter gefahren, zwei weitere Nocturnes, f-moll und Es-dur op. 55.
    Die f-moll-Nocturne ist wiederum in ihrer dreiteiligen Anlage sehr originell und zeigt, wie Chopin diese Form auf ein sehr hohes Niveau gebracht hatte. Nach dem schlichten, fast möchte ich sagen, pastoralen Beginn, mit einem melancholischen Überzug, im Seitenthema in eine berückende durtonartige Liedform gebracht, ist der Mitteil in einer strengen, fast militärischen Form abgefasst,
    dynamisch hochstehend und im Bass dunkle Farben generierend.
    Im dritten Teil setzt das melancholische, schlichte Thema wieder ein und verbreitet seinen Zauber und verwandelt sich am Ende in reine Schönheit und löst sich fast wie eine Moreno-Coda auf.
    Die zweite Nocturne in Es-dur ist höchst kunstvoll, man vermeint hier einige der potentesten Vorgängerkomponisten des Klaviers wie z. B. Bach, Mozart oder auch Palestrina hier zu entdecken.
    Da ich keine Partitur vor mir habe, aber das mehrstimmige musikalische Geflecht sehr gut unterscheiden kann (by the way: Maestro Arthur Rubinstein hilft mir gerade dabei):


    sehe ich, welche große kompositorische Leistung Frederic Chopin hier geleistet hat. Und Maurizio Pollini hat das natürlich auch gestern Abend sensationell gemacht.
    Die zweite Nocturne endet zwar auf einer anderen dynamische Kurve, aber auch sehr, sehr lyrisch, und ich muss gestehen, dass Maurizio Pollini gestern Abend diese Sequenz in einem noch etwas stärkeren Maße als der Chopin-Übervater Arthur Rubinstein, (wobei ich mir fast wie ein Königsmörder vorkomme), lyrisch gestaltet hat, auch auf einem etwas niedrigeren dynamischen Niveau.


    Zu dem letzten Programmpunkt, der h-moll-Sonate op. 58, werde ich heute Nachmittag kommen, jetzt muss ich erst ein wenig an der Matratze horchen.


    (vgl. Ausführungen von Christoph Vratz im Progrmmheft)


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    da wäre ich auch nur zu gerne dabei gewesen! Als ich Pollini das letzte Mal in Köln hörte (mit Stockhausen. Schönberg und Schumann), spielte er auch ein Nocturne als Zugabe wirklich wunderbar, dazu auch noch die Revolutions-Etüde. Seine letzte Chopin-CD muss ich noch ein zweites Mal eingehender hören, dann werde ich sie auch besprechen. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Sinfoniekonzert in der Komischen Oper
    Die hier ja nicht selten diskutierte Komische Oper Berlin hat auch eine eigene Konzertreihe mit sieben bis acht Konzerten in der Saison. Bei der großen Konzertkonkurrenz in Berlin muss man sich schon etwas einfallen lassen, um da bestehen zu können. Immer wieder sind deshalb auch international hochkarätige Solisten zu erleben. War es in den letzten Saisons z.B. zweimal Rudolf Buchbinder, so sind es diese Spielzeit u.a. Sabine Meyer, Daniel Hope, Martin Stadtfeld und Nils Mönkemeyer. Und so sollte es am Freitag sein, die von mir hoch geschätzte Trompeterin Alison Balsom. Wie es aber passieren kann, 30 Stunden vor dem Konzert kam die Absage von Frau Balsom wegen einer Grippeerkrankung. Da das Programm ziemlich speziell auf die Solistin zugeschnitten war, kann ich mir den Stress in der Orchesterdirektion gut vorstellen. Ende gut - alles gut! Als "Ersatz" konnte kurzfristig Frau Tine Thing Helseth verpflichtet werden. Ein Volltreffer! Frau Helseth war mir noch aus einem Konzert mit dem RSB und dem Hummel-Konzert gut in Erinnerung.

