Opernaufführungen als Übertragungen per Rundfunk und Fernsehen

  • Rosmonda d´Inghliterra, das klingt eher nach einer späten opera seria. Aber es handelt sich um einen verschollenen Donizetti. 1934 in Flrenz uraugeführt, elf Jahre später in Livorno reanimiert, schließlich spurlos verschwunden. Bis 1945, als das Stück auf dem Spielplan in Belfast wieder auftauchte. 1995 entstand eine Einspielung mit Renée Fleming, und wieder kehrte Ruhe ein - bis zu jener denkwürdigen konzertanten Aufführung im Oktober 2016 in der Uraufführungsstadt Flrenz, die gestern vom Hessischen Rundfunk, im wahrsten Sinne des Wortes, ausgestrahlt wurde.
    Zu hören war nämlich ein Meisterwerk, ein offensichtliches Musikdrama der unmittelbaren Vor-Verdi-Zeit, dem der Meister aus Roncole nicht weniger verdankte als den bekannten Meisterwerken Lucia, Anna Bolena und selbst Bellinis Norma: Kantilenen sind her nicht mehr eitler Selbstzweck, sondern dramaturgisch unerlässlicher Bestandteil größerer musikdramatischer Tableaux. Wir befinden uns in einem italienischen Drama, das ohne Musik und Gesang schwerlich denkbar ist.
    Und was am meisten verblüfft: Die Florentiner Veranstalter hatten nur erstklassige Sänger aufgeboten, angeführt von Maestro Sebastiano Rolli, der auch das Orchester ganz in den Dienst der Theatralik stellte: Es gab weder Lücken noch Löcher, Musik, Ausdruck und Gesang verschmolzen u einer Einheit.
    Dazu trugen vor allem die fünf Protagonisten bei: zwei dramatische Soprane, ein satter Mezzo, ein flexibler Tenor und ein markanter Bass: Jessica Pratt, Eva Mei,Raffaella Lupinacci, Michael Spyris und Nicola Ulivieri. Alle zusammen sorgten für einen ebenso schönen wie spannenden Opernabend.

  • Jeder Teilnehmer darf dreimal raten, welche zwei Jahreszahlen und welche Stadt hier entstellt wiedergegeben sind.
    Aber nur Geduld, ich fange mich wieder!

  • Hat eigentlich keinet den Andrea Chenier aus München gehört ? Dafür das die Inszenierung angeblich werkgerecht war, hat das Regie Team viele Buhrufe bekommen. Enttäuscht war ich von Jonas Kaufmann. So emotionslos hab ich die erste Arie selten gehört. Frau Harteros singt zwar schön, das war es aber auch schon. Sie erinnert mich immer an die Puppe Olympia in Hoffmanns Erzählungen. Sehr gut fand ich Luca Salsi, der einen sehr schönen Bariton hat. Ich fand das bei der Semiramide Aufführung, die Begeisterung beim Publikum größer war.

  • Frau Harteros singt zwar schön, das war es aber auch schon. Sie erinnert mich immer an die Puppe Olympia in Hoffmanns Erzählungen.

    Hast du sie schon einmal live erlebt? Ganz sicher nicht, denn sonst wüsstest du, dass "Puppe Olympia" nun wirklich das letzte ist, was einem zu ihr einfallen würde, wenn man sie auf der Bühne erlebt. (Un dich habe sie schon in zweistelliger Zahl live erlebt!)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Dafür das die Inszenierung angeblich werkgerecht war, hat das Regie Team viele Buhrufe bekommen.


    Vielleicht gerade deswegen? :D Womöglich ist das Publikum ja progressiver als manche denken...

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Dafür das die Inszenierung angeblich werkgerecht war, hat das Regie Team viele Buhrufe bekommen. Enttäuscht war ich von Jonas Kaufmann. So emotionslos hab ich die erste Arie selten gehört. Frau Harteros singt zwar schön, das war es aber auch schon. Sie erinnert mich immer an die Puppe Olympia in Hoffmanns Erzählungen. Sehr gut fand ich Luca Salsi, der einen sehr schönen Bariton hat. Ich fand das bei der Semiramide Aufführung, die Begeisterung beim Publikum größer war.


