Der doppelte Lennie - Bernstein vs. Bernstein

  • Hallo Bernstein-Freunde,


    in diesem Forum wurde schon oft geschrieben, dass man Bernstein mit seinen NewYorker-CBS-Aufnahmen nicht unterschätzen sollte - das stimmt.


    Ich muß gestehen, dass ich mich in meinem Beitrag von 2005 (lang ist es her) über die Beethoven-Sinfonien mit Bernstein geirrt haben muß !


    :yes: Ich habe mir wegen eines Beitrages in einem anderen Thread über Beethoven´s Sinfonie Nr.3 mit den New Yorker PH/ Bernstein nicht nur diese Aufnahme, sondern der Vollständigkeit halber alle Beethoven-Sinfonien in den CBS-Aufnahmen auf SONY zugelegt. Ich habe gut daran getan, denn ich bin erneut begeistert, hingerissen.


    Die Beethoven: Sinfonien Nr.3 und 6 mit den WienerPH/Bernstein stehen bei mir nach wie vor ganz hoch im Kurs. Aber was ich bei den Sinfonien in Bernstein´s New Yorker Aufnahme zu hören bekomme zieht mir "die Socken aus". Mit größerer Emotionalität als in seiner DG-Aufnahme aus Wien ging er zu Werke, dass es eine Freude ist diese zu geniessen.


    Die Sinfonie Nr.2 in ihrer unübertroffenen Heiterkeit habe ich so noch von keinem so fantastisch gehört.
    Die Sinfonie Nr.8, in der Wiener Aufnahme, zwar sauber aber irgendwie auf mich belanglos wirkend. Welch eine spannende CBS-Wunderaufnahme ist doch seine alte von 1994 aus New York, die mit Szell (SONY) gleich ziehen kann und sogar noch besser klingt, obwohl aus gleicher Zeit.
    Die Sinfonie Nr.5 mit der zusätzlichen Dokumentations-Aufnahme, eine Wucht - seine Wiener Aufnahme hat mich immer kalt gelassen.


    :] Was das Beethoven-Ranking angeht wird Bernstein bei den Sinfonien Nr.1 und 2 die bisher genannten ablösen - mit der New Yorker Aufnahme !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von teleton


    Zu den Brahms-Sinfonien mit Bernstein/WienerPH:
    Das Dir diese klanglich nicht so gut gefallen kann ich nicht so 100% nachvollziehen, da mir sein Brahms gut gefällt. Trotz des langsameren Tempos wird ein großer Spannungsbogen gezogen. (Auch wenn ich hier Solti auf Decca vorziehe).
    Du solltest Dir aber unbedingt den Beethoven-Bernstein-DG-Zyklus anhören und ggf.besorgen - besonders die Sinfonie Nr.3 "Eroica" und die 6.Sinfonie sind fantastisch um nicht zu sagen einmalig.



    Mit ihrer spektakulären Gesamtaufnahme der Sinfonien Beethovens hat die DGG dem unvergessenen Leonard Bernstein ein dauerhaftes Denkmal gesetzt. Bis heute ziehe ich Bernsteins gemessene, geradezu majestätische Tempi jeder anderen Version vor. Nostalgie mag bei meinem Empfinden mitschwingen, doch ich denke, die von mir so sehr geliebte 3. Sinfonie ("Eroica") kann niemals schöner klingen als hier. Mir scheint, in seine Beethoven-Interpretation ist Bernsteins gesamte Erfahrung eingegangen. Mitunter hat man Leonard Bernstein arg verschleppte Tempi und überbordende Gesten vorgeworfen, doch in Wirklichkeit ist da nichts, was das gewaltige Werk in seinen Gesamtproportionen beeinträchtigen oder ihm die Spannung nehmen kann.


    Im Gegenteil, Bernstein dient der Musik Beethovens mit solch einer sensiblen Auffassung, dass der Komponist seine wahre Freude daran gehabt hätte! Hier und da wirkt Beethovens Musik unter Bernsteins Dirigat dermaßen zart und zerbrechlich, dass man kaum zu atmen wagt. An anderen Stellen kommt eine so wuchtige atmosphärische Dichte auf, dass man sich fast in einen Konzertsaal versetzt fühlt. Obwohl ich nie ein Freund speziell der 9. Sinfonie war, muss ich sagen, dass Leonard Bernsteins erhabener Ernst bei der geistigen Durchdringung Beethovens Sinfonien aufs Ganze gesehen stets einen sehr starken Eindruck auf mich gemacht hat.


    Bernsteins Sicht auf die gewaltige Partitur, seine klare Handschrift in der Linienführung und seine außerordentlich vertrauensvolle Abstimmung mit den Wiener Philharmonikern kennzeichnen eine Gesamtinterpretation, die von großem Wert bleiben wird. Der weiche Klang der Hörner und die satte Präsenz der Streicher erfüllen diese überaus klar strukturierten Einspielungen mit einer teils sachten, teils überwältigenden Emotionalität. Beethovens Kompositionen verlangen Solisten, Chor und Orchester das Äußerste ab. Dass die Intonationssicherheit der Vokalsolisten mitunter auch Grenzen kennt, fällt im Gesamtbild jedoch kaum ins Gewicht. Die Klangqualität der Aufnahmen ist einfach großartig und überragt manche Studio-Einspielungen um Längen.


