Produkt einer unglücklichen Liebe - Hector Berlioz: Symphonie fantastique

  • Zwei Aufnahmen sollten hier der Vollständigkeit halber noch genannt werden, auch wenn sie vielleicht (soweit ich das beurteilen kann) nicht so gaaanz mit den großen hier genannten Aufnahmen "mithalten" können.


    Für die Einspielung der Tschechischen Philharmoniker unter Carlos Zecchi

    spricht vor allem das gewohnt satte und „flüssige“, aber ohne besondere Konturen versehene Spiel des tschechischen Orchesters mit herrlichen (hier: Blech-)Bläsern. Die Aufnahme stammt aus 1959 und ist recht farbig, ist aber klanglich doch ein Kind der Zeit. Die Pauken klingen, als wären sie mit dem Donnerblech gespielt worden – weich und wolkig. Total faszinierend sind aber die Glocken im letzten Satz; sie klingen nicht wie üblich aus dem Orchester heraus, sondern wie Kirchturmglocken aus der Ferne. Das passt!!! Auch wenn die bedrohliche Wucht (die scheint’s für das Werk so essentiell ist) fehlt.


    Die zweite Aufnahme stammt aus 1960, es spielen die Leningrader Philharmoniker und Mariss' Vater Arvid Jansons.

    Klanglich eher bescheiden, vor allem wurden die „Solo-„Instrumente stark mir der Lupe (Stützmikros) etwas (zu) stark herausgearbeitet. Interessant ist, dass diese Aufnahme so untypisch „russisch“ klingt – ganz anders als andere Aufnahmen aus diesem Zeitraum. ME keine große Aufnahme, aber als Repertoireergänzung bei mir immer wieder gern gehört.


    Zu nennen ist vielleicht auch die famose Einspielung des großen Ataúlfo Argenta mit dem toll aufspielenden Orchestre de Paris Conservatoire aus 1957.
    bzw
    Obligatorisch satter Decca-Sound – klanglich mit Abstand die beste der hier genannten. Argenta hatte ein unglaubliches Händchen für die Musik. Highly recommended!
    :)

  • ...
    Fazit: Viele ältere Aufnahmen kann ich jetzt tatsächlich in den Ruhestand schicken


    NUR EINE NICHT, denn die rohe Energie, die hier freigesetzt wird, hat nie wieder jemand erreicht, ...


    Hallo Lutgra,


    ich kenne die MTT-Aufnahme nicht und die Bernstein-Einspielung (noch) nicht, kann mir aber gut vorstellen, was Du mit "roher Energie" meinst :-) Und obwohl ich das durchaus nachvollziehen kann (und in gewisser Weise auch schätze), so frag ich mich immer öfter, ob "rohe Energie" in der Interpretation so das Maß aller Dinge ist. Vor allem, wenn es soweit geht, dass fortan alle älteren Aufnahmen in den Ruhestand, also quasi aufs Abstellgleis, geschickt werden sollen. Ist nicht die Vielfalt gerade eines so farbigen Werkes wie diesem so interessant, so spannend? Neben den drei von mir oben genannten Einspielungen hab ich noch den Minkovski, den Norrington (LCP) und den Immerseel mit seiner herrlich farbigen und so vollkommen 'anders' klingenden Aufnahmen und keine möchte ich missen.


    Fantastische Güße aus München
    Thomas

  • Zu nennen ist vielleicht auch die famose Einspielung des großen Ataúlfo Argenta mit dem toll aufspielenden Orchestre de Paris Conservatoire aus 1957.

    Die ist sogar inzwischen wieder als Vinyl erhätlich, als Reissue von Speakers Corner. Die Originalscheiben sind gesuchte und teure Sammlerstücke.


    Ich habe auch noch die folgende Aufnahme mit Rene Leibowitz, erinnere aber nicht mehr, wie ich die fand:


  • Hallo Taminos,


    heute habe ich mir erstmals folgende Aufnahme komplett durchgehört: Esa-Pekka Salonen mit dem Philharmonia London aus dem Jahr 2008


