GERNSHEIM Friedrich - Ein vorauseilender Epigone von Brahms?

  • Zitat

    Mein Eindruck der Sinfonien ist eben ein eher "mittelmäßiger" - also kein schlechter.


    Hätte man früher etwas als "gute Mitte" bezeichnet, so wäre das akzeptiert worden, heute indes ist das ein VERNICHTENDES Urteil. Niemand - selbst jene, die Mittelmaß nicht im Traume erreichen würden, möchte heute als MITTELMÄSSIG bezeichnet werden. Und schon gar nicht möchten Leute eine MITTELMÄSSIGE Sinfonien hören - dazu ist ihre Lebenszeit zu kurz. dann schon lieber schlechtes HEAVY METAL oder dergleichen.


    Über die Genialität von Brahms könnten wir einen eigenen Thread starten - wie er sich und seine Werke selbst sah - und wie zeitgenössische Kritiker (etwa Hanslick) urteilten - aber das nur als Gedankensplitter, denn ich extern aufgreifen werde - nicht aber hier (bitte)


    In Beitrag Nr 22 schreibt lutgra über den subjektiven Höreindruckn geschrieben die er beim Vergleich von zwei Streichquartetten, eines von Brahms, eines von Gernsheim hatte.


    Ich beende in des diese kurze Betrachtung und widme den Folgebeitrag dem Violinkonzert Nr 1 von Gernsheim, welches ich mehrmals in Folge hörte und über alle Maßen genossen habe....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn ich zu Beginn des Threads beklagt habe, dass es kaum Aufnahmen von Werken Gernsheims am Markt gäbe, so hat sich die Situation seither doch einigermaßen gebessert. So hat beispielsweise cpo die hier abgebildete CD mit allen drei Werken für Violine und Orchester rechtzeitig, knapp vor dem hundertsten Todestag Gernsheims herausgebracht...
    Heute habe ich das Violinkonzert Nr 1 op 42 in D-dur von Friedrich Gernsheim gehört, und komme subjektiv zu dem Schluss, dass es jenem von Max Bruch in nichts nachsteht, zumindest aber einen dauerhaften Platz auf den Konzertprogrammen verdient hätte. Es ist voll von Ohrwurmthemen, sowohl im Orchester- als auch im Solobereich. Vielleicht mag der eine oder andere es als ein wenig zu plakativ oder zu lieblich, eventuell stellenweise gar süßlich, empfinden, ich würde es indes als mit „betörend“ und „eingängig“ beschreiben, Ein wenig Süße im Solopart schadet meiner Meinung nach nie. Etwas, das meiner Meinung nach das Brahmsche Violinkonzert in dieser Form nicht bieten kann . (und will ?)
    Das Konzert wurde am 22. Jänner 1880 in Rotterdam unter der persönlichen Leitung Gernsheims mit Isidor Schnitzler als Solisten uraufgeführt, war aber bereits 1879 komponiert worden, andere Quellen (engl, Wikipedia) geben hier das Jahr 1875 an (was ich aber nicht glaube) Gernsheim betont in einem Brief an Ferdinand von Hiller explizit, dass sein Konzert VOR jenem von Brahms geschrieben worden sei. (auch das glaube ich nicht)
    Über die Widmung des Konzertes herrscht ebenfalls Unklarheit. Im Erstruck der Partitur wird Pablo de Sarasate als Widmungsträger genannt, heute geben indes die meisten Quellen August Wilhelmj als Widmungsträger an.
    Dank der engagierten Veröffentlichungspolitik von cpo ist das vergessene Konzert – neben zwei weiteren (davon zu einem späteren Zeitpunkt ein Beitrag von mir oder einem anderen Mitglied unseres Forums) für einen gewissen Zeitpunkt wieder auf Tonträger verfügbar.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred



    clck 5007

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo erneut,


    Friedrich Gernsheim (1839-1916)
    Klavierquartette Nr.1 & 3

    Andreas Kirpal, Mitglieder des Diogenes Quartett
    Brilliant, DDD, 2007


    Veritable Hits und in meinen Ohren ganz weit weg von jeder (auch positiv gemeinten) Mittelmäßigkeit sind die Werke auf dieser CD. Was Gernsheim hier an wunderbarem Melodienmaterial heraushaut und in Struktur sowie Spannungsbögen packt ist für meinen romantisch geprägten Geschmack schlichtweg erstklassig. Ich kann leider nur den Kopf darüber schütteln, dass diese Aufnahme bereits wieder gestrichen ist (obwohl noch keine 10 Jahre alt). Angesichts mangelnder Alternativen möchte ich durchaus empfehlen, die CD bei Amazon ruhig zu einem Preis oberhalb des ursprünglichen Neupreises zu erwerben. Wer die Kammermusik von Brahms und Mendelssohn schätzt, wird auch diese Werke Gernsheims mögen.
    Wie engagiert sich Andreas Kirpal und die Mitglieder des Diogenes-Quartetts hier für Gernsheim reinhängen ist aller Ehre Wert. Ebenso wie der hervorragende Klang der von Christian Starke aufgenommenen CD (übrigens ein Beleg dafür, dass die Label-Grenzen verschwimmen, wirft man mal einen Blick auf seine Referenzen).
    Erwähnenswert auch der (unerwartet) umfassende, informative und in deutscher Sprache vorliegende Booklet-Text dieser Brilliant Classics-CD.
    Da ich nicht weiß, wie lange die weiter oben gezeigten Violinsonaten noch halbwegs günstig zu bekommen sein werden - sie wurden ebenfalls von Stefan und Andreas Kirpal für Brilliant Classics eingespielt und durch Christian Starke aufgenommen - habe ich die Doppel-CD vorsichtshalber gleich geordert. Wenn das musikalische Niveau hier nur halbwegs gehalten wird, kann das keine Fehlentscheidung sein. :)
    Besprechung bei RONDO.


    Viele Grüße
    Frank

  • Die in Beitrag Nr 26 von mir geäusserten Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet, cpo hat den Gernsheim- Sinfonien Zyklus doch zu Ende gebracht. Vermutlich hat man mit der Veröffentlkichung der noch fehlenden Sinfonien , Nr 2 und 4, auf den hundertsten Totestag (2016) von Gernsheim gewartet. um den Komponisten auf diese Art zu ehren, bzw nachdrücklich in Erinnerung zu rufen. Somit sind - nach längerer Pause - alle 4 Gernsheim-Sinfonien wieder verfügbar. Wenngleich ich der alten Aufnahme unter Siegfried Köhler (einst auf Arte Nova - siehe Beginn des Threads) den Vorzug gebe, so habe ich dennoch die ersten beiden , bereits erschienenen gekauft, und werde das Set durch die hier gezeigte CD komplettieren. Wer die alte Aufnahme nicht kennt und nicht besitzt, dem sei indes die Neuaufnahme dringend ans Herz gelegt, sie schließt eine nicht zu unterschätzende Lücke im Repertoire. Ein weitgehend unterschätzter Komponist wird wieder ein wenig ins Rampenlicht geholt. Schade, daß sich nicht beispielsweise die Wiener Philharmoniker dieser Werke angenommen haben......

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe - angeregt durch diesen wiedererwachten Thread meine Serie über Romantische Klavierkonzerte (Hyperion) fürs erste unterbrochen und mit die Sinfonie Nr 1 Von Friedrich Gernsheim nach Jahren wieder angehört - diesmal in der cpo Aufnahme mit dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz unter Herbert Bäumer. Es ist interessant meine Eindrücke von heute mit jenen von 2004 (Jahr des Threadstarts) zu vergleichen.

