Alkan und seine merkwürdigen Verbindungen für das Klavier

  • Charles-Valentin Alkan wurde am 30. November 1813 in Paris geboren (eigentlich Charles-Valentin Morhange).


    Charles-Valentin Morhange war der Sohn eines aus Lothringen stammenden jüdischen Schulmeisters und Musiklehrers, dessen Vornamen Alkan er als Nachnamen annahm. Bereits im Alter von 6 Jahren wurde Alkan zum Studium von Klavier und Orgel am Pariser Konservatorium aufgenommen. Als begabtester Schüler seines wichtigsten Lehrers und Mentors Joseph Zimmermann gab er sein Konzertdebüt mit 12 Jahren. Es galt als selbstverständlich, dass Alkan Zimmermann als Professeur de Piano in seinem Amt nachfolgen würde. Dass es wegen einer politischen Intrige dazu jedoch nicht kam (Nachfolger wurde der weniger begabte Antoine Marmontel), war einer der Gründe, warum Alkan sich wohl 1848 mit wenigen Ausnahmen für sein ganzes Leben verbittert aus der Öffentlichkeit zurückzog.


    Als junger Virtuose gehört er neben den Rivalen Liszt und Sigismund Thalberg zu den führenden Pianisten, die die Möglichkeiten moderner Klaviere voll ausschöpften und durch spieltechnische Übersteigerungen und Überforderungen neue Ausdrucksmöglichkeiten gewannen und sie künstlerisch umsetzten.


    Mit seinem ersten großen Werk, den Trois Grandes Études, op. 76 überschreitet Alkan endgültig den Grad vom technischen Bravourstück zur Etüde als Kunstform. Die erste Etüde ist für die linke Hand allein geschrieben, die zweite für die rechte Hand allein, die dritte für beide Hände "wiedervereinigt". Letztere ist ein deutlicher Vorgriff auf den Unisono-Finalsatz aus Chopins b-Moll-Sonate.


    Eine weitere Innovation stellt die programmatische Grande Sonate ('Quatres-ages'), op. 33 (1844) dar, mit welcher sich Alkans reifer Stil manifestiert. Jeder der vier Sätze steht für ein Lebensalter.


    Extraordinär und mit dem hang zum skurrilen sind Alkans Douze Etudes dans les tons mineurs, op. 39 (12 Etüden in alle Molltonarten). Dieser Zyklus ist ein einzigartiger Metazyklus von 12 Konzertetüden, der wohl erstmalig den Rahmen einer geschlossenen Aufführung an einem Abend sprengt und daher teilweise eine Innengruppierung aufweist. Drei der Etüden sind zu einem Concert pour piano zusammengefasst. Vier weitere zur Symphonie pour piano. Die letzte Etüde (Le Festin d'Esope)ist ein eigenständiger Variationszyklus. Allein der Kopfsatz des Concerto hat eine Spieldauer von ca. 30 Minuten.


    Alkan starb 1888 in fast völliger Vergessenheit. Es sind lediglich Obskuritäten wie das Gerücht, er sei von einem umstürzenden Bücherregal erschlagen worden, die sich in der musikalischen Legendenbildung erhalten haben. Ein Nachruf in der Zeitschrift Le Ménéstrel stellte makaber fest, durch die Todesnachricht wisse man überhaupt erst, dass es ihn noch gegeben habe.


    Die enormen technischen Schwierigkeiten und der zum Teil gewaltige Umfang seiner Werke haben jedoch von Beginn an nicht für rasche Verbreitung gesorgt. Dennoch gibt es eine Linie pianistischer Tradition, die sein Werke nie ganz hat vergessen lassen: Anton Rubinstein, Ferruccio Busoni, dessen Schüler Egon Petri, John Ogdon haben sich immer wieder der Werke von Alkan angenommen. Olli Mustonen machte eine bemerkenswerte Platte mit den Preludes. Heutzutage ist zweifellos Marc-Andre Hamelin der wichtigste Alkan-Interpret unter den Weltklasse-Pianisten.



    Hier nun ein skurriles Zitat bezgl. seines Ablebens: :D


    "Eine musik-witzenschaftliche Abhandlung gegen die Musikakademie des Landes Velocistan"

    von Wolfgang Weller


    „Zu Ende gehen die Zeiten des thumben Spieles.”


    (Wolfgang Weller, Die Feuerworte des Helios, II. Teil)



    § 1


    Am 29. März des Jahres 1888 erklomm Monsieur Charles Valentin Morhange-Alkan in seiner Wohnung zu Paris die Bibliotheksleiter, um sich ein Buch herab zu holen. Eingeweihte munkeln insgeheim, es sei der Talmud oder womöglich die Kabbala gewesen. Aber es könnte auch der „Liber de Arte Poetica” des Aristoteles, das Handbuch über die Verskunst des Hephaistos oder L’Affilards „Principes trèsfaciles”, 5. Auflage von 1705 gewesen sein…


    § 2


    Alkan liebte seine Bücher, und sie liebten ihn. Bei der in § 1 beschriebenen Gelegenheit schwankten sie in liebevoller Zuneigung ihrem Besitzer entgegen, das Bücherregal schwankte mit, und alle begruben und erdrückten sie den berüchtigten Komponisten vorgeblich unspielbarer Riesenetüden unter ihrer geistigen Last.