    Philipp Stölz hat wohl wieder auf verschiedenen Ebenen gearbeitet, was dann doch sehr von der eigentlichen Handlung ablenken kann. Vielleicht hat das dem Publikum nicht gefallen. Von Jonas Kaufmann war ich nicht enttäuscht. Ich fand, dass er gerade die erste Arie besonders gut gesungen hat. Allerdings hat er seine Form noch nicht 100% erreicht. Für die Rolle der Maddalena hätte ich mir auch eine dramatischere Sopranistin gewünscht. Allerdings habe ich Anja H. auch noch nie live gehört. Luca Salsi sang fast ausschließlich im Dauer-Forte.


    :hello:


    Jolanthe

  • Zur Frage, ob denn niemand die Chénier-Premiere aus München gehört hat: Sowas lass ich mir nicht entgehen. Ich wollte mich nur nicht vordrängen. Deshalb jetzt einige ergänzende Eindrücke, die über das Schema "Gefällt mir/gefällt mir nicht" hinausgehen:
    Die drei Protagonisten hatten sämtlich rollendeckendes Format, sowohl stimmlich wie im glaubwürdigen Ausdruck. Die Leidenschaften wurden voll ausgelebt: bei Anja Harteros mehr nobel gebändigt, bei Jonas Kaufmann mit kontrolliertem Temperament, bei Luca Salsi bis zum Exzess.
    Stimmlich lieferten die Sänger das genaue Pendant: Harteros mit wunderbar klarem, leuchtendem Sopran; Kaufmann konzentriert darauf bedacht, sich in der ersten Reihe der Tenöre zurückzumelden , wobei er keinen tenoralen Effekt schuldig blieb. Nur ein wenig metallischer Glanz fehlte, wie gewohnt, bei den Spitzentönen. Salsi gab der Partie des Gérard das gebührende Maß an veristischem Impetus und reizte seinen Edelbariton voll aus. Ein Sängertrio von Weltformat.
    Es war ein beinahe ungetrübter Hörgenuss.
    Die Regie bekam einige Buhs ab, vermutlich wegen der drastischen filmischen Umsetzung des grausigen Geschehens. Aber das wurde zum Glück im Radio nicht mitgeliefert.
    Herzliche Grüße von Sixtus

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  • Endlich wird der Guillaume Tell aus der Metropolitan Opera New York übertragen,
    in der Bryan Hymel einen so sensationellen Erfolg gefeiert hat!


    In verschiedenen Sendern ist die Übertragung zu verschiedenen Zeiten!


    Samstag, 18. März 2017


    19:00 Uhr: NDR Kultur / Radio 4 NL / BBC Radio 3
    19:30 Uhr: Ö 1
    17:50 Uhr: RNE Radio Clásica


    Rossini – Guillaume Tell


    Wilhelm Tell: Gerald Finley
    Hedwig: Marianna Pizzolato
    Jemmy: Janai Brugger
    Mathilde: Marina Rebeka
    Arnold von Melchthal: Bryan Hymel
    Melchthal: Kwangchul Youn
    Hermann Gessler: John Relyea
    Walter Fürst: Marco Spotti
    Ruodi: Michele Angelini
    Leuthold: Michael Todd
    Rudolf: Sean Panikkar
    Chor und Orchester der Metropolitan Opera New York
    Ltg.: Fabio Luisi


    (aufgenommen im Herbst 2016)