    Auch die spektakuläre DGG-Gesamteinspielung der Brahms'schen Sinfonien ist bis heute eine Perle in meiner Sammlung. Die spannungsreichen Übergänge, die wir bei Johannes Brahms im Wechsel mit schwelgenden Harmonien finden, trafen bei Leonard Bernstein auf eine ausgesprochene Resonanz. Denn bei aller analytischen Stringenz war Bernsteins Verhältnis zur Musik vor allem ein intuitives. Was uns Klänge sagen und vermitteln können war für ihn wohl das große Anliegen, das ihn in seinem Leben voran trieb.


    Ganz besonders hat Bernstein das gefühlhafte Aufbrausen zu Anfang des Schlusssatzes der Vierten Sinfonie beschäftigt, weil gerade diese acht Takte formal sehr streng durchorganisiert sind. Er glaubte, hier einer ausgesprochenen Ambivalenz - oder besser: Ambiguität - im Wesen des Komponisten nachzuspüren: Große Gefühle, Zorn, Leidenschaft einerseits, andererseits ein unsagbares Maß an Disziplin und Selbstbeherrschung, die den Musiker vor dem inneren Zerreißen bewahrt haben mögen. Dies vor allem wollte Bernstein erfahrbar machen. Man spürt in diesen Aufführungen, dass der Dirigent den Komponisten auch als Mensch verstand.


    Leonard Bernstein lag sehr daran, als Dirigent, nicht als Dompteur verstanden zu werden. Kaum ein Anderer hat die eigene Person so sehr zurückzunehmen gewusst, wenn es darum ging, sein Orchester zu einem solch minutiös abgestimmtem Zusammenspiel heraufzuführen, wie es die Aufzeichnung des Gesamtzyklus Johannes Brahms' aus den Achtzigerjahren dokumentiert. Der warme Ton der Holzbläser, das einträchtige Spiel der Streicher - alles wird von einer erstaunlich dynamischen Aufnahmetechnik veredelt, die aus dieser Einspielung eine Referenzaufnahme macht, welcher der Zahn der Zeit nichts anhaben konnte. Die DGG hat mit dieser Doppel-CD eine klare Alternative zu den Interpretationen Klemperers und Karajans vorgelegt und man sollte dafür dankbar sein.


  • Den meisten Klassikfreunden werden sofort die Namen Beethoven, Brahms und - vor allem - Mahler in den Sinn kommen, wenn wir an Leonard Bernstein denken. Dabei war Bernstein ein mindestens ebenso großartiger Haydn-Interpret! Unlängst sind eine ganze Reihe von Bernstein-Aufnahmen neu auf den Markt gekommen, darunter auch "Haydn - Complete Recordings on DGG". Diese Kompilation überzeugt durch eine außergewöhnliche Festlichkeit und Eleganz bei gleichzeitigem Tiefsinn und geistiger Strenge. Nehmen wir die Sinfonie Nr. 92 (Disc 1, Titel V bis VIII). Mit bemerkenswerter Präzision durchleuchtet Bernstein das filigrane Gewebe der Haydnschen Partituren, und die Wiener Philharmoniker folgen ihm dabei mit einer großen Virtuosität, aber auch voller Wärme und Empfindung. Bernsteins Behandlung des Ensembles ist von hoher Kultur. Hier zeigen sich alle Vorzüge des berühmten Orchesters. Die Instrumente erklingen getreu ihrer ganzen farblichen Vielfalt!


    Ein weiterer Glanzpunkt dieser Box ist Haydns "Schöpfung", das ergreifende Voranstreben vom Tohubawohu ins Licht und in die unbeschreibliche Harmonie der Welt vor ihrem Fall. Der Konzertmitschnitt vom Juni 1987 aus dem Herkules-Saal im München zeigt einen sehr lebhaften Dirigenten gemeinsam mit einem erstklassigen Chor und hervorragenden Solisten. Nicht zufällig findet diese Aufzeichnung noch heute viele enthusiastische Liebhaber. Sie gehört mit einigem Abstand zu den bedeutendsten Aufnahmen, die Bernstein für die DGG eingespielt hat. Man kann nur bedauern, dass vergleichsweise wenige unter Leonard Bernsteins Stabführung entstandene Haydn-Interpretationen verfügbar sind. Diese Aufnahmen indes haben auch heute ihre Gültigkeit, mag auch das Angebot der verfügbaren Einspielungen inzwischen noch so zahlreich sein.


    Freundliche Grüße nach Wien,
    André Beßler

  • Ich wollte eigtl. einen Thread zum "späten Bernstein" eröffnen, sah aber gerade im Themenverzeichnis, daß es bereits einen sehr ähnlichen gibt, daher schreibe ich also mal hier.


