Brahms: Serenaden Nr.1 und 2

  • Hallo Brahms-Freunde,


    was haltet ihr eigendlich von den Serenaden Nr.1 op.11 und 2 op.16 von Johannes Brahms ???


    Beide Werke sind von Brahms sinfonisch im vorbildlichen Sinne für Haydn angelegt, quasials Studie für eine Sinfonie.
    Brahms wollte die Stücke auch zuerst "Sinfonien" nennen, wählte dann doch die Bezeichnung Serenade.
    Die erste Sereande besteht aus 6 Sätzen, davon 2 Scherzi ! Die ersten drei Sätze sind groß angelegt (1.Satz <12Minuten; 2.Satz <7Minuten; 3.Satz <14Minuten), sodaß die Bezeichnung Sinfonie nicht verfehlt gewesen wäre.


    Die zweite Serenade besteht aus 5 Sätzen und wirkt auf mich nicht so stürmisch bewegt, wie Nr.1.


    Nach mehr als 10Jahren habe ich mich diesen Werken wiedermal zugewendet. Dazu habe ich absichtlich eine andere neugekaufte Aufnahme verwendet und nicht meine alte mit Haitink / CGO Amsterdam (Philips 1978-80 ADD).
    Haitink hatte mich damals mehr gelangweilt, obwohl er in seiner Interpretation einen sinfonischen Gesamtklang bietet, wie ich jetzt nochmal nachverifiziert habe.


    :] Von ganz anderer Spielfreude gekennzeichnet ist die Aufnahme mit Istvan Kertez auf Decca von 1967. Diese vermag direkt von Anfang an zu fesseln, zu erfeuen und zu begeistern. Die damals empfundene Langeweile ist wie weggeblasen. Strukturen werden wunderbar herausgearbeitet - kurz und bündig einfach eine Klasse Interpretation von Kertez.
    Die Klangqualität ist sehr natürlich und durchsichtig und besser als die 10Jahre jüngere Haitink-Aufnahme.



    Serenaden Nr. 1 & 2
    London SO, Kertesz
    DECCA, 1967 ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Sagitt meint:


    Die haben mir immer gefallen-allerdings nicht so ein Wunder, wenn man so Brahms-begeistert ist, wie ich. Meine erste Aufnahme war diejenige der ersten mit Abbado und den Berlinern, heute noch gerne gehört. Dann habe ich eine mit Bertini und im NDR wird regelmässig die zweite , nein Auszüge davon, wir sind ja im Häppchen-Rundfunk, in einer Interpretation von Bernstein gespielt.
    Ich werde meine Aufnahmen nochmals zusammensuchen und dann Kunde geben.

  • teleton


    Habe mir die Kertesz-Aufnahme eher versehentlich zugelegt. Habe beim Bestellen nicht ordentlich geschaut und gedacht es handle sich um die Dvorak-Serenaden. Seitdem liegen sie herum. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich sie in baldiger Bälde mal hören werde. zumal sie mir beim kurzen Anhören sehr interessant erschienen.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Hallo,
    die beiden Serenaden gibt es auch für Bläser-Ensemble.
    Soviel ich weiß,ist op.11 im Original für Nonett.
    Es gibt,oder gab beide Serenaden in Aufnahmen
    mit dem Linos-Ensemble.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,


    das stelle ich mir aber grausam vor fast 40Minuten dieses Getute und Geblase ertragen zu müssen. :D


    8) Nein, die Serenade Nr.1 op.11 lieber nur in der Originalfassung mit Orchester !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Sagitt meint:


    Es ist bei Brahms ja häufig so, erarbeitet sich in die grösseren Formen langsam vor, indem er Versionen für kleinere Besetzungen entwickelt.
    Natürlich ist alles Geschmackssache,aber ich finde die Linos-Version ( nach meiner Kentnis nur von der ersten Serenade) sehr anhörenswert. Diese Reihenfolge,Hören und dann Werten, ist ja nicht falsch.