    § 3


    Dreierlei läßt sich aus diesem Mißgeschick ableiten:


    1. Bücherfreunde leben gefährlich.


    2. Alkan genoß den denkbar schönsten Bibliophilentod.


    3. Alkan hatte eminente literarische Interessen.


    Zusätzliche witzenschaftliche Hypothese: Der Geist Robert Schumanns steckte hinter des Meisters Bücherschrank und spielte einen tödlichen Schabernack zur Genugtuung aller braven Musiker, denen die „wahre” Kunst (besonders wenn sie deutsch) heilig ist." :baeh01:




    Hiermit rufe ich die Tamino-Klavierfreaks auf, ihre Erfahrungen mit der Musik dieses Komponisten mitzuteilen.


    gruß, siamak :hello:

    Siamak

  • Hallo Siamak,


    ich habe sehr schmunzeln müssen über die „musik-witzenschaftliche Abhandlung“ – danke für das Zitat. :D


    Durch Hamelin bin ich erst auf Alkan aufmerksam geworden. Du hast ihn bereits erwähnt; mehr kann ich leider nicht beitragen. Ich werde diesen Thread aber im Auge behalten, weil ich die Alkan-Platte sehr liebe.


    Gruß, Cosima

  • hallo Cosima,


    dann werde ich mal fortfahren mit



    'symphonie' für solo-klavier op. 39 nr.4-7
    trois morceaux dans le genre pathetique op. 15 u.a.


    marc-andre hamelin, piano


    hyperion, DDD, aufn. 2000


    die solo-symphonie für klavier ist, wie oben erwähnt ein teil aus einer sammlung von 12 großen etüden (op.39). sie schöpft tatsächlich die klanglichen und orchestralen dimensionen des klaviers aus. das zweite stück aus op. 15, 'le vent', entfaltet klangfarbentechnik ähnlich wie viel später debussy in einigen seiner preludes oder zeitgenosse liszt in seiner letzten transzendentalen etüde.


    hamelin legt hiermit eine seiner beeindruckendsten interpretationen vor. die kompositionen scheinen ihm auf den leib geschrieben zu sein. die symphonie konnte ich mit ihm vor wenigen jahren live erleben, es entspricht dem platteneindruck. selbst im komplexen klaviersatz bleibt das spiel absolut transparent, die dynamik reicht von pp bis ff, sehr variable anschlagskunst, die fähigkeit zu 'singen'(siehe entwicklung der melodien in beiden händen im kontext mit geschichteten arpeggien, tremoli und chromatik im ersten stück aus op. 15).


    alles demonstriert hier hamelin referenzartig. die ganze platte ein großes klavierabenteuer!


    gruß, siamak :angel:

    Siamak

  • Hallo Siamak,


    ich habe die andere Hamelin-Scheibe, die u.a. die "Grande Sonate" enthält. Auch diese Platte ist ein "Klavierabenteuer". Allerdings rumpelt's und klingelt's bei Akan doch heftig und ob die musikalische Substanz auf Augenhöhe mit dem tobenden Pianofuror ist, wage ich doch zu bezweifeln - ich höre sowas eher aus pianophilen ("Unglaublich, dass man sowas mit 10 Fingern machen kann") als aus musikalischen Gründen...
    Allerdings: Erfindungsarmut kann man Alkan wirklich nicht unterstellen. Seine musik hat durchaus Phantastik.
    Ein anderer Alkan-Spezialist ist der Franzose Bern(h)?ard Ringeisen. Ich habe eine ältere Harmonia Mundi Scheibe mit ihm - ist auch nicht zu verachten, alles in allem sachlicher als Hamelin.


    LG!
    Daniel :hello:

  • hallo,


    im oktober 1990 enstand für die DECCA (DDD) folgende aufnahme:



    c. v. alkan


    25 preludes op.31


    olli mustonen, piano


    gekoppelt waren die piecen mit schostakowitschs preludes op.34. eine kult-platte! und das zurecht, wie ich finde. die platte wurde 1992 mit dem grammophone award belohnt. durchgehend vermitteln die preludes ein unbehagliches gefühl von meditation, ironie und melancholie. dazwischen gibt es natürlich auch fingerakrobatik wie z.b. die nr. 24 e-moll 'etude de velocite'. ich finde hier athmosphärisch und vom strukturellen duktus ähnlichkeiten mit den pieces de clavecin couperins. mustonen erlag damals offensichtlich noch nicht seinen manierismen. er phrasiert singend, benutzt die varianten des anschlages vom legato bis zum staccato. hier trifft man auf einen eher unspektakulären alkan. interessant, dass er sich von chopins op.28-zyklus durch ein zusätzliches prelude absetzt. alle tonarten werden benutzt und c-dur kommt zuletzt ein zweites mal zum einsatz.


    abschließend kann ich nur raten, wer diese aufnahme irgendwo sieht, soll zugreifen. diese cd wird nicht mehr aufgelegt!


    gruß, siamak :angel:

    Siamak

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  • Hallo zusammen,


    Interessant, daß ich noch nicht den Namen Ronald Smith gelesen habe. Zweifelssohne gehört er auch zu den großen Alkan-Spielern, der sich zeitlebens für sein Werk und auch die Person Alkan eingesetzt hat.


    Empfehlenswerte CDs:



    Ein weiterer Alkan-Interpret ist Jack Gibbons.


    Alkan's Musik ist sehr speziell, ebenso wie der Mensch Alkan. Seine tiefe Religiösität und Bescheidenheit machen ihn mir sympathisch. Übrigens mag zunächst manches Virtuosenstück dieser Innerlichkeit konträr gegenüberstehen. Diese Annahme verflüchtigt sich beim näheren Hinsehen. Es ist ein anderer Ausdruck nach außen.


    Schon zu Lebzeiten war er ja, wie schon oben angeklungen, quasi ein "Geheimtip"; er hätte durchaus die Virtuosenlaufbahn einschlagen können, die Anlagen wären dagewesen, aber er entschied sich dagegen, kam kaum aus Paris heraus, eine Englandreise, die nicht genau nachweisbar ist, wäre schon eines der weitesten Ausflüge.


    Alkan lebte also insgesamt sehr zurückgezogen, einer seiner engvertrauten Freunde war Ferdinand Hiller, mit dem er viel Briefkontakt hatte und sich auch in künstlerischen Fragen sich rege austauschen konnte.


