• Ich will mich hier von der Insel der Seligen auch mal wieder zu diesem Thema melden:


    Diese Aufnahme mit Jascha Heifetz, die ich vor über 50 Jahren genau in diesem Umschlag erwarb, war meine erste von Beethovens op. 61, und Heifetz, der für mich zu den größten Geigern "ever" zählt und dessen hier eingestellte Aufnahme seinerzeit ein ahnungsloser Kritiker als "grandiose Fehlleistung" bezeichnete, gehört auch mit dieser Aufnahme m. E. hierhin:



    Der Kritiker, wenn er denn noch lebt, hockt sicherlich immer noch im Tal der Ahnungslosen. Ich hätte hier auch die Aufnahmen von Menuhin und (oder) Oistrach einstellen können, aber ich habe mich nunmal für diese Aufnahme entschieden. Immer, wenn ich sie höre, bin ich hin und weg.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Die Oper hat ihren Anfang in Venedig


    Lieber Pingel, da muss ich jetzt pingelig sein und widersprechen: Der Ursprung der Oper liegt in Florenz. Dort, in der Camerata Fiorentina, wurde die Idee einer Wiederbelebung des antiken Dramas geboren, dort wurde das musikalische Ideal des auf Textverständlichkeit abzielenden Recitar cantando entwickelt, und in Florenz wurden die ersten Opern komponiert und aufgeführt: Peris "Dafne", die als erstes Werk dieses Genres gilt, seine "Euridice" (entstanden anlässlich der Hochzeit von Maria de Medici mit König Heinrich IV. von Frankreich) sowie die "Euridice" seines Konkurrenten Caccini. Dann erst kam Monteverdi mit seinem "Orfeo", und auch der entstand nicht in oder für Venedig, sondern in Mantua, wo Monteverdi in Diensten des Herzogs Vincenzo I. Gonzaga stand, zu dessen Geburtstag auch so ein Werk komponieren sollte.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Danke für die Korrektur, lieber Bertarido, die Sache ist die, dass ich Caccini gut kenne, aber nicht seine Oper. Und auch bei Peri lag ich so falsch nicht, aber es war natürlich seine "Dafne" und es war Florenz. Mit dem Orfeo (1607 in Mantua) lag ich aber wieder richtig.
    Gibt es eigentlich von Caccini und von Peri Einspielungen? Die "Euridike" von Peri aus einem wohl italienischen Provinztheater erzeugt bei mir keinen Eindruck, ob die Musik was taugt oder nicht. Caccini und auch seine Tochter Francesca kenne ich von sehr schönen Konzerten und Kantaten. Auch von Barbara Strozzi gibt es wunderbare Lieder (Radio und eine CD).
    Alles in allem muss man aber doch sagen, dass es der "Orfeo" von Monteverdi war, der hier den Giganten darstellt.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Danke für die Korrektur, lieber Bertarido, die Sache ist die, dass ich Caccini gut kenne, aber nicht seine Oper. Und auch bei Peri lag ich so falsch nicht, aber es war natürlich seine "Dafne" und es war Florenz. Mit dem Orfeo (1607 in Mantua) lag ich aber wieder richtig.
    Gibt es eigentlich von Caccini und von Peri Einspielungen? Die "Euridike" von Peri aus einem wohl italienischen Provinztheater erzeugt bei mir keinen Eindruck, ob die Musik was taugt oder nicht. Caccini und auch seine Tochter Francesca kenne ich von sehr schönen Konzerten und Kantaten. Auch von Barbara Strozzi gibt es wunderbare Lieder (Radio und eine CD).
    Alles in allem muss man aber doch sagen, dass es der "Orfeo" von Monteverdi war, der hier den Giganten darstellt.


    Lieber Pingel, zu Einspielungen der beiden Euridice-Opern habe ich seit diesem Gespräch leider keine neuen Erkenntnisse. Von Peris Dafne ist ja leider nur das Libretto erhalten, von der Musik so gut wie nichts.


