Opernaufführungen als Übertragungen per Rundfunk und Fernsehen

  • Liebe Freunde der werkgerechten Inszenierungen,


    noch einmal zur Erinnerung: Heute um 20.15 Uhr auf 3sat die Inszenierung der "Aida" aus der Arena von Verona. Endlich mal wieder im Fernsehen ein Opernabend, der sich auch anzuschauen lohnt. Ich wünsche allen viel Freude damit.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard,


    die Aufnahme ist zwar schön anzuschauen, aber diesmal sollte man den Ton abschalten. Der Tenor, der ja zu Beginn schon einen großen Auftritt hat, kann man sich kaum anhören. Er brüllt die hohen Töne mit roher Gewalt, zu tief und ohne Ausdruck. Natürlich sind für mich die Sänger das wichtigste in der Oper. Die übrigen Sänger und Sängerinnen habe ich nicht gehört. Mir reicht es, wenn der Interpret einer Hauptrolle so "singt" wie Marco Berti.
    Dies ist meine subjektive Meinung.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Diese Aida gibt es ja schon seit längerem auf youtube zu sehen. Marco Berti brüllt sich durch die Partie des Radames. Einziger Lichtblick ist die Aida gesungen von Hui He, mit einem sehr schönen Sopran. Personenregie findet auch nicht statt, da Sänger und Chor ihre Auf und Abtritte haben, das war es aber auch schon. Der Rest ist "Rampensingen".

  • Ich habe mir vorhin den ersten Akt angesehen und das soll für mich heute auch der letzte gewesen sein. Am spannendsten waren vielleicht die streunenden Katzen, die man während der ersten Szene gelegentlich im Hintergrund gesehen hat.


    Ein paar unzusammenhängende Gedanken:


    Ich bin etwas erstaunt, dass man in Verona keine Sänger aufbieten kann, die von der Statur her ihre Rolle einigermaßen glaubwürdig verkörpern können. Unfreiwillig komisch ist es jedenfalls, wenn Radamès singt: »Gibst meinem Leben einzig Gewicht« – ich hätte mir diesen Feldherrn jedenfalls etwas weniger beleibt vorgestellt. Und auch die Töchter des Pharao und des Königs von Äthiopien würde ich mir im Traum nicht annähernd so »gereift und erwachsen« ausmalen als wie sie da leibhaftig auf der Bühne stehen.


    Kann mir jemand verraten, welchen Zweck die auf schmal-spitz geschminkten Augen der Darsteller haben sollten? Die alten Ägypter haben doch bestimmt nicht so ausgesehen. Und müsste Aida nicht eigentlich dunkelhäutig sein – jedenfalls in einer »realistischen« Inszenierung?


    Wenn rodolfo39 schreibt: »Personenregie findet auch nicht statt, da Sänger und Chor ihre Auf und Abtritte haben, das war es aber auch schon«, so kann ich ihm da nur zustimmen. Ich finde es beschämend, wie wenig der Regisseur getan hat, um das, was das Libretto vorgibt, auf die Bühne zu bringen. Nicht einmal die einfachsten und oberflächlichsten Gesten werden umgesetzt. So singt Amneris: »Er entfärbt sich und welchen Blick entsendet er zu ihr«, aber was tut Radamès gerade? Er blickt eben nicht zu Aida, sondern steht an der Rampe und ist völlig abgewandt sowohl von Aida als auch von Amneris. Die Figuren wirken auf der Bühne statisch, ohne Körpersprache und ohne Beziehung zueinander.


    Ich verstehe nicht, was daran »werkgerecht« sein soll. Vielleicht kann Gerhard das ja erklären. Ich jedenfalls sehe zwar, dass das Stück anscheinend im alten Ägypten spielt. Aber das war es auch schon und das, was da zwischen den Figuren passiert und was – sicher nicht nur für mich – einen wesentlichen Teil der Handlung ausmacht, das kommt in der Darstellung überhaupt nicht vor.

  • Kann mir jemand verraten, welchen Zweck die auf schmal-spitz geschminkten Augen der Darsteller haben sollten?