    2004 schrieb ich:

    Zitat

    Sie erinnern oberflächlich an unbekannten Brahms, mit dem er übrigens eng befreundet war, sind aber IMO etwas weniger "sperrig" für der Einstieg, also kann für manchen der Weg zu Brahms ohne weiteres über Gernsheim führen.


    Ich habe schon 2004 recht vorsichtig formuliert. Heute würde ich indes dezidiert behaupten, daß zumindest die erste Sinfoniie mit Brahms nichts gemeinsam hat ausser den vielzitierten Zeitgeist und einige Reminiszenzen an Beethoven. Zudem ist Gernshein - auch das ist mir bereits 2004 aufgefallen - nicht so "sperrig" und "spröde" wie stellenweise Brahms Es ist ja auch auszuschliessen, daß Gernseheim sich bei seiner Ersten an Brahms orientiert hat, der sie erschien ein Jahr vor Brahms' erster Sinfonie. Hier epigonal zu agiern grenzt da schon ein Wunder und stünde beinahe einzigartig in der Musikgeschichte da, gäbe es da nicht einen gewissen Hans Rott, der den Stil Mahlers kopiert haben soll, bevor es ihn überhaupt gab.
    Was mir an Gernsheims Sinfonie auffällt ist, daß zumindestens ich eine gewisse Zeit des Einhörens benötige, bis sich mir ihre Vorzüge erschliessen. Bei der ersten meine ich mehrmals eine Tonfolge zu vernehmen, die einen Augenblick an ein Ohrwurmthema aus Beethovens Eroica erinnert, dann aber sofort eine andere Wendung nimmt.Mein absoluzer Lieblingssatz ist der dritte, das Scherzo, das stellenweise schon sehr wild daherkommt, dann aber abrupt seine Stimmung ändert, wenn die Bläser ihren traumhaft schönen Part spielen (knapp vor Mitte des Satzes) Der 4 Satz ist ebenfalls voll von übeschäumendem Temperamant, welches indes auch manchmal gebändigt wird, damit die lyrischens Seiten des Satzes zu ihrem Recht verholfen wird. Der Satz endet indes strahlend, triumphierend.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

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  • Außerdem spielt die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz hier schon ein wenig unter ihrer Würde, da muss man schon alle möglichen Hühneraugen zudrücken ...

    Ich war mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz immer zufrieden, sehe daher keine Notwendigkeit einer Mainzer Konkurrenzeinspielung. ("Großtaten" stelle ich mir anders vor ...)


    Ja, so kann man seine Meinung doch auch ändern. :D


    Spaß beiseite, anlässlich meiner Lektüre über die Symphonien zwischen Beethoven und Brahms habe ich mir heute seit langer Zeit wieder einmal die erste Symphonie von Gernsheim gegönnt, nicht in der neuen Einspielung auf cpo sondern der mit der Staatsphilharmonie RP und bin angetan von dem Werk. Zum Thema Epigonentum ist ja hier schon weitgehend alles gesagt und ich halt's mit Michael Kube, der in seiner FF Besprechung der in Beitrag 34 gezeigten CD schreibt:


    "Sie machen auf einen Komponisten aufmerksam, der noch immer im Schatten steht - seine Anstellungen in Saarbrücken, Köln, Rotterdam und Berlin blieben ohne historische Nachwirkung. Gerade deswegen sei an dieser Stelle für ein differenziertes Hören geworben: Wer hie und da etwas Brahms im Ohr hat, den möchte man auf die anderen Passagen mit offenbar "echtem" Gernsheim verweisen. Nein, guten Gewissens lässt sich die Musikgeschichte nicht einfach in vorausschreitende Helden und nachfolgendes Fußvolk aufteilen. Die schöne Sache ist etwas komplexer."


    Was auch dem Tenor des erwähnten Buches entspricht.