    Dass Monteverdis Orfeo der erste Gigant der Operngeschichte war, ist natürlich unbestreitbar, auch wenn ich die Vorgänger durchaus hörenswert finde. Die Savall-DVD ist neben dem Mitschnitt der Züricher Aufführung von Harnoncourt übrigens auch mein Favorit.

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  • Danke für diese Tipps, ich hätte die Seite so sicher nicht gefunden. Ich denke mal, dass die Archiv-Produktion mit Jürgen Jürgens veraltet ist, aber einer Aufnahme mit Garrido kann man eigentlich blind vertrauen. Ich glaube, wir haben Glück, dass mit Monteverdi gleich am Anfang der Operngeschichte ein solcher Gigant steht. Ich empfehle übrigens, sich von Giulio Caccini und Francesca Caccini ihre wunderbaren Lieder anzuhören, auch Barbara Strozzi hat sehr schöne Musik geschrieben. Es war bezeichnend für den Geist dieser Zeit, das diese beiden Frauen so bekannt wurden.

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  • Während ihr euch wieder in der späten Renaissance tummelt, lieber Dottore und lieber Bertarido, will ich wieder in die andere Richtung der Zeitleiste gehen und auf ein Stück verweisen, das m.E. auch zu den Giganten gehört, und zwar in dieser Einspielung, die ich zu den besten zähle, wegen Chor, Orchester, Dirigent und dem begeisternden Christian Gerhaher. Mit dieser mitreißenden Aufnahme konnte ich unser Doppelkonzert am 1. und 2. September 2007 zur Eröffnung der ersten vollen Spielzeit des Konzerttheaters Coesfeld einstudieren (allerdings damals in der CD-Fassung):



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es gibt keinen evangelischen Chorsänger, der nicht schon einiges aus dieser Sammlung gesungen hätte. Diese Sammlung erschien 1648, zum Ende des 30-jährigen Krieges (Schütz plante eine Fortsetzung, die aber nie erschien). Sie enthält 29 Motetten (SWV 369-397), die für 5-7 Stimmen gesetzt sind. Man kann sie a-cappella singen, aber auch einzelne Stimmen durch Instrumente ersetzen oder colla parte mitlaufen lassen. Für mich sind die größten Chorwerke des 17. Jahrhunderts Monteverdis Marienvesper und Schützens Schwanengesang, die beide hier schon vertreten sind. Dann noch die Geistliche Chormusik von 1648, der dieser Beitrag gilt, und die Musikalischen Exequien von 1636, die hier noch folgen.
    Selber gesungen habe ich 10 Motetten, z.T. mehrfach und in verschiedenen Chören.
    Die Motette "Das ist je gewisslich wahr" ist eine Trauermusik auf den Tod seines Freundes Johann Hermann Schein, der mal gerade halb so alt wie Schütz wurde. Im Eichhörnchen-thread habe ich ja Scheins "Israelis Brünnlein" vorgestellt, die an Ausdruck der Geistlichen Chormusik sehr nahe kommt.
    Die alte Ehmann-Aufnahme liebe ich immer noch, obwohl sie als veraltet. Meine neueste Referenz ist das Bach-Collegium-Japan. Die Solisten sind z.T. Deutsche, aber der japanische Chor singt makellos und ohne Akzent. Besonders gelungen erscheint mir in dieser Aufnahme der Wechsel von solistischen zu den Chorteilen. Die theol0gischen und erzählenden Texte werden solistische vorgetragen, Lob und Preis vom Chor. Ich nenne das gern den Gabrieli-Faktor; der ist in dieser Aufnahme gut getroffen. Eine kleine Kritik: meine Lieblingsmotette, die Nr. 29 ("Du Schalksknecht"), ist gesetzt für Solo-Tenor oder Chortenor mit Instrumenten. Hier besetzt mit einem einzelnen Tenor, der gut singt, aber zu schwach. Dazu fehlen im Orchester die "satten" Bläser. Leider habe ich diese Motette nie singen können.