    Nach meinen Informationen folgte diese Bemalung der Augen im alten Ägypten, die sich bei beiden Geschlechtern findet, vornehmlich nicht kosmetischen und kultischen Zwecken. Sie diente dem Schutz vor starker Sonnenstrahlung und sollte den Eintritt des Sandes in die Augenregion verhindern. Aus diesen praktischen Erwägungen entwickelte sich schließlich auch so etwas wie eine Mode. So ist das bis heute.


    d


    In etwas abgeschwächter Form findet sich die Bemalung auch bei der Nofretete:


    Die weiße Katze fand auch ich das Beste an dieser ganzen Veranstaltung. Das Tier - oder waren es mehrere? - hatte sich wohl eigenständig Zugang zur Bühne verschafft. Die Arena bietet ideale Lebensräume. In diesem Fall passte es ganz zufällig zum Inhalt des Spektakels. Katzen hatte bei den Ägyptern bekanntlich Kultstatus. Bastet ist in der Mythologie die als Katzengöttin dargestellte Tochter des Sonnengottes Re.


    Der Grund ist auch hier banal: Katzen schützen die lebenswichtigen Getreidevorräte davor, dass sich Mäuse und Ratten daran schadlos hielten. Neulich, noch vor der Saison in der Arena, saß ich beim Kaffee an der Piazza Bra und hatte meine helle Freude daran, eine Katze in den antiken Mauern herumsteigen zu sehen. :)


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    ich kenne sehr viele altägyptische Bilder, so dass mir die Maske überhaupt nicht fragwürdig erschien. Dennoch danke für die Aufklärung, denn der von dir zitierten Frage nach scheint es noch Leute zu geben, die nie solche Bilder gesehen haben. Für mich ist schwer vorstellbar, dass jemand Gebildeteres noch nie die Totenmaske von Tutanchamun oder ähnliche Bilder aus dem alten Ägypten gesehen hat. Auch die einmal flüchtig auftauchende Katze (oder mehrere?) erschien mir ganz natürlich
    Meine Stellungnahme zu der Inszenierung habe ich bereits abgegeben, denn ich kannte sie bereits aus der DVD von 2013 (allerdings in anderer sängerischer Besetzung und anderem Dirigenten). Inszenatorisch ist sie, von geringen Abweichungen abgesehen, die gleiche. Sonst hätte ich sie wohl nicht als endlich einmal wieder werkgerecht (im Gegensatz vor allem zu der dämlichen Zirkus-Inszenierung von Las Fura dels Baus aus dem gleichen Jahr) empfohlen. Gesanglich gesehen hat mir - abgesehen von der Sängerin der Aida - die Aufnahme aus dem Jahr 2013 etwas besser gefallen. Allerdings hat diese DVD das Format 4 : 3. Die Bildwirkung von 16 : 9 mit Beamer auf großer Leinwand war hingegen gewaltiger. So - und nicht anders - muss "Aida" sein!! Natürlich kann man auf normaler Bühne diesen Aufwand an Statisten wohl kaum erwarten. Insgesamt für mich - und wie ich weiß auch einige andere - ein wunderbares Erlebnis.
    Nun freue ich mich schon auf die Inszenierung der Zauberflöte am 21.9 aus der Scala. Die Inszenierung der "Turandot" aus Bregenz, die ich wegen Verhinderung aus bestimmten Gründen weder sehen noch aufnehmen kann, ist - wie ich erfahren habe - kaum lohnenswert, so dass ich wohl nichts versäume.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Danke für die Aufklärung. Das erscheint einleuchtend. Jetzt bin ich mal gespannt, ob von Gerhard oder einem anderen »dieser Herren« noch etwas zur Frage der Werkgerechtigkeit der Inszenierung kommt.


    Nicht wahr, Dieter, solche Inszenierungen sind für Dich ein gefundenes Fressen. Da kannst du dann Kübel voller Häme ausschütten. Übrigens warten wir hier immer noch auf Erklärungen von Dir und dem anderen Herrn u. a. bezüglich des Faust aus Salzburg.
    Ich bin grundsätzlich kein Freund von Freilichtaufführungen. Allerdings weiß ich auch nicht, wie man es besser machen könnte. Du vielleicht? Vom Triumphmarsch gestern war ich schlichtweg enttäuscht. Ich hatte jetzt wirklich mehr als nur vier Pferde erwartet. Früher sind doch da sogar Elefanten und Kamele aufmarschiert. Also wenn schon, denn schon. Jedenfalls scheint es den Leuten dort sehr zu gefallen. Es ist eben auch die Atmosphäre, die wohl zieht. Und es ist sehr schön, dass das mit Oper noch möglich ist. Die Musik ist ja auch wirklich herrlich. Und das Ende hat mich mal wieder sehr berührt. Ich glaube nicht, dass Du die Massen in die Arena bekommst, wenn AIDA als putze und Radames im Kampfanzug auftreten würden. U