    Zum Programm:
    Tomaso Abinoni: Konzert für Trompete und Orchester Nr. 2 d-Moll op. 9 (Original für Oboe, arrangiert von Michel Rondeau)
    Igor Strawinsky: Suite aus dem Ballett "Pulcinella""
    Antonio Vivaldi: Konzert für Trompete und Orchester op. 3 Nr. 9 (Original für Violine, arrangiert von Alison Balsom)
    Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 "Eroica"
    Dirigent: Ainars Rubikis
    Frau Helseth tritt barfüßig auf. Sie hat ein gewinnendes Äußeres, gibt sich ganz natürlich, lächelt dem Publikum und dem Orchester zu und brilliert sofort mit mühelosem Ansatz auf ihrer kleinen Clarintrompete. Ein schöner warmer Ton füllt den voll besetzten Saal aus, ja die Trompete scheint zu singen. Alles ist so selbstverständlich, als hätte sie sich auf diese beiden Konzerte schon lange vorbereitet. Großer Applaus, als Zugabe folgt eine cantable Volksweise (eigentlich ein Weihnachtslied) aus ihrer norwegischen Heimat. Dazwischen programmatisch sehr gut eingefügt die neoklassizistische Ballettsuite von Strawinsky. Hier konnten sich auch die vier Solostreicher auszeichnen und gut plaziert die Trompeten und Posaunen-Einwürfe. Nach der Pause füllte sich das Podium zur Beethoven-Sinfonie. Und der junge lettische Dirigent konnte zeigen, was er kann. Das tat er und es war ein Vergnügen, ihm zuzusehen und zu hören, wie er dieses Standardwerk wie neu erklingen ließ. Die Musiker saßen teils auf der Stuhlkante. Rubikis ist eigentlich Chordirigent, um so erstaunlicher sein souveräner Umgang mit diesem bekannten sinfonischen Werk. Zügige Tempi, transparente Stimmführung, klare Struktur, das war ein Erlebnis. Im Finale lässt er an einer Stelle die Solostreicher alleine spielen, sehr mutig, aber nicht unpassend. Ein gelungener Abend, es müssen nicht immer die Berliner Philharmoniker sein.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Strawinskys Pulcinella-Suite, Mozarts Kalvierkonzert Nr. 9 (Jeunehomme) und Beethovens 3. Sinfonie waren die Bausteine eines abwechslungsreichen Abends in der Tonhalle. Es spielte das lokale Orchester, Solist war Jan Lisiecki, die Leitung hatte die Dirigentin Alondra de la Parra.
    Eine schöner Saal, überhaupt ein angenehmes Gebäude, diese Tonhalle, die ich zum ersten Mal betreten hatte. Von der Garderobiere bis zu den Sitznachbarn nur nette Leute, an dem Abend auch auffallend viele junge Konzertbesucher, an einer Stelle im Parkett anscheinend eine Schulklasse. Die erste Musik des Abends hat mich elektrisiert, beschwingt und mit Gänsehaut in den Saal geschickt: der Pausen-"Gong", der hier nämlich keine doofe Tonfolge oder einfach nur ein dumpfer Gong-Ton ist (wie in der Liederhalle und sonst wohl fast überall...?!), sondern einem Musikstück entnommen. Was der Kölner Philharmonie die Blechfanfare aus Schumanns "Rheinischer", das ist der Tonhalle der "(Alp)Hornruf aus dem vierten Satz von Brahms erster Sinfonie. Zum Mitsummen anregend, schickte mich diese Überraschung bester Laune auf die rechte Galerie, wo ich in der dritten Reihe einen guten Blick auf die Dirigentin und ins Orchester hatte, leider nicht auf den Klavierspieler. Man kann nicht alles haben... Was für ein putziger Saal von innen, viel kleiner als erwartet, ein bisschen Puppenstube, die Stühle gewöhnungsbedürftig, aber auszuhalten.
    Strawinsky von seiner unterhaltsamen Seite, gut gespielt, wenn auch mit ein paar Wacklern und intonatorischen Trübungen, vor allem zwischen Holz und Blech.
    Der Mozart ging aufgrund meiner Sitzposition etwas an mir vorüber. Etwas mehr Phrasierung im Orchester hätte ich mir gewünscht, und das Konzert zeigte auf seine so unaufdringliche Art die Ecken und Kanten verborgener Schwierigkeiten und Herausforderungen an den Stellen, wo ich mir dann dachte: wow, da sieht man mal, was Brendel und Mackerras dieser Paarung voraus haben. Da ist, bei allem Können Lisieckis, einfach noch etwas Erfahrung vonnöten, um auch ein scheinbar leichtes Stück wie dieses perfekt zu gestalten.
    Die Zugabe, ein stürmisch-virtuoses Nocturne von Chopin zeigte einen entfesselten Solisten, ganz bei sich, souverän und mehr in seinem Element als beim Mozart.
    Die "Eroica" muss sich an diesem Ort wahrscheinlich immer gegen Zinmans Version(en) behaupten, sofern denn genügend Zeugen der einstigen Großtat anwesend sind. Die NZZ berichtete positiv über den Abend, und ich kann mich anschließen. Es hat spaß gemacht, zu hören und zu schauen. Einzelne Kritikpunkte treffen den Solo-Oboisten, die Fagotte, die teils nicht aus dem Quark gekommen sind, und, meine Leiden-Schaft, den Pauker... Optisch an Herrn Hirschhausen erinnernd, machte er seine Sache zwar insgesamt ganz gut, war aber oft zu spät, spieltechnisch ein bisschen faul und intonatorisch nicht ganz sauber. Für alle, die sowas nicht wahrnehmen (ich schätze 99,7% der Zuhörer ;-) ), ist es wurscht; vor allem war der Abend musikalisch in toto gut und schön, das Orchester hat mir gefallen, und Alondra de la Parra machte einen guten, sympathischen Eindruck. Hie und da müsste sie vielleicht die Zügel etwas fester in die Hand nehmen, sie kommt sehr offen, freundlich und engagiert rüber, eine gewisse federnde Leichtigkeit ist ihr auch zueigen, und es ist eine Wohltat, mal keinen Mann vor dem Orchester zu sehen, aber auch keine Frau, die sich aufführt wie ein Mann.
    Die Tonhalle wird bald renoviert, wie ich gehört habe. Ich würde mich freuen, wenn ich dann wieder mal die Gelegenheit habe, dort Gast zu sein. Alondra de la Parra würde ich auch wieder besuchen.
    Wer mag, hat vielleicht noch die Gelegenheit, auf Medici TV die Aufzeichnung des Livestreams anzuschauen.
    Beste Grüße, Accuphan


    PS: was für eine tolle Stadt, dieses Zürich! Und unfassbar teuer! Das Entrecôte mit Kräuterbutter ("Café de Paris" nennt sich das dann wertstiftend) und Pommes Frittes kostet in der (kultigen und berühmten) Kronenhalle 66,- CHF. Hoppla... Das Wochenende war gastronomisch sehr gut, sehr teuer - und wir würden es wieder so machen... ;-)