    Insgesamt bin ich von der Aufnahme sehr angetan - den ersten Satz halte ich für sehr gelungen, da sehr spannend und in einem großen Bogen vorgetragen. Die dynamischen Möglichkeiten, die ihm die Partitur hier bietet, nutzt Salonen komplett und sehr präzise aus und macht aus diesem - mir bisher als langweilig in Erinnerung gebliebenen Satz - eine große Sache.
    Der Ball ist auch gut gelungen, die Sache hat Schwung und Salonen wahrt einen sehr durchsichtigen Orchesterklang, der dem Satz sehr zugute kommt. In der Szene auf dem Land zeigen die hervorragenden, sehr inspiriert spielenden Musiker des Philharmonia in den Soli ihr Können. Mittendrin legt Salonen zeitweise ein einen Zahn zu, was mir teils doch zu drängend erscheint.
    Auch die letzten beiden Sätze meistert Salonen mit seinem Orchester hervorragend. Selten hörte ich das Blech im Marsch so strahlend wie in dieser Aufnahme. Verwundert war ich jedoch von einer Temporückung in Takt 122 des Marsches, von der in der Partitur nichts erwähnt ist und m.E. auch dort nichts zu suchen hat. Der Finalsatz klingt in dieser Aufnahme sehr diabolisch, gewaltig und reißt richtig mit. Salonen präsentiert die von Berlioz vorbestimmte Szene hier dem Hörer in düsternsten Farben. Ob es die - mir noch unbekannte - Bernstein-Aufnahme toppen kann, weiß ich nicht, halte diesen Satz aber wie die ganze Aufnahme für sehr gelungen.


    LG
    Christian

  • Hallo,


    die "Symphonie Phantastique" gehört für mich zu den genialsten Kompositionen. Ich hatte zuerst eine Aufnahme mit Lorin Maazel und dem Cleveland Orchestra, die ich nicht schlecht fand. Irgendwann fand ich auf dem Wühltisch bei Schmorl u.v. Seefeld eine Aufnahme mit Rolf Reuter und dem Orchester der Komischen Oper Berlin. Die gefiel mir weitaus besser, als die mit Lorin Maazel. Reuter spielt rhythmisch äußerst flexibel, sein Metrum ist nicht starr und auch die einzelnen Orchestergruppen spielen rhythmisch nicht simultan im Takt. Es ergibt sich daraus ein etwas disparates Nebeneinander der Stimmen, das ich äußerst passend zu dieser Sinfonie finde (keine Schwäche des Orchesters, wie ich vermute). Die einzelnen Stimmen sind sehr gut artikuliert und ausphrasiert, die Musik singt und spricht. Der Interpretationsansatz erinnert mich an Vaclav Neumanns Ansatz bei der 9. Sinfonie von Antonin Dvorak mit dem NHK-Sinfonieorchester. Wenig bekannte Dirigenten und Orchester vollbringen oft großes, mindestens ebenso oft wie bekannte! Ich habe nie weiter nach Aufnahmen der "Symphonie Phantastique" gesucht, mit dieser bin ich vollkommen zufrieden. Die Aufnahme kostet nur 7 €, hier kann man bei jpc hineinhören, z.B. Titel 4:



    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)


  • Es gibt unbestreitbar viele sehr gute Aufnahmen dieses Werkes. Eine richtig misslungene ist mir noch gar nicht untergekommen. Sehr empfehlenswert finde ich etwa Barbirolli (ICA), Davis (Philips), Beecham (EMI) und Roschdestwenski (Melodia und BBC). Aber irgendwie kehre ich immer wieder zur Stereoeinspielung von Igor Markevitch mit dem Orchestre Lamoureux aus dem Jahre 1961 zurück. Das fängt bei der Tontechnik an. Auch der DG gelangen bereits in dieser Zeit wirklich gute Aufnahmen. Französischer als hier kann es kaum klingen, das Orchester ist geradezu prädestiniert für dieses Werk. Gespenstischer hörte ich den letzten Satz kaum anderswo. Welch ein großartiger Dirigent der Ukrainer Markevitch war, ist hinlänglich bekannt. Diese Aufnahme ist ein weiterer Beleg dafür.


    Nebenbei bemerkt: Woher der Nimbus der älteren Einspielung von Markevitch mit den Berliner Philharmonikern kommt, die teilweise der neueren vorgezogen wird, habe ich nie verstanden. Der Monoklang von 1953 ist wirklich alles andere als ideal für die Symphonie fantastique, deren Klangpracht nur in Stereo nachvollziehbar wird. Dazu das Orchester. Den richtigen Tonfall haben die Berliner nun bei aller Liebe wirklich nicht drauf. Fast plump das Blech beim Dies irae. Wieviel überzeugender, bedrohlicher und zigfach besser eingefangen ist das doch in Paris. Markevitch ist 1953 in allen Sätzen flotter unterwegs als acht Jahre später, aber das besagt ja auch wenig. Die Monoaufnahme ist m. E. eher aus historischen Gesichtspunkten von Interesse; eine Referenzempfehlung kann sie wohl schwerlich sein.