    Ich will nicht lange mit meiner Meinung hinterm Berg halten: Ich vergöttere den späten Lenny! :jubel:
    Trotz aller Unkenrufe finde ich persönlich, daß dem alten Bernstein unglaublich faszinierende Aufnahmen gelangen.


    Direkte Vergleiche mit den früheren Sony/CBS-Aufnahmen der 60er und 70er habe ich nur ein paar (hauptsächlich Mahler und Tschaikowsky). Zwar sind auch die früheren Aufnahmen sehr gut, doch das wirklich absolut Einzigartige finde ich nur in den späten DGG-Aufnahmen wieder. Ein Tschaikowsky und Mahler, der an Emotionalität nicht zu überbieten ist, der in Ekstase förmlich zergeht. Selbiges gilt auch für Brahms und Schumann, Beethoven und Sibelius. Ich liebe ja nun bekanntlich wirklich die eher partiturtreuen Karajan-Aufnahmen, doch würde ich den späten Bernstein mindestens gleichrangig daneben stellen. Ich habe mir gestern Auszüge aus Bernsteins später Wiener Aufnahme von Bruckners 9. angesehen – und war begeistert. Da bedauert man wirklich, daß er sonst keine Symphonie von Bruckner je aufgenommen hat. Natürlich ist das kein "Einsteiger-Bruckner", vermutlich auch nicht die Referenzaufnahme. Aber doch einzigartig in der Diskographie. Und egal, auf welchen Komponisten ich es anwende: Beim späten Bernstein ist alles auf seine Weise singulär.


    Gott sei Dank für diese späten, wichtigen Tondokumente, die er uns hinterlassen hat! Es ist wirklich sehr schade, daß manche Zyklen (z. B. Sibelius) nicht mehr vollendet werden konnten. Doch seien wir froh über das, was überhaupt heute greifbar ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Ich wollte eigtl. einen Thread zum "späten Bernstein" eröffnen, sah aber gerade im Themenverzeichnis, daß es bereits einen sehr ähnlichen gibt, daher schreibe ich also mal hier.


    Ich will nicht lange mit meiner Meinung hinterm Berg halten: Ich vergöttere den späten Lenny! :jubel:
    Trotz aller Unkenrufe finde ich persönlich, daß dem alten Bernstein unglaublich faszinierende Aufnahmen gelangen.


    Direkte Vergleiche mit den früheren Sony/CBS-Aufnahmen der 60er und 70er habe ich nur ein paar (hauptsächlich Mahler und Tschaikowsky). Zwar sind auch die früheren Aufnahmen sehr gut, doch das wirklich absolut Einzigartige finde ich nur in den späten DGG-Aufnahmen wieder. Ein Tschaikowsky und Mahler, der an Emotionalität nicht zu überbieten ist, der in Ekstase förmlich zergeht. Selbiges gilt auch für Brahms und Schumann, Beethoven und Sibelius.


    Für die Komponisten, bei denen ich ganz gut vergleichen kann, Beethoven und Haydn, gilt das ganz und gar nicht. Da sind die späteren Aufnahmen klar "philharmonisch geglättet", mit breiten Tempi und nicht emotionaler, sondenr m.E. in fast jeder Hinsicht gemäßigter als die frühen. Es kann aber gut sein, dass das gerade bei Mahler und Tschaikowsky stellenweise anders ist. (Ich werde das aber sicher bei letzterem niemals herausfinden ;))


    Der Schumann gefällt mir in Unkenntnis der New Yorker Aufnahmen allerdings sehr gut; beim Brahms, soweit ich ihn kenne, bin ich wieder etwas gespalten (einige Tempi sind einfach viel zu breit). Dito bei Mahler, wo mir allerdings immer nur einzelne Sinfonien vorliegen. Die 6. ist sehr packend und emotional, die 1. finde ich dagegen überraschend zahm. (Ich müsste sie wieder mal hören, aber die grotesken Episoden im "Bruder-Jakob-Satz" habe ich als geglättet und harmlos in Erinnerung.)


    Zitat


    Da bedauert man wirklich, daß er sonst keine Symphonie von Bruckner je aufgenommen hat. Natürlich ist das kein "Einsteiger-Bruckner", vermutlich auch nicht die Referenzaufnahme. Aber doch einzigartig in der Diskographie. Und egal, auf welchen Komponisten ich es anwende: Beim späten Bernstein ist alles auf seine Weise singulär.


    Angeblich (vielleicht findet sich die Anekdote irgendwo im Forum bestätigt) habe Bernstein mal, als ihn jemand fragte, warum er Bruckners 8. nie dirigiert habe, demjenigen das Werk mehr oder minder komplett auswendig auf dem Klavier vorgespielt und währenddessen erläutert, was ihm nicht gefällt... :faint:


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Angeblich (vielleicht findet sich die Anekdote irgendwo im Forum bestätigt) habe Bernstein mal, als ihn jemand fragte, warum er Bruckners 8. nie dirigiert habe, demjenigen das Werk mehr oder minder komplett auswendig auf dem Klavier vorgespielt und währenddessen erläutert, was ihm nicht gefällt... :faint:


    :faint: Das war ein Musiker ersten Ranges. ja, diesen Bericht habe ich auch schonmal gehört.