    Bei mir hat es etwas gebraucht, bis ich ganz zu Alkan's Werken gefunden habe, aber durch ein Seminar, daß ich unlängst gehalten habe, habe ich mich mal wieder näher mit Alkan beschäftigt, und ich bin froh, daß ich es getan habe.


    Seine Etüden begeben sich in kompositorisches Neuland, sind harmonisch kühn und zukunftsweisend, und spieltechnisch einfach enorm fordernd.



    Empfehlen möchte ich noch seine "Concerti da camara", lyrisch-frische Jugendkonzerte für Klavier.


    Darauf ist auch eine Orchestrierung des 1. Satzes seines Konzertes für Soloklavier, von Klindworth angefertigt, enthalten.


    Abschließend ein Fazit: Alkan's Werke verlangen viel vom Ausübendem und Hörer, sind technisch über weite Strecken vom Schwersten, was die Klavierliteratur zu bieten hat, aber die Virtuosität ist keine Fassade, sondern Alkan's einziger Weg das ausdrücken zu können, was er sagen wollte, und wovon wir wiederum bereichert werden.


    Damit viele Grüße,
    Daniel :hello:

  • Zitat

    Zitat Siamak: abschließend kann ich nur raten, wer diese aufnahme irgendwo sieht, soll zugreifen. diese cd wird nicht mehr aufgelegt !

    ... das ist ja der Jammer! Ich bin auf der Jagd nach allem von Mustonen, aber die Alkan-Scheibe habe ich noch nicht (zu einem vertretbaren Preis) aufgetan. Es scheint am besten zu sein, immer gleich bei markteinführung zuzuschlagen, erst recht wenn die Stückekopplungen wenig erfolgsversprechend sind. (Wer kauft schon die Kombi Schostakowitsch/Alkan?)



    Zitat

    Zitat Daniel: Interessant, daß ich noch nicht den Namen Ronald Smith gelesen habe.

    als Sammler möglichst aller Chopin-Mazurken-Einspielungen habe ich mir auch die Wiederveröffentlichung von Smith zugelegt - das ist eine ziemlich schlappe Nummer! Deshalb bin ich vor seinem Alkan bislang zurückgeschreckt. Ist der denn wirklich so toll? Kann ich mir fast nicht vorstellen...


    Liebe Grüße :hello:
    Daniel

  • hallo,


    john ogdon, der anfang der 70er jahre an einer schweren psychose erkrankte und ende der 80er jahre verstarb, war ein vertreter des 'alten' virtuosentums'. wie schon bei der 2. rachmaninov-sonate angemerkt, war zwar seine technik nicht so ebenmäßig bzw. kultiviert wie bei absolventen der russischen oder französischen schule. doch kompensierte er dies durch häufiges überschreiten seiner möglichkeiten, emotionales spiel ohne rücksicht auf verluste. quasi bieten eines klavierthrills.



    genauso verhält es sich mit dem dreisätzigen konzert für klavier solo von alkan. es handelt sich um ein viertel der zwölf etüden op.39. sprachlich sehe ich hier große ähnlichkeiten mit der solo-sinfonie. natürlich gibt es hier auch eine aufnahme mit hamelin (amerik. label), die glatter und technisch ausgefeilter daherkommt. aber bei ogdon ist es eine art identifizierung mit der materie. er singt insbesondere im 2. satz ausgiebiger und im dritten satz 'exekutiert' er im brillianten polonaisenstil und mit wahnwitz. der hörer muss sich danach erst mal eine erholungspause gönnen.


    gruß, siamak :angel:

    Siamak

  • Hallo Daniel Behrendt,


    rein technisch gesehen kann man Ronald Smith nicht mit Hamelin vergleichen, dazu sind sie zu unterschiedlich. Aber musikalisch gesehen gefallen mir seine Alkan-Aufnahmen oft besser als die von Hamelin, weil das Lyrische mehr betont wird, die Musik mehr agogisch strömt.


    Viele Grüße,
    Daniel

  • hallo,


    es gab zeiten, wo es weder rundfunk noch tonträger gab. was machte ein klaviervirtuose, wenn er ein geliebtes klavierkonzert aufführen wollte, er jedoch nicht über ein orchester verfügte, und das auditorium unbedingt dieses hören wollte. er erstellte eine bearbeitung des konzertes mit integration der wesentlichen orchesterstimmen und natürlich des klavierpartes für piano-solo.


    alkan verfuhr so mit dem ersten satz (allegro con brio) des beethovenschen 3. klavierkonzertes c-moll op.37. der ursprüngliche charakter des konzertes wird absolut gewahrt. eine tolle sache. höhepunkt ist dann die kadenz. hier schichtet alkan dann übermütig und genialen streich das eröffnungsthema des konzertes in der linken hand mit dem thema des finales aus beethovens 5. sinfonie in der rechten hand !! und wenn dann das seitenthema des konzertes in der linken hand überlagert wird mit kühn-harmonischen repetitionen der rechten hand, dann ist es endgültig zum 'ausflippen'.



    es gibt da einen famosen live-mitschnitt marc-andre hamelins aus der londoner wigmore hall von 1994 (hyperion). aufnahmetechnisch übrigens sehr gut gelungen. obige bearbeitung alkans ist ebenso auf dem programm wie die 'trois grande etudes' op.76 dieses wahnsinnigen. die erste etüde ist für die linke hand, die zweite für die rechte und die dritte ist ein 'unisono-sturm' für beide hände, quasi wiedervereinigung ! diese dritte nimmt das finale aus chopins 2. sonate b-moll vorweg, und erschien wohl tatsächlich ein jahr früher. übrigens waren beide, alkan und chopin nicht nur nachbarn sondern auch freunde. also wen wundert's.