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Gestern Abend lag ich wieder mal mit mir selbst im Clinch: Im Radio wurden zwei hochkarätige Aufführungen gesendet: Rossinis Tell live aus der MET - und Wagners Tannhäuser in einer Aufzeichnung von Covent Garden vom Mai 2016. Da der Tell eine Stunde früher begann, hatte ich Gelegenheit, seinen 1.Akt zu prüfen, und entschied mich dann doch für Wagner. Ich habe es nicht bereut.
    Das Überraschendste an der Aufführung war für mich der Sänger der Titelpartie: Peter Seiffert. Ich hatte vor etwa fünf Jahren in Wien Gelegenheit, der Verleihung des Titels "Österreichischer Kammersänger" an den Sänger beizuwohnen. Das war kurz nach einer Tristan-Premiere mit ihm und Nina Stemme, die ich gesehen hatte. Mein Eindruck war damals, bei aller Bewunderung für Seifferts Leistung: Zum echten Heldentenor fehlt ihm die tragfähige Tiefe (im Gegensatz etwa zu Botha).
    Gestern war ich deshalb sehr erstaunt, wie erfolgreich der Sänger hier (4 Jahre später) an seiner tiefen Lage gearbeitet aben muss. Für den Tannhäuser (darin dem Tristan ähnlich) ist grade eine gute Tiefe unerlässlich, um die Figur glaubhaft zu verkörpern Und genau das war hier zu hören.
    Seifferts Partner standen ihm aber nicht nach: Sophie Koch sang eine balsamisch-üppige Venus, und Emma Bell dominierte mit ihrem herrlichen Sopran fast den gesamten 2.Akt - und sang als Abschiedsgruß ein bewegend schönes Gebet. Ihr zur Seite ihr wissender Oheim, Landgraf Hermann, in Gestalt von Stephen Milling, mit differenziert akzentuiertem Bass. Im Sängerkrieg sang Christian Gerhaher einen zugleich intensiven und disziplinierten Wolfram, der auch im dritten Akt weder der Lyrik des Abendsterns noch der Dramatik beim Rettungsversuch von Tannhäusers Seelenheil etwas schuldg. Eine runde Interpretation. Den Höhepunkt setzte aber Peter Seiffert mit einer ergreifenden Romerzählung.
    Das Ganze (in der anspruchsvollen Pariser Fassung) wurde von Hartmut Haenchen in jedem Takt in Spannung gehalten. Ein Tannhäuser, wie er auch Richard Wagner (der der Welt noch einen Tannhäuser schuldig zu sein glaubte) gefallen hätte.

  • Hat jemand den Andrea Chenier aus München gesehen ? Die Sänger waren wesentlich besser als bei der Premiere . Fast so ähnlich hat der Regisseur Cavalleria Rusticana bei den Salzburger Osterfestspielen ebenfalls mit Jonas Kaufmann inszeniert.

  • Da es kein RT war, bin ich sehr zufrieden. Stölzl kommt vom Film und so hat er dasselbe Guckkasten-Prinzip durchgeführt, wie letztes Jahr bei Cav/Pag in Salzburg, das bekanntlich bei einer Übertragung weniger störend ist, als im Haus selber. Die Kamera kann ja die anderen Räume ausblenden und in die Totale gehen. Die Solisten waren toll, sogar Kaufmann konnte mich, im Gegensatz zur Premiere, diesmal überzeugen, da er nicht mehr so gaumig sang und sogar Glanz in den Spitzentönen zeigte. Der Bariton war eine echte Entdeckung und über Harteros muss man kaum mehr was sagen. Zusammenfassend war alles sehr ansprechend, was unter der momentanen Leitung in München an eine Sensation grenzt.

  • Zur Zeit wird auf der Internetseite Teatro San Carlo Felice livestreaming von Donizetti der Lisbestrank aus Genua übertragen. Mich würde mal eure Meinung zu der Präsentation und drn Sängern interessieren. Die Zweitbesetzung wird übrigens später übertragen.

