Dr. Pingel´s musikalische Perlen vor Bach


  • Hier darf Heinrich Schütz mit seinen weltlichen Kompositionen, mit durchaus sinnesfreudigen Texten, nicht unerwähnt bleiben. Der Mann hatte es wirklich "drauf"! Und ohne weitere Aufnahmen dieser Werkgattung von Schütz zu kennen, Vergleiche mir also nicht möglich sind, ist diese Einspielung mit der WESER RENAISSANCE unter Manfred Cordes eine sehr unterhaltsame und erfreuliche Bekanntmachung mit diesem Teil des Schütz-Werkes.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Ich habe diese CD seit 17 Jahren, und während eines bitteren Krankenhausaufenthaltes im Jahre 2000 war sie ein großer Lichtblick. Hier ist die Weserrenaissance mit ihrer relativ kleinen Besetzung auch in ihrem Element. Mein Lieblingsstück: "Als Salomo in seinem Bette..."

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Danke, lieber Dottore, da müssen wir uns doch beim nächsten Treffen mal wieder dem Sagittarius zuwenden. Der Meister und seine Zeitgenossen sind doch immer wieder eine "musikalische Sause" wert...


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Nicht direkt VOR Bach (aber immerhin vor Bach gestorben) und zumindest in England mit ähnlichem Status wie Bach ausgezeichnet ist Henry Purcell.


    Hier singen die King´s Singers seine sehr schöne Komposition: If music be the food of love




    Es ist die Formation der King´s Singers, die für mich die bisher beste Zusammenstellung waren, die heutigen sind vollständig andere Leute.

  • Nicht direkt VOR Bach (aber immerhin vor Bach gestorben) und zumindest in England mit ähnlichem Status wie Bach ausgezeichnet ist Henry Purcell.

    Als Purcell starb, war Bach zehn Jahre alt und hatte noch nichts Bedeutendes komponiert. Ich finde, dass Purcell sogar ganz direkt vor Bach war.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Als Purcell starb, war Bach zehn Jahre alt und hatte noch nichts Bedeutendes komponiert. Ich finde, dass Purcell sogar ganz direkt vor Bach war.


    Na gut, Definitionsfrage. Sie haben überlappt gelebt, aber nur wenig überlappt, das kann man gerne auch als "vor" bezeichnen.

  • Thomas Tallis, If you love me, Cambridge Singers - und eine sehr passende Animation, wie ich finde



    Enthalten auf der besten mir bekannten Chor-CD


  • Barbara Strozzi (1619-1677) war die Adoptivtochter des Dichters und Juristen Giulio Strozzi, der eine musikalische Akademie gründete, bei der auch seine Tochter mit eigenen Werken auftrat. Ihre Lehrer waren u.a. Cavalli und Cesti.


    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)


  • Francesca Caccini (1587-1640, Florenz), die Tochter des Komponisten Giulio Caccini, war Sängerin ("La Cecchina - das Vögelchen"), Instrumentalistin (Laute und Cembalo) und Komponistin. Von ihr ist die erste Oper einer Frau, "La liberazione di Ruggiero dall´isola d´Alcina".




    Nach dem Tode ihres Vaters war sie neben Jacopo Peri die bedeutendste Musiker-Persönlichkeit am Medici-Hof.
    Bei YouTube ist sie gut vertreten. Ich zitiere hier mein Lieblingsstück "Oh che nuovo stupor".

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Das schönste Stück aus Purcells Semi-Opera "The Fairy Queen": If Love's a Sweet Passion.


    Hier aus der zu Recht viel gerühmten Produktion der English National Opera aus den 90ern:



    If Love's a Sweet Passion, why does it torment?
    If a Bitter, oh tell me whence comes my content?
    Since I suffer with pleasure, why should I complain,
    Or grieve at my Fate, when I know 'tis in vain?
    Yet so pleasing the Pain, so soft is the Dart,
    That at once it both wounds me, and tickles my Heart.


    I press her Hand gently, look Languishing down,
    And by Passionate Silence I make my Love known.
    But oh! I'm Blest when so kind she does prove,
    By some willing mistake to discover her Love.
    When in striving to hide, she reveals all her Flame,
    And our Eyes tell each other, what neither dares Name.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Was für eine wunderbare Musik, dazu noch in einer überzeugenden Aufnahme! :D

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich habe nochmal was von Arcadelt: Da bei rami scendea, interpretiert vom Mirandola Ensemble. Vor allem die Akkorde, die sich zwischendurch mal sehr reiben, sind interessant. Zum Schluß endet es aber wieder in einer wunderbaren Harmonik.