    Um Deinen Lachmuskel noch ein wenig zu trainieren, poste ich nachfolgend zwei Inszenierungen, die mir gut gefallen:
    http://m.youtube.com/watch?v=xxgOIwOd_5I
    Verdi. Aida. Marcia Trionfale & Ballabile: http://youtu.be/P4Mh0iA-jK0

  • Nach drei opernfreien Wochen (wenngleich in Italien und Istrien) hat mich gestern die 3Sat-Aida aus Verona (die ich noch nicht kannte) zurückgeholt ins Verdi-Land.
    Dass es gleich Verdis opulenteste "Grand Opéra" war, hat mich zu einigen grundsätzlichen Überlegungen angeregt, die durch die hiesigen kontroversen Beiträge noch zusätzlich belebt wurden:


    Aida, von einem italienischen Tenor (war´s Lauri-Volpi?) auf seine Wunschbühne unter freiem Himmel geholt, ist wohl die einzige Oper, die dort ohne Einschränkung ihre Qualitäten voll entfalten kann. Deshalb darf man die Jubiläums-"Inszenierung" im Stil von 1913 nicht mit heutigen Maßstäben messen. Aber sie hat, wenn man die Auftritte der vier tanzenden Schimmel und andere zeitbedingte Entgleisungen übersieht, ihren durchaus werkgerechten Stil.
    Das Werk ist, wie kein anderes von Verdi, von einer suggestiven Monumentalität, die im Triumph-Akt ihren Höhepunkt findet. Dem kommt das Riesenoval der Arena optimal entgegen. Danach findet eine opulente Opern-Nacht statt, bei der kein Auge trocken bleibt - vorausgesetzt, dass die Sänger dafür zur Verfügung stehen. Bei diesem Monumentalstil bleiben notgedrungen manche Feinheiten (die die Partitur auch enthält!) auf der Strecke.


    Für mich ergibt sich unter diesen Voraussetzungen folgender Eindruck: Die Sänger hatten alle (mehr oder weniger) die erforderlichen voluminösen, tragfähigen Stimmen. Herausragend waren Hui He als hinreißende Aida - und, ein Elementarereignis, Ambrogio Maestri als Amonasro! Ich habe selten einen solchen Vulkan von Bariton erlebt.
    Dass Marco Berti als Radames gebrüllt haben soll, halte ich für eine schwerwiegende Verwechslung. Wenn ein Sänger eine dramatische Stimme hat, darf er sie an diesem Ort und in dieser Partie auch zeigen. (Sonst wird er ausgebuht!) Und (nicht nur) im Schlussduett sang er ein überzeugendes Piano, der Partnerin angepasst.


    Insgesamt halte ich diese Produktion, bei allen holzschnittartigen Übertreibungen und aller Statuarik, für ein eindrucksvolles Beispiel einer im Ganzen werkgerechten Produktion, die zudem von einem Kenner spannend geleitet wurde. (Nur auf den religiösen Kopfschmuck von Daniel Oren hätte ich gern verzichtet.)


    Es wäre sicher kein Fehler, wenn mehr Opernaufführungen (nicht nur open air) dafür sorgen würden, dass besonders junge Menschen überhaupt erfahren, was der Komponist mit seinem Werk sagen wollte. (Später können sie dann moderne Inszenierungen auch besser einordnen.)


    Das meint, mit herzlichen Grüßen, Sixtus

  • Danke Sixtus für deine Rezension. Genauso empfinde ich das auch. Übertreibungen in der Gestik sind bei Freiluftaufführungen nunmal gang und gäbe. Und was die Schimmel angeht: wie gesagt, ich hätte gern noch Elefanten und Kamele auf der Bühne gehabt.

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  • Nicht wahr, Dieter, solche Inszenierungen sind für Dich ein gefundenes Fressen. Da kannst du dann Kübel voller Häme ausschütten. Übrigens warten wir hier immer noch auf Erklärungen von Dir und dem andreren Herrn u. a. bezüglich des Faust aus Salzburg.