  • Den Livestream von Andrea Chenier scheinen ja nur wenige gesehen zu habe. Deshalb vermute ich mal das auch keiner meinen Tipp aus Genua von Donizettis Liebestran gesehen hat. Es war auf jeden Fall eine Sternstunde des Belcanto Gesangs in einer werkgerechten Inszenierung mit sehr schönen Kostümen des Regisseurs Filippo Crivelli. Der Dirigent Daniel Smith hatte das Orchester sehr gut im Griff und dirigierte einen schwungvollen Donizetti. Die Adnina wurde von der bildhübschen Serena Gamberoni gesungen. Sie hat eine sehr schöne Mittelage und auch in den Höhen keinerlei Probleme und kommt auch sehr gut über den Chor hinweg. Ihre Arie? im zweiten Akt stand ebenfalls kurz vor der Wiederholung , und sie musste sich mehrmals beim Applaus verbeugen. Sie erinnerte mich etwas an Kathleen Battle vom Aussehen und der Stimmte, nur das siehellhäutig war. Ein Nemorino der Weltklasse war Francesco Meli, ausgestattet mit einem wunderschönen lyrischen Tenor. Seine Arie Una furtiva lagrima mussste wiederholt werden, aufgrund der lang anhaltenden Bravos. Währenddessen hat er wohl auch einige kleine Tranchen verdrückt, auf jeden Fall war er ganz bewegt. Als er die Wiederholung ankündigte , gab es ein lautes Grazie aus dem Publikum. Gut besetzt waren auch die anderen Rollen. Roberto de Candida war ein vorzüglicher Duclamara sängerisch und auch dastellerisch. Einen robusten Belcore gab Frederico Longhi . Am Ende der Premiere gab es einen langanhaltenden Jubelsturm mit sehr vielen Bravos und stehenden Ovationen.

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    Aber nur Geduld, ich fange mich wieder!


    Wie tröstlich, dass auch solchen Koryphäen mal etwas verschobenes rausrutscht :thumbsup:


    Eigentlich habe ich 3 falsche Jahreszahlen zu vermelden:


    UA 1834
    WA 1845 in Livorno
    WA 1994 mit Renée Fleming.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Den Livestream von Andrea Chenier scheinen ja nur wenige gesehen zu habe. Deshalb vermute ich mal das auch keiner meinen Tipp aus Genua von Donizettis Liebestran gesehen hat.


    Selbstverständlich habe ich den livestream von Andrea Chenier gesehen. Alle Sänger waren besser als bei der Premiere. Auch deinen Tipp hatte ich gesehen, aber ich hatte leider keine Möglichkeit mir diesen Liebestrank anzusehen.


    :hello:


    Jolanthe

  • Wer den Livestream des Liebestrankes von Donizetti aus Genua verpasst hat, der hat am Samstag um 15 Uhr die Möglichkeit , sich zumindestens die 2. Besetzung anzuschauen. Wobei aber meistens auch die zweite Besetzung sehr gut ist. Den Link habe ich beigefügt- Die Inszenierung ist werkgerecht :


    https://youtu.be/84rRgV9UNZM


    Und hier die Besetzung :


    ’elisir d’amore
    Melodramma giocoso
    libretto di Felice Romani
    musica di Gaetano Donizetti


    Direttore d’Orchestra, Daniel Smith
    Allestimento Fondazione Teatro Carlo Felice
    Regia, Filippo Crivelli
    Scene, Emanuele Luzzati
    Costumi, Santuzza Calì
    Assistente alla regia, Luca Baracchini
    Assistente ai costumi, Paola Tosti
    Luci, Luciano Novelli
    Dulcamara - Roberto De Candia


    Dulcamara – Roberto De Candia


    Maestro ai recitativi, Sirio Restani
    Orchestra e Coro del Teatro Carlo Felice
    Maestro del Coro, Franco Sebastiani
    ___________________________
    Adina, Serena Gamberoni – Benedetta Torre
    Nemorino, Francesco Meli – Roberto Iuliano
    Belcore, Federico Longhi – Michele Patti
    Dulcamara, Roberto De Candia – Alfonso Antoniozzi
    Giannetta, Marta Calcaterra