    Fono Forum urteilte 1988 über die Stereoeinspielung: "Obwohl über ein Vierteljahrhundert alt, nimmt diese wiederveröffentlichte und dabei an Klangtransparenz und Fülle noch gesteigerte Aufnahme der Berlioz-Sinfonie noch immer einen Ausnahmerang ein." Und David Hurwitz von Classics Today: "Reference Recording: Markevitch and Lamoureux Rock the Symphonie fantastique [...] In sum, if you love this work then this is a must-hear recording." Dem kann ich mich nur anschließen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Schön, dass Du mich nochmals bestätigst - ich habe mir diese Aufnahme nicht zuletzt wegen der Empfehlungen hier gerade erst (übrigens für einen Spottpreis) zugelegt, allerdings noch nicht gehört. Und ja, Du hast m.E. völlig Recht: Bei solchen komplexen und auch auf klangliche Wirkung ausgerichteten Werken kann ich mir auch keine wirklich glücklich machende Mono-Aufnahme vorstellen.

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Gerade habe ich mir lange überlegt, ob ich diese meine Erstaufnahme auf DG-LP mir noch einmal auf CD kaufen soll ... :?:
    Die DG-LP dieser schönen Aufnahme hat mich viele Jahre glücklich begleitet und ist noch bei meinen wenigen LP´s aus Andenkengründen übrig geblieben. Das Cover sieht auf meiner DG-LP noch anders aus.


    8-) Ich bin nun zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mit meinen Favoriten Solti (Decca) und ebenso der Wahnsinnsaufnahme mit Bernstein (SONY,63) vollends zufrieden sein kann!
    :evil: Nein, ich kaufe die CD nicht ... wozu denn nun wieder eine CD kaufen, wo die Favoriten bereits eingefahren sind ... wann soll man das alles hören und wozu dann noch horten?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die in Beitrag 59 erwähnte Aufnahme von Bernstein mit dem New York Philharmonic von 1968 (sic) ist mittlerweile auf YouTube in HD verfügbar: Sätze 1, 2, 3, 4, 5. Es handelt sich um eine Live-Aufnahme vom 5. März dieses Jahres (New York Philharmonic 1968 Tour).


    Auf CD ist sie bisher tatsächlich nur ein einziges Mal in der Reihe "Great Performances" erschienen (in der Royal Edition ist es trotz anders lautender Angaben jene von 1963):


    71o3hn8gjfL._SL300_.jpg


    Die Spielzeiten unterscheiden sich ganz erheblich:


    1963: 13:18 - 6:15 - 17:14 - 4:49 - 9:47
    1968: 12:30 - 6:00 - 15:00 - 4:25 - 9:25


    Nähere Informationen zu den Aufnahmen von 1963 und 1968.


    Nach einigem vergleichenden Hören würde ich sagen: 1968 ist Bernstein noch wilder, was wohl auch an der Live-Situation liegen dürfte.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine Aufnahme, die hier zu meiner Überraschung bisher nicht genannt wurde, die aber zu meinen Favoriten gehört:



    Claudio Abbado dirigiert das Chicago Symphony Orchestra und kostet alle Facetten dieses vielgerühmten und im zeitlichen Kontext revolutionären Werkes aus.


    Ich bin froh, noch eine Originalausgabe zu besitzen. Heute gibt es nur noch Nachlieferungen "on demand" mit bis zu vierwöchiger Lieferzeit



    Liebe Grüße


    Portator

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo,


    Danke für den Tip - ich habe sie gerade gebraucht bestellt :
    https://www.amazon.de/gp/produ…tailpages00?ie=UTF8&psc=1



    Ich bin gerade in den letzten Tagen, angeregt durch diesen Thread, auf den Geschmack gekommen nachdem ich mir meine Gardiner Aufnahme wieder angehört habe. Heute ist Solti angekommen, Norrington (Stuttgarter) ist ebenso auf dem Weg wie die Davis Aufnahme als Pentatone SACD, Dutoit , Munch als SACD (Living Stereo) , Markevitch (DGG) und Tilson-Thomas ...... jetzt ist aber genug!
    Am meisten gespannt bin ich auf Munch und die Davis Aufnahme - mal sehen was Pentatone da abgemischt hat.