  • Ich höre gerade die brandneu erschienene Aufnahme der Capella Augustina mit Dirigent Andreas Spering (historische Instrumente) - sehr schön, da kommt instrumental einiges in die Balance, was mit modernem Instrumentarium in der Orchesterversion etwas dick klingt. Vor allem der 1. Satz der 1. Serenade, hier etwas schneller als in anderen Aufnahmen, ist metrisch besser konturiert.
    Das Orchester ist wie im 19. Jahrhundert dimensioniert. Die dynamischen Unterschiede zwischen den Sätzen kommen mit diesem Instrumentarium fantastisch gut zur Geltung.


    Mir sind diese Stücke leichter zugänglich als die Symphonien Brahms', muß ich zugeben ... ist ja auch etwas "leichtere" Musik.


    Kennt jemand hier MacKerras' Aufnahme? Seine Symphonien gefallen mir gut, weshalb seine Serenaden auf meiner Wunschliste stehen.



    Daneben habe ich noch die Aufnahmen mit der Westdeutschen Sinfonia unter Dirk Joeres, und die Kammer-Versionen mit dem Linos- bzw. Scharoun-Ensemble - kann ich alle empfehlen, aber die neue mit Spering ist durchsichtiger, was dem Charme der Musik sehr gut bekommt.

  • Hallo,
    ich muss gestehen ich kenne nur die Kertesz-Aufnahme.
    Scheint wohl Zeit für eine Alternative :wacky:


    Kennt jemand eine Aufnahme die in deutscher Orchesteraufstellung gemacht wurde?
    Wenn schon denn schon :pfeif:


    :hello:
    embe

  • Zitat

    Original von embe
    Kennt jemand eine Aufnahme die in deutscher Orchesteraufstellung gemacht wurde?
    Wenn schon denn schon :pfeif:


    Lieber embe, lieber Miguel,


    genauuuu...


    Da MacKerras mit seinem Scottish Chamber Orchestra die vier Sinfonien in der deutschen Aufstellung eingespielt hat, besteht kein Grund zu zweifeln, dass dies auch für seine Einspielung der Serenaden gelten wird.

    J. Brahms, 1. + 2. Serenade, Charles MacKerras, Scottish Chamber Orchestra


    Zumindest die erste Serenade wird MacKerras in deutscher Aufstellung spielen. Da die zweite Serenade auf alle Geigen verzichtet und die Bläser durch Bratsche, Cello und Bass begleiten lässt, kommt hier eine deutsche Aufstellung im eigentlichen Sinne ja nicht in Betracht.


    Die Zahl der Bearbeitungen, insbesondere der ersten Serenade, ist erstaunlich, wozu ja auch Brahms selbst seinen Beitrag geleistet hat. Die (rekonstruierte) Nonettfassung ist allerdings quasi eine Vorstufe des uns heute bekannten Orchesterwerks.


    Ich hatte die Aufnahme früher und habe sie als sehr gut in Erinnerung, klar durchleuchtet, gut ausgewogen, sehr schön ausgespielt. Ob sie jetzt deutsch aufgestellt war, erinnere ich nicht, und im Plattenladen habe ich sie heute nicht gefunden, leider, aber wie gesagt ... (siehe oben). MacKerras lässt mit modernem Instrumentarium spielen, aber in einer der Entstehungszeit um 1860 entsprechenden Orchestergröße und -zusammenstellung.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von embe
    Kennt jemand eine Aufnahme die in deutscher Orchesteraufstellung gemacht wurde?


    Soweit ich hören kann, lässt auch Spering die 1. Serenade in deutscher Aufstellung spielen - ich habe ihn mit Das Neue Orchester und Werken von Mendelssohn auch mal live erlebt, da war es ebenfalls deutsche Sitzordnung - sehr schön! Sozusagen Breitwand-Sound!


  • Das Beiheft gibt leider keine Auskunft über die Art der Orchesteraufstellung. Und heraushören kann ich es mit meinen beschränkten Ohren und meiner ebenfalls beschränkten Anlage nicht.