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

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  • Friedrich Haider, der Dirigent des 6. Symphoniekonzertes im Theater Münster, erhielt für seine "Entdeckung" des Violinkonzertes von Wolf-Ferrari den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Gestern in Münster musizierrte er das Werk zusammen mit der Solistin Midori Goto, der 1. Konzertmeisterin des Sinfonieorchester Münster. Im romantischen und spätromantischen Stil geschrieben und von der Moderne völlig unberührt ist jedoch einfach ein wirklich sehr schönes Stück, was eine Entdeckung wirklich lohnt. Haider dirigerte mit viel Sinn für subtile Klangfarben, Midori Goto spielte ungemein sauber aber auch ein bisschen brav fand ich. Nach der Pause gab es Schostakowitschs 5. Symphonie. Ein sehr gelungener Konzertabend und Abschluss des Tages, nachdem ich am Vormittag schon bei der Matinee zum "Freischütz" u.a. von Mirko Roschkowski, der als Gast den "Max" singen wird, einen wunderbaren und für die Aufführung vielversprechenden Vortrag hören konnte.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zu diesem Konzert kann ich auch die günstige Aufnahme mit Ulf Hoelscher empfehlen.

    Ulf Hoelscher - da glaube ich sofort, dass das eine empfehlenswerte Aufnahme ist, lieber Lutz. Meiner Frau hat das Konzert sehr gefallen und ich habe deshalb die CD mit dem Dirigenten des Abends sofort bestellt und werde sie ihr schenken zur Erinnerung. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Nun war es endlich soweit. Ich erinnere mich noch gut an das Auswahlspektakel für den neuen Chef der Berliner Philharmoniker und die Häme, die dann über den überraschend nominierten Kirill Petrenko hereinbrach. Ich räume ein, auch ich war sehr skeptisch über diese Wahl eines auf dem CD-Markt No-Name-Dirigenten, der eigentlich vorher niemals als Favorit genannt wurde. Ich hatte ihn allerdings noch nicht als Dirigent erlebt, also musste ich gestern in dieses Konzert, um mir ein profunderes Urteil zu verschaffen.
    Das Programm:
    Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 35 D-Dur KV 385 "Haffner"
    John Adams: The Wound-Dresser für Bariton und Orchester
    Peter Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 "Pathetique"
    Solist: Georg Nigl, Bariton
    Für ein Vorstellungskonzert also ideal mit Klassik, Moderne und Romantik. Das recht hochpreisige Konzert war seit langem ausverkauft. Da es kein Abonnentenkonzert war, wirkte das Publikum in der Altersstruktur gut durchmischt. Zunächst zum Mozart, der in auffallend kleiner 8er-Besetzung dargeboten wurde. Also kein Karajanklang. So war alles (zu) sehr durchhörbar, für mich insgesamt aber etwas spannungsarm. Petrenko wechselt recht abrupt von forte zum piano und ist in den leiseren Momenten ein wenig detailverliebt. Im letzten Satz knallt die Pauke viel zu sehr. Für Bravo-Rufe, die bereit nach diesem Anfangsstückchen zu hören waren, gab es für mich keinen Anlass. Petrenko war ganz bestimmt sehr bemüht, das war aber noch keine Referenz. Danach ein ruhiges Gesangsstück, das dem Dirigenten wenig Gelegenheit gibt, sich zu profilieren. Hier konnte sich die Pauke auszeichnen, die sehr lange leise im Hintergrund agierte. Sicher stiehlt Petrenko dem Solisten aber auch hier die Show. Nach der Pause Tschaikowsky, das sollte der Russe Petrenko eigentlich können. Und ob! Petrenko geht aufs Ganze, ist unglaublich agil, formt die Musik mit ausgebreiteten Armen und lässt das Orchester buchstäblich singen. Der Spannungsbogen hält vom grummelnden Beginn in den Bässen bis zum erschütternden Abschluss. Es dauert etwas, bis im 1. Satz die ersten Geigen einsetzen, aber wie sie das hier tun, mit flimmriger Zartheit, das ist schon gekonnt und gewollt. Und dann der Fortissimo- Ausbruch, schon im ersten Satz ist man erschüttert, weil die Katastrophe spürbar ist. Der zweite Satz ist ein wunderschöner Walzer, der gelingt so vollkommen, dass er länger gehen könnte. Jetzt der Geschwindmarsch, zunächst behutsam, dann aber sehr impulsiv und hämmernd, ja die schwachen Achtel im Marschthema sind nicht mehr hörbar. Das ist ein großer Sturm, der hier ausbricht. Ich saß Petrenko gegenüber, es war eine Freude, ihm dabei zuzuschauen, weil er diese Musik selbst auslebt. Nach dem 3. Satz blieben seine Arme oben - dann langsam senkten sie sich, um mit dem Finale zu beginnen. So blieb der sonst übliche Zwischenbeifall aus. Der vierte Satz ist dann ein wunderbarer Abgesang, Sterben in Schönheit, da stimmte wirklich alles einschließlich des unheimlichen Tamtam kurz vor dem ergreifenden Ende. Auch jetzt- Petrenkos Arme sind eine gefühlte Minute oben, jeder voreilige Klatscher oder Bravoruf wäre unpassend. Dann aber, die Philharmonie wackelte förmlich vor Begeisterung. Standing Ovations gibts im verwöhnten Berlin nur noch selten, aber gestern. Petrenko hat bestanden. Vor gut zwei Jahren gabs die Pathetique hier mit Barenboim. Kein Vergleich!
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Im letzten Satz knallt die Pauke viel zu sehr.


    Hätte mir also höchstwahrscheinlich sehr gefallen. :D


    Vor gut zwei Jahren gabs die Pathetique hier mit Barenboim. Kein Vergleich!


    Das glaube ich sofort. Barenboim und Tschaikowski?