    Den Faust aus Salzburg habe ich nicht gesehen. Ich hoffe, man sieht es mir nach, dass ich das (bisher?) nicht getan habe und dass ich deshalb nichts dazu schreibe. Zur Aida: Wieso Häme? Ich habe nur versucht, im Rahmen meiner Möglichkeiten das zu sagen, was ich gesehen und empfunden habe. Das deckt sich mit dem, was rodolfo39 schon dazu geschrieben hatte (»Rampensingen«). Ich habe vermisst, dass auch etwas von dem dargestellt wird, was zwischen den Figuren passiert, und ich meine, dass ich das sogar begründet habe. Waren meine Gedanken vielleicht zu armselig oder neben der Sache, sodass man nicht darauf einzugehen braucht?



    Ich bin grundsätzlich kein Freund von Freilichtaufführungen. Allerdings weiß ich auch nicht, wie man es besser machen könnte. Du vielleicht?

    Ich hoffe, das wird nicht von mir erwartet (oberflächliche und völlig unausgegorene Ideen dazu gingen mir schon im Kopf herum). Ich habe jedenfalls schon Freilichtaufführungen gesehen, wo zwischen den Personen mehr passiert ist. Es muss also nicht so statisch sein wie in dieser Aida, die – jedenfalls im ersten Akt – fast nur von der Musik gelebt hat. Da wäre ich mit einer rein akustischen Aufzeichnung vor meiner HiFi-Anlage besser bedient als mit dem Fernsehton.
    Aber auch wenn ich meine, dass man es besser machen könnte, so scheint es doch eine grundsätzliche Problematik bei Freilichtaufführungen zu geben, die Dich vermutlich auch nicht zum Freund von solchen Veranstaltungen werden lässt. Liegt das an den durch die Umgebung begrenzten Möglichkeiten des Bühnenbilds? Spielt eine Rolle, dass die »Natur« (Tageslicht, Dämmerung, Sternenhimmel, Umgebungsgeräusche) es schwerer macht, die Bühne(nhandlung) als »realistische Illusion« wahrzunehmen? Oder bedingen, gerade in einer riesigen Arena wie in Verona, die räumlichen Dimensionen und der Abstand zwischen Publikum und Bühne, einen Verzicht auf »kleinteilige« Differenzierung, muss man hier einfach vergröbern?
    Ich bin ja geneigt, deswegen Abstriche zu machen. Und vermutlich ist es auch nicht die Inszenierung, sondern, wie Du schreibst, »eben auch die Atmosphäre, die wohl zieht«. Aber gerade deshalb würde es mich wirklich interessieren, wie Gerhard beispielsweise zu der Einschätzung kommt, es handle sich hier um eine werkgerechte Inszenierung. (Schade, dass er anscheinend seiner Ignoriertaktik treu bleibt – er fordert von »uns« Argumente und dann weigert er sich, die Beiträge zu lesen – vielleicht kann ihn ja mal jemand, der bei ihm nicht in Ungnade gefallen ist, darauf hinweisen, wie schwierig es ist, auf diese Art vernünftig miteinander zu diskutieren.)



    Um Deinen Lachmuskel noch ein wenig zu trainieren, poste ich nachfolgend zwei Inszenierungen, die mir gut gefallen:
    http://m.youtube.com/watch?v=xxgOIwOd_5I
    Verdi. Aida. Marcia Trionfale & Ballabile: http://youtu.be/P4Mh0iA-jK0

    Der Triumphzug aus der Metropolitan Opera käme mir zumindest in den ersten Minuten eher wie ein Trauerzug vor, wenn die Musik nicht wäre. Aber was Barcelona angeht, so finde ich es tatsächlich lustig, wenn bei 0:30 die Krieger wieder aufstehen und die ersten Schritte rückwärts gehen. Und der, eine knappe Minute danach, unter größter Anstrengung hereingezogene Wagen mit dem Phallussymbol (das war jedenfalls mein erster Gedanke) ist auch nicht ohne. Aber ich möchte nicht über die Inszenierungen urteilen anhand zweier Szenen …

  • Dass Marco Berti als Radames gebrüllt haben soll, halte ich für eine schwerwiegende Verwechslung. Wenn ein Sänger eine dramatische Stimme hat, darf er sie an diesem Ort und in dieser Partie auch zeigen. (Sonst wird er ausgebuht!)