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  • Ich hatte die Messe lange nicht gehört und war sehr erstaunt, ein völlig neues Stück vor mir zu haben. Die Intrada kam zweimal vor (Einleitung und Schluss) und alles klang viel kühner und dramatischer; besonders durch stärkeren Einsatz der Pauken! Des Rätsels Lösung: Mackerras und Paul Wingfield, der die Urfassung wiederhergestellt hatte. Ich zitiere mal die Rezension von Wolfram Goertz: "Endlich das Original, fast ein neues Werk; rhythmisch noch akzentuierter, klanglich noch radikaler." Die Aufnahme entstand in Dänemark; Solisten, Chor und besonders das Orchester sind exzellent.



    Bezüglich der Pauken, die ja in Janaceks Schaffen eine große Rolle spielen (in der Katja hat die Pauke das zentrale Motiv!), fällt mir eine Anekdote aus Janaceks Jugend ein. Da haben sie zu mehreren Jungen eine Pauke aus dem Nachbardorf "entführt", weil sie keine eigene hatten!
    Noch eine Frage: hier gab es mal einen thread über Pauken, weiß jemand, wo der steckt?

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  • Danke für den interessanten Hinweis auf eine Urfassung der Glagolitischen Messe. Vor der wusste ich noch nicht. Hab' ich sofort bestellt. Es gibt keinen besseren Grund neben den fünf existierenden noch eine weitere Version zu haben. :hello:

  • Ein Kollege hier empfahl die Schubert-Aufnahmen des Pavel-Haas-Quartetts. Das Streichquintett in C-dur und das Quartett "Der Tod und das Mädchen" gehören für mich zu den absoluten 8000ern der Kammermusik. Wenn ich richtig gehört habe, betont das tschechische Quartett vor allem die dramatischen Momente beider Werke, was dazu führt, dass ich in meinem Lieblingssatz, dem 2. Satz von Tod und das Mädchen, doch das Tokyo-Quartett bevorzuge.
    Ich glaube, dass diese beiden Werke absolut zu den Giganten ihrer Gattung zu zählen sind.
    Übrigens habe ich eine neue Operationalisierung für die Klassifizierung einer Komposition gefunden: es sind Werke, die ich immer hören kann. Werke, bei denen ich eine Pause brauche, gibt es auch; hierzu zählen z.B. die Beethoven-Sinfonien, aber nach 200maligem Hören kann man da getrost eine Pause einlegen.


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  • Die Bezeichnung Giganten suggeriert einen hohen, vielleicht nicht erfüllbaren Anspruch. Ich möchte es deshalb gerne etwas tiefer hängen und eine neu erschienene äußerst beeindruckende Neuerscheinung einer bereits als historisch anzusehenden Aufnahme vorstellen. Es ist der gerade bei Orfeo herausgekommene "Ring des Nibelungen" von den Bayreuther Festspielen aus dem Jahre 1961. Inszenierung Wolfgang Wagner, Dirigent Rudolf Kempe. Wolfgang Wagner
    steht meines Erachtes zu Unrecht pauschal im Schatten seines Bruders Wieland. Er hat durchaus ebenbürtige Inszenierungen gemacht. Dieser Ring ist dafür ein Beispiel. Eindrucksvoll und überzeugend die gelungene Idee, das ganze Drama auf einer Scheibe spielen zu lassen, die im Verlauf immer mehr zerklüftet und alle Elemente für das Bühnenbild liefert. Am Ende schließt sich die Scheibe, unterstützt durch dezent gestaltete Lichtregie. Das ist in der Tat nahezu gigantisch.
    Zum herausragenden Erlebnis wird dieser Ring jedoch durch das Dirigat von Rudolf Kempe. Nach den eher pathetisch, großartigen,musikalischen Ring-Ereignissen von Furtwängler, Knappertsbusch und Co.überzeugt Kempe durch einen weit transparenteren Klang. Dadurch werden die einzelnen Ringabende differenzierter von einander abgesetzt. Fast kammermusikalische Feinheit in Teilen des Rheingolds, immer mehr Steigerung bis hin zu den Klangfluten der "Götterdämmerung", wo Kempe dann den ganzen melodischen Glanz mit aller Wucht zelebriert. Also eine völlig durchdachte und realisierte musikalische Dramaturgie und Konzeption des gesamten Rings. Die Sängerelite, die Wolfgang Wagner für seinen "Ring" gewinnen konnte, spricht für sich. Eine alles überstrahlende Brünnhilde Birgit Nilsson, die gestaltungsintenive Astrid Varnay, ein Hans Hopf in Topform als strahlender Siegfried, Jerome Hines als voll überzeugender Wotan, Gottlob Frick als gewaltiger Hagen und, und, und. Regie, Bühnenbild, Kostüme, Sänger und vor allem die musikalische Gestaltung vorbildlich und zukunftsweisend. War Kempes Dirigat der vielleicht sogar der Beginn einer sich ändernden Auffassung des musikalischen Wagner-Ideals weg vom herorisch, pathetischen Klang hin zu mehr Transparenz und Differenzierheit? Den Kempe Ring lohnt es sich zu hören. Wenn es kein anderer Tamino macht, bespreche ich diese Aufnahmen, vor allem im Bezug auf die Sängerleistungen noch ausführlicher. Hoffentlich konnte ich mit dieser "Vorspeise" schon Appetit auf das ganze Menue machen.