    Andere Rezensenten dieses Konzerts bemängelten übrigens die angeblichen recht zahlreichen Patzer des "weltbesten Orchesters", besonders im ersten Teil des Konzerts. Kannst Du das bestätigen?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe mir gerade im Rahmen einer Probemitgliedschaft in der Digital Concert Hall das von timmiju besprochene Konzert der Berliner Philharmoniker mit Kirill Petrenko angehört, und die "Pathetique" war wirklich grandios :hail: .Ich habe ja mit Tschaikowski so meine Probleme, insbesondere mit dieser Symphonie. Aber wie er hier einen hochemotionalen Zugang umgesetzt hat, ohne jemals larmoyant zu wirken, ist schon ganz große Kunst. Zweifellos eine der besten Darbietungen dieser Symphonie, die ich bisher gehört habe. Man kann nur hoffen, dass Petrenko zumindest noch die 4. und die 5. aufführt und die Aufnahmen dann irgendwann auch den Weg auf Bluray finden.


    Die Haffner-Symphonie war schön, hat mich aber nicht umgehauen. Während Petrenko Tschaikowski mit der Muttermilch eingesogen hat, ist er bei Mozart wohl noch auf der Suche nach seiner persönlichen Lesart, was er auch in einem Interview, das am Rande der Proben entstand, bestätigt hat. Und ja, am Anfang hat es den einen oder anderen kleinen Patzer im Orchester gegeben, was man sicherlich der bei allen Beteiligten vorhandenen Nervosität zuschreiben kann. Übrigens fand ich auch in München, wo ich Petrenko etliche Male in der Bayerischen Staatsoper erlebt habe, das Dirigat bei der Premiere von "La Clemenza di Tito" am wenigsten überzeugend, während er z.B. beim "Boris Godunow" grandios war.


    Das Stück von John Adams, eine Vertonung von Walt Whitmans Gedicht "The Wound-Dresser" für Bariton und Orchester, fand ich musikalisch ziemlich belanglos.


    Das erwähnte Interview ist übrigens frei verfügbar. Es ist sehr sehenswert und zeichnet ein recht gutes Bild der Dirigentenpersönlichkeit Petrenko, auch wenn die Liebeserklärungen des interviewenden Cellisten an seinen künftigen Chefdirigenten für meinen Geschmack etwas zu penetrant sind: http://www.digitalconcerthall.com/de/interview/23490-4

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Man kann nur hoffen, dass Petrenko auch zumindest die 4. und die 5. aufführt und die Aufnahmen dann irgendwann auch den Weg auf Bluray finden.


    Die Fünfte gibt's mit dem Bayerischen Staatsorchester aus München. Wurde im Rundfunk gesendet.


    Ich hoffe ja insgeheim auf einen kompletten Tschaikowski-Zyklus der Berliner Philharmoniker. Es wäre der erste seit vor 40 Jahren unter Karajan.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich hoffe ja insgeheim auf einen kompletten Tschaikowski-Zyklus der Berliner Philharmoniker. Es wäre der erste seit 40 Jahren unter Karajan.


    Das würde ich auch sehr begrüßen. Rattle mag ja offenbar Tschaikowski gar nicht, jedenfalls habe ich das kürzlich irgendwo gelesen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Hallo,


    zum 60-jährigen Bestehen der Konzertreihe „Musica Antiqua“ (einer Gemeinschaftsveranstaltung von BR-Klassik, Studio Frankden und dem Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg) gab es am 25.03. ein Jubiläumskonzert unter dem Motto „Die lange Nacht der „Claviermusik“, 20 bis 24 Uhr.


    Bob van Asperen führte mit Variationenwerken verschiedener Komponisten des 16. – 18. Jh. eine Reise durch Europa, dabei spielt er auf einem Cembalo von G. B. Giusti, Lucca, 1681.


    Ragna Schirmer interpretierte die Goldbergvariationen auf einem Hammerflügel A. Walter, Wien, 1790.


    Christine Schornsheim interpretierte Variationen über Themen aus Opern des 18. – 19. Jh. verschiedener Komponisten, ihr Instrument ein Hammerflügel von N. Streicher, Wien, ca. 1804.


    Diese Instrumente sind Bestandteil der europaweit größten „Clavier“sammlung im GMN und dürfen normalerweise nicht bespielt werden, wurden aber für dieses Konzert sorgfältig von Spezialisten des GMN reaktiviert. (Optisch sind die Instrumente der Sammlung stets bestens in Schuss - im Museum werden Objekte angeschaut – diese an Instrumentalisten für ein Konzert zu überlassen geschieht selten und nur an Meister ihres Fachs.)


    Kai Schumacher brachte das Variationenwerk von F. Rzewski, geb. 1938 „The poeple united will never be defeated" zu Gehör. Flügel R. Ibach Sohn, Schwelm, 1991 – Leihgabe. (Dieses Werk habe ich m. E. in einer besseren Interpretation mit Marc-Andre Hamelin.)



    Ein sehr vergnüglich-unterhaltsamer und zugleich lehrreicher Konzertabend.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber JosephII!


    Andere Rezensenten dieses Konzerts bemängelten übrigens die angeblichen recht zahlreichen Patzer des "weltbesten Orchesters", besonders im ersten Teil des Konzerts.