    Wie auch immer, auch mir gefällt diese Mackerras-Aufnahme ausgesprochen gut. Ulrich hat sie ja schon sehr treffend beschrieben. Wenn ich die Serenaden höre, sehe ich immer das fürstlich-lippische Schloss in Detmold vor mir, in dem Brahms sie komponiert hat. Als Jugendliche habe ich im angrenzenden Schloßpark allerdings etwas andere Musik gehört... :beatnik:


    Mit Gruß von Carola

  • Zitat

    Original von Carola


    Wenn ich die Serenaden höre, sehe ich immer das fürstlich-lippische Schloss in Detmold vor mir, in dem Brahms sie komponiert hat. Als Jugendliche habe ich im angrenzenden Schloßpark allerdings etwas andere Musik gehört...


    Hallo Carola,


    kommst du denn aus Detmold (wie ich z. B.)?


    Wusste nicht, dass Brahms die Serenaden in seiner Detmolder Zeit komponiert hat. Jetzt werde ich sie mit mehr Ehrfurcht hören! Die oben genannte Kertesz-Aufnahme habe ich mir heute gekauft, bis dahin kannte ich nur eine Aufnahme der 1. Serenade mit Michael Tilson-Thomas, die mir gut gefällt, die ich aber mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht wirklich bewerten kann. Werde den Vergleich zu Kertesz aber in den nächsten Tagen vollziehen.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)


  • Ich zitiere aus dem Harenberg-Konzertführer: "In den Herbst- und Wintermonaten des Jahres 1857-59/60 weilte der junge Brahms als Gast des Fürsten Paul Friedrich Emil Leopold jeweils am lippischen Hof in Detmold, um einer jungen Prinzessin Unterricht im Klavierspiel zu erteilen und den Singverein zu leiten. Das verschlafene Städtchen bot ihm nach dem Zusammenbruch seines ersten Sinfonie-Plans die nötige Muße, seine kompositorischen Ideen neu zu überdenken. Es erschien ihm ratsam, zunächst einmal auf eine weniger verpflichtende Gattung, die Serenade zurückzugreifen..."


    Das "verschlafene Städtchen" kommentiere ich mal besser nicht...


    Hallo Draugur, ja, ich bin in Detmold geboren und aufgewachsen.


    Mit Gruß von Carola


    PS. So sah das Detmolder Schloß, in dem Brahms die Serenaden komponiert hat, um 1910 aus - eine Abbildung aus dem 19. Jahrhundert habe ich leider nicht finden können.


  • Heute habe ich mich mit den Serenaden unter Mackerras mal näher beschäftigt.


    Was mir auffällt ist, dass in der ersten Serenade ein ausgesprochen kleiner Streicherkörper verwendet zu werden scheint, ausserdem wird eher vibratoarm musiziert, was schon deutlich in Richtung HIP weist.


    Unsicher bin ich beim Blech - und auch hier schweigt das extrem dürftige Booklet sich leider aus: für mich klingt das nach modernen Holzbläsern, Streichern eventuell mit Darmsaiten (?) und altem Blech, vor allem Hörnern ohne Ventile. Die Vermutung hege ich aufgrund der sehr eigenwilligen Intonation bei einigen schwierigen Horntönen und der Tatsache, dass einige chromatische Zwischentöne nur gestopft angegeben werden können.


    Kann da jemand eventuell etwas zu sagen?


  • Interessante Neuigkeit, lieber Norbert,


    wie würdest Du diese neue Chailly-Aufnahme mit dem Gewandhausorchester Leipzig mit der
    Kertesz-Aufnahme mit dem LSO (Decca) = mein Favorit; im Vergleich beurteilen, falls Du diese kennst ?


    Nach Kertesz habe ich nie mehr einen Grund gesehen eine andere Aufnahme von den Serenaden Nr. 1 und 2 haben zu müssen ...
    :!: Mir gefällt übrigens die Serenade Nr.1 besser, da diese weniger schwermütig ist und wahre Lebensfreude mit einhergehender Kurzweiligkeit ausstahlt. Bis heute bedauere ich es, das Bernstein in seiner Discografie bei den Sinfonien-Aufnahmen mit den New Yorker PH (SONY) nur die Serenade Nr.2 vorgelegt hat (die ich auch besitze).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich bin kein großer Freund der Sinfonien-Einspielungen von Chailly. Im Opernbereich sieht es da schon etwas anders aus. Aber ich sperre mich nicht gegen ihn. Jede neue Einspielung unter seiner Leitung gelangt also an mein Ohr.