    Der kleine Fleck direkt unterhalb verlinkt auf die CD.

  • Sheppard: Libera nos I


    Von der Renaissance der englischen Tudor-Musik profitierte John Sheppard erst relativ spät, trotz der Bemühungen des Westminster Cathedral Choirs oder der Clerkes of Oxenford. Ein beträchtlicher Teil Teil von Sheppards Motetten ist nur fragmentarisch überliefert - der fraglichen Sammlung aus einem Oxforder College fehlen die Tenorpartien. Da diese in der Regel den Cantus firmus tragen, gelten sie freilich als rekonstruierbar. Schwieriger wäre die Situation im Falle der ersten von zwei siebenstimmigen „Libera nos“-Vertonungen gewesen, da hier der der c.f. eigentümlicherweise im Bass erklingt, welcher somit eine im doppelten Sinne tragende Rolle übernimmt. Allerdings ist dieses Werk in einer anderen Quelle überliefert, was ihm wohl eine ungebrochene Aufführungstradition und somit eine höhere Popularität gewährte.


    https://youtu.be/Qc-Gva7h3dI


    Über dem statischen Bassfundament durchwirken sich in dichter, unregelmäßiger Imitation sechs weitere Stimmen: zwei Treble, zwei Altisten und zwei Mean. Diese Diskantlastigkeit und der damit einhergehende weite Ambitus sind durchaus bezeichnend – ebenso wie der unorthodoxe Umgang mit den harmonischen Konventionen. Sheppard neigt generell dazu, natürlichen und erhöhten Leitton nebeneinanderzustellen (und somit „ modusfremde“ Klänge zu erzeugen), im „Libera nos“ sogar zeitgleich. Daneben wird diese Motette von Quintparallelen und unvorbereiteten harmonischen Septimen geprägt. Ihre sehnsüchtige klangliche Schönheit ist also nicht zuletzt ein Verdienst der Dissonanz!


    Vom Komponisten wissen wir wenig. Das Geburtsjahr ist nicht bekannt, doch herrscht sogar über den Zeitraum des Todes Verwirrung . Einerseits wird von seiner Bestattung im Jahr 1558 berichtet, andererseits taucht der Bestattete im folgenden Jahr während der Krönung Elizabeths I. wieder auf. Bei einem Musiker dieser Zeit stellt sich da zwangsläufig die Frage: „Shawm of the Dead“?


    Zwei Ensembles waren mit Sheppard verbunden und existieren [ebenfalls?] noch immer. Beim Magdalen College war Sheppard wiederholt als „Informator choristarum“ tätig - der Chor gehört heute zu den fünf traditionellen „Oxbridger“ Knabenchören. Auch die Chapel Royal, als deren Mitglied er seit 1552 verzeichnet war, ist noch am St. James‘s Palace – der offiziellen, wenn auch nicht mehr faktischen Königsresidenz - angesiedelt . Da von keinem dieser Chöre eine offizielle Aufnahme vorliegt, die gemischten Ensembles, wie beim obigen Beispiel, aber zugleich zu übergroßer Glätte neigen, sei ein anderer königlicher Chor zu Gehör gebracht. Er singt in St. George’s , der Hauskapelle von Windsor Castle. Da gesellt sich zur „authentischen Besetzung“ die Akustik der zeitgenössischen Perpendicular-Architektur, die, ähnlich wie die spätmittelalterliche englische Dichtung der „Pearl“ -Tradition, ein auffallendes Äquivalent zur Kunstauffassung Sheppards darstellt. (Der geneigte Hörer möge die ersten zwei Minuten des folgenden Videos überspringen, sofern Herr Rutter nicht demonstrieren soll, dass 500 Jahre Musikentwicklung obsolet sein können…):


    https://youtu.be/8DRjTZsMPL8?t=2m

  • Lieber Gombert,


    der Sheppard ist tatsächlich interessant, insbesondere auch die Rekonstruktionsgeschichte des Libera nos. Die Version mit The Sixteen (ein Superchor) gefällt mir besser als die zweite.