    zusätzlich auf dieser wunder-cd: der zweite satz aus chopins 2. konzert in der bearbeitung von balakirev, busonis sonatine nr.6 (kammer-fantasie über bizets carmen) BV 284 und medtners danza festiva aus den vergessenen weisen op.38.


    eine der besten und spontansten platten hamelins.


    gruß, siamak :angel:

    Siamak

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  • hallo,


    ein wundervoller zyklus alkans sind die esquisses op.63. es handelt sich um miniaturen in sehr ausgereiftem stil. die palette an klangfarben und form ist aüßerst reichlich. da gibt es eine meisterhafte fuguette (nr.6), eine kraftvoll-hymnische piece 'tutti de concerto...' oder z.b. ein geheimnisvoll anstimmendes 'morituri te salutant'. oder 'inflexibilité' (nr.2 im stile barocker französischer clavecinisten mit toccatenartigem sturm in der linken hand. sicher nichts für 'inflexible' hände. der zyklus ist IMO viel stärker als seine preludes.



    steven osborne ist der pianist dieser phantastischen aufnahme. der junge brite (schotte) gehört IMO zu den ganz großen lebenden. ich finde ihn zwingender als hamelin. er ist wirklich ein musikalisches schwergewicht, der z.b. beethovens späte bagatellen herrlich abtönt und phrasiert (IMO viel pianistischer und intensiver 'gesungen' als brendel), michael tippett bewältigt und den zuhörer dann mit oscar peterson endgültig in euphorie versetzt !


    gruß, siamak :angel:

    Siamak

  • Hallo Siamak!


    Zunächst einmal DANKE für diesen anregenden thread!
    Deinen Ausführungen kann ich nur beipflichten.
    Die Esquisses op 63 gehören für mich zum Höhepunkt des Alkanschen Schaffens. Geistreich-humorvolle Miniaturen, deren Kosmos an Stil, Einfällen und Stimmungen mich immer wieder überraschen. Jede Miniatur bedeutungsschwanger, steckt eine Tiefgründigkeit und "Ehrlichkeit" hinter den einzelnen Stücken, daß es mich aufs Neue immer wieder verwundert, wie ein kluger Geist wie Schumann derart abfällig gegenüber Alkan werden konnte. Sollte er den revolutionären Charakter dieser Stücke so ganz missverstanden haben??
    Unter den Entdeckungen "vergessener" Komponisten ist vielleicht gerade Alkan derjenige, der mich am stärksten beeindruckt und am tiefsten berührt hat. Gerade aber seine Eigenartigkeit, die sich in seinen Werken widerspiegelt ist für ein "Massenpublikum" IMO untauglich. Vermutlich genauso wie Satie außerhalb seiner Gymnopedies und Gnossienes vielen aufgrund fehlender "Romantizismen" versagt bleibt. (Natürlich sollte das keinen direkten Vergleich zwischen Alkan und Satie darstellen, dazu sind beide in ihrer Intention vielleicht doch zu unterschiedlich!).
    Dass Alkan jedoch so ganz und gar nicht in das Bild schwärmerischer deutscher Hochromantik passt, wird gerade bei den Esquisses schnell klar.


    LG
    Wulf.


    P.S: Die Aufnahme mit Osborne ist REFERENZ!! (Habe leider zu der NAxos-Aufnahme gegriffen, brauchbar, aber kein Vergleich!!!) Diese Aufnahme sei auch jedem empfohlen, der sich Alkan nähern möchte.
    Sie gehört mit SIcherheit zu den besten aller momentan verfügbaren Alkan-Aufnahmen.
    Nicht verschweigen möchte ich eine ganz hervorragende Aufnahme, zu der ich überhaupt erst zu Alkan gefunden habe:



    Als ich No. 8 aus den Preludes op 31 hörte,w ar es um mich geschehen. So was hatte ich zuvor nicht gehört. Wundervoll schlicht und dennoch so ausdrucksstark....
    Auch hier habe ich den Fehler gemacht zu Marco Polo mit Laurent Martin zu greifen....was soll man machen als armer Student!? ;( :D
    IMO die beste Einspielung der Preludes (selbst Mustonen - obwohl wahrlich kein schlechter Interpret - reicht an Gibbons nicht ran).

  • Früher habe ich mich begeistert mit Alkans Klavierstücken auseinandergesetzt. Allerdings ließ meine Begeisterung nach, und dies hängt vor allem mit meinem Eindruck von Alkans kleinen Stücken und auch von seine langsamen Sätzen zusammen. Während pianistisch und auch in Hinsicht bestimmter kompositionstechnischer Verfahren sehr ehrgeizige Stücke wie das "Quasi Faust" aus der Sonate oder die Ecksätze seiner Sinfonie aus den 12 Etüden in den Molltonarten auch im Vergleich zu Liszts h-moll-Sonate oder den Sonaten Schumanns zumindest erstaunlich wirken, machen in meiner Sicht die Préludes oder auch die Esquisses einen völlig blassen Eindruck und überzeugen weder mit einem feinfühlig durchgehöhrtem Klaviersatz noch in Hinsicht ihres Charakters. :pfeif:


    Selbstverständlich muss nicht jede im 19. Jahrhundert komponierte "kleine Form" an den Maßstäben der "deutschen Romantik", seien es Kinderszenen, Brahms-Intermezzi oder was auch immer, gemessen werden. Aber während sich z.B. Liszts später "kleine" Stücke "(Schlaflos- Frage und Antwort", Trauer-Gondel 1 und 2", "Bagatelle ohne Tonart" usw), Chopins Mazurken oder auch Enrique Granados "Goyescas" kaum in diese Richtung einordnen lassen und eigene Wege gehen, sehe ich bei Alkan kein eigenes Profil, sondern eher eine sehr blasse Art des Tonsatzes. Wie gesagt, nur bei den kleinen Formen oder auch den langsamen Sätzen. Auch in der Sonate ist ja der dritte, langsame Satz "Un heureux menage" in qualitativer Hinsicht, im Grad der Ausprägung einer eigenen, musikalischen Sprache vom "Quasi Faust" sehr weit entfernt. Und das langsame gis-moll Finale hat das gleiche Problem.