    Kalli


  • Hallo,



    gibt es einen Grund, warum die Aufnahme mit dem Philadelphia Orchestra unter R. Muti hier nicht erwähnt worden ist?


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Aufnahmetechnisch wird diese Aufnahme wohl nicht zu überbieten sein. Ich habe sie gehört mit einem gigantischen Horn-System - das ist wirklich spektakulär:


  • Ich bin nun zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mit meinen Favoriten Solti (Decca) und ebenso der Wahnsinnsaufnahme mit Bernstein (SONY,63) vollends zufrieden sein kann!
    Nein, ich kaufe die CD nicht ... wozu denn nun wieder eine CD kaufen, wo die Favoriten bereits eingefahren sind ... wann soll man das alles hören und wozu dann noch horten?


    Sorry Teleton, aber das klingt für mich so als versuchtest Du gerade, Dich selbst von etwas zu überzeugen, was Du dann am Ende doch nicht glaubst... :D:D:D

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Die Bernstein-Aufnahme von 1963 ist sicherlich sehr packend, allerdings klingt sie m. E. nicht besonders französisch. Speziell die letzten beiden Sätze finde ich bei Markevitch kaum zu toppen. Grandios, wie er den Spannungsaufbau im letzten Satz zustande bringt. Tempomäßig lässt er sich mehr Zeit als die meisten anderen, dennoch wirkt es nicht verschleppt. Die Blechbläser des Orchestre Lamoureux erzielen im Finale beim Dies irae wirklich einen Gänsehauteffekt. Bernstein geht das etwas flotter, aber auch nicht ganz so intensiv und unbarmherzig schneidend an. Tontechnisch kommt mir die fast gleichzeitig entstandene Aufnahme von Markevitch auch gar nicht unterlegen vor.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Speziell die letzten beiden Sätze finde ich bei Markevitch kaum zu toppen. Grandios, wie er den Spannungsaufbau im letzten Satz zustande bringt. Tempomäßig lässt er sich mehr Zeit als die meisten anderen, dennoch wirkt es nicht verschleppt. Die Blechbläser des Orchestre Lamoureux erzielen im Finale beim Dies irae wirklich einen Gänsehauteffekt.

    :thumbup:



    Claudio Abbado dirigiert das Chicago Symphony Orchestra und kostet alle Facetten dieses vielgerühmten und im zeitlichen Kontext revolutionären Werkes aus.

    Die Aufnahme hat mir z.B. überhaupt nicht gefallen, habe ich gleich wieder verkauft. Deshalb wäre ich auch bei der Aufnahme aus Berlin erst einmal sehr skeptisch, bis hier massiv anderes berichtet wird. :D


    Hier noch gar nicht erwähnt:

  • Die Bernstein-Aufnahme von 1963 ist sicherlich sehr packend, allerdings klingt sie m. E. nicht besonders französisch.

    Wirklich interessant von Dir, lieber Josef zu erfahren, dass noch eine weitere Bernstein-Aufnahme von 1968 mit den New Yorker PH (Live) vorliegt.
    Die CD, wie in Beitrag 69 abgebildet, hatte ich mehrfach gesehen, habe sie aber immer für die bekannte Aufnahme gehalten. Kaufen würde ich die jetzt nicht (angesichts des Preises), :) denn Bernstein ist mir bereits 1963 wild genug.



    Die Blechbläser des Orchestre Lamoureux erzielen im Finale beim Dies irae wirklich einen Gänsehauteffekt. Bernstein geht das etwas flotter, aber auch nicht ganz so intensiv und unbarmherzig schneidend an. Tontechnisch kommt mir die fast gleichzeitig entstandene Aufnahme von Markevitch auch gar nicht unterlegen vor.

    8| Du und Uranus, ihr habt mich in Euren letzten Beiträgen überzeugt:
    Ich habe nämlich auch keine Lust mehr meine DG-LP aufzulegen und habe mir bei den Medimöpsen die alte Markevitsch-Referenz bestellt. Für 89 Cent (Zustand sehr gut) ist das auch ein Preis den man ohne lange Überlegung gerne bezahlt, wenn man bereits hochzufriedenstellende Aufnahmen der Symphonie fantastique besitzt und der fabelhafte Markevitsch auf CD noch fehlt.
    (Meine LP´s sind zwar seltenst "Kratzware", aber die klangliche Qualität und Dynamic dieser alten "Dinger" lässt gegenüber der CD fast immer zu wünschen übrig.)