    Die Rezensenten waren ja alle am Mittwoch im Konzert.
    Ich habe das Programm am Donnerstag gehört.
    "Patzer" kann ich nicht bestätigen aber die hätten mich auch nicht aufgeregt.
    Kritisch ins Gewicht fielen mehr die Anspannung und Nervosität, die in den ersten beiden Sätze hörbar war. Aber darüber habe ich ja berichtet, das muss ich hier nicht wiederholen.
    Eine die Strukturen bei Mozart klar beleuchtende Aufführung steht eigentlich immer in der Gefahr dass minimale Ungenauigkeiten in dem Verhältnis zwischen den einzelnen Stimmen als "Patzer" oder Schlamperei angekreidet werden. Wenn etwa die Zweiunddreißigstel der ersten und zweiten Violinen mit den Achteln der Bässe nicht haargenau kongruent klingen, hätte man das bei manchem großen Mozartdirigenten früherer Tage (ich verzichte darauf Namen zu nennen!!!) gar nicht wahrgenommen, aber bei einem Fricsay, Maazel oder eben auch Petrenko ist das klar hörbar und wird es dann als "Patzer" bezeichnet.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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  • 31.03.17, 20 Uhr, Alte Oper FFM:


    Yefim Bronfman, Concertgebouw Orchester Amsterdam, Andris Nelsons


    - Prokofiev: Klavierkonzert Nr. 2
    - Shostakovich: Sinfonie Nr. 11


    Hochkarätigster Besuch in der Alten Oper. Die Erwartungen waren hoch. Der Saal so gut wie ausverkauft.
    Auftritt Yefim Bronfman, ein massig-mächtiger Pianist, der schon von seiner Erscheinung her eine große Autorität ausstrahlt. Unauffällig dahinter: Dirigent Andris Nelsons. Wie bewältigte Bronfman nun das Zweite Klavierkonzert von Prokofiev mit seinen immensen Anforderungen und Schwierigkeiten? Kurz gesagt: absolut souverän und mit großer Meisterschaft. Höhepunkt war natürlich die grandiose Steigerung im ersten Satz mit anschließendem Tutti-Einsatz des Orchesters. Exemplarisch gelungen. Leider schien sich Nelsons mit dem Orchester eher auf eine Begleitfunktion zu beschränken. Hier wäre mehr Interaktion und Engagement wünschenswert gewesen.
    Nach der Pause die epische Elfte Sinfonie von Shostakovich. Andris Nelsons strahlt schon eine gewisse Gebrochenheit, Angeschlagenheit und Kränklichkeit aus (im Verlauf der Sinfonie stützt er sich immer wieder am Pultgeländer ab). Er ist kein dirigierender Sonnyboy und schon von daher sehr gut geeignet als Shostakovich-Dirigent.
    Bereits der erste Satz, Platz vor dem Palast, gelingt mit einer unglaublichen Subtilität und Stimmungsintensität - eine unheilschwangere und von Unruhe durchsetzte Meditation vor dem Sturm. Hier gibt es keine dynamischen Ausbrüche, sondern "nur" die Schilderung eines leeren Platzes, die allerdings spannungsvoller nicht ausfallen könnte. Hier waren die Streicher und Holzbläser des Concertgebouworchesters in Ihrem Element. Bereits hier wurde spürbar, wie genau Andris Nelsons mit den Musikern geprobt haben muß und wie tief er sich emotional auf das Werk eingelassen hat. Überhaupt, das läßt sich jetzt schon sagen, haben mich an dieser Darbietung mehr die leisen, unheimlichen und subtilen Stellen beeindruckt und gefesselt, als die massiven Ausbrüche.
    Wie so oft bei Shostakovich folgten auch hier die härtesten Kontraste aufeinander. Satz Nummer Zwei, Der 9. Januar, die Schilderung des Gemetzels mit integrierter Todesfuge, brach nun herein. Nelsons ließ das Geschehen nicht ins Schrille und Aufdringliche abgleiten, mied die totalen klanglichen Extreme - er blieb dem Satz trotzdem nichts an Wucht und Aggressivität schuldig. Aber der Eindruck von Subtilität herrschte auch hier vor. Eine leichte Tendenz zur Verlangsamung war nicht zu überhören. Hierdurch konnte Nelsons eine unglaubliche Binnendifferenzierung der Holzbläser und Streicher erzielen, die ich so eigentlich noch nie gehört hatte. An diesen Stellen wirkte das Werk für mich wie neu und fern jeder Plakativität. So wurde der Satz "Ewiges Gedenken" zu einem Höhepunkt der seelischen Tiefenempfindung. Als dann der Schlußsatz "Sturmgeläute" begann, erschrak ich regelrecht, der er kam sehr unerwartet. Bis zum brutal-überrollenden Ende mit den Sturmglocken wurde der Zuhörer in Atem gehalten. Der Applaus setzte dann mal wieder viel zu früh und spontan ein, noch bevor Nelsons die Hände senkte.
    Ein denkwürdiger Abend ging zu Ende, der sicherlich nicht so schnell verblassen wird.

  • Danke, lieber Agon für diesen ausführlichen Bericht. Er zeigt mir aufs Neuem, was für eine großartige Dirigentenpersönlichket Andris Nelsons ist. Das Leipziger Gewandhausorchester kann sich glücklich schätzen, Nelsons als kommenden Chefdirigenten zu erleben. Natürlich liegt ihm die große Form, Strauss, Mahler, Schostakowitsch usw., da ist er in seinem Element. Inwieweit ihm die Wiener Klassik liegt, wird er beweisen müssen, ganz einen Bogen darum wird er nicht machen können. MIch verwundert der geschilderte kränkliche Eindruck. Dem widerspricht eigentlich der weitere Ablauf dieses offenbar doch sehr eindrucksvollen Konzerts. Ich habe Nelsons bisher immer als äußerst vital und temperamentvoll erlebt.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Im Tamino-Dirigenten-Ranking liegt Nelsons, der doch sogar als kommender Chef der Berliner Philharmoniker gehandelt wurde, übrigens weit zurück.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Danke für Deine Rückmeldung, lieber timmiju.
    Leipzig kann sich allerdings glücklich schätzen, Ihn als Gewandhauschef bekommen zu haben, wenn man bedenkt, wie begehrt er international von den Spitzenorchestern ist und daß er beim Boston Symphony Orchestra unter Vertrag steht.
    Den "kränklichen Eindruck", den ich schilderte, sollte man jetzt vielleicht nicht überbewerten, aber als ich Ihn das letzte Mal vor zwei Jahren hier in Frankfurt erlebte, machte er auf mich einen wesentlich jugendlicheren und frischeren Eindruck. Ich denke, der Zahn der Zeit hat schon an Ihm genagt. Und das Jet-Set-Leben zwischen zwei Kontinenten, permanenten Konzerten, der Hype und das Gezerre um seine Person und nicht zuletzt das letztjährige Parsifal-Zerwürfnis in Bayreuth sind offensichtlich nicht spurlos an Ihm vorübergegangen - wen wunderts.. Ich hoffe und wünsche mir sehr, daß er seine Gesundheit im Griff hat und noch lange dirigieren kann.