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  • Mein Radio-Opern-Wochenende mit einem Opern-Festmahl am Samstagabend wurde mal wieder gefährdet von einer Aufzeichnung im Fernsehen am selben Abend. Doch bot sich ein guter Kompromiss an: Der Don Giovanni aus der Wiener Staatsoper auf BR Klassik begann früh genug, dass sich ein Unersättlicher danach noch die zweite Hälfte der Così aus Madrid auf 3SAT servieren lassen konnte. Und das üppige Menu hat sich gelohnt!
    In Wien hatte sich wieder einmal ein optimales Mozart-Ensemble eingefunden, um unter versierten Leitung von Adam Fischer einen vollständig gelungenen Don Giovanni über die Bühne zu fegen. ohne dass eine Lücke zu beklagen wäre. Jede Partie war rollendeckend besetzt. Schon die Besetzungsliste ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Und die Auführung erfüllte die Erwartungen tatsächlich:


    Simon Keenlyside, obwohl nicht zu sehen, verströmte seinen gleichermaßen schlanken wie kraftvollen Edelbariton, und man wollte fast nicht glauben, dass ihm an diesem Abend dennoch laut Textbuch alles misslingen sollte. Sein Diener Erwin Schrott komplettierte diese vitale Überrumpelung auf seine Art mit perfekt sitzendem Bassbariton und überschäumendem Temperament. Das Zusammenspiel der beiden Stimmen allein war schon ein Genuss. Der Don Ottavio von Benjamin Bruns bot Mozart-Belcanto vom Feinsten, und der Komtur von Sorin Coliban hatte die nötige schwarze Energie für die donnernde Stimme aus dem Jenseits.
    Die Damen standen dieser exzellenten Herrenriege keineswegs nach: Ileana Tonca entzückte mit verführerischem Charme, Und Dorothea Röschmann hat in der Donna Elvira die Partie gefunden, in der sie ihre Gesangskunst im Lyrischen wie im Dramatischen optimal entfalten kann. Das Publikum lohnte es ihr mit reichem Applaus. Doch die Krone gebührt dennoch der Donna Anna. Irina Lungu ließ keine Wünsche offen - weder in der Kantabilität der Phrasen, noch in den dramatischen Ausbrüchen. Und ihre große Arie krönte sie mit einer gestochenen Koloratur, die Energie mit Schönheit verschmolz. Es muss ein Festabend der Wiener Staatsoper gewesen sein - und die hat deren viele.


    Mir blieb nach dem Ende dieser Rundfunkübertragung noch fast der ganze 2.Akt der Così aus Madrid im Fernsehen. Und es wurde Genuss ganz anderer Art: Nach der dreistündigen Konzentration auf Mozart-Musik pur gab es nicht wenig zu schauen, und dies vom Feinsten, denn Michael Haneke hatte sich einiges an Augenweide einfallen lassen. Handlung, Bühne und Kostüme waren gleichsam filmisch den jeweiligen Konstellationen zugeordnet, ohne aber dem Stück Gewalt anzutun.
    Despina und Alfonso waren durchgegend mit Rokoko-Kostümen und Perücken angetan, während die von der Wette geschüttelten Paare sehr aktuell daherkamen, was bei den beiden Damen oft zu einem Fast-Striptease führte. Doch das geschah nicht als Selbstweck, sondern immer an den relevanten Stellen - und fügte sich natürlich ins frivole Geschehen ein.


    Beim Gesang dominierten eindeutig die Damen: Anett Fritsch als Fiordiligi ließ in Bezug auf Bravour keine Wünsche offen. Ohne ihre Technik zur Schau zu stellen, widmete sie ihren leuchtenden Sopran in den Dienst der dramatischen Handlung. Die Dorabella der Paola Gardina überzeugte mit einer Mischung von Schönklang und Charme, und beide verschmolzen im Duett zu einem Zwiegesang wie aus einem Munde. Da hatten es ihre Partner schwer, mit ihnen mitzuhalten. Guglielmo Andreas Wolf gelang das noch eher als dem Ferrando, der vor allem seinen klangvollen Namen einzusetzen hatte: Juan Francisco Gatell. Sein Tenorino hatte Mühe, sich stimmlich durchzusetzen, versuchte aber recht erfolgreich, dies durch starken Ausdruck wettzumachen. Dies alles überwachte Sylvain Cambreling am Pult mit dynamischer Souveränität. Doch die stärksten Akzente der Aufführung setzte diesmal der Regisseur.