    :hello: Von Dir, lieber Uranus würde ich mir noch einen paar Zeilen zu deinen Eindrücken zur Markevitsch-Aufnahme wünschen, die Du letztens noch nicht gehört hattest.


    Und hier kann ich Dir vollends zustimmen:
    :thumbup:

    Zitat

    Bei solchen komplexen und auch auf klangliche Wirkung ausgerichteten Werken kann ich mir auch keine wirklich glücklich machende Mono-Aufnahme vorstellen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hier noch gar nicht erwähnt:


    Na sowas, die Aufnahme lief mir noch nie über den Weg. Soll ja sogar schon in Stereo sein (1957), was sie für mich potentiell interessant macht.


    Der Rezensent bei Amazon schreibt:


    "Mitropoulos Berlioz klingt erstaunlich dunkler und ernst. Bezeichnend dafür ist, dass er z.B. die Glocken im letzten Satz zusätzlich auch eine Oktave tiefer klingen - fast ein Gruseleffekt."


    Also dasselbe Orchester wie Bernstein, nur sechs Jahre früher.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nachdem Lutgra gerade zur Abbado - Aufnahme geschrieben hatte, dass sie ihm überhaupt nicht gefiel (da kann ich mich anschliessen, die war mir zu harmlos), komme ich zu noch einer weiteren, die mir ebenfalls total nicht gefallen hatte:


    Georges Pretre (EMI)
    - kann die alte EMI-CD gerade nicht finden - gibt's wohl nicht mehr.


    Bei aller Wertschätzung für diesen grossartigen Dirigenten, aber hier lag er für meinen Geschmack voll daneben - da klingt alles total fremd und eigenwillig ... auch damals ganz schnell wieder verkauft!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Im englischsprachigen GMG Forum hat ein Fantastique-Fanatiker die Wiener Aufnahme Prêtres (Teldec) als eine seiner Favoriten genannt. Die ist u.a. in der "Diamonds"-Reihe sehr günstig zu finden, so dass man sich leicht ein Bild machen kann.


    http://www.good-music-guide.co…dex.php/topic,584.40.html


    Bei den beiden Markevitch-Aufnahmen scheiden sich die Geister anscheinen schon länger und auf breiter Front. (Ich kenne nur die Mono und muss zugeben, dass ich gerade den trockenen, etwas eingeschränkten Klang als positive Besonderheit empfinde, obwohl ich verstehe, dass man die insgesamt zu geradlinig oder gar nüchtern finden kann)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Stimmt Johannes, das war eine TELDEC-CD mit den Wiener Sinfonikern.
    (Ich hatte mich mit EMI geirrt, weil die CD schon lange nicht mehr unter den Meinen weilt. Und Pretre ansonsten oft bei EMI "zu Hause" war.)


    :thumbdown: Hier ein Bild von dieser (für mich) fürchterlichen CD; egal was ein Fantastique - FAN aus GB dazu sagt:


    81xdap7PoBL._SL300_.jpg
    TELDEC

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Wenn ich mich richtig erinnere hat "FonoForum" oder "HiFiStereophonie" der von Teleton als "fürchterlich" bezeichneten Aufnahme bei ihrem Erscheinen sogar einen Stern verliehen .....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • http://www.good-music-guide.co…dex.php/topic,584.40.html


    Bei den beiden Markevitch-Aufnahmen scheiden sich die Geister anscheinen schon länger und auf breiter Front. (Ich kenne nur die Mono und muss zugeben, dass ich gerade den trockenen, etwas eingeschränkten Klang als positive Besonderheit empfinde, obwohl ich verstehe, dass man die insgesamt zu geradlinig oder gar nüchtern finden kann)

    In besagtem englischsprachigen Forum schreibt jemand über die ältere Aufnahme von Markevitch im Vergleich zur neueren:

    Zitat

    This in my mind is the better of the two Markevichs. The orchestra plays magnificently, unlike the shoddy ensemble coordination and intonation of the Lamoureux. I'm all for French sound, but the Lamoureux just play inadequately. The Markevich BPO recording, by contrast, produces some of the most magical atmospheres of all.