  • Ich hoffe und wünsche mir sehr, daß er seine Gesundheit im Griff hat und noch lange dirigieren kann.


    Das hoffe ich auch. Und ich freue mich schon auf den mir sehr sympathischen Dirigenten. Er kann für Leipzig nur ein Gewinn sein.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zum Abschluss der Kammermusikreihe 16/17 gab es Besuch aus Wien mit einem abwechslungsreichen und interessanten Programm. Herrn Ottensamer und Herrn Vladar bin ich das erste Mal im Konzert begegnet, Herrn Hagen kannte ich natürlich von diversen Quartettabenden. Gutes Zusammenspiel und erwartungsgemäß ein wunderbarer Klarinettenton zeichneten das Trio aus. Schöner Abschluss.


    Daniel Ottensamer, Klarinette - Clemens Hagen, Violoncello - Stefan Vladar, Klavier


    Beethoven Trio für Klavier, Violine und Violoncello B-Dur op. 11 "Gassenhauer"
    Schostakowitsch Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll op. 40
    Lutoslawski Tanzpräludien (Fünf Stücke für Klarinette und Klavier)
    Brahms Trio für Klavier, Klarinette und Violoncello a-Moll op. 114

  • Programm:


    Ottorino Resphighi: Fontane di Roma


    Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 A-Dur KV 488


    Leoš Janáček: Taras Bulba


    Antonin Dvořak: Slawische Tänze (op. 46/1, op. 72/2, op. 46/3, op. 46/7, op. 72/2)


    Sinfonieorchester Münster
    Solist und Dirigent: Stefan Veselka


    Janáčeks Taras Bulba und Mozarts Klavierkonzert KV 488 – da wollte ich natürlich unbedingt hin. Dass Stefan Veselka ein sehr guter Dirigent ist und auch Pianist, konnte er hier eindrucksvoll unter Beweis stellen. Die Eröffnung mit Resphighi war in jeder Hinsicht gelungen – das Münsteraner Orchester brachte alle Farbtöne heraus und klang sehr ausgewogen. Für das Klavierkonzert wurde das Podium des Stadttheaters umgebaut, der große Steinway D ganz ohne Deckel hereingerollt, was akustisch auch genau richtig war. Meine Platzwahl war glücklich: Dem Pianisten konnte ich von oben sehr gut auf die Finger sehen. Veselka spielte das Konzert klassisch und zugleich lebendig, mit dem nötigen klaren und leichten Mozart-Ton. Das Orchester war bestens disponiert, sehr engagiert und machte die Aufführung zu einem lebendigen Erlebnis. Den Beifall – auch vom dirigierenden Pianisten – hatte es sich wahrlich verdient. Als Zugabe kündigte Stefan Veselka ein Stück aus seiner Heimat Norwegen an – Griegs „Trolle“ aus den „Lyrischen Stücken“ („Kobold“, op. 71 Nr. 3). Wirklich packend sein Vortrag! Seine Erfahrung mit dem Musiktheater brach hier gleichsam durch, das war ein wahrlich „bühnenreifer“ Auftritt der Trolle auf der Klaviatur. Dafür gab es auch besonders herzlichen Applaus.


    Dass Stefan Veselka als Norweger mit tschechischen Wurzeln Janáček und Dvořak aufs Programm setzt, verwundert natürlich nicht. Ich war sehr gespannt, denn grundsätzlich höre ich diese sehr „idiomatischen“ Stücke eigentlich nur mit der Tschechischen Philharmonie. Und – musste ich leider feststellen – genau mit dieser Idiomatik haperte es. Da fehlte der Schmelz, die Feinheit, die poetische Wärme. Ohne den „böhmischen“ Ton droht diese Musik zur grellen, etwas derben Folkloristik zu werden, was sich dann bei den Slawischen Tänzen umso mehr bewahrheitete. Wie zumeist hörte man einen fetzigen und knalligen Dvořak, die Slawischen Tänze also so, als seinen sie ein Supplement zu den Ungarischen Tänzen von Brahms. Das sind sie aber nun einmal nicht. Ohne diese so besondere, schwerelose böhmische Leichtigkeit, Eleganz und Finesse tendiert das alles zu bodenständiger U-Musik, zum Reißer beim Open-Air-Konzert. Das aufrichtige Engagement kann man den Musizierenden freilich nicht absprechen, aber die außerhalb von Prag so schwierig zu treffende Idiomatik wurde leider verfehlt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo,


    „Musik der Reformation in Franken“


    war die Überschrift zu einem Konzert in St. Lorenz, Nürnberg


    Ausführende:
    Windsbacher Knabenchor, Chorsolisten der Windsbacher
    Gesangssolisten S, A, T, B
    Ensemble „Wunderkammer“ – 2 Violinen, Viola da Gamba , Barockposaune, Laute/Theorbe, Orgel
    Leitung: Martin Lehmann, KMD der Windsbacher


    Programm - alle Komponisten haben in Franken gewirkt und/oder sind dort entweder geboren oder gestorben.


