Eine der erstaunlichsten Entdeckungen der letzten Zeit ist für mich die 2. Symphonie von Leo Sowerby. Sowerby wurde 1895 in Grand Rapids, Michigan, geboren. Mit 10 begann er zu komponieren, mit 15 brachte er sich selbst das Orgelspiel bei. Er studierte Komposition bei einem Arthur Olaf Andersen im American Conservatory of Music, Chicago. Sein Violinkonzert wurde 1913 durch das Chicago SO uraufgeführt. Während des 1. Weltkrieges war er als Militärkapellmeister in Frankreich. 1921 erhielt er als erster Amerikaner den Rompreis. Ab 1924 unterrichtete er als Professor an seiner Alma mater, 1946 erhielt er für ein Chorwerk den Pulitzerpreis. Der Komponist starb 1968. Er hinterliess mehr als 500 Werke, viele davon für Orgel und Chor, dafür ist er heute auch noch am ehesten ein Begriff.
Somit kann man Sowerby fast als Vater der modernen amerikanischen Symphonie bezeichnen, denn das Werk wird jeder, der die Symphonien der oben genannten Komponisten kennt, als eine typisch amerikanische Symphonie des 20. Jahrhunderts identifizieren. Die Tonsprache ist gemässigt modern, jedenfalls deutlich moderner als die von z.B. Chadwick und Paine und hat bereits diesen schwer zu beschreibenden melancholisch-optimistischen amerikanischen Ton. Auch Anklänge an die gerade erst entstehende Filmmusik sind nicht zu überhören, das Werk ist in der Instrumentierung deutlich von Korngold beeinflusst, ja ich höre im letzten Satz sogar Mahleranklänge. Hat Sowerby Mahler als Jugendlicher mit seiner Musik in New York oder Chicago gehört? Ein hochinteressantes und mehr als hörenswertes Werk. Schade, dass das Bernstein nicht gekannt/eingespielt hat, aber Paul Freeman und die Chicago Sinfonietta sind auch keine schlechte Wahl. Wenn die restlichen Symphonien auch so gut sind, gäbe es hier eine wunderbare Aufgabe für Naxos und z.B. die Damen Alsop oder Falletta. Die vierte Symphonie wurde übrigens von Koussevitsky 1944 uraufgeführt, die 5. von Eugene Ormandy bestellt, aber aus unbekannten Gründen nicht aufgeführt.