    Da muss ich mich nach neuerlichem vergleichsweisen Wiederhineinhören in die Monoaufnahme doch wirklich wundern. Es trifft definitiv nicht zu, dass in der Stereoaufnahme eine "schäbige Koordination und Intonation" des Orchestre Lamoureux vorliegt. Das ist ja geradezu absurd. Wie man dann im gleichem Atemzug den typisch deutschen und bei diesem Werk unidiomatischen Orchesterklang der Berliner Philharmoniker der Ära Furtwängler, der von der heutigen Perfektion doch weit entfernt war, in den Himmel loben kann, bleibt mir schleierhaft. Vom mulmigen Monoklang einmal ganz abgesehen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Stimmt Johannes, das war eine TELDEC-CD mit den Wiener Sinfonikern.
    (Ich hatte mich mit EMI geirrt, weil die CD schon lange nicht mehr unter den Meinen weilt. Und Pretre ansonsten oft bei EMI "zu Hause" war.)


    :thumbdown: Hier ein Bild von dieser (für mich) fürchterlichen CD; egal was ein Fantastique - FAN aus GB dazu sagt:


    81xdap7PoBL._SL300_.jpg
    TELDEC


    Wenn ich mich richtig erinnere hat "FonoForum" oder "HiFiStereophonie" der von Teleton als "fürchterlich" bezeichneten Aufnahme bei ihrem Erscheinen sogar einen Stern verliehen .....


    mfg aus Wien
    Alfred


    Du erinnerst Dich richtig, lieber Alfred. :hello: Fono Forum hat diese Aufnahme damals enthusiastisch gelobt und mit einem Stern ausgezeichnet. Ich habe sie mir daraufhin gekauft, als meine erste Aufnahme der Symphonie fantastique überhaupt. Sie hat mich damals allerdings nicht nachhaltig beeindruckt, die CD verschwand im Regal und wurde Jahre nicht wieder hervorgeholt. Ob es an der Interpretation lag oder ich damals noch nicht reif für dieses Werk war? Ich muss mir die Prêtre-Einspielung wieder einmal anhören.


    Dass meine favorisierten Aufnahmen die von Bernstein sind, dürfte niemanden verwundern...

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • So, ich habe die Markevitch-Stereo-Aufnahme nun gehört und finde sie schlicht - großartig. Sie ist von den Einspielungen, die ich bisher gehört habe, neben der von Munch die beste. Und dass, obwohl ich mir zuletzt die 73er Aufnahme von Colin Davis gekauft und gehört hatte und diese schon sehr gut fand. Aber bei Markevitch finde ich das alles noch farbiger, lebendiger und temperamentvoller. Und meine Bedenken zum Orchester haben sich ebenso als unnötig erwiesen wie die bzgl. der Aufnahmequalität, die ist nämlich - nicht nur für den Zeitpunkt der Aufnahme - hervorragend.
    Meine nächste Anschaffung dürfte nun wohl die Bernstein-Aufnahme sein, außerdem interessieren mich noch MTT, Solti, Abbado, Klemperer und Chung (DG)...

    Herzliche Grüße
    Uranus


  • Hector Berlioz
    Symphonie fantastique


    Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire
    André Clutyens
    Aufnahme: Metropolitan Festival Hall, Tokio, 10. Mai 1964









    Nur ein einziges Mal fällt der Name Cluytens in diesem 13 Jahre alten Thread. Daraus könnte man nun fälschlicherweise schließen, seine Interpretationen der Symphonie fantastique seien belanglos. Plural deswegen, weil es nicht weniger als vier Aufnahmen unter seiner Leitung gibt: 1955 mit dem Orchestre National de la Radiodiffusion Française im Studio, 1955 mit der Tschechischen Philharmonie live beim Prager Frühlingsfestival, 1958 mit dem Philharmonia Orchestra im Studio sowie 1964 mit dem Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire live in Japan. Wohl nur wenige Dirigenten haben sich also diskographisch mit diesem Werk so intensiv auseinandergesetzt.