  • Ich bin froh, daß auch andere Musikfreunde weitgehend meine Einschätzung teilen. Es ergibt sich die Frage wieso immer wieder Werken die lange in Vergessenheit geraten waren, jene "Genialität" abgesprochen wird, die man eine derzeitigen Berühmtheit oft kritiklos zubilligt. Zum einen ist da der Effekt, daß man gerne mit dem Strom schwimmt und die Meinung von (wirklichen oder selbsternannten) "Kapazitäten" nicht in Frage stellen möchte. Es funktioniert wie mit einem Gerücht: Zuerst vernimmt man es diffus, unterschwellig, "unter der Hand", aber allmählich hat es sich in den Köpfen der Leute so festgesetzt, daß es unausrottbar scheint. Es wir zur anerkannten Wahrheit - egal ob die Aussage den Tatsachen entspricht oder nicht.


    Das ist aber nur EINE von mehreren möglichen Theorien. Ich glaube es ist in der Regel so, daß wir das "Mainstream Repertoire" quasi intus haben, die Themen sind uns teilweise vertraut wie "Gassenhauer" (auch wenn diese Behauptung vielleicht ein wenig übertrieben sein mag) wir schätzen und lieben gewisse Stellen. Das fällt bei neuentdecktem Repertoire natürlich ins Wasser - es sei denn , man hat es oft genug gehört...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • "Große, dramtische Romantik erwartet Sie" so endet der Infotext auf der jpc Website. Und prinzipiell kann man dem beipflichten, wenngleich ich im Falle Gernsheim den "entspannten Stellen" den Vorzug gebe. Ich habe heute nach langer Pause wieder die Sinfonie Nr 1 von Friedrich Gernsheim gehört. Der Beginn wirkte auf mich ein wenig beliebig, polternd und kompakt. Aber das ist eben einerseits nur der Beginn, andrerseits ein sehr subjektives Urteil. Da0 die 1 Sinfonie in keinem Falle als epigonales Werk nach Brahms betrachtet werden darf, habe ich schon implizit im Threadtitel und explizit im 1. Forenbeitrag geschrieben. Damit es nicht in Vergessenheit gerät wiederhole ich es an dieser Stelle. Abgesehen, davon daß Gernshein seine 1. Sinfonie bereits 1875 schrieb , erinnert mich kaum etwas an Brahms. Gernsheim bietet in den beiden Mittelsätzen ein entspanntes Klangbild, das stellenweiser von betörender Schönheit gezeichnet ist, vor allem, wenn er die Hörner einsetzt. Stellenweise sehe ich ihn näher an Beethoven, als Brahms und das "Knorrige" scheint im generell abzugehen. Ich sehe hier eine Sinfonie auf Augenhöhe mit den Großen seiner Zeit, wo kaum verständlich ist, daß sie in den Konzertführern - ebenso wie der Komponist - totgeschwiegen wird.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Heute habe ich mir das auf der abgebildeten CD das Klavierquintett Nr 1 op 35 von Friedrich Gernsheim. angehört. Eigentlich schade, daß wir nicht zu Beginn der Befassung mit diesem Komponisren die Einteilung in mehrere Genres vorgenommen haben, aber es gab eben damals viel zuwenige Aufnahmen. Erfreulich,da das nun zumindest ein wenig besser geworden ist. Obwohl natürlich der "Output" gemessen an Gernsheims Gesamtwerk eher bescheiden ist. Ich habe in Rahne einer schnellen Recherche 91 Werke mit Opuszahl gefunden. Eigentlich interessant, warum er heute hinter Brahms gereihr wird. zu Lebzeiten galt er als ebenbürtig . zu recht wie ich meine.
    Somit beantworte ich auch die Frage des Kurzstückmeisters aus dem Jahre 2016:

    ch weiß jetzt nicht, ob ihr tatsächlich dieselbe Einschätzung habt und ob sie sich mit der des Booklet-Autors deckt.