    Schön, dass du aus dem Urlaub zurück bist, lieber Sixtus.
    Aber der Opernentzug muss doch arg gewirkt haben, wenn Du danach Berti goutieren konntest.
    Spaß beiseite: Ist Bergonzi je ausgebuht worden als Radames? Ich habe ihn in der Arena drei oder vier mal gehört. Er ist immer gefeiert worden.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Der unendliche Streit um die Polarität Rampensingen versus dramatisches Agieren ist, wie ich glaube, nicht zu entscheiden. Aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem guten Schauspieler auf der Opernbühne und einem brillanten Rampensänger, wähle ich dann doch den letzteren. Schließlich ist in einer Oper die Partitur das Herzstück des Ganzen.
    Umso größer ist das Glück, wenn man einen Sänger wie Maestri erleben darf, dessen Amonasro eine Einheit von Gesang und Darstellung der Figur wie aus dem Boden gewachsen - lebendig vor einem steht. Da verschmilzt der Gesang mit der Darstellung, und das Ganze wird zu mehr als die Summe der Teile. Dann kann man als Zuschauer auch szenische Unebenheiten auf sich beruhen lassen.
    Insgesamt sehe ich die Jubiläums-Produktion von Verona als informatives Beispiel für "Opas Oper" aus der "guten alten Zeit", die eben auch nicht nur ihre guten Seiten hatte. In diesem Sinne, mit herzlichen Grüßen, wünscht Sixtus gute Nacht!

  • Der unendliche Streit um die Polarität Rampensingen versus dramatisches Agieren ist, wie ich glaube, nicht zu entscheiden.


    Muss diese Polarität denn überhaupt sein? Ich würde meinen, wenn es wirklich dazu kommt, egal in welcher Richtung, dann hat die Oper als Gesamtkunstwerk doch eigentlich schon verloren.

  • Lieber Dieter,


    im Gegenteil: Wenn es diese Polarität nicht gäbe, hätte die Oper als Gattung nicht überlebt! Nachzulesen in Capriccio, Jahrgang 1942, Zeit der Handlung um 1750.
    Der Schwerpunkt der Diskussion hat sich inzwischen von "Wort oder Ton" auf "Musik oder Szene" bzw. "Original oder Aktualisierung" verlagert. Und immer noch fliegen die Fetzen, wie wir sehen. Aber die alte Dame röchelt immer noch ganz munter...


    Noch ein kleiner Nachtrag zu gestern Abend:


    Lieber Caruso,


    mit meinem Gute-Nacht-Lied gestern bin ich fünf Minuten zu spät gekommen, und schon hast du die Lücke auf deine Weise geschlossen. Aber etwas Pfeffer schadet nicht.
    Ich kann dich beruhigen: Meine Opern-Sucht ist ungebrochen. Und ich meine: Berti mag ein Langweiler sein - aber er ist ein technisch versierter Tenor mit großen stimmlichen Reserven und sicherer Höhe, kurzum: ein Spinto-Radames. Das weißt du so gut wie ich (oder besser!). Mein einziger gravierender Einwand gegen seine stimmliche Leistung: Er schließt seine Celeste Aida mit einem applausheischenden Forte-B. (Weil das leichter, aber effektvoller ist als ein verhauchendes Diminuendo.)
    Aber damit hatte sogar dein großer Namensgeber gewisse Schwierigkeiten.
    Dass Bergonzi das konnte (wie fast alles) und deshalb immer gefeiert wurde, liegt wohl an seinem Edeltimbre und seiner perfekten Technik - und daran, dass er als Italiener in Verona immer ein Heimspiel hatte. Wenn man dagegen an Alagna denkt, sieht die Sache ganz anders aus...


    Die Oper hat viele Gesichter - und ist ein sonderbar´Ding. Das meint, mit herzlichen Grüßen an alle, die das auch wissen, Sixtus

  • Nachzulesen in Capriccio, Jahrgang 1942, Zeit der Handlung um 1750.


    Ich tue mich schwer, diese Quelle zu finden.