    Ich möchte es kurz machen.
    Ich bin heute 2010 als Bernstein-Fan auf dem Stand, dass ich fast alle wichtigen sinfonischen Bernstein-Aufnahmen sowohl in den alten CBS-Aufnahmen (SONY), wie auch in seinen späten DG-Aufnahmen besitze:
    Brahms, Schumann, Beethoven, Sibelius, Tschaikowsky, Mendelssohn, Bernstein-Werke, Copland, Ives, Britten, Hindemith, Mahler (davon wenige auf DG) sind die Komponisten, die mir jetzt gerade für meine beiden Bernstein-Zyklen einfallen.


    Wenn man den Thread verfolgt, hatte ich schon 05/2007 meinen Irrtum (dort noch bei den Beethoven-Sinfonien) erkannt, das seine DG-Aufnahmen gar nicht immer vollumfänglich vorzuziehen sind.
    :yes: Heute muß ich erkennen, dass mir gerade seine CBS-Aufnahmen doch größtenteils mehr liegen, als die Späten. Dort ist er einfach jugendlich frischer, bei gleicher Emotionalität. Und viel wichtiger - seine Tempi waren weit angemessener.


    Kurz zu Bruckner 9:
    Ich hatte die CBS-LP mit Bernstein besessen und gleich erkannt: Bernstein ist kein Bruckner-Dirigent (genausowenig wie bei Liszt oder ein wirklich guter Ravel-Dirigent) . Seine späte Bruckner 9-Aufnahme muß wohl wesentlich besser und angemessener sein.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich wollte den frühen Bernstein in keinster Weise irgendwie abwerten. Ich wollte lediglich betonen, daß mir bisher seine späten Aufnahmen noch besser gefielen. Sie haben natürlich manieristische Eigenheiten, aber gerade deswegen (nicht trotzdem) finde ich sie so gelungen. Man höre sich etwa mal die Finalsätze von Sibelius' 1., Brahms' 2., Tschaikowskys 5. oder Schumanns 2. unter Bernstein mit den Wienern in den späten 80ern an: Ich finde schon, daß das an Emotionalität kaum mehr zu toppen ist. Gut, den Beethoven habe ich jetzt wirklich kaum im Ohr. Und was den Haydn angeht, kenne ich nur seine späte 88. (von 1984, mein ich) – aber die ist hervorragend! Im Video wiederholt Bernstein sogar den Finalsatz, nur noch mit mit Kopfbewegungen dirigierend. War live gewiß unvergeßlich.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also auch wenn Wolfgang seinen Augen nicht trauen wird:
    "Bernstein war eine geniale Gestalt, auch als Dirigent".
    Mein Freund Klaus hat ihn mal in Salzau getroffen und war hinterher verwandelt, als hätte ihn der Finger Gottes berührt.


    Insbesondere seine Zeit in New York, diese Mischung aus Naivität im Zugang, dem beinahe schon missionarischen Einsatz für Außenseiter zu der Zeit (also 195x-197x) hat hervorragende Ergebnisse erzeugt.
    Sein 1. Mahler Zyklus ist immerhin so gut das er zu Recht immer noch zu haben ist.
    Doch was mir schon damals auffiel (z.B. 7. Mahler), sein Hang, Sentimentales so zu vergrößern, das es dem Kitsch gefährlich nahe kam, und im Allegro so los zu toben, dass es fast nicht mehr lustig ist, mit anderen Worten, sein Hang, die der Musik innewohnende Emotionalität so zu vergrößern und zu vergröbern, dass sie Gefahr läuft, zur Karikatur zu werden, das war in den 60igern nur latent vorhanden, späte wurde es manifest.
    Ein Beispiel aus den 60igern ist die Berlioz Aufnahme der Fantastischen Sinfonie, die glatt als Musik für einen Disney Film ala Fantasia durchgehen würde.
    Hier wirkt alles quasi wie durch ein Vergröberungsglas betrachtet.
    Absolut exzellent gespielt, aber irgendwie lächerlich.
    Dagegen Markewitch, Cluytens oder Munch, um mal Zeitgenossen der 60iger zu bringen sind zwar nicht so schwungvoll, aber viel reicher bei mehrmaligem Hören, jedenfalls für mich!


    Später dann:
    Lennie hat mir dem Wechsel zur DGG den Weg beschritten, der ihn vom unendlich begabten Dirigenten (und er konnte noch mehr!) zum Medienstar machte.
    Ich habe heute seine Sibelius 2 und Eroica, beide von der DGG, gehört. Bei Sibelius hört man immer direkt, wie er Anlauf zum nächsten Effekt nimmt,- ja Sibelius war auch nicht ein so doller Komponist, aber sehr effektvoll, man es kann in den Noten nachlesen und Lennie versteckt es nicht, sondern betont es auch noch, - es ist eigentlich eine lächerliche Aufnahme im Vergleich zu Sanderling oder gar Szell, die zudem pastos und ganz auf Effekt getrimmt wirkt.
    Aber irgendwie auch herrlich, so ganz eigen.