    Leider gerieten die Serenaden von Brahms doch etwas zu schwerfällig, verglichen mit den Aufnahmen unter Kertesz. Allerdings haben auch diese das Manko, dass jeweils ein zu großes Orchester am Wirken ist.


    Referenzen sind und bleiben bis dato die auch hier bereits erwähnten Aufnahmen unter Sir Charles Mackerras und die unter Spering!



    :hello: LT


  • Interessante Neuigkeit, lieber Norbert,


    wie würdest Du diese neue Chailly-Aufnahme mit dem Gewandhausorchester Leipzig mit der
    Kertesz-Aufnahme mit dem LSO (Decca) = mein Favorit; im Vergleich beurteilen, falls Du diese kennst ?


    Nach Kertesz habe ich nie mehr einen Grund gesehen eine andere Aufnahme von den Serenaden Nr. 1 und 2 haben zu müssen ...
    :!: Mir gefällt übrigens die Serenade Nr.1 besser, da diese weniger schwermütig ist und wahre Lebensfreude mit einhergehender Kurzweiligkeit ausstahlt. Bis heute bedauere ich es, das Bernstein in seiner Discografie bei den Sinfonien-Aufnahmen mit den New Yorker PH (SONY) nur die Serenade Nr.2 vorgelegt hat (die ich auch besitze).


    Lieber Wolfgang,


    ich habe nachgeschaut, und da die Serenaden auf der Gesamtaufnahme enthalten sind, besitze ich sie tatsächlich. Um Deine Frage beantworten zu können, werde ich sie mir demnächst wieder zu Gemüte führen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Fast speziell für teleton habe ich mir gerade die 1. Serenade, interpretiert von Kertesz, angehört.



    Es ist unterm Strich eine durchaus gelungene Aufnahme, die den heiteren Charakter der Serenade durchaus betont, aber im dritten Satz (Adagio non troppo) auch "gesangliche", gefühlvolle Töne anschlägt.


    Allerdings: Vergegenwärtigt man sich die von Brahms geforderte Besetzungsstärke (zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, vier Hörner, zwei Trompeten, Pauken und Streicher) klingt es mir bei Kertesz "etwas zu groß". Das gleiche gilt übrigens für die 2. Serenade, die ich gerade höre. Hier schrieb Brahms folgendes vor:

    Zitat

    Die 2. Serenade ist für kleines Orchester gesetzt und spart die Violinen aus: Piccoloflöte, zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, zwei Hörner in E, Bratschen, Violoncelli und Kontrabässe. Das Piccolo wird nur im Schlussrondo eingesetzt. Brahms selbst empfahl eine Streicherbesetzung mit 8 oder mehr Bratschen, 6 Celli und 4 Kontrabässen.

    (Wikipedia entnommen)


    Es klingt zumindest nach einem größeren Orchester. Bei Michael Tilson Thomas, dessen Aufnahme ich gestern hörte, hatte ich dieses Empfinden nicht.


    Zugegeben, Tilson Thomas' Aufnahmen entstanden über 30 Jahre nach denen von Istvan Kertesz (die 1967 eingespielt wurden). Es kann also auch durchaus an den Fortschritten der Aufnahmetechnik liegen, daß Tilson Thomas' Interpretationen "filigraner", "schlanker", klingen.


    Zu Chailly im Vergleich folgt mehr, nachdem ich mir seine Neuaufnahme noch einmal angehört habe.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


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    Gustav Mahler


  • Die Streicherbesetzung, die Brahms für die 2. Serenade vorschlägt, kommt mir sogar relativ groß vor. Ich meine ich hätte die schon mal mit solistischer? oder jedenfalls sehr reduzierter Besetzung gehört, nicht mit ca. 20 Streichern.
    Die 4 Hörner, sowie Trompeten und Pauken der 1. Serenade verlangen ungefähr eine Streicherbesetzung wie eine normale Sinfonie von Brahms (da kommen nur Posaunen und ggf. noch Kontrafagott dazu). Ich kenne Kertesz' Aufnahme nicht (besitze Tilson Thomas und Stokowski für die 1., Spering und die bei Arte Nova für beide), aber die erste Serenade kann und sollte durchaus "sinfonischen" Klang haben, während ich die zweite eher kammermusikalisch sehe...