    Aber vermutlich habe ich mich missverständlich oder falsch ausgedrückt mit der Frage, ob diese Polarität überhaupt sein muss. Ich hatte dabei Deine Aussage im Kopf, dass Du Dich im Zweifelsfall für den Rampensänger entscheiden würdest. Aber muss es denn überhaupt so weit kommen, dass man sich entscheiden muss oder ist dann nicht schon etwas entscheidend schief gelaufen? (Wobei natürlich klar ist, dass die beiden Pole nicht unbedingt immer mit gleicher Gewichtung zu ihrem Recht kommen werden.)

  • Nachdem ich deinen letzten Beitrag gelesen habe, kann ich nur sagen: Dieter, da sind wir uns mal einig! (Solche Ereignisse sollte man getrost feiern.)
    Also Prost!


    Und herzlichen Gruß von Sixtus

  • Die Veroneser Aida ist jetzt hoffentlich genug betrachtet worden.
    Letztes Wochenende habe ich mir zwei Mitschnitte im Rundfunk zu Gemüte geführt: BR Klassik brachte am Samstag Massenets Werther aus London, SWR 2 Bellinis Puritani aus - kein Tippfehler: Stuttgart! Beide Mitschnitte von Anfang Juli.


    Werther reißt mich immer hin und her zwischen der Leidenschaft von Goethes Sturm und Drang und der schwer erträglichen Larmoyanz des weinerlichen Antihelden.
    Aber die Aufführung war musikalisch in sehr guten Händen: Antonio Pappano bringt Massenets mürbe Partitur zum Kochen, und die beiden Protagonisten identifizieren sich in qualvoller Intensität mit ihren exzentrischen Partien. Dabei gerät in Vittorio Grigolos Interpretation bei aller lyrischen Stimmschönheit etwas zu viel Italianità, während Joyce di Donato eine Charlotte zu Gehör bringt, die keinen Wunsch offen lässt: Jeder Ton ist erfüllt von Melancholie und Sehnsucht, die keine Chance auf Erfüllung hat - ein bewegendes Porträt der tragischen Figur.


    Auch Bellinis letzte Oper erweckt zwiespältige Gefühle: Ätherische Schönheit wird konterkariert von einer zutiefst irrationalen Handlung, die kein Ende zu finden scheint. Doch die vier Protagonisten, höchst einfühlsam und stilsicher begleitet von Giuliano Carella, sorgen dafür, dass die Musik immer das letzte Wort behält: Ana Durlovskis Elvira ist von Anfang bis Ende ein reiner Genuss. Zartheit und Virtuosität der zerbrechlichen Figur weiß sie wie selbstverständlich zur Einheit zu verschmelzen. Ihr Partner Edgardo Rocha steht ihr kaum nach: Sein schlanker, aber metallisch durchschlagskräftiger Tenor erreicht mühelos die extremen Höhen seiner Partie (F!) und lässt sogar glaubhaft erscheinen, dass die Geliebte aus ihrer Umnachtung ins Leben zurückfindet. Aber auch die beiden tiefen Männerstimmen bestehen daneben ehrenhaft: Adam Palka umhüllt seine Tochter mit seinem warm orgelnden Bass, und Gezim Myshketa lässt nichts unversucht, um die Angebetete mit ebenso kraftvollem wie einschmeichelndem Bariton doch noch zu gewinnen.


    Beeindruckt von diesen beiden hörenswerten Mitschnitten, weit abseits von Italien und Frankreich, trägt sich mit dem Gedanken, seinen "Namen" zu ändern - ein von so viel Schönheit beschwingter Sixtus

  • Traviata aus Rom


    Kostüme von Valentino, Regie Sofia Coppola


    Erster Eindruck: Brindisi, mit leeren Gläsern, das soll Hollywood sein?
    Bei DEM Kleid der Violetta ist höchste Vorsicht geboten, dass keiner auf die Schleppe tritt!


    Vor Beginn der Oper sagte Frau Coppola, dass sie von Oper nichts verstehe, aber ein Verwandter habe die Traviata dirigiert.
    Wenn man die ersten Interaktionen anschaut, kann man ihr nur Recht geben. Bisher nur Rampentheater. Vielleicht hätte sie einmal bei ihrem Regisseur Kollegen Michael Haneke nachfragen sollen, wie eine gute Personenführung in der Oper aussieht?