    In der gezeigten Ausgabe aus der Reihe "Great Conductors of the 20th Century" von IMG Artists/EMI ist die Letztdeutung des belgisch-französischen Dirigenten Cluytens enthalten, die aufgrund des Klangkörpers besonders idiomatisch ausfällt: Es handelt sich um nichts weniger als das Orchester der Uraufführung 1830. Fangen wir oberflächlich an: Die Klangqualität ist wirklich sehr gut, bedenkt man das Alter und den Umstand, dass es sich um einen Live-Mitschnitt handelt (ein leichtes Grundrauschen ist vorhanden). Glücklicherweise waren Stereoproduktionen in Japan bereits Ende der 50er Jahre die Regel, so dass man 1964 von "ausgereift" sprechen kann. Die Spielzeiten sind absolut im Rahmen: 13:26 - 6:33 - 15:28 - 4:29 - 8:52 (Markevitch fällt im letzten Satz mit 11 Minuten wirklich aus der Reihe). Die Publikumsgeräusche sind marginal (man möchte sagen: typisch diszipliniertes Verhalten der Japaner). Vom ersten Satz an weiß Cluytens zu überzeugen. Un bal macht er sehr schwelgerisch und elegant im besten französischen Sinne. Großartig zugespitzt der Marche au supplice. Sogar eine abermalige Steigerung gelingt Cluytens dann in der Sabbatnacht, deren Grauen vor dem geistigen Auge des Hörers naturalistisch entsteht. Das Spiel des Orchesters ist einfach nur beglückend und vom ersten bis zum letzten Takt voll engagiert und rauschhaft. Selbst im schwierigen Finalsatz keine Ermüdungserscheinungen. Die Blechbläser beim berühmten Dies irae übertreffen sich selbst (das ist eine Liga mit der ebenfalls ausgezeichneten Markevitch-Einspielung). Bedenkt man, dass das Ganze noch live und unverfälscht entstand, nötigt einem das noch mehr Respekt ab.


    Fazit: Das ist eine der ganz großen Aufnahmen der Symphonie fantastique, für mich persönlich nun sogar mein zweiter Favorit neben Orchestre Lamoureux/Markevitch. Zudem ist es eines der späten Tondokumente des leider 1967 untergegangenen Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire. Im selben Jahr starb bedauerlicherweise auch Maestro Cluytens, der letzte Chefdirigent dieses Orchesters, viel zu zeitig, gerade erst 62-jährig. Insofern kein gutes Jahr für die klassische Musik in Frankreich. Glücklicherweise ist uns diese Aufnahme erhalten geblieben, welche mit diesem Hintergrundwissen wie ein Abgesang erscheint.


    P.S. Die Aufnahme ist mittlerweile auch in einer Veröffentlichung des NHK bei Altus erhältlich:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nie gedacht hätte ich, dass mir noch einmal eine Aufnahme der Symphony fantastique über den Weg läuft, die sich mit meinen drei übriggebliebenen Favoriten messen kann.
    - das sind die beiden Normalen: Markewitsch (DG, 1962) und Solti (Decca, 1972)
    Was heisst nun Normal ?
    - der Bernstein-Wahnsinn von (SONY, 1963) gehört nicht mehr zu den Normalen, der hebt sich deutlich von allen Normalen ab - da ist natürlich viel "Bernstein - Special - Emotion" enthalten !



    :!: Es gesellt sich jetzt in diese Reihe die musikalische Delikatesse von James Levine mit den Berliner PH in DDD zu diesen 3 absoluten Favoriten, die es in allen Sätzen in sich hat:


    1. Satz - Träume - Leidenschaften 16:00 - ein musikalischer Leckerbissen mit einem farpierenden Detailreichtum


    2. Satz - Ein Ball 6:05 - hier tummeln sich unter den Gästen schon einige Monster


    3. Satz - Szene auf dem Lande 16:29 - es folgt ein spannend angedeutetes Gewitter als Vorahnung für die kommende Katastrophe


    4. Satz - Der Gang zum Richtplatz 7:12 - länger als gewohnt zelebriert Levine den Gang bis er das Geschehen dramatisch steigert, bis das Fallbeil brutal fällt. Fastzinierende Sichtweise, aber ich bevorzuge dennoch die packendere und rhythmischere Version mit Solti (mit 4:54).


    5. Satz - Sabbatnacht 10:00 - ein musikalisches Fest unter James Levine. Es bleibt keine Pauke, keine grosse Trommel unterbelichtet. Die Glocken scheinen Kirchenglocken zu sein, die eine Oktave tiefer sind als die sonst üblichen schrillen Röhrenglocken. Der Glockenklang wirkt fast gruselig und man hört das tiefe Mitschwingen des Metallkörpers (klar bei dem TOP-DG-Sound) - fastzinierend.
    Vom Opiumtrip unter Bernstein ist das gar nicht weit entfernt, dafür bei Levine ungleich präziser.