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

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  • Es ist vielleicht auch eine Sache des Geschmacks, aber ich beispielsweise sehe bei der ersten Serenade, von der Besetzung der Bläser ausgehend, eher ein Beethoven- als ein Brahms-Orchester.
    Okay, vielleicht nicht gerade der Beethoven der 1., 2. oder 4. Sinfonie, aber in die Serenaden fließen Brahms' Studien der Mozart-Serenaden und Haydn-Sinfonien mit ein. "Mein" Standpunkt und mein Verständnis der Serenaden geht eher von der Klassik aus als daß der "Sinfoniker Brahms" hier schon fast vorweggenommen wäre. Für letzteres ist das 1. Klavierkonzert, das in etwa zeitgleich mit den Serenaden entstand, als "Vergleichsobjekt" geeigneter.


    Es ist natürlich rhythmisch und motivisch der Sinfoniker Brahms eindeutig hörbar, aber der Serenadencharakter darf nicht zu kurz kommen.


    Und damit zu teletons Ausgangsfrage: Kertesz ist gut, Chailly ist besser.


    Meiner Charakterisierung in dem von Dir zitierten Beitrag habe ich nichts hinzuzufügen.


    Natürlich klingt Chaillys Aufnahme auch besser als die von Kertesz, welche für 1967er Verhältnisse sehr gut eingefangen wurde, aber Chailly ist in Bezug auf Temperament, Ausgewogenheit zwischen den Instrumentengruppen, Transparenz des Orchesterklangs (das Gefühl des zu großen Streicheraufgebots habe ich hier nicht) und auch Virtuosität des Orchesters überlegen.
    Die Tempi bei Chailly sind durchweg schneller, aber nur im Adagio non troppo der 1. Serenade unterscheiden sie sich deutlich von denen Kertesz' (Chailly 9'56'' zu Kertesz 14'05''). Dennoch wirkt kein Tempo für mich unpassend oder gar verhetzt. Durch die große Virtuosität des Gewandhausorchesters wirken beide Serenaden spielerischer, leichtfüßiger, filigraner.


    Da Dir, wenn ich mich korrekt entsinne, Chaillys Beethoven-Aufnahmen gut gefallen haben, wirst Du sicherlich auch hier Deine Freude haben.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


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  • Danke für Deine aufschlussreichen Eindrücke zu Kertesz und Chailly im Vergleich, lieber Norbert,


    Du hast recht, dass das eine Geschmacksfrage ist und in einem denke ich, dass die Kertesz-Aufnahme (Decca) für mich der Glücksfall ist hier eine, wie ich finde, angemessen grosse Orchesterbesetzung zu hören.
    Ich denke darüber anders:
    Brahms hielt sein beiden Serenaden nicht nicht für reif, diese (besonders nach Beethoven im Hinterkopf !!!) als Sinfonien zu bezeichnen. Er wählte nur deshalb die Bezeichnung Serenade. Es sind praktisch Vorläufer seiner Sinfonien zur Übung. Von daher finde ich es sehr gut auch die entsprechende Orchesterbeseztzung zu wählen.
    :!: Ich stelle es für mch stark in Frage, dass ich jetzt nach der Kertesz-Prägung überhaupt gefallen an einer schwächer bestzten Aufnahme finden könnte, da gerade die Serenade Nr.1 schon sehr sinfonische Eigenheiten aufweist.


    8o Aber was Du über die neue Chailly-Aufnahme schreibt, mit der virtuosen und sehr flotten Herangehensweise (siehe die Spielzeiten) und eben der nicht zu kammermusikalischen Streicherbesetzung macht mich auch auf diese Aufnahme sehr neugierig !



    Ich hatte als Erstaufnahme vor vielen Jahren, die sehr emotionslose flach klingende Haitink-Aufnahme (Philips). Zu dieser Zeit konnte ich noch nihct so viel Gefallen an diesen Brahms-Übungssinfonien = Serenaden finden, was sich unter Kertesz schlagartig geändert hatte ! :hail: Was Interpretationen ausmachen ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Stimmt, lieber Wolfgang, was Interpretationen so ausmachen...