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  • Sagitt meint:


    Schon skurril. Der Beifall nach der Aufführung eher mäßig, als dann Frau Coppola auf die Bühne kam, steigerte sich der deutlich. Ich frage mich allerdings, was da beklatscht wurde? Besondere Regieeinfälle konnte ich nicht bemerken, es war schlicht Ausstattungstheater. Die Sänger standen häufig frontal zum Publikum, ohne miteinander zu interagieren.


    Die Sänger dieser Aufführung hätte mehr Beifall verdient. Sie sangen durchweg auf hohem Niveau, die Violetta Schauspiel hatte auch überzeugend.


    Aber wahrscheinlich ging es nur um Kostüme und Regie.

  • Für mich ein Ohren- und Augenschmaus, und das wurde mir auch von anderen bestätigt. Wie sich das Publikum eine Opernaufführung wünscht ist schon daraus zu erkennen, dass alle Aufführungen - wie die Presse schreibt - sofort ausverkauft waren.
    Wer hier mault, möge mir doch bitte mal erklären, welche Einfälle er denn wohl gehabt hatte, ohne die Handlung - wie leider üblich - zu verschandeln. Das immer wieder als Argument herangezogene Rampentheater habe ich so nicht gesehen. Dass die Sänger, wenn sie nicht durch Mikrofon verstärkt werden, in der Regel zum Publikum hin singen müssen, ist doch wohl selbstverständlich. Und sich an Kinkerlitzchen aufzuziehen (wie den leeren Gläsern beim Brindisi) scheint mir etwas übertrieben. Mir ist das überhaupt nicht aufgefallen.
    Was den Applaus betrifft, ich konnte nicht erkennen, dass dieser nur dürftig gewesen wäre.
    Eine Aufführung wie sie sich Verdi wohl gedacht hat und nirgendwo verunstaltet wie beim sogenannten Regietheater. Viele Zuschauer und auch ich wünschen, dass das Theater auf diese Weise endlich wieder zur Vernunft kommt.
    Wenn die Regisseuse angibt, dass sie von Oper nichts versteht, dann hat sie es doch wesentlich besser gemacht und ist dem Originalwerk weitaus näher gekommen als die meisten modernen Regisseure und Regisseusen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Habe mir auch grade die La Traviata angeschaut und muss sagitt zustimmen. Die Inszenierung war nichts anderes als Ausstattungstheater. Personenregie fand wie meistens auch nicht statt, sondern es gab hauptsächlich Rampensingen. Beim Schlussapplaus hat man ja den Applaus für den Dirigenten rausgeschnitten, damit wahrscheinlich mehr Zeit für das Regieteam übrig war. Die sängerischen Leistungen und das Dirigat waren sehr gut. Wenn diese Inszenierung als Maßstab für eine gelungene Inszenierung gelten soll, dann kann wirklich jeder, der über finanzielle Mittel verfügt zum Opern Regisseur werden. Fachwissen braucht man also nicht mehr. Wichtig für mich ist, das die einzelnen Charaktere glaubhaft auf die Bühne gebracht werden und das man versteht, warum sie so handeln und mit ihnen mitfühlen kann. Das kann ich bei solchen Inszenierungen nicht. So verkommt die Oper leider immer mehr zu einem Society Event.

  • Sagitt meint:


    Das war sicher der Grund, warum die Vorstellungen alle ausverkauft waren. Ein Event in einer Millionenstadt. Sicher kein Problem, das Opernhaus 15 mal zu füllen.
    Bei einer Film Regie darf es sicher nicht vorkommen, ein Trinklied mit leeren Gläsern zu zelebrieren. Und gleich noch eine weitere Kleinigkeit hinzuzufügen: eine große Voliere im zweiten Akt ohne jeden Inhalt; das geht gar nicht.
    Die Beurteilung der Intensität eines Applaus ist höchst subjektiv. Mein Eindruck war, dass der Applaus erst zunahm, als Frau Coppola auf der Bühne erschien.

  • Habe mir die Aufzeichnung heruntergeladen, aber noch nicht reingeschaut. Trotzdem deuten die bisherigen Kommentare eher darauf hin, dass hier mehr der große Name (und eine schlechte Filmregisseurin ist Sofia Coppola wahrlich nicht), als die Qualität der Inszenierung "zieht".

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Zitat von Rodolfo: Wichtig für mich ist, das die einzelnen Charaktere glaubhaft auf die Bühne gebracht werden und das man versteht , warum sie so handeln und mit ihnen mitfühlen kann.