    Die klaviertechnische und kompositorische Virtuosität und Artistik scheint für
    Alkan wirklich ein notwendiges Mittel gewesen zu sein, um bleibende Aussagen zu schaffen. Dort, wo er auf dieses Mittel verzichtet, verfügt er nicht über gleich wertvolle Ausdrucksmöglichkeiten in anderen Bereichen.


    Schade. Denn dadurch vermittelt sich seine Persönlichkeit nur einseitig über
    eine einseitige Ausrichtung seiner Kunst.


    Scheint mir jedenfalls so.

  • Nach längerer Alkan-Schreibpause habe ich noch einmal in die Noten seines monumentalen Zyklus Douze Etudes dans les tons mineurs, op. 39 hineingesehen. Tatsächlich ist der kompositorische Einfallsreichtum beträchtlich. Alkan führt eine ziemlich klassische Etüdentradition, die ihren Ursprung bei Czerny oder in Clementis "Gradus ad parnassum" hat, in einer sehr exzessiven Weise weiter. Die erste Etüde "Comme le vent" beginnt mit sehr schnellen Figuren in einem zunächst sehr begrenzten Tonumfang, aber dieses Prinzip wird durch monumentale Dreiklangsbrechungen über die ganze Klaviatur, durch die Modulation in entlegene Tonarten und die Erweiterungen der sehr schnellen Vierundsechzigstel in eine gleichberechtigte Zweistimmigkeit eindrucksvoll gesteigert.


    Auch die anderen Etüden des Zyklus zeigen den Bezug zu einer klassischen Tradition, von der aus dann sehr eigene, pianistisch teilweise maßlose Wege gegangen werden. Das romantische Weiterspinnen der Tradition scheint mir allerdings weniger eigenständig zu sein als etwa bei den Etüden von Chopin, insbesondere dort, wo sich dessen eigener Klavierstil besonders deutlich zeigt, etwa in den Nummern 1, 2, 3, 5, 9, 10 und 11 der Etüden Opus 10 und den Nummern 1 sowie 5 - 12 der Etüden Opus 25. Alkan schreibt zwar noch mehr Noten, aber die kreative Weiterentwicklung des Klaviersatzes oder der harmonischen und klanglichen Möglichkeiten ist nicht ganz so groß.


    Ich würde es gut finden, wenn jetzt noch von anderer Seite Stellungnahmen dazu kommen, was an Alkan besonders eindrucksvoll ist und auch, wo er jemanden im Zweifel lässt.


    Ich hatte durch das Posting vor einem Jahr in jedem Fall nicht die Absicht, die Diskussion in diesem Thread abbrechen zu lassen. Und ich möchte besonders die Frage in Bezug auf mein vorjähriges Posting noch einmal in den Raum stellen, nämlich:


    Wo ist dieser Komponist auch in seinen scheinbar einfacheren und insbesondere in seinen ruhigeren Stücken eindrucksvoll?

  • Hallo,


    Als ich Alkan durch Jack Gibbons kennen lernte war ich erstaunt und begeistert zu gleich. Besonders die maßlose Verwendung pianistischer Mittel gefielen mir gut. Alkans Musik kann mich an manchen Stellen begeistern, aber nicht berühren. Seine Musik ist seltsam spörde und klanglich sehr reduziert. Oft kommt mir der Vergleich mit Bartock! Nicht nur wegen des Allegro babaro! Das "maschienenhafte" treibende, ja geradezu percussive scheint in Alkans Musik das Vorschrittlicheste zu sein. Am besten gefallen mir seine Sonate op. 33, Sonatine op. 61 und die Symphonie aus op. 39!


    Gruß Niko

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  • Hallo allerseits,


    im bisherigen Verlauf der Diskussion schienen ja die Bewunderer der monumentalen Hauptwerke Alkans denen der kleinen bildhaften Stücke gegenüber zu stehen, und ich hatte in diesem Punkt ja auch eine (?) Meinung vertreten. Nachdem ich mir heute eine Aufnahme eines unbekannteren Pianisten gekauft habe, halte ich es für angebracht, mich noch einmal zum Thema Alkan zu äußern.


    Die Aufnahme von Alan Weiss (siehe unten) kombiniert drei Hauptwerke (Grande Sonate, Symphonie (aus den Douze Études dans les tons mineurs) und Le Festin d`Ésope aus dem selben Etüdenzyklus) mit kleineren Stücken wie der Promenade sur l`eau (aus dem Jahreszeiten-Zyklus Les mois ) oder der ohne Opuszahl gebliebenen Petit conte.


    Alan Weiss folgt in den großen Stücken einem ganz anderen Konzept als Marc-Andre Hamelin, aber er fährt damit recht gut.


    Ein erstes Hineinhören in die Platte (zunächst einmal besagte Promenade und das Oktober-Stück Gros temps aus den Jahreszeiten (Hörbeispiel Track 17 und 18 bei JPC), Petit conte (Hörbeispiel Track 20) und das Finale aus der Symphonie (Hörbeispiel Track 28 ) sowie dann noch die vollständige Sonate (Hörbeispiel 12 - 15) ergab folgendes Bild:


    Herr Weiss versucht, den poetischen und bildhaften Charakter der Stücke der Stücke hörbar zu machen. Das Finale der Symphonie stellt er weniger als Extremform einer sinfonischen Konzertetüde dar als als dunkles Monument. Die orchestralen Steigerungen werden mit überlegener Kraft und Technik ausgespielt, und die motorisch rasante Darstellungsweise, die wir bei Hamelin lieben gelernt haben, ersetzt er durch plastische Klangfarbenwechsel und eine sehr flexible Handhabung des Grundtempos. Die Tempokurve verläuft beweglich, nicht gleichmäßig durchlaufend wie in einer Etüde. Das Ergebnis regt die Phantasie an. Der Pianist schreibt im Begleitheft seiner Einspielung über eine Reihe von Aufführungen der Symphonie: "The obsessively demonic (and at rare moments blissfully angelic) character of Alkans Symphonie inspired me to close with this work. Its fearfully apocaliptic scenes faithfully mirror our final truth, staring death in the eyes with a steady, unflinching gaze."