    Diesem Abend mit anderthalb Mozart-Meisterwerken wird Sixtus noch lange genüsslich nachsinnen.

  • Vergleicht man die Inszenierung der gestern Abend von 3sat gesendeten "Cosi fan tutte" von Michael Haneke aus Madrid mit der unsäglichen Inszenierung, die derselbe Sender vor etwa einem halben Jahr zeigte, schneidet diese in meinen Augen einige Stufen besser ab, denn sie hat zumindest nicht weh getan.
    "Cosi fan tutte" hat in meinen Augen eine recht unglaubwürdige Handlung, wenn zwei Schwestern, die, wie man dem Libretto entnehmen kann, auch ihre gegenseitigen Liebhaber kennen, dennoch auf die verkleideten Liebhaber hereinfallen und dass schon innerhalb weniger Stunden ihr fester Wille gebrochen werden kann. Ansonsten könnte diese Handlung dieser Oper in dieser Oper, die nicht - wie viele andere Opern - historisch oder aus anderen Gründen (Sage, Mythos, Märchen) zeitlich eingebunden ist, (mit fremden Liebhabern) durchaus auch - statt - wie vorgesehen - im 18. Jahrhundert im 21. Jahrhundert stattfinden.
    Auch gegen die recht ansprechende Einheitskulisse ist nichts einzuwenden. Obwohl das Libretto verschiedene Räume und einen Garten als Spielorte vorsieht, konnte der eine Raum und der dahinter erkennbare Zugang zum Garten durchaus den Bedürfnissen der Handlung genügen. Außerdem konnte man sich durchaus vorstellen, dass dieser Raum - wie im Libretto vorgesehen - in Neapel beheimatet ist.
    Auf den Sinn, den der Mix an Kostümen hatte, konnte ich mir keinen Reim machen (Vielleicht verfügte der Fundus des Theaters nur über diese wenigen Kostüme aus verschiedenen Zeiten), aber auch das war noch hinzunehmen.
    Zumindest hatte der Regisseur die Handlung nicht verdreht. Da sie auch musikalisch und sängerisch meinen Ansprüchen genügte, hatte ich anfangs den Eindruck, eine recht vernünftige Inszenierung zu sehen zu bekommen.
    Aber schon der Regieeinfall, die Verkleidung durch ihre ins Gesicht gezogenen Fliegen (als Bärte) und die Krawatte über dem Kopf fand ich albern. Noch alberner war Despina als Arzt nur mit roter Pappnase aus dem Karneval und am albernsten der Auftritt der beiden Liebhaber mit Lucia-Kränzen (einschließlich Kerzen) auf dem Kopf.
    Die Glaubwürdigkeit der Handlung verlor noch stärker, als die beiden Liebhaber jegliche "Verkleidung" abgelegt hatten, wodurch die inneren Kämpfe der beiden Schwestern mit ihrem Gewissen völlig absurd wirkten.
    Also eine eben noch tragbare Inszenierung, der ich allenthalben die Note 4 erteilen würde.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Die Vorstellung war musikalisch und darstellerisch ein Traum.
    https://goo.gl/AUdTXZ


    Sie wird am Samstag, 15. April im Radio Ö1 gesendet.
    19:30 Uhr


    Dirigent Semyon Bychkov
    Regie und Bühne Alvis Hermanis
    Kostüme Kristine Jurjane
    Licht Gleb Filshtinsky
    Video Ineta Sipunova

    Amfortas Gerald Finley
    Gurnemanz René Pape
    Parsifal Christopher Ventris
    Klingsor Jochen Schmeckenbecher
    Kundry Nina Stemme
    Titurel Jongmin Park
    1. Gralsritter Benedikt Kobel
    2. Gralsritter Clemens Unterreiner
    1. Knappe Ulrike Helzel
    2. Knappe Zoryana Kushpler
    3. Knappe Thomas Ebenstein
    4. Knappe Bror Magnus Tødenes

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Auf den Sinn, den der Mix an Kostümen hatte, konnte ich mir keinen Reim machen .