    Ich glaube nicht, daß ich dafür anfällig bin Meinungen aus den Booklets zu übernehmen, es sei denn die Meinung sei wirklich deckungsgleich
    Als Beweis möcht ich hier gern anführen, daß eine positive Beeinflussung durch den Bookletautor im Fall von zeitgenössischen Werken überhaupt nicht funktioniert..


    An Gernsheim bewundere ich, daß er einen Stil pflegt, der zwar an Brahms erinnert (oder umgekehrt), daß er aber in keiner weise knorrig oder spröde ist. In gewisser Weise ein "optimistischer, strahlender " Brahmsersatz.... (pointiert ausgedrückt)


    mfg aus Wien
    Alfred

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  • GERNSHEIM Friedrich: Streichquartett Nr 3 op 51 in F-dur


    Glücklicherweise ist es so, daß wenn cpo sich erst einmal für einen Komponisten interessiert, es ihm für eine lange Zeit die Treue hält- So auch im Fall von Friedrich Gernsheim, vo soeben Folge 1 mit seiner Streichquartette beginnt, welche die Nr 1 und 3 enthält. Gernsheim hat 5 Streichquartette geschrieben, also fürfen wiruns auf zumindest eine weitere Aufnahme freuen, bedenke man aber was es da noch alles gibt, dan läuft einem das Wasser im Munde zusammen, wenn man ein Gernsheim Verehrer ist.

    Ungeachtet was weiter oben von teilweise ehemaligen Tamino Mitgliedern geschrieben wurde, halte ich Gernsheim für eine Komponisten allererster Wahl und stege hier nicht allein da. Zu den Bewunderern von Gernsheim gehörten unter anderem Gustav Mahler, Max Bruch, Richard Strauß, Artur Nikisch und Johannes Brahms.


    Kommen wir zum Werk, dem Streichquartett Nr 3, das auf der abgebildenten, im vergangenen Jahr erschienen CD enthalten ist.


    1) Allegro

    2) Allegro scherzando

    3) Andante molto cantabile

    4) Tema con variazoni - Moderato - Andante maestoso - Allegro molto vivace - Lento e sostenuto - Piu animato ma pesente


    Der erste Satz ist ziemlich komplex und stellt IMO gewisse Anforderung an den Hörer. Har man sich aber erst mal "eingehört" wird man dies gar nicht mehr empfinden, sondern von der Musik gefangen genommen. Der tänzerische zweite Satz erinnert mich - auch wenn das niegendwo sonst vermerkt ist - entfernt an Dvoraks Finalsatz des Amerikanischen Quartetts - es schimmerte irgendwie gelegentlich durch. Aber jeder wird das anders empfinden. Auf jeden Fall sehr eindrucksvoll und eingängig. Gelaasenheit, und innerer Ruhe strahlt der dritte satz aus, verhaltenes Einschmeicheln paart sich mit Nachdenklichkeit.,von korzen bewegteren Passagen unterbrochen, die aber den Gesamteindruck nicht wirklich zu verändern vermögen. Sanft erlischt der Satz. Das Finale wird von einem Variationssatz gestltet, der äusserst phantasiereich gestaltet ist und auch vom Temperament her sehr unterschiedlich, was man schon bei der sehr ausführlichen Satzbezeichnung sehen kann.


    Alles in allem ein Quartett, das den Vergleich der ganz großen Komponisten nicht zu scheien braucht - einfach weil Gernsheim ein ganz berühmter Komponist ist. MAn braucht sein Schicksal nicht zu bedauer, daß er vom Schicksal in die zweite Reihe gestellt wurde - den zu Lebzeiten war er mehr als berühmt...


    Die Aufnahme wird vom Diogenes Quartett gestaltet, welches den Komponisten ebenfalls sehr schätzt


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 11000

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  • Das 3. Streichquartett von Gernsheim habe ich heute wieder gehört und muss sagen, auch mir gefällt es sehr. Das hat schon seine eigene Klasse. Fand auch der Kritiker im FF.