    In der Grande Sonate "Les quatre Âges" spielt Alan Weiss ähnlich bildhaft. Der formale Grundriss dieses Werkes tendiert ja mindestens genau so stark in Richtung einer Reihe poetischer Bilder wie in Richtung Virtuosenstück. Die Sonate stellt bekanntlich eine Reihe verschiedener Lebensalter dar: 20 Ans (Scherzo, Très vite, in D-Dur), 30 Ans (Quasi Faust, ein monumentaler Sonatensatz, der in dis-moll beginnt und in Fis-Dur endet), 40 Ans (Un heureux ménage, lentement, in G-Dur), 50 Ans (Prométhée enchaine, extrêmement lent, in gis-moll) (Hörbeispiele 12 - 15 der CD 1 bei JPC.)


    Das Scherzo spielt Alan Weiss nicht so schnell wie Hamelin, aber er stellt die gegentaktigen Akzente der linken Hand plastisch dar, entfaltet mit maximaler Klangfarbenphantasie und Anschlagskultur im Trio eine poetische und klanglich reiche Stimmung, die den Trios aller Chopin-Scherzi ebenbürtig ist, erschafft dadurch das ebenso temperamentvolle wie wechselhafte Portrait eines jungen Mannes und erreicht in der Coda schließlich noch das maximale Tempo und die maximale Virtuosität.


    Im Quasi-Faust gestaltet Weiss mit seinen Mitteln eine Faust-Symphonie. Die Charaktere Fausts, Gretchens und Mephistos gewinnen ein gestaltenreiches Profil. Die aberwitzigen Lagenwechsel in der Durchführung spielt Weiss nicht als Übersteigerung des Beginns von Liszts Es-Dur-Konzert, sondern als (noch einmal dieses Wort) symphonische Erweiterungen des Klangraumes, die sieben- bis achtstimmige Fuge vor Beginn der Coda gelingt äußerst zart und ebenso durchsichtig, was bei acht Stimmen etwas heißen will. Die Stretta baut der Pianist so auf, dass er den Schlußakkord überzeugend nahezu eine Minute ausklingen lassen kann. Dann hat die Lautstärke das für den dritten Satz zwar am Beginn nicht vorgeschriebene, aber erforderliche Piano erreicht.


    Weiss verbindet zweiten und dritten Satz so, dass der Beginn des dritten in keiner Weise hausbacken wirkt, und das, obwohl Alkan mit einem sehr einfachen Thema beginnt, das übrigens aus dem Variationen-Thema von Beethovens Opus 109 abgeleitet ist und dabei in Melodieverlauf und Harmonik einfacher ist als das Vorbild, so dass der Vorwurf einer Nähe zum Trivialen nicht ganz abwegig ist. Aber Weiss gestaltet das alles sehr schön. Der Mittelteil des Satzes ist eine 39 Takte lange Doppelgriffstudie zu drei Stimmen. Das Programm der Sonate bringt hier die Kinderschar ins Geschehen ein. Weiss spielt das alles ziemlich ruhig, technisch absolut überlegen und auf der Ebene des Klangs erschafft er eine Reihe echter Juwelen. In der Coda gelingt ihm die Kombination dieser Doppelgriffe mit der Choralmelodie des 10-Uhr-Abendgebetes der Kinder, ohne dass sich hier eine der beiden Ebenen in den Vordergrund drängt oder irgend eine Nähe zum Kitsch zu spüren ist, obwohl auch diese letzte Seite des Satzes diese Gefahr nicht von vornherein ausschließt.


    Der tragische Finalsatz überzeugt ebenso. Weiss findet für die unterschiedlichen Themen (düsteres Orchestertremolo, quasi-Rezitativ, auswegsloser gis-moll-Choral, heroischer Trauermarsch zwischen g- und cis-moll sowie hoffnungsvoller Chorgesang in H-Dur) eindrucksvolle Beleuchtungswechsel. In den acht letzten Takten seiner Sonate erreicht Alkan mit relativ einfachen Mitteln eine maximale Wirkung, die, vorsichtig gesagt, makaber ist. Weiss hat auch diese Stelle verstanden und zum Klingen gebracht.


    Die Doppel-CD enthält noch eine Reihe kurzer Stücke, die ich noch nicht kannte. Petit Conte nötigt mich, meine pauschale Bemäkelung der ruhigen Stücke Alkans zurück zu nehmen. Das Stück ist lyrisch ansprechend und kunstvoll gestaltet. Auch die Promenade - siehe oben - ist sehr schön. Auch unter den ausgewählten Nummern aus den 48 Esquisses sind einige für mich neue Stücke, und diese überraschten mich ebenfalls aufs Angenehmste. Neben zarten und poetischen Bildern gibt es hier auch Bilder des Ver-rückten wie z.B. die Nr. 10 Increpatio (Hörbeispiel 5 der CD 1 bei JPC). Weiss spielt das so, wie er es beschreibt: With "Increpatio" we meet a hurricane head-on (rather, I meet it head-on!): following the punched, acacciatura´d´, arpeggiated chords of the opening, the pianist`s left hand is taken a ride that years of Czerny, Clementi und Cramer have never prepared it for: an ostinato figure (describing the whip-like fury of the title?) at (or near!) Alkan`s sadistically-proposed tempo (with whom was he angry ?!), replete with wildly twisting modulations making this one of Alkan`s most patholocically inspired conceptions.