    Ebenfalls eine spannende Rekonstruktionsgeschichte (inklusive Mozart und einem Übertragungsfehler im Jahre 1951, siehe Wikipedia, auch Pingel hat bereits auf den Beitrag dort verwiesen) hat eines der wohl profiliertesten Stücke vor Bach, eine der ganz dicken Perlen, das Miserere von Allegri, hier in einer epochalen Version, die auch bald 40 Jahre nach ihrer Entstehung immer noch eine Referenz ist: Die Tallis Scholars aus dem Jahre 1980 - das Stück ist schon an verschiedenen Stellen im Forum erwähnt worden, gehört aber auch definitiv hier hin.


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  • Ich hatte den Arcadelt in Beitrag 103 einigermaßen gescreent, um nicht völligen Blödsinn zu erzählen, ohne aber das ganze Potential festzustelllen:


    ab 1:45 entwickelt sich ein solch perfekter Fluß der verschiedenen Stimmen, den ich inzwischen bestimmt über 100 mal gehört habe, daß sich in diesen wenigen Takten nicht nur eine "wunderbare Harmonik", sondern die ganze Genialität der Renaissancemusik widerspiegelt.

  • Richard Farrant (1525 - 1580)


    Lord for thy tender mercy sake - Ecco, Lexington, Kentucky



    in einer noch besseren Version ebenfalls auf der oben verlinkten CD (Beitrag 98) der Cambridge Singers enthalten.

  • "Vox Luminis" höre ich oft bei YouTube. Wenn du mal in meinen Satire-thread reinschaust, habe ich einiges eingestellt, aber nur, weil einer Sänger (der kleinste) aussieht wie Messi. Dazu gibt es einen extrem Langen, ist das der Leiter?

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Ein tolles Ensemble - auch wenn Lionel Messi hier nicht spielt, sondern in Barcelona!

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Knapp vor Bach geboren, knapp vor Bach gestorben, also vor Bach:


    Antonio Lotti: Crucifixus, unbestreitbar eine Perle



    Das haben wir in unserem letzten Konzert gesungen; wirklich ein beeindruckendes Stück.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Cher dottore,


    ich setze mich gerade dafür ein, daß wir das Stück in meinem Chor auch ins Programm nehmen.



    Hier aber eines der imho besten Stücke von John Dowland: Come again, gleich in zwei perlenden Ausführungen:


    , fantastisch klarer Sopran ohne Fensterzerschmetterattitüden


    , toller Tenor

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  • Thomas Morley (1558 - 1602), Now is the month of maying, King´s Singers


    Auch einer der besten Chöre auf der ganzen Welt scheut sich nicht, umfangreiches lalala zu singen. Und es ist ansteckend.


  • Besagter Thomas Morley hat ein weiteres berühmtes Stück komponiert: April is my Mistress face


    Gute Umsetzung durch die Neue Wiener Stimmen



    Auch der Text ist bemerkenswert:


    April is in my mistress’ face,
    And July in her eyes hath place;
    Within her bosom is September,
    But in her heart a cold December.

  • Eines seiner schönsten Lautenlieder John Dowlands ist m.E. Now, o now I needs must part, hier exzellent dargeboten von Les Canards Chantants. Und ein unterhaltsames Filmchen gibt es dazu.


  • Meine Beispiele mit musikalischen Perlen sind möglicherweise wegen der zeitlichen Nähe zu Bach hier fehl am Platze, ich poste sie dennoch hier. Es sind Ausschnitte aus Johann Georg Conradis (1645-1699) Oper "Ariadne" (Die schöne und getreue Ariadne), die 1691 im Hamburger Theater am Gänsemarkt uraufgeführt wurde. Die Musik hat mich derart begeistert, dass ich sie in meine persönliche "Unverzichtbaren"-Liste aufgenommen habe.


    Hier sollte eigentlich eine etwas längere Szene, sozusagen das Finale des ersten Aktes, mit Jan Kobow (als Theseus' Diener Pamphilius) gepostet werden, aber Youtube hat von dieser Buffo-Szene kein Beispiel. Schade, denn Kobow ist da nicht nur sängerisch überzeugend, sondern präsentiert sich auch mit großer und hörbarer Spiellaune!


    Aber die Sängerin der Titelpartie, die Sopranistin Karina Gauvin, ist sowas von gut, dass ich ihre YT-Beispiele den interessierten Musikfreunden als Perlen nicht vorenthalten möchte - und das wahrlich nicht als "Lückenbüßer"!





    :hello:

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