    Lieber Rodolfo,


    war das deiner Meinung nach etwa nicht der Fall? Ich finde, dass gerade in der Traviata die Konflikte der einzelnen Personen schon vom Libretto her sehr deutlich werden, ohne dass es einer zusätzlichen Nachhilfe durch den Regisseur bedarf. Mir ist jedenfalls ein Regisseur (eine Regisseuse), der (die) mit Feingefühl an ein Libretto herangeht weitaus lieber als eine(r), der (die) mit dem Holzhammer alles zerschlägt, wie es ja leider heutzutage meistens der Fall ist. Ich fand, dass die drei Sänger Violetta, Alfredo und der alte Germont) die Charaktere und ihre Konflikte sehr deutlich auf die Bühne gebracht haben. Ich habe jedenfalls keine Verständnisschwierigkeiten gehabt und konnte sehr gut mitfühlen, ohne dass mir ein Regisseur das mit Gewalt aufdrücken musste. Ich kann glücklicherweise noch selber denken, und benötig keine eigenwillige "Interpretation" durch einen Regisseur (eine Regisseuse) , die man oft ohne einen zusätzlichen Kommentar nicht mehr begreifen kann. Wenn ich vorher erst eine Einführung hören oder lesen muss, um zu verstehen, worauf die Verunstaltung des Stücks hinaus will, ist die Inszenierung für mich verfehlt. Warum muss man sich denn - wie leider beim klassischen Theater - auch an der Oper vergreifen?
    Diese Inszenierung war für mich mustergültig und sollte den auf Abwege geratenen Regisseuren als Lektion dienen. Die Regisseuse war wenigstens keine Traviata (vom Wege Abgekommene)
    Das Einzige, was mich bei der Fernsehübertragung wiederum gestört hat, waren die Untertitel, die manchmal die handelnden Personen verdeckten. Und was noch viel schlimmer war, dass die Textwiederholungen auch immer wieder eingeblendet wurden. Wenn man sich wenigstens darauf beschränkt hätte, den Text nur einmal einzublenden. Die ständigen Wiederholungen trugen keineswegs zum besseren Verstehen bei. Es hätte zum Beispiel zum Verständnis wahrhaftig einmal genügt, den Text "Was habe ich getan?" und viele andere nur einmal einzublenden.


    Liebe Grüße


    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Bei mir schlummern ca. 200 DVDs auf der Halde mit Opern; zumeist mit Opern, die man als DVD nicht kaufen kann. Als gelerntes Eichhörnchen fange ich jetzt an, diesen Wald anzuknabbern.
    In einem anderen Thema hatte ich ja meine Sozialisation auf den Giovanni von Klemperer erwähnt. Jede andere Produktion muss da hohe Hürden überspringen. Bei jpc gibt es eine Fülle von Giovannis, meiner war nicht dabei. Es handelt sich um eine Produktion aus dem Jahre 1998 mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble unter Thomas Hengelbrock. Von den Solisten kannte ich nur Michael Volle (Giovanni), Ottavio (Kobie van Rensburg) und Sophie Koch (Zerlina). Es handelt sich um einen Live-Mitschnitt, der musikalisch keine Wünsche offen lässt. Die Inszenierung ist von Achim Freyer. Von Achim Freyer habe ich "Satyagraha" und "Orfeo" von Luigi Rossi in Wuppertal gesehen; zwei stimmige Inszenierungen, vor allem, da Freyer neben der Regie auch das Bühnenbild gestaltet hatte. Freyers "Masche", nämlich die Menschen in Masken zu stecken und als Marionetten agieren zu lassen, geht manchmal gut (Rossis "Orfeo"), manchmal nicht: dazu gehört leider der Don Giovanni. Ich finde, dass die Verwandlung in Masken und Marionetten Mozarts Musik fundamental widerspricht. Denn Mozart wollte Drama, lebendige Menschen, menschliche Konflikte. Freyers Botschaft wäre dagegen: "Regt euch nicht auf, Leute, so ist das Leben"). Wohlgemerkt: ich finde, dass Freyer auf hohem Niveau gescheitert ist und dass andere von der neuen Sicht begeistert sind. Regietheater ist es natürlich nicht.
    Bei amazon wird der neue Don Giovanni von Theodor Currentzis angeboten. Kann jemand von euch schon dazu was sagen?

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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