    Beide Serenaden hatten für mich bisher ein "Schattendasein" geführt so wie z.B. die "Haydn-Variationen".
    Durch Chailly entdecke ich jedoch, wie viel Schwung und Raffinesse in beiden Serenaden, ibs. der ersten, stecken.


    Ich denke, als Ergänzung zu Kertesz ist Chailly sehr gut geeignet. Man lernt die Serenaden stellenweise neu kennen, weil Chailly die schnellen Tempi nicht nur "herunterspielt", sondern auch den Charme und den Esprit der Werke betont.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich muss gestehen, dass ich die beiden Serenaden von Brahms kaum kenne. Heute ist mir eine frühe Abbado-Aufnahme mit den Berlinern untergekommen. Hat mir gefallen.

  • Ich gestehe, daß ich bis heute keine der beiden Brahms Serenaden gehört habe. Vielleicht lag das daran, daß ich seinerzeit zu den Sinfonien nur langsam Zugang finden konnte - was längst überwunden ist.


    Vor wenigen Minuten ist bei mir die Serenade Nr 1 verklungen. Sie hat mir über alle Maßen gefallen, sodaß ich mit dem Anhören der Serenade Nr 2 nochj einige Tage Zeit lassen will - ich will sie mir quasi als Gustostück aufheben


    Durch Zufall bin ich auf das Manko in meiner Sammlung gestossen (vor etlichen Jahren hatte ich in einem Wiener Schallpattenladen eine Aufnahme von CBS unter Bernstein in der Hand und war unschlüssig. Jetzt wo ich es hier schreibe erinnere ich mich wieder: Es standen der Kauf der Sinfonien und Serenade Nr 2 im Hinterkopf. Aber ich war mir nicht sicher, was ich davon schon hatte. Also liess ich die Aufnahmen "vorläufig" im Regal stehen um meine Bestände zu überprüfen. Beides fand nie statt: Weder die Überprüfung noch der Kauf.


    Im Rahmen meiner Dauerrecherche nach Repertoirelücken in meiner Sammlung und nach "Füllmaterial" fand ich die abgebildete CD und setzte sie auf meine Bestelliste.


    Die erwartungen waren nicht allzugroß. Welch eine Überraschung aber dann als ich dioe Serenade Nr 1 hörte:
    Eigentlich war das weitgehen Beethoven und einem Haydn Zitat aus Hob 104 mit Anklängen an Dvorak in den letzten Sätzen. Während ich in den Sinfonie eigentlich die immer wieder behauptete Fortsetzung von Beethovens sinfonischem Werk nicht recht nachvollziehen konnte - hier war die Ähnlichkeit nicht zu überhören. Dar wat nichts schwerblütiges, sprödes, Kantiges, sondern Schwung, Feuer und (gelegentlich) sogar ein "volkstümlicher Ton"
    Weiter oben im Thread, schreibt Teleton im Beitrag 6 vom 23. Februar 2007:


    Zitat

    Nein, die Serenade Nr.1 op.11 lieber nur in der Originalfassung mit Orchester !


    Hier liegt ein Fehler vor. Die ORIGINALFASSUNG der Serenade Nr 1 war für NONETT.
    Brahms schrieb sie erst auf Anrgung seines Freundes Joseph Joachim für größes Orchester um und bemerkte dazu:
    "Dann ist es aber eine Sinfonie "....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred



    *einige Details sind dem Booklet der gezeigten CD von Silke Schloen entnommen

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Nonett-Fassung ist allerdings höchstens als Rekonstruktion vorhanden, soweit ich sehe. So steht es auf dem Backcover einer vergriffenen Koch-CD mit dem Scharoun-Ensemble (die ich auch nicht habe). Man sollte also eher von einer verschollenen Urfassung sprechen. Das "Original" wie es publiziert wurde und vorliegt, ist die Orchesterfassung.