    Das war (und ist!) auch mein Problem. Schon bei der ersten Ausstrahlung (2015? 2016? Ich weiß es nicht mehr!) Erläuterungen gab es ja nicht dazu. Die Regieeinfälle zu bekritteln, lohnt m.E. nicht, denn die Handlung der "Così" ist nun mal eine jener Opern, die mit Logik nicht zu erfassen sind. Ich habe es mir abgewöhnt, genieße aber die unglaublich schöne Musik (kann bei mir ja auch nicht anders sein!).


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Auch ich habe mir (obwohl kein Cosi-Freund) die Mühe oder das Vergnügen gemacht, die Übertragung fast bis zum Schluß anzusehen. Ich möchte meine Kritikpunkte an die von Gerhard angleichen, denn genau das hätte ich auch zu meckern gehabt.


    Warum man so albern Krawatte oder Schlips über den Kopf getragen trägt, hat sich mir nicht erschlossen, ebenso nicht die Pappnasen und die Kränze auf dem Kopf nicht. Immerhin konnte ich dem Einfall, die eine der Damen im roten Kleid auftreten zu lassen, etwas sehr Angenehmes abgewinnen. Selten habe ich eine Opernsängerin mit derartig unanständig schönen Beinen sehen dürfen, und wenn der Regisseur das wollte, dann ist es gelungen. Warum aber ein Teil der Darsteller "klassisch" angezogen war, der andere Teil modern vornehm, das hat sich mir nicht erschlossen.


    Generell möchte ich aber sagen, daß mir der musikalische Teil sehr gefallen hat. Wenn ich auch Neapel als Handlungsort nicht erkennen konnte, so hat mir das helle und freundliche Einheitsbühnenbild zugesagt. Und willkürliche Änderungen der Handlung oder der Musik scheint es ja auch nicht gegeben zu haben (mir fehlt die genaue Kenntnis dieser Oper, die ich nur einmal gesehen habe, und das vor sicher 40 oder noch mehr Jahren).


    Alles in Allem würde ich mir eine derartige, an das Original in Bühnenbild und Handlung weitgehend angelehnte Inszenierung bei anderen Opern und in meiner räumlichen Nähe ansehen. Leider bin ich gegen 22.30 Uhr eingeschlafen. Das wäre mir bei Puccini oder Wagner nicht passiert. Aber das ist meine persönliche Meinung!!!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • Es lohnt, die Aufführung hier als Livestream zu verfolgen:


    http://www.theoperaplatform.eu…ahrmarkt-von-sorotschinzi


    Übrigens: die einzige bekannte und wirklich wunderschöne Arie der Oper kommt nach 39 Minuten! Es ist die Arie des des Gritzko und es singt der junge australische Tenor Alexander Lewis, der durch "The Phantom of the Opera" bekannt wurde, aber an der Komischen Oper auch Belmonte singt! Bisher hat er an der MET kleine Partien beziehungsweise im im Rahmen des Lindemann Young Artist Development Program auch unter anderem den Ferrando und Nemorino gesungen.


    Aber die Oper ist insgesamt toll und in der Inszenierung sehr lohnend!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Vorankündigung:


    Zu erwarten ist ein Ohrenschmaus von den Osterfestspielen Baden-Baden:


    Tosca am 17.04.2017 um 20.15 auf arte


    mit Kristine Opolais als Floria Tosca, Marcelo Alvarez als Mario Cavaradossi und Evgeny Nikitin als Baron Scarpia.