    Herzlichst
    Operus


    der wieder einmal das Cover leider nicht einstellen kann: ORFEO - Wagner - Der Ring des Nibelungen - Rudolf Kempe 1961 - C928 613Y -Herausgegeen von den Bayreuther Festspielen

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber operus, wie anders sollte man nach deiner Vorstellung des Kempeschen Rings dieses Stück und diese Aufführung als "Giganten" bezeichnen? Darum bitte ich auch um die ausführliche Darstellung, am besten hier, am besten lang und am besten mindestens vier Teile!

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  • Gruß WoKa


    Wußte ich es doch, auf die Taminos ist absoluter Verlass. Es dauerte kaum über 30 Minuten und mein bildloser und daher amputierter Beitrag war durch das Cover ergänzt. Danke llieber Wolfgang (WoKa). Bereits bei diesem Bild ist zu erahnen welch suggestiv,faszinierende Wirkung die "Weltenscheibe" von Wolfgang Wagner erzielte. Welch ein Unterschied zu heutigen Bühnenbildern, wo die Szene oft mit Koffern, Stühlen, Gerümpel und Müll vollgestopft wird. Höchstens zu verstehen, wenn durch das Nichtsagende das Chaos unserer Welt und/oder die Verwirrheit der Regiesseure und der Regieteams ausgedrückt werden soll. :untertauch: (Pardon, das wr böse)


    Herzlichst
    Operus

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  • Händels "Saul" ist ein Oratorium, das mich in mehrfacher Hinsicht immer wieder packt: Die opernhafte Dramatik (davon steckt hier mehr drin, als in mancher Oper aus seiner Feder) ebenso wie das einige Male verwendete Carillon (es hat mich beim ersten Hören wirklich überrascht); dann die immer wieder eingefügten kurzen Sinfonien (die mir ständig das Gefühl geben, hier sei Szenisches gefordert) und natürlich der Grave-Marsch aus dem dritten Teil (der mir jedes Mal unter die Haut geht). Das Stück muss irgendwelchen mir unbekannten Verantwortlichen bei der Bundeswehr auch so gegangen sein, als sie diesen Trauermarsch dazu bestimmten, bei der Beisetzung von Personen des öffentlichen Lebens gespielt zu werden...
    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • "Saul" ist tatsächlich vor Jahrzehnten in Düsseldorf szenisch aufgeführt worden, mit dem Bass Peter Meven, der auch schon lange tot ist, in der Titelrolle.

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  • Darum bitte ich auch um die ausführliche Darstellung, am besten hier, am besten lang und am besten mindestens vier Teile!