    Die Eroica ist recht gut, ein schöner 1. und 3. Satz, hält aber keinen Vergleich mit dem Meisterstück aus, das er mit NYP abgeliefert hat.
    Der 2. Satz fällt mir völlig auseinander (weil er auf triefende Emotionen= Schmalz setzt) und die letzten Variationen im 4. Satz sind gar nichts, die Sinfonie fällt am Ende auseinander.
    Da war Hvk bis an Ende seiner Tage gewissenhafter!


    Ich fürchte, dass Lennie in seinen letzten 10 Jahren nicht mehr genügend kontrolliert wurde (Frau tot, Lover waren nur Bewunderer, nicht Partner) und der tägliche Konsum von ca. 60 Zigaretten und mind. 1 Liter Bourbon, Kenner des Sh Festivals halten das eher für untertrieben, den Tribut gefordert haben.


    Ach ja, und dann da gibt es noch zwei absolute NO-GO Aufnahmen, die an sich toll sind, aber mit dem jeweils dargestellten Werk eigentlich nix zu tun haben, sondern eher mit Lennie und seinen Neurosen.
    Und das macht er wahrlich toll. Ich freue mich diese Aufnahme zu besitzen, auch wenn sie im Falle der 6. teilweise arg klebrig sind.
    Aber die "klebrige Zuneigung besoffener Männer" (Henscheid) ist manchmal wahrlich nicht schlecht.
    Tschaikowsky 5 und 6.


    Gruß S.

  • Danke für den sehr amüsant zu lesenden Beitrag, lieber s.bummer!


    Den Hinweis auf seinen Lebenswandel in den letzten zehn Jahren halte ich für wichtig, weil man nur so sein Spätwerk annähernd verstehen kann. Daß sich ein dem Greisenalter naher Mann, der eben nicht mehr der junge Hecht von einst ist, mit kritiklosen Bewunderern umgibt, kann man ja auf eine Art noch verstehen. Daß er trotz dieses Lebenswandels bei den als reaktionär verschrieenen Wienern halbgottgleich aufgenommen wurde, wundert mich ja fast. Die späten Aufnahmen entstanden m. W. mehrheitlich mit den New Yorkern und Amsterdamern, besonders aber mit den Wienern. Es scheint fast so, als habe man sich in Wien in den 80ern an die beiden Pultgötter Karajan und Bernstein geklammert bis zum bitteren Ende. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit erfolgte beider Abgang fast zeitgleich. Was muß das für ein Einschnitt gewesen sein 1989/90! Nicht nur politisch, eben auch musikalisch ...


    Später Bernstein ist vielleicht nichts als Einsteiger, aber als Fortgeschrittener möchte ich ihn nicht missen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dass Lennie reaktionär war, glaube ich nicht.
    Diese Dimension des Denkens gab es bei ihm nicht.
    Er war ein Menschenfreund!
    Ohne wenn und aber.


    Und er hat den Barschel im Krankenhaus besucht, egal, was das für ein Bube war.
    Freund ist Freund.


    Und so muss man sich an ihn erinnern!


    An einen Menschenfreund. Immer mit nem Glas JD


    Gruß S.


    PS: All die Leute, die Hvk oder Kuddl Böhm oder andere so loben, sollten ihre "Idole" erst mal an Lennie kalibrieren, denn der Kerl (seems to me) war echt sympathisch.
    Und wenn man denn zu 4 .Mahler in der damaligen Ostseehalle ging, dann wussten wir, das das was Singuläres und nix Mediokres war.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich meinte, daß die Wiener eher als reaktionär gelten, daher wundert es mich, daß einer wie Lenny, der ja das Gegenteil war, so gut ankam. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Daß er trotz dieses Lebenswandels bei den als reaktionär verschrieenen Wienern halbgottgleich aufgenommen wurde, wundert mich ja fast


    Saufen ist nicht unbedingt ein Gegensatz zum reaktionären Weltbild - zumindest in Wien nicht.


    Aber Lennie hat die Wiener quasi stummgeküsst. Überall Umarmungen und Komplimente - er wusste wie er mit den Wienern umgeht.
    Und er war das Gegenstück zum intellektuellen und als unnahbar verschrieenen Herbert von Karajan


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier ist vielleicht ein geeigneter Ort, um auf das Erscheinen des zweiten Teils der monumentalen Leonard Bernstein Collection der Deutschen Grammophon hinzuweisen. Auf 64 CD sind dort u.a. seine DG-Aufnahmen der Komponisten Mozart, Mahler, Mendelssohn, Schumann, Schubert, Strawinski, Schostakowitsch und Tschaikowski enthalten. Der erste Teil der Collection (u.a. mit Beethoven, Brahms, Haydn und Werken des 20. Jahrhunderts) ist schon vor zwei Jahren erschienen. Wer wie ich fast alle Aufnahmen des späten Lenny schon hat, wird diese Sammlung nicht kaufen; um Lücken zu füllen eignen sich besser die den einzelnen Komponisten gewidmeten Boxen "Complete Recordings on DG". Für Neuentdecker dieses überragenden Dirigenten sind die Collections aber sicher eine interessante Option.