    Ich hatte die 2. Serenade immer mehr kammermusikalisch gesehen, als verkapptes Bläseroktett o.ä., aber da Brahms nicht nur wie Dvorak in seiner Bläserserenade Cello und Kontrabass, sondern auch Bratschen vorsieht, ist das kaum haltbar, und die Besetzung, die Norbert oben zitiert spricht für ein mittelgroß besetztes Kammerorchester sogar bei der 2. Serenade.


    Die 2. Serenade ist das weniger eingängige, aber m.E. weit originellere Stück.
    Die erste mag ich persönlich gern, aber einige Sätze sind selbst für einen Komponisten wie Brahms, der sich gerne an klassischen Vorbildern orientierte, beinahe Stilkopien. Der Kopfsatz knüpft an Haydn an, da Menuett an Schuberts Okett, das 2. Scherzo kombiniert Beethovens Septett mit dessen 2. Sinfonie... Die originellsten und "brahmsischsten" Sätze sind m.E. der 2. (der an die entsprechenden Scherzando-Sätze aus dem Klavierquartett op.25 und dem 2. Klavierkonzert erinnert) und der 3. Wenn Brahms vergleichbare Ecksätze geschrieben hätte, könnte man es als "0. Sinfonie" ansehen. So hat er sicher besser daran getan, es bei der Bezeichnung Serenade zu belassen.


    Weitere eher "sonnige" Brahms-Werke, die deutlich an die Wiener Klassik und Frühromantik anknüpfen, wären die "Haydn-Variationen" und das erste Sextett (evtl. auch das zweite, aber das ist schon ein erheblich reiferes, dichteres und komplexeres Werk).

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  • Ich kenne die Serenaden schon sehr lange. Am besten gefiel mir immer die auch von Alfred zitierte Aufnahme von Andreas Spering.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Guten Abend,


    Die Kertesz Aufnahme habe ich heute angehört - sie gefällt mir sehr gut. Aber die von Alfred genannte Spering Aufnahme habe ich mir trotzdem heute bestellt ( da heute noch versandfrei ) , ich hoffe auf bessere Durchhörbarkeit und "filigraneres" Musizieren.


    Gruss


    Kalli

  • Die Nonett-Fassung ist allerdings höchstens als Rekonstruktion vorhanden, soweit ich sehe. So steht es auf dem Backcover einer vergriffenen Koch-CD mit dem Scharoun-Ensemble (die ich auch nicht habe). Man sollte also eher von einer verschollenen Urfassung sprechen. Das "Original" wie es publiziert wurde und vorliegt, ist die Orchesterfassung.


    Ehrlich gesagt hätte ich auch keine Lust mir das Nonett-"Solo-Geschrumme/Gepfeife" von 9 Musikern anzuhören, wenn ich die edle Orchester-Originalfassung haben kann.


    Zitat

    Die 2. Serenade ist das weniger eingängige, aber m.E. weit originellere Stück.


    Das mag ja durchaus sein ! Ich stelle auch fest, dass Dirigenten wie Bernstein und Abbado, die sich mit den Partituren auseinandersetzten, auch nur die Serenade Nr.2 eingespielt haben.


    Aber mein persönlicher Eindruck ist ein anderer: Ich schätze die frische und lebendige Serenade Nr.1 viel höher, als die auf mich etwas sperrig wirkende Serenade Nr.2.
    Serenade war von Brahms auch nur eine "Verlegenheitsbezeichnung", weil er diese Testsinfonien noch nicht als reine Sinfonien bezeichenen wollte.
    Sinfonietta wäre passender gewesen, denn unter "Serenade" stelle ich mir immer eher ein ruhiges Schläferstündchenstück vor ... ( :D also im Prinzip nix für mich ).



    *** Die Kertesz-Aufnahmen der Serenaden (DEcca) klingen angenehm sinfonisch mit packendem Zugriff. Und auf Kallis Bemerkung einzugehen, auch filigran und durchhörbar genug. Ich zweifle, ob mir die Aufnahme mit einem Kammerorchester mehr zusagen könnte ....

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die von mir bevorzugte Aufnahme ist die der Dresdner Philharmonie unter Heinz Bongartz. Bei mir freilich als Schallplatte, mittlöerweile aber auch als CD verfügbar:



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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