    Lieber Dr. Pingel,


    Einen Teil Deiner Bitte habe ich in einer Fleißarbeit erfüllt. Nämlich den ganzen Wagner/Kempe Ring besprochen. Allerdings habe ich ihn nach Überlegung doch im Thread "Der Ring der nie gelungen ist eingestellt", weil ich zu der Auffassung gekommen bin, dass er dort besser hinpasst und mehr gelesen wird. Hoffe, dass er Dich dort auch erfreut. Ich bin allerdings mit den Nerven fertig. Aus Sicherheitsgründen schrieb ich in Word und kopierte das Ganze ins Forum - und nun ist diese lange "Schwarte" zweimal drin. Ich kann mir dies nicht erklären, aber es ist so. Ich hoffe der Gehalt des Beitrags und mein Fleiß wird mir die Absolution der Taminos bringen. :untertauch:
    Herzlichst
    Operus

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  • Ich finde deine Entscheidung gut, denn in dem anderen Thema ist der Ring tatsächlich besser aufgehoben. Die Verdoppelung des Eintrags kenne ich auch. Du musst nur einen Moderator bitten, einen der beiden Einträge zu löschen.
    Gerade habe ich mir deinen Beitrag ausgedruckt, immerhin 7 Seiten. Das ist ein echter Kracher, den ich morgen in Ruhe in der Badewanne lesen werde. Danach melde ich mich wieder!

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  • Die gibt es nicht, und es gibt sie doch. Ich meine natürlich die Johannespassion. Ich habe sie bisher 5x in verschiedenen Chören gesungen (die Matthäuspassion leider nur ein Mal). Verglichen mit der Matthäuspassion könnte man sagen: ein Jugendwerk gegen ein Alterswerk. Die größte Dramatik liegt in den Chören. Es sind fast die expressivsten Chöre der Musikgeschichte, und man muss sie verdammt intensiv üben. Ich meine hier die Chöre "Kreuziget ihn", "Weg, weg mit ihm", "Lasset uns den nicht zerteilen". Dazu eine Einleitung ("Herr unser Herrscher"), die mir immer als Erfindung der minimal music vorkommt. Jeder kennt wahrscheinlich den Schlusschor der Matthäuspassion ("Wir setzen uns mit Tränen nieder"); der Schlusschor (danach folgt noch ein Choral) der Johannespassion ist nicht minder ergreifend: "Ruhet wohl, ihr heiligen Gebeine". Beide Chöre sind relativ lang, aber jeder Chorsänger möchte, dass sie gar nicht mehr aufhören.


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  • Gemeint ist natürlich Mahlers 3. Bei der Durchsicht meiner vielen aus dem Fernsehen aufgenommenen DVDs stieß ich auf diese Aufnahme der 3. aus dem Concergebouw in Amsterdam. Ich denke, ich liege da nicht falsch, wenn ich das Concertgebouw Orkest für eines der besten Orchester der Welt halte, vor allem wie hier unter Mariss Jansons (der ja in München das zweitbeste deutsche Orchester leitet, das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks; da ist er immerhin der Nachfolger etwa von Rafael Kubelik, einen Dirigenten, den ich richtig verehre). Solistin war Bernarda Fink, dazu ein wunderbar singender Knabenchor aus Breda, was darauf schließen lässt, dass da nicht nur Käse herkommt. Jansons ist ein Dirigent, der eine große Ruhe und Durchsichtigkeit selbst bei dem Riesenapparat erzeugt, der hier aufgeboten wird. Aus dieser Ruhe heraus kamen dann die Steigerungen noch gewaltiger hervor. Eine Aufnahme wie aus einem Guss. Zu loben auch der Bildregisseur, der den Dirigenten wenig zeigte, dafür umso mehr die gerade agierenden Solisten. Selbst das Posthorn, verborgen auf irgendeinem Gang, hatte eine eigene Kamera. Als Jansons den Mann mit seinem Horn unterm Arm nach vorne an die Rampe holte, brach ein Jubelsturm los, fast wie in einem Popkonzert. Ich habe diese Aufnahme aus dem Fernsehen, es gibt sie auch als DVD, ich weiß aber nicht, ob das eine Studioproduktion ist.