    FonoForum 09 / 2019: »Das dritte Streichquartett ist ein Meisterwerk! Das Diogenes Quartett spielt diese Musik geradezu ideal aus. In dieser Interpretation erhält die Musik eine Gefühlswärme, die nie ins Kitschig-Sentimentale abgleitet. Das ist interpretatorisch eine Gratwanderung, die dem Quartett wie selbstverständlich gelingt: unaufdringlich-anspruchsvoll.«


    Ich hoffe, das cpo mit weiteren Folgen nicht zu lange wartet, es gibt insgesamt 5 Streichquartette, 2 Streichquintette, 3 Klavierquartette und 2 Klavierquintette. Also noch jede Menge zu tun. Go for it.

  • GERNSHEIM Friedrich: Streichquartett Nr 1 op 25


    Heute habe ich mit großem Genuß das Streichquartett Nr 1 op 25 gehört, welches aus dem Jahre 1871 stammt. Den Beginn des ersten Satzes empfand ich als unruhig, man kann aber auch sagen sehr dynamisch, wobei die Vialität niemals der Melodik im wege stand. Der 2. Satz wird im Booklet als düster beschrieben, eine Bewertung die ich repektiere, die aber gänzlich im Widerspruch zu meinem persönlichen Eindruck steht. Ich empfand den Satz als sehr intensiv, verträumt und eindringlich zugleich - und über alle Maßen schön. Der dritte satz ist eine optimale Mischung von Rhytmik und Melodik. Die Krönung dieser Komposition ist aber - zumindest in meinen Augen der Finalsatz vor Drive und Ohrwurmcharakter. Da geht die Post ab. Und ich glaube, hier liegt der Vorteil gegenüber Brahms, ein ungeheures Temperament, ein schmissiger Finalsatz wie es nicht viele gibt.


    Die Sätze dieses 35 minütigen Werkes:


    Allegro energico

    Andante con moto

    Allegro

    Rondo all´ongharese - Allegro molto vivace


    Die oben gezeigte CD gehört in die Sammlung jeden ernsthaften Kammermusik-Freunds


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Anbetracht der vor uns liegenden konzertlosen Zeit hatte ich bei cpo ein Dutzend von CDs zu € 7,99 bestellt darunter auch die Neuaufnahmen der vier Gernsheim Symphonien. Zwar besitze ich auch die erste GA unter Siegfried Köhler, aber die habe ich schon ewig nicht mehr gehört.

    Heute als Einstieg die erste Symphonie und ich muss sagen, ich war hin und weg, was für ein prächtiges Werk. Die beliebten (oft unvorteilhaften) Vergleiche kann man sich hier m.E. schenken. Da kenne ich vieles von namhafteren Komponisten, was mir weniger gefällt.


  • Jüngst ist die 2. Folge der Streichquartette/quintette von Friedrich Gernsheim erschienen und dürfte die Erwartungen der Gernsheim-Freunde erfüllen. Es liegt hiermit das letzte 5. Streichquartett und das 2. Streichquintett (a la Schubert mit 2. Cello) vor, das letzte Kammermusikwerk des Komponisten überhaupt und laut Booklet-Text der Höhepunkt seines Kammermusikschaffens. Das kann ich nicht beurteilen, da ich noch längst nicht alle Kammermusikwerke von Gernsheim kenne. Aber nach dreimaligem Hören kann ich beide Werke auf der CD empfehlen, sie sind eher lyrisch geprägt und immer noch in einem spätromantischen Tonfall gehalten, auch wenn sie zwischen 1910-16 entstanden sind. Eine vermeintliche Nähe des Quintetts zur Musik von Max Reger kann ich nicht ganz nachvollziehen. Sie klingen IMO auch nicht nach Brahms. Sehr schöne Werke sind das und das Diogenes Quartett plus Alexander Hülshoff tun alles, dies auch zur Geltung zu bringen.