    „Ein feste Burg ist unser Gott“ in Chorsätzen von H. L. Hassler, C. Othmayr, M. Franck


    „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ in Chorsätzen von H.L. Hassler, M. Franck, L. Lechner



    J. E. Kindermann
    „Du sollst lieben Gott, Deine Herren“ – Motette für 5-stimmigen Chor und b. c.
    „De Sacramento Baptismi“ – Motette für 5-stimmigen Chor und b. c.
    „Domine noster Jesus Christus“ - geistl. Konzert für S, A, T, B und b. c.
    „O salutaris hostia“ – Motette für 5-stimmigen Chor und b. c.


    J. Meiland
    „Beati omnes, qui timent dominum“ - Motette für 6-stimmigen Chor


    C. Othmayr
    „Symbolum D. Martin Luther“, Teile 1-3 – Motette für 5 Singstimmen
    „O Mensch bewein dein Sünden groß“ – Passionschoral in Chorsätzen von C. Othmayr,
    und H. L. Hassler
    „O Lamm Gottes unschuldig“ – Passionschoral in Chorsätzen von J. Eccard
    und J. E. Kindermann


    L. Lechner
    „Beati omnes, qui timent dominum“. Motette für zwei vierstimmige Chöre


    J. Staden
    „Deutsches Magnificat“ – Motette für zwei vierstimmige Chöre
    „Jesus Christus, der den Tod überwand“ – Oster-Choralbearbeitung für
    drei-, vier und achtstimmigen Chor
    „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“ – Choralmotette für vier-bis achtstimmigen Chor und Echo-Chor




    „Verleih uns Frieden gnädiglich“ – in Chorsätzen von J. E. Kindermann, J. Eccard




    J. Pachelbel
    „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke“ – Motette für zwei vierstimmige Chöre und Instrumente



    Zwischen den Chorwerken noch 5 kleinere Instrumentalwerke von J. Staden.




    In einem zum Zeitpunkt der Entstehung der Musik vorhandenen/vollendeten und deshalb exakt passenden Kirchenraum – ein einmaliges Konzerterlebnis, auch von höchster musikalischer Qualität.


    Viele Grüße
    zweiterbass



    Nachsatz: Das Konzert wurde vom Bayerischen Rundfunk-Studio Franken aufgezeichnet und wird am 0Sa. 28.10.2017, 13:05 über BR-Klassik ausgestrahlt.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo!


    Am vergangenen Freitag war ich gemeinsam mit unseren ehemaligen Mitglied lutgra in der Stuttgarter Liederhalle. Das SWR-Symphonieorchester gab seinen Saisonabschluss mit Mahlers zweiter Sinfonie, der Auferstehungssinfonie.


    Unter dem Dirigat von Christoph Eschenbach traten Gerhild Romberger (Alt), Christiane Karg (Sopran) sowie das SWR Vokalensemble unterstützt vom Chor des Byerischen Rundfunks auf.


    Was für ein Erlebnis!


    Mit viel Kraft und einer Stimmigkeit, die viele dem fusionierten Orchester sicher nicht zutrauten, war es ein fast anderthalbstündiges Erlebnis der Extraklasse. Selbst das extra platzierte Fernorchester wurde hervorragend realisiert.


    Ich war schon unzählige Male in der Liederhalle - doch einen derart frenetischen Jubel habe ich in einem klassischen Konzert noch nicht erlebt. Wenn die Stuttgarter sich zum Applaudieren von den Sitzen erheben!


    Wer das Konzert nacherleben möchte, kann es auf SWR-Classic ab Mittwoch tun:


    Auferstehungssinfonie


    Ein Interview mit Christoph Eschenbach im Vorfeld der Aufführung findet Ihr hier: Christoph Eschenbach


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Bericht vom Schleswig-Holstein-Musikfestival 2017

    Dienstag, 25. Juli 2017, Kieler Schloss


    Recital von Grigory Sokolov


    Teil 1: Mozart



    http://www.kn-online.de/Verans…v-im-Spiel-mit-den-Zeiten


    Wolfgang Amadeus Mozart:


    Sonate Nr. 16 C-dur KV 545 „Sonata facile“


    Spieldauer: ca. 11 min.;


    Diejenigen, die Grigory Sokolov kennen, wissen dass er sich auch dieser Sonate mit großem Ernst angenommen hat, und dass man schon vom ersten Takt an wahrnehmen konnte, dass er auch Mozart kann, als wenn er ihn mit der Muttermilch aufgesogen hätte.
    Da ich ihn noch nie mit Mozart hörte, fiel mir sofort auf, wie er mit dynamischen Bewegungen und kleinen Temporückungen auch in dieser „Übungssonate“ eine große Spannung aufbaute, wie ihm jeder Ton, jede Note wichtig war. So kam mir manches an dieser Sonate neu vor, klang nichts beliebig.
    Diejenigen, die ihn nicht kannten, mögen sich vielleicht gewundert haben, dass er ein „attacca“-Spieler ist, der alles vor der Pause und nach der Pause attacca spielt, jedenfalls zwischen zwei Werken und häufig auch zwischen den Sätzen keine Pause macht.