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  • Stimmenliebhaber hat schon in Beitrag 19 völlig zu Recht die Winterreise in dieses Thema eingestellt. Ich denke mal, dass nicht nur ich die ganze Winterreise mitsingen könnten. Die meisten kennen wohl irgendeine Aufnahme mit FischDisch (Fischer-Dieskaus Spitzname in den USA). Andere Aufnahmen haben es da schwer. Ich habe jetzt einen Schatz ausgegraben, der in der Plattenwelt gar nicht mehr existiert. Georg Jelden, Theo Altmeyer und Hans-Joachim Rotzsch waren auch einmal drei Tenöre, nämlich die, die beim WDR die Tenorpartien der geistlichen Musik gestalteten; ein paar Aufnahmen habe ich noch.
    Jelden singt die Winterreise eher schlicht, ohne Überinterpretation, dazu ist es eine Winterreise, in der man jedes, aber auch wirklich jedes Wort versteht. Ich bin froh, dass ich diese CD gerettet habe.

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  • Zwei Aufnahmen nämlich. Die erste ist eine CD (wer die Box mit allen Janacek-Opern kauft, hat keine Texte!) in der Neufassung von John Tyrrell und Charles Mackerras, der hier auch dirigiert. Trotz vieler guter Aufnahmen ist das die Referenz.



    Noch besser für Einsteiger die Aufnahme unter Andrew Davis von Glyndebourne mit Anja Silja. Von der Darstellung und Intensität unerreicht, sängerisch wohl nicht die beste, was aber gar nichts ausmacht. Gabriela Benackova singt wohl etwas besser, steht aber nur herum.
    Eine Originalaufnahme aus Glyndebourne fand ich bei YouTube nicht (es gibt sie aber bei jpc oder Amazon), entdeckte aber, dass die gleiche Inszenierung vorher in Barcelona lief. Eine ausführliche Darstellung der Handlung und der Aufnahmen findet sich in unserem Opernführer.


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  • Es sind zwar schon mehrere Requiems (korrekter Plural ?) hier als Giganten genannt worden, aber noch nicht DAS Requiem:



    Ist Mozarts Requiem schon an sich ein Gigant, fast unabhängig davon, wer es interpretiert, ist die Version von Harnoncourt noch einmal eine Steigerung - das beste Requiem, das ich bisher gehört habe. Auch die Tontechnik ist gigantisch, insbesondere bei der SACD-Version dieser CD.


  • Die h-Moll-Messe ist schon genannt worden, aber hier habe ich ein Ensemble gefunden, das zu den besten der Welt gehört: Collegium 1704 unter Vaclav Luks. Eine Sache, die mich immer wieder begeistert, weil ich bei einer solchen Aktion schon mitgemacht habe, ist der Verzicht auf Solisten in einem Ensemble, das Instrumente und den Chor enthält, wobei die Solisten aus dem Chor kommen und auswärtige Solisten auch alle Chorpartien mitsingen.
    In meinem Vokalensemble in Essen haben wir so die "Musikalischen Exequien" aufgeführt.
    In der Gegenwart sind es die Ensembles von John Eliot Gardiner, Philippe Herreweghe, William Christie und Collegium 1704 unter Vaclav Luks (es sind sicher noch mehr).

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  • Dies sind die Motetten von Bach: Singet dem Herrn ein neues Lied (schwer), Komm Jesu, komm (singen wir gerade in meinem Vokalensemble. Die Noten kann ich noch, aber die Leichtigkeit ist noch nicht da), Der Geist hilft unserer Schwachheit auf (noch nie gesungen), Fürchte dich nicht (nie gesungen), Jesu, meine Freude. Dieses Werk ist eines der großartigsten und anspruchsvollen Chorwerke. Profis haben keine Mühe, wie diese tolle Aufnahme des Stuttgarter Kammerchores unter Frieder Bernius beweist:



    Ich habe dieses Stück in praktisch jedem Chor gesungen. Selbst für geübte Chöre auf hohem Laien-Niveau ist es sauschwer, dazu lang und für den Tenor sehr hoch.
    Das Knifflige bei Bach sind fast immer die Koloraturen. Bei Händel sind die Koloraturen verhältnismäßig einfach, bei Bach nicht. Fazit: Bach schreibt für Chorstimmen, als wären es Instrumente. Deswegen bevorzuge ich zum Singen z.B. Schütz, der schreibt für Sänger. Trotzdem gehören natürlich die Bachschen Motetten zu den Giganten.

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  • Ich weiß nicht, wie oft ich den "Ulisse" gehört oder gesehen habe, entweder live oder als DVD oder als CD.
    Bei der Durchsicht alter DVDs bin ich auf die Aufnahme von Zürich 2002 gestoßen. K.M. Grüber hat sparsam inszeniert, auch Bühnenbild und Kostüme waren sparsam. Umso mehr kam dann die Musik zu Ehren. Nikolaus Harnoncourt dirigierte ein Ensemble für alte Musik, präzise und lebendig, also überhaupt keine Alte-Musik-Langeweile. Im Sängerensemble gab es nicht einen einzigen Schwachpunkt. Alles überragend: Dietrich Henschel. Aber auch Vesselina Kassarowa als Penelope, Malin Hartelius als Melanto, Cornelia Kallisch als Nutrice waren in bestechender Form, wenn ich mal diesen Fußballausdruck verwenden darf. Und wer sang den Telemaco: ich konnte es nicht glauben, es war Jonas Kaufmann. Jung, blendend aussehend, kraftvolle und lyrische Passagen gleichermaßen meisterhaft bewältigend. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Neben der Henzeschen Bearbeitung des Ulisse ist das meine neue Referenz geworden!


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  • Eines meiner Lieblingsstücke von Strawinski. Der Dirigent ist Riccardo Muti, die Aufnahme entstand offensichtlich in der Mailänder Scala.

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  • Kenner wissen natürlich, worauf ich anspiele. Das ist nicht etwa Edgar Wallace, sondern Bartoks "Herzog Blaubarts Burg".
    Sie dauert 60 Minuten, hat nur 2 Sänger (Sopran und Bariton), so gut wie keine Handlung. Dazu kommt ein Riesenorchester, das man aber auch richtig einsetzen muss, wie es Kertész macht. Nach dem Pingelschen Rasiermesser ist die 5. Tür der Gradmesser für Sänger und Orchester(in dieser Aufnahme kommt die 5.Tür etwa bei Minute 30). Bei den vielen Aufnahmen ist so gut wie nie die Sopranistin das Problem, sondern der Bariton; das gilt sogar für Fischer-Dieskau.
    Für weitere Informationen gibt es eine eigene Seite für diese Oper.


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  • Hier noch eine perfekte Aufnahme, mit Eva Marton, Laszlo Polgar und der Dresdner Philharmonie unter Michel Plasson.


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  • Die gibt es nicht, und es gibt sie doch. Ich meine natürlich die Johannespassion. Ich habe sie bisher 5x in verschiedenen Chören gesungen (die Matthäuspassion leider nur ein Mal). Verglichen mit der Matthäuspassion könnte man sagen: ein Jugendwerk gegen ein Alterswerk. Die größte Dramatik liegt in den Chören. Es sind fast die expressivsten Chöre der Musikgeschichte, und man muss sie verdammt intensiv üben. Ich meine hier die Chöre "Kreuziget ihn", "Weg, weg mit ihm", "Lasset uns den nicht zerteilen".
    ...


    Zu "Lasset uns den nicht zerteilen" (ganz tolle Fuge !) gibt es ein wunderschönes Video bei youtube mit Harnoncourt und einem kleinen Knaben, der einen großen Auftritt hinlegt - wenn man das Video sieht, wird klar, was ich meine:



    Das würde ich auch gern mal singen!

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