    Einziger Wermutstropfen: Annette Gerlach wird moderieren.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Nach zweitägiger (Offline-)Abwesenheit bin ich erst jetzt zum Lesen der letzten Beiträge gekommen. Da ich von der "Così" nur den 2.Akt gesehen hatte, erschließt sich mir manches von der Regie erst jetzt ganz.
    Ich glaube, diese Oper ist an Doppelbödigkeit nicht zu toppen. Meist wird das, was sich der oberflächlichen Logik widersetzt, als Schwäche interpretiert. Ich halte es dagegen für eine geniale Gratwanderung zwischen Commedia dell´arte und geradezu philosophischem Hintersinn, bis hin zu tragischem Ernst.
    Und davon hat Haneke einiges zutage gefördert: Die beiden Paare werden unablässig auf harte Proben gestellt, die aber als Farce zu spielen sind. Deshalb der Kostümwechsel. Die beiden Drahtzieher dagegen verharren konsequent in der Farce und treiben sie bis an die Grenze des Zynismus, um den illusionären Treuebegriff als Selbstbetrug vorzuführen. Deshalb behalten sie die maskenhafte Aufmachung bei.
    Es fehlt bei dieser strikten Konsequenz in der Regie nicht viel, dass die Paare bei dem jeweils neuen Partner bleiben; denn sie passen eh viel besser zueinander. Diese Einsicht war aber damals gesellschaftlich tabu. Die beiden Autoren deuten das damals Ungeheuerliche deshalb nur gleichsam hinter vorgehaltener Hand an. (Deshalb muss auch Don Giovanni am Schluss in die Hölle fahren, und Figaro darf nicht zu deutlich als Sieger dastehen.)

  • Zitat

    Zitat von Siegfried: Einziger Wermutstropfen: Annette Gerlach wird moderieren.

    Lieber Siegfried,


    einfach den Ton solange stumm schalten und ab uns zu hinschauen, ob sie endlich fertig ist. Oder - wie ich - aufnehmen und diese Passagen hinterher überschlagen. Dasselbe bei Barbara Rhett.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Wieder einmal, wie oft in letzter Zeit, eine hochkarätige Wagner-Aufführung aus New York.
    Simon Rattle hatte noch nicht oft eine glückliche Hand mit Opern. Aber diesmal ist ihm ein Volltreffer gelungen. Der Tristan kommt ihm aber auch mit seiner sinfonischen Struktur besonders entgegen. Hier war zu spüren, dass er sich in diesem Element zu Hause fühlte.
    Und er hatte eine handverlesene Sängergarde um sich versammelt, die insgesamt das Prädikat hochkarätig verdient:
    Allen voran Nina Stemme, die ich inzwischen der legendären Nilsson an die Seite stelle. Sie hat sich zu einer idealen Isolde gemausert, die keine Wünsche offen lässt, weder stimmtechnisch noch im Ausdruck und im warmen Klang, der dieser großen Liebenden so oft fehlt. Größtes Lob für Jekaterina Gubanova: sie konnte mithalten, was hier viel heißen will. Eitel Wohlklang ging von diesen beiden gefürchteten Partien aus - das Schwere verlor seinen Schrecken, aber nicht sein Gewicht.


    Die Herrenriege war auch nicht zu verachten. Angeführt von René Pape, inzwischen international zum Marke vom Dienst avanciert, der dem müden König seinen edlen Basso cantante lieh, unterstützt vom stimmpotenten und ausdrucksstarken Jevgeny Nikitin als Kurwenal, schloss sch der Kreis mit einem neuen echten Tristan: Der Australier Stuart Skelton hat sich die Riesenpartie in bewundernswerter Weise zu Eigen gemacht. Er braucht schon jetzt unter den derzeitigen Vertretern der Partie keine Konkurrenz zu fürchten. Die satte, klangreiche Stimme klingt nie angestrengt und trägt mühelos über das große Orchester.
    Die Aufführung vermittelte in keinem Moment das Gefühl einer Zitterpartie, sondern strömte wie selbstverständlich dahin. Bei diesem Stück ein nicht alltägliches Erlebnis - meint ein hochzufriedener Sixtus

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