    Ich bin neugierig darauf, welche Ideen Alan Weiss für Le Festin d`Ésope (Hörbeispiel Track 9) hat.



  • Alan Weiss habe ich mir inzwischen auch gekauft - viele Interpretationen gefallen mir gut, - wobei ich bei vielem trotzdem hamelin vorziehe oder smith


    ich möchte noch auf interessante youtube-ausschnitte aufmerksam machen: (http://www.alkansociety.org/ayt.htm)


    symphony - http://www.youtube.com/watch?v=TzgOf97kZ-4
    gefällt mir von der interpretation her mehr als hamelin, leider nicht von der tonqualität


    op.76 - http://www.youtube.com/watch?v=FWUvI7bMMB0&feature=related
    auf einem Baldwin (zum vergleich für den nächsten link)


    op.76 - http://www.youtube.com/watch?v=3XIx0ILXODw&NR=1
    von den beiden vorigen pianisten gemeinsam gespielt, allerdings mit ein paar unsynchronen stellen... ich hätte diesen satz ganz gerne mal beidhändig vom ersten pianist (spielt hier secondo bzw. bass) gehört


    le festin - http://www.youtube.com/watch?v=rQRlaADnZhw
    bzw. http://www.youtube.com/watch?v=DuiJvZWNya0&feature=related
    mit einigen interessanten comments:


    Op.39 No.5 - http://www.youtube.com/watch?v=DuiJvZWNya0


    Ken Iisaka Op.39 No.8 - http://www.youtube.com/watch?v=iQK8yFcXXIs
    hier ihr Repertoire für die VanCliburn Amateur Competition (sie ist Investment Analystin):
    http://www.cliburn.org/index.p…ent_comp_detail&compID=64


    20ans - http://www.youtube.com/watch?v=60fS6ACteik


    Adam Osinski:
    http://www.youtube.com/results…daosi+alkan&search=Search
    (Concert, Symphony)


    ____________
    von Jack Gibbons gibt es auch einige gute Aufnahmen:
    http://www.youtube.com/results…bbons+alkan&search=Search
    (Allegro barbaro, einiges aus Op.39 (Concert, Comme le vent, No.7) u. a.)


    und nat. Hamelin:
    http://www.youtube.com/results…aacholbrook&search=Search


    in den Comments einiger der Videos liest man von Aufnahmen der folgenden Pianisten:
    Egon Petri
    Igor Roma
    György Cziffra
    Raymond Lewenthal (z.T. auf Pleyel)


    z.B.:


    1. Le Festin D'Esope, Op.39 No.1
    2. Barcarolle, Op.65 No.6
    3. Quasi-Faust (Second Movt From 'Grande Son', Op.33)
    4. Symphonie (Nos.4, 5, 6 And 7 From Douze Etudes Dans Les Tons Mineurs, Op. 39): Allegro Moderato
    5. Symphonie (Nos.4, 5, 6 And 7 From Douze Etudes Dans Les Tons Mineurs, Op. 39): Marche Funebre...
    6. Symphonie (Nos.4, 5, 6 And 7 From Douze Etudes Dans Les Tons Mineurs, Op. 39): Menuet
    7. Symphonie (Nos.4, 5, 6 And 7 From Douze Etudes Dans Les Tons Mineurs, Op. 39): Finale. Presto
    8. Hexameron: Morceaux De Concert


    kennt jemand diese vielleicht?
    habe inzwischen viel gutes von ihr gelesen aber gehört habe ich nur die amazon-schnipsel...
    vielleicht gibt es auch andere aufnahmen, aus der großen liste der http://www.alkansociety.org, die empfohlen werden können?

  • Entdeckungsreise mit Alkan,


    Die Extreme in Aknas Musik sind schon oft erwähnt worden. Er scheint sowohl für das Über-Dimensionale, als auch für Miniaturen etwas übrig gehabt zu haben. Da es nicht nur für den Pianisten schwer ist, sich durch das Gewüst der Noten zu spielen, sondern es auch dem Zuhörer erschwert die Musik darin zu erkennen, ist es um so erstaunlicher dass die "normalen" Stücken (was den Umfang angeht) weniger beachtung finden.


    Darunter finden sich, die Symphonie (aus op. 39) und die Sonatine op. 61. Beide besitzen eine sehr klare Sturktur, und scheinen sich nicht in ihrer Sprache zu wiederholen.


    Oft scheint Alkan, gerade durch die langen sich wiederholenden Passagen eine "Steigerung" zu erhoffen. Es geht um "Spannungsmomente" und nicht um die Demonstrierung von "Technik". Unzweifelhaft ist der Klavierpart "schwer" gehalten. Alkan setzte sein eigenes pianisitsche Können für seine Werke vorraus. Letztlich habe das aber auch Liszt (z.B. 12 etudes transzendetales in der 1. Fassung von 1837/38)) und Chopin (Z.B: Etudes op. 10) getan. Während Chopin sich um die "Klangfarbe" des Klaviers sorgen macht, gehen Liszt und Alkan andere Wege. Beide versuchen durch das hinzufügen von "noch mehr Tonmassen" die Übersteigerung des Ausdrucken zu erreichen. Während bei Liszt diese Unterfangen "meist" Fehl-schlägt (sicher einen Ansichtsach, doch die Tatsache, dass er seine 12 etudes von 1837/38 ein gutes Jahrzent später noch mal umschreibt, und den Klavierpart deutlich "verdünnt" untermaurt meine Vermutung, dass selbst Liszt sich dessen bewußt war, dass eine "Mehr" an Masse nicht immer eine "mehr" an Ausdrück mit sich zieht), so scheint Alkan mit seinen "Tonmassen" eine eigene klangliche Ästhetik zu verfolgen.