    Und zum Thema dieses Threads: Ich bin mit dem späten Lenny groß geworden und schätze ihn bis heute über alles. Sein früheres Wirken mit dem NYP habe ich erst viel später zur Kenntnis genommen, auch begünstigt dadurch, dass die alten CBS-Aufnahmen inzwischen neu gemastert in akzeptabler Klangqualität vorliegen. Mit wenigen Ausnahmen (Tschaikowski) ziehe ich die späteren Interpretationen aber immer noch klar vor.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Es ist interessant wie gegensätzlich Bertaridos und meine Ansichten oft sind - und wir dennoch geradezu exemplarisch freundlich miteinander umgehen (Letzteres sollte Schule machen im Forum)
    Bernstein war eigentlich nich wirklich "mein" Dirigent, wenngeleich ich seine Vorzüge im Laufe der Jahre zu schätzen gelernt habe. Ich fand die alten CBS Aufnahmen unvergleichlich spontaner, aber auch tontechnisch gelungener als seine späteren Einspielungen für die Deutsche Grammophon Gesellschaft. Zwar waren auch sie nicht frei von Mängeln, aber sie waren zumindest räumlich und vermittelten irgendwie einen realistischen Orchesterklang. Für die DGG wurde in den achtiger Jahren vorzugsweise live aufgenommen, Lennie behauptete, es sei aus künstlerischen Gründen geschehen, ich meine man wollte sich die teuren Studioaufnahmen ersparen. Live-Aufnahmen habe ich von jeher abgelehnt, ich fand, da könnte ich ebensogut eine Radioübertragung mitschneiden. Aber mir war der Klang nicht gut genug. Die Aufnahmen aus dem Wiener Musikverein waren derart auf Unterdrückung von Publikumsgeräuschen getrimmt, daß weder von der Saalakustik noch von den feinsten Klangfarben des Orchesters etwas übrig blieb, vor allem die Haydn Sinfonien klangen stumpt und lustlos, Spätere Remasterings mögen hier geringfügigi Verbesserungen erbracht haben.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es sind ja auch nur drei? (88,92,94) Haydn-Sinfonien bei den späten Aufnahmen dabei, ggü. 19 (82-88, 93-104) aus New York.


    Allerdings kann ich die harte Kritik am Klang der Wiener (und anderswo) Aufnahmen auch nicht ganz nachvollziehen. Sie sind klanglich nicht überragend, aber auch nicht ungewöhnlich schlecht oder problematisch. (Es gibt meiner Erinnerung nach deutlich problematischere Aufnahmen der DG aus den 1980ern, ganz unabhängig von live.) Die New Yorker haben eben beinahe durchweg einen transparenten, aber recht rauhen Klang.


    Ich bin allerdings nicht Fan genug, um die Aufnahmen mehr als sporadisch vergleichen zu können, weil ich mit wenigen Ausnahmen meist nur eine aus New York oder eine der späten DG-Aufnahmen habe (oder gar keine)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich kann Alfreds Kritik an der Klangqualität der DG-Aufnahmen auch nicht teilen. Die Aufnahmen sind nicht überragend, aber ich kenne überhaupt keine DG-Aufnahme aus dieser Zeit, die wirklich exzellent wäre. Aber sie gehören klanglich meiner Meinung nach zu dem Besten, was die DG damals produziert hat, und sie sind fast immer besser als selbst die neu gemasterten CBS-Aufnahmen aus den 60ern. Nun bevorzuge ich allerdings Live-Aufnahmen grundsätzlich gegenüber Studio-Aufnahmen, noch ein Gegensatz zwischen uns, lieber Alfred :hello: Und nach allem, was ich weiß, hat Bernstein selbst auch Live-Aufnahmen den Vorzug gegeben.


    Ein weiterer Vorteil der Live-Aufnahmen besteht darin, dass viele auch gefilmt wurden und auf DVD vorliegen.


    Der einzige Nachteil einiger dieser DG-Aufnahmen: aus nachvollziehbaren Gründen hat Bernstein viel mit dem Israel Philharmonic gearbeitet, das meiner Meinung nach zumindest damals weder mit den europäischen Spitzenorchestern mithalten konnte, die Bernstein sonst dirigiert hat (Wiener Philharmoniker, Concertgebouw, Symphonieorchester des BR) noch mit dem NYP.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Der einzige Nachteil einiger dieser DG-Aufnahmen: aus nachvollziehbaren Gründen hat Bernstein viel mit dem Israel Philharmonic gearbeitet, das meiner Meinung nach zumindest damals weder mit den europäischen Spitzenorchestern mithalten konnte, die Bernstein sonst dirigiert hat


    Als überdurchschnittlich grosser Bernstein-Fan habe ich mir das gesamte (mich interessierende) Repetoire mit Leonard Bernstein zugelegt, dass auf CBS (SONY) und DG vorliegt.
    :!: Im Grossen und Ganzen tendiere ich zu den CBS-Aufnahmen, weil diese eindeutig spritziger, kurzweiliger und lebendiger wirken und nicht von seinem "nicht mehr loslassen können" und damit im Tempo breit ausdehnend. Trotzdem möchte ich auch die DG-Aufnahmen allesamt nicht mehr missen, denn es gibt kaum einen Dirigenten der solche Emotionen in Klang umzusetzen wusste.
    Bei den Schumann-Sinfonien hat er vom Tempo keine entscheidenden Tempo-Mätzchen eingebaut, sodass schon aus klanglichen Gründen meine Vorliebe für DG ausfallen muss.