    2. Fantasie c-moll KV 475

    Spieldauer ca. 14 min.;


    Attacca begann er die Fantasie, und hier erlebte ich die zweite Überraschung. Da ich ja etliche Einspielungen verschiedener Pianist von dieser Fantasie habe, weiß ich auch, dass sich hier große seelische Dramen in der Musik abspielen können.
    Die spielen sich auch hier ab, bei Sokolov, aber nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, wenn man ihn für den Prototyp „russischer Bär“ hält, mit großer dynamischer Wucht, sondern, wie ich finde, viel subtiler. Bei ihm wirkt der komponierte Schmerz intensiv durch verhaltene, ausdrucksvolle Dynamik und erfahren die schmerzhaft schön gespielten lyrischen Passagen ein große musikalische Tiefe.

    3. Sonate Nr. 14 c-moll KV 457

    Spieldauer: ca. 25 min.;


    Auch hier beginnt er attacca. Wer die Sonate nicht kennt, könnte am Anfang glauben, Sokolov wiederhole die Fantasie, so spannt er den Bogen weiter über die Sonate, die er auf gleicher Höhe sieht wie die Fantasie.
    Auch hier macht Sokolov durch das moderate Tempo deutlich, für wie gewichtig er die Sonate insgesamt, aber auch den Kopfsatz hält, den er auf gut 10 Minuten ausdehnt. Nicht nur im c-moll-Hauptthema, sondern auch in den beiden Nebenthemen, die in Es-dur stehen, wird eine latente Nervosität sicht- und hörbar, die Sokolov auch durch die kleinsten dynamischen und rhythmischen Bewegungen erfahrbar macht. Christian Zacharias ist da um gut zwei Minuten schneller.
    Auch in der kurzen Durchführung wird der Fluss unterbrochen, was im Sokolovschen Gestus noch weitaus gewichtiger klang als bei Zacharias im vergleichenden nachhören. Ich habe Zacharias zum Nachhören genommen,weil er für mich einer der führenden Mozartpianisten der Gegenwart ist. Sokolov jedoch dehnt den dramatischen Furor in der Reprise noch weiter aus als Zacharias und macht deutlich, welches Gewicht Mozart für ihn in dieser Sonate hat, de ähnlich wie das bald darauf folgende c-moll-Konzert KV 491 weit in die Zukunft vorausweist. Am Ende trägt er die ähnlich wie schon öfter bei Beethoven gehörte wundersame kurze Coda stark in den Bass absteigende und dynamisch verhauchende Melodielinie in atemberaubender Manier vor.


    Auch im Es-dur-Adagio ist Sokolov wiederum gut 2 Minuten langsamer als Zacharias: Und auch hier zeigt Sokolov auf der ganzen Linie sein großes lyrisches Können und folgt ein weiteres Mal seinem Credo, möglichst weit zum musikalischen Kern eines Stückes vorzudringen, indem er der Musik den ihr gebührenden zeitlichen Rahmen einräumt. Dabei lässt er keine Sekunde den Spannungsbogen sinken, und im Saal ist es mucksmäuschenstill, und selbst die (nicht so zahlreichen Erkälteten wie in Köln) halten inne. Dabei ist es schwierig, sich das Husten, Räuspern und was auch immer für die Pausen aufzuheben, denn Sokolov macht keine Pausen. Dass auch Mozart seine Sätze nicht immer nach 08/15-Sonatensatz-Methode aufbaute, macht die Rondoform dieses langsamen Satzes deutlich. Da muss schon ein Langsamspieler vom Schlage eines Grigory Sokolov kommen, der das Ganze so spannungsreich spielt, dass es nicht langweilig wird.
    Auch hier im Adagio gibt es reichlich dynamische Bewegungen, bei Sokolov sowieso, aber auch bei Zacharias. Und Mozart gehen ja nie die musikalischen Formen aus, er überrascht immer wieder, zumal in diesem Adagio.


    Im dynamischen und auch temporal äußerst kontrastreichen Finale, ebenfalls einem Rondo, nimmt Sokolov den von Mozart gesponnenen dramatischen Faden wieder auf, auch wenn er das nicht ganz so rasch tut wie Zacharias, sondern auch hier eine gute Minute langsamer ist. Auch wird gleich zu Beginn deutlich, dass das Synkopieren keine Erfindung von Beethoven ist. Auch hier ist wie im Kopfsatz ein lyrischer Seitensatz zu finden, den Sokolov auch temporal sehr kontrastreich spielt, wenn auch nicht so ganz überspitzt wie Zacharias, aber mindestens so spannungsreich. Und immer wieder diese insistierenden Synkopen- herrlich! Selbst das langsamen Verharren mit langsam seufzerähnlichen Wiederholungen muss schon sehr spannungsreich gespielt sein, wie wir es gestern hören konnten, und wie es auch der zum Vergleich herangezogenen Christian Zacharias tut.


    Am Ende des ersten Teils stellen wir fest, dass wir 50 Minuten hochspannenden, auch über weite Teil dramatischen Mozart, nahezu ohne die geringste Unterbrechung gehört haben, und ich bin nicht der Meinung, dass die Sonate zu sehr im Schatten der Fantasie gestanden habe, wenn sie nach der Fantasie gespielt würde, wie es laut dem Autor des Programmheftes, Jens Hagestedt, studierter Philosoph, Literatur- und Musikwissenschaftler, namhafte Interpreten wie Artur Schnabel, Edwin Fischer und Alfred Brendel gesagt hätten. Zumal ist das hier bei Sokolov nicht der Fall gewesen, worüber sich das Publikum völlig einig war. Selbst zum Pausenapplaus kam Sokolov dreimal wieder auf die Bühne.


    Weil es so viel auch über Mozart zu sagen gab, kommt der Bericht über Beethoven erst im nächsten Beitrag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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