    *** Die Berliner PH habe ich selten so Präzise mit Hingabe gehört - was ihren Ruf als eines der weltbesten Orchester klar unterstreicht - Berliner Ph in Bestform.
    Der megapositieve Eindruck ist natürlich James Levine zu verdanken (der hier mit den Berlinern eine um Klassen bessere Int abliefert als früher Karajan (eines seiner schwachen Aufnahmen)).
    8o Ohne die phäomenal gute audiophile DG-Klangtechnik von 1990 wäre dieser begeisternde Eindruck auch kaum möglich.



    DG, 1990, DDD



    Als tollen Filler präsentiert Levine einen Ausschnitt aus den Trojanern,
    den Satz Königliche Jagd und Sturm 9:41.
    Ohne dass ich dieses Stück noch in Erinnerung hätte (habe irgendwann schonmal gehört) kann ich feststellen, dass es kaum besser und eindrucksvoler in Klang gesetzt werden köntte, als hier unter Levine - ganz grosse Megaklasse !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • In diesem Thread ist häufig die Rede von der Karajan-Aufnahme, aber leider wird selten gesagt, welche denn nun gemeint ist.
    Meines Wissens hat Karajan die Symphonie fantastique insgesamt dreimal im Studio aufgenommen.
    Das hier ist seine erste Einspielung von 1954:



    mit dem Philharmonia Orchestra London (EMI, Produzent: Walter Legge).
    Die zweite entstand 10 Jahre später, 1964:

    mit den Berliner Philharmonikern (DGG) und wurde u.a. in den Serien "Resonance" (links) und "Galleria" (rechts) auf CD veröffentlicht.
    Schließlich nahm er das Werk 1975 ein drittes Mal auf:

    wieder mit den Berliner Philharmonikern (DGG).
    Klanglich ist die erste von 1954 natürlich benachteiligt, weil es eine Mono-Aufnahme ist. Rein musikalisch gefällt sie mir am besten, sie klingt schlanker als die späteren Versionen und scheint mir das typisch "Französische" am besten wiederzugeben.
    Die beiden folgenden Aufnahmen unterscheiden sich technisch wenig voneinander, und auch künstlerisch gibt es IMO keine gravierenden Unterschiede. Karajans Interesse an Berlioz scheint sich im übrigen fast ausschließlich auf dieses Werk konzentriert zu haben, es gibt sonst von ihm nur kleinere Stücke, vor allem Ballettmusik aus "Fausts Verdammnis".


    Eine mir besonders ans Herz gewachsene Aufnahme wurde, so weit ich sehen kann, in diesem Thread bisher noch gar nicht erwähnt:

    Otto Klemperer und das Philharmonia Orchestra London (Aufnahme: EMI 1963, Stereo).
    Von ihr hieß es beim ihrem ersten Erscheinen in FonoForum: "Die geistige Höhenluft einer großen, einer vollkommenen Aufnahme liegt über dieser Einspielung". Treffender kann man Klemperers Einsatz für dieses Werk, das ansonsten nicht im Fokus seines Repertoires stand, nicht beschreiben. Abgesehen davon, daß Klemperer die meisten (damals üblicherweise weggelassenen) Wiederholungen bringt, ist sie ein typisches Klemperer-Produkt: wuchtig, mächtig, leidenschaftlich, unerbittlich, ohne den melodischen Reiz des Werkes zu vernachlässigen. Insgesamt eine Interpretation, die aus dem Rahmen fällt, ungewohnt, aber sehr beeindruckend.

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo nemorino,


    es ist gut, dass Du Klarheit in die Sache bringst, dass es von Karajan 3 Aufnahmen gibt. Das war mir schon deshalb nicht bewusst, weil ich nach der 1964er-Aufnahme (DG), die ich nur kenne und nicht mehr habe, auch keine Interesse mehr an "Karajan und Berlioz" hatte.
    Die 1964er ist die, wo sich das Fallbeil im Gang zum Richtplatz wie ein Küchenmesser anhört ... auch von den anderen Sätzen verblieb bei mir kein nachhaltiger Eindruck ...



    Nur zur Klarstellung an nemorino:
    Ich bin ansonsten absoluter Karajan-Verehrer !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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