    Bertarido, Du hast zwar Recht, dass viele Aufnahmen mit dem Israel PO nicht ganz das Niveau der sonstigen Bernstein-Aufnahmen haben. (Bes. sein DG-Strawinsky ist nicht ausreichend gelungen.) Aber sowohl zwischen den CBS- und den DG-Aufnahmen wie auch hier mit den Israelis gibt es sehr positive Ausnahmen.


    :angel: Diese Hindemith-CD gehört zum Besten, was ich von Bernstein schätze. Er holt hier aus dem Israel PO das Machbare heraus und schuf IMO Jahrhundertaufnahmen dieser 3 grossen auf der CD enthaltenen Hindemith - Werke:



    DG, 1989, DDD


    Emotion - Power - rhythmisches Feeling = der Hammer ---- referenzwürdig !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich bin ja nun gerade kein Freund des Kaisers (Hindemith), aber ich kann hier unter meinen zahlreichen Bernstein-Aufnahmen, mittlerweile auch auf DVD, eine andere, ebenfalls auf DVD, mit dem Israel Philharmonic ins Feld führen, auf der er er mit Lucia Popp und Walton Groenroos eine sehr anrührende Live-Aufnahme der Mahlerschen "Wunderhorn-Lieder" vorlegt:


    Ansonsten ist natürlich auch seine Aufnahme sämtlicher Mahler-Sinfonien auf DVD mit den Wienern (Ausnahme Mahler 2 mit den Londonern in der Kathedrale von Ely) in den höchsten Tönen zu loben:

    Letztlich hat auch die Box mit Beethoven und den Wienern (NY-Drive hin oder her) auch ihre Meriten, denn das Erlebnis einer DVD ist m. E. ganzheitlicher, ist näher am Live-Erlebnis:

    Leider habe ich Lennie nie live erlebt, aber die DVD ist ein kleiner Eratz dafür, vor allem, da Lennie ja immer ein ganz uund gar extroviertierter Dirigent war, was aber keinesfalls Selbstzweck war, sondern das war so in ihm drin, er konnte nicht anders, Gott sei Dank.
    Im Großen und Ganzen, lieber Wolfgang, sind wir ja eigentlich wie fast immer einer Meinung.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Als überdurchschnittlich grosser Bernstein-Fan habe ich mir das gesamte (mich interessierende) Repetoire mit Leonard Bernstein zugelegt, dass auf CBS (SONY) und DG vorliegt.


    Lieber Wolfgang, das gilt für mich gleichermaßen.



    :!: Im Grossen und Ganzen tendiere ich zu den CBS-Aufnahmen, weil diese eindeutig spritziger, kurzweiliger und lebendiger wirken und nicht von seinem "nicht mehr loslassen können" und damit im Tempo breit ausdehnend. Trotzdem möchte ich auch die DG-Aufnahmen allesamt nicht mehr missen, denn es gibt kaum einen Dirigenten der solche Emotionen in Klang umzusetzen wusste.


    Bei mir ist es genau umgekehrt. Ich habe die Kritik an den "breiten Tempi" des späten Bernstein nie so ganz nachvollziehen können. Für mich ist es meistens genau richtig. Ausnahmen wären etwa die späten Tschaikowski-Aufnahmen mit dem NYP, insbesondere die Pathetique, die ich unerträglich finde.



    Völlig einverstanden! Ich finde vieles, was Bernstein mit dem Israel Philharmonic gemacht hat, großartig. Die Aufnahme des "Lieds von der Erde" zum Beispiel ist meine allerliebste Aufnahme dieses Werks. Aber man merkt dann eben doch, dass kein Spitzenorchester am Werk ist - hätte er diese und andere Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern gemacht, wäre es mir lieber gewesen.


    Ansonsten ist natürlich auch seine Aufnahme sämtlicher Mahler-Sinfonien auf DVD mit den Wienern (Ausnahme Mahler 2 mit den Londonern in der Kathedrale von Ely) in den höchsten Tönen zu loben:


    Da lobe ich mit! Diese Aufnahmen liegen ja zeitlich irgendwo zwischen früh und spät, ich finde, dass Lenny da auf dem Höhepunkt seiner Mahler-Kunst war. Die Klangqualität der DVDs ist leider nicht gerade berauschend, wenn ich viel Geld hätte, würde ich etwas für ein Remastering dieser Aufnahmen mit neuester Technik spenden.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Vielleicht kommt das ja noch, lieber Bertarido, dass sie dann remastered auf Blue Ray erscheinen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Naja, einige Tempi sind ohne Frage extrem gedehnt, nicht nur Tschaikowsky, sondern auch Brahms.
    Aber das ist ja nicht der einzige Unterschied zu den früheren Aufnahmen. Bei den drei Haydn-Sinfonien sind z.B. meiner Erinnerung nach die Tempi nicht auffällig. Aber, und den Eindruck hatte ich auch bei einigen Beethovensinfonien (wobei ich die nicht alle kenne), es herrscht eine etwas unverbindliche philharmonische Gepflegtheit verglichen mit den intensiveren New Yorker Aufnahmen. Und deren etwas "derber" Klang passt m.E. gut zu Beethoven und Haydn, wobei die packenden frühen Aufnahmen der Pariser Sinfonien (zu denen es eh keine spätere Alternative gibt) allerdings etwas an zu dicken und dominierenden Streichern leiden.
    Ich schätze aber auch einige der späten Aufnahmen sehr, was teilweise auch an "Prägung" liegen kann. Als ich Ende der 1980er begann, CDs zu kaufen, waren das oft die teuren, neuen, begehrenswerten Aufnahmen und ich habe mir einige davon geleistet bzw. schenken lassen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Naja, einige Tempi sind ohne Frage extrem gedehnt, nicht nur Tschaikowsky, sondern auch Brahms.


    Bernsteins Brahms-Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern sind nun gerade Bestandteil meines Kanons unverzichtbarer Aufnahmen. :) Bei den Tempi muss man schon genauer hinschauen. Die langsamen Sätze sind vielleicht "gedehnt" (bei Brahms für mich aber genau richtig), bei den schnelleren gilt das aber nicht durchgängig.



    Aber das ist ja nicht der einzige Unterschied zu den früheren Aufnahmen. Bei den drei Haydn-Sinfonien sind z.B. meiner Erinnerung nach die Tempi nicht auffällig. Aber, und den Eindruck hatte ich auch bei einigen Beethovensinfonien (wobei ich die nicht alle kenne), es herrscht eine etwas unverbindliche philharmonische Gepflegtheit verglichen mit den intensiveren New Yorker Aufnahmen.


    Ich würde die späteren Aufnahmen eher als reif und von einem tieferen Verständnis für die Werke durchdrungen bezeichnen ;) Ist dann wohl auch eine Geschmacksfrage, ob man diese vorzieht oder die ungestümeren Aufnahmen aus seiner Jugendzeit.



    Ich schätze aber auch einige der späten Aufnahmen sehr, was teilweise auch an "Prägung" liegen kann. Als ich Ende der 1980er begann, CDs zu kaufen, waren das oft die teuren, neuen, begehrenswerten Aufnahmen und ich habe mir einige davon geleistet bzw. schenken lassen.


    Ich bin sicherlich auch geprägt vom späten Lenny, viele Werke habe ich durch ihn erst kennengelernt (eben z.B. die Symphonien und Konzerte von Brahms).

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Der verrückte Vinyl-Boom geht weiter. Zwar steht in jedem mittelmäßig bestückten Second Hand Laden mindestens eine der Boxen mit den Symphonien von Gustav Mahler aus New York und London mit Lennie am Pult - sie war seinerzeit ein Bestseller bei der Ladenkette 2001 - und man muß i.d.R. auch nur 25-50 € dafür berappen. Aber wem das zu billig ist, der kann jetzt zwei Grüne auf den Tisch legen und kriegt sogar noch die Originalcover als Kopie dazu. Wenn ich es richtig sehe, ist für die neue Box eine andere Aufnahme der 2. Symphonie gewählt worden, die frühere mit Jeannie Tourel.

  • Ja, es fällt schwer, rationale Gründe für einen Kauf vorzubringen. Ist zumindest zu hoffen, dass es sich um 180g-Pressungen handelt. Die Aufnahmen an sich sind klanglich ja "ok", aber eine audiophile Vermarktung halte ich dann doch für unsinnig. So gut ist das Quellmaterial eben nicht.


    Viele Grüße
    Frank

  • Diese Veröffentlichung ist so überflüssig wie ein Kropf. Ich frage mich, ob es dafür wirklich einen Käuferkreis gibt.


    Die sollen mal lieber Bernsteins seit Jahren vergriffene zweite New Yorker Aufnahme der Symphonie fantastique (1968) wiederauflegen. Die erhielt bisher nur eine einzige CD-Veröffentlichung:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Diese Veröffentlichung ist so überflüssig wie ein Kropf. Ich frage mich, ob es dafür wirklich einen Käuferkreis gibt.


    Da der Markt immer recht hat, werden sie ja wohl entsprechend bestraft werden, wenn es keinen ausreichenden Käuferkreis gibt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Da der Markt immer recht hat, werden sie ja wohl entsprechend bestraft werden, wenn es keinen ausreichenden Käuferkreis gibt.


    Der ferne Osten wird es richten. Vor einigen Jahren gab es die digitale GA mit Tilson Thomas und dem SFSO auf Vinyl, nummerierte Auflage: 1000 Stück für je $ 750. War nach wenigen Tagen weg. Auch der digitale Bernstein wird gerade auf Vinyl wiederveröffentlicht.