    Doch gerade hier ist es für mich unverständlich, dass gerade die ausgewogenen (im Sinne der "Ton-Mass") Werke wie die Symphonie oder Sonatine wenig Eingang bei den Pianisten gefunden hat. Während die Symphonie einen orchestralen Charakter aufweist (Mann vergleich diese mit Schumanns Symphonische Etudes op. 13) ragt die Sonatine mit ihrer kurzen aber sehr klaren Struktur, dem Einsatz von motorischen Rhytmen hervor. Nicht nur das sie ein "Vorbote" der Sonatine von Ravel (der Alkan Musik namentlich in einem Brief erwähnt) ist, sondern Bravur und Ausdrucksmittel in einer Art miteinader zu vereinen weiß, die von "Verschwendung" nicht das geringste weiß.


    Alkan besonders reizvoll ist der grandiose Finale; eine drängender Rythmus peitscht das Stück vorran, eine Verfolgungsjagt nimmt seinen Fährte auf; Prokofeiv hätte seine wahre Freude an diesem Satzt gehabt! Eine kurze Schlussteigerung bringt das Werk mit Feuer zu Ende.


    Auch die Symphonie besticht durch ihre klar-abgegrenzten Sätze. Intersannter weise findet Alkan einen eigenen Zugang für seinen "Trauermarsch" als Chopin. Nicht ganz so prunkvoll und erhaben, sondern verhalten, zögerlich und trauriger zieht der Leichenzug vorbei. Das anschließende Menuet, ist wieder dem perkussiven Rhytmus gewidmet. Das Finale ist so konzipiert, dass sich alles auf einen bestimmten Punkt (Passage hin) konzentriert. Noch besser als bei Hamelin kommt das in der Interpretation von Jack Gibbons hervor. Er scheint den Charakter dieses Stückes (für mich) am besten getroffen zu haben. Auch wenn Hamelin die Übersicht und Klarheit in der Strucktur behält, Gibbons läßt sich vom "drive" des Rhytmus leiten. Spannungsgeladener kann Klaviermusik in diesen beiden Werke nicht sein.


    Gruß Niko

  • Den 200. Geburtstag werden wir im November noch feiern.
    Aber schon heute gedenken wir des 125. Todestag des Pianisten:



    Charles Valentin Alkan (* 30. November 1813 in Paris; † 29. März 1888 ebenda; auch Charles Valentin Alkan aîné, eigentlich Charles Valentin Morhange) war ein französischer Komponist und Klaviervirtuose, der bereits im Alter von sechs Jahren zum Studium von Klavier und Orgel am Pariser Konservatorium aufgenommen wurde.


    Sein umfangreiches, auf das Klavier konzentriertes Werk wurzelt in der Zeit des romantisch verstandenen Virtuosentums Niccolò Paganinis, Frédéric Chopins und Franz Liszts, dessen Zentrum das Paris der 1830er Jahre war.



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ein Thread über Alkan ist eine problematische Sache - und das in vielerlei Hinsicht. Zum einen ist er nicht allzu populär, wenngleich ich mich nach Hören einger seiner Werke schon fragen muß, warum denn dies so ist.
    Zum andern ist es schwierig eine Systematik in seine Werke hineinzubringen oder seinen Stil zuzuordnen. Ich habe daher meinen Plan, Alkan einen Jubiläumsthread zu widmen wieder verworfen, vor allem auch, weil dieser hier durchaus informativ und kompetent daherkommt und er mit bisher 19 Beiträgen noch durchaus übersichtlich ist. Begnügen wir uns also damit dem Jubilar Aufmerksamkeit zu schenken und in loser unsystematischer Folge einige seiner Werke vorzustellen, bzw zu empfehlen. Als Virtuose war er ja ein ernstzunehmender Konkurrent von Thalberg und Liszt.

    Und ebenso wie die beiden genannten fertigte auch er unter anderem Paraphrasen oder virtuose Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten an. So wie hier auf dieser CD mit Klavierduos und -Duetten. Man beachte Track 8 mit einem Thema aus Mozarts "Don Giovani" ("Venite pur avanti") und die darauffolgenden Tracks bis Nr 14...
    Auch die 3 Märsche op 40 sind nicht zu verachten......

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ich habe mich inzwischen weiter mit Alkan befasst. Natürlich ist weiter oben schon sehr viel geschrieben worden - dennoch kann man das erst verstehen, wenn man Alkan selbst gehört hat. Ich bin einen anderen Weg gegangen, als die meisten, und habe mit ziemlich willkürlich einige CDs gekauft - ohne auf berühmte Namen zu achten etc etc.

    Unter anderem bin ich bei dieser Box gelandet, wo man für 10 Euro 3 CDs bekommt. Nun fragt es sich natürlich welche Qualität die Interpretation, die Tontechnik und das Booklet aufweist. Die 3 CDs wurden von 2 Pianisten, Alan Weiss und Stanley Hoogland bespielt, sie haben auch das 16 seitige Booklet (in englischer Sprache) selbst verfasst.


    Ich bin (noch) kein Alkan-Kenner - aber was ich bisher zu hören bekam hat mich "umgehauen".
    Beginnen wir beim Nocturne Nr 1 op 22. Das klingt sehr vertraut, fast wie Chopin - jedoch ohne diese Eigenschaft des Skurrilen, die Alkan immer wieder nachgesagt wird.


    Dann finden wir Ausschnitte eines Zyklus "Esquisses 48 Motifs" op. 63 (von 1867)
    Von diesen 48 kurzen Charakterstücken befinden sich 7 auf dieser Cassette (CD1) und zwar die Nummern 2 - 3 - 21 - 10 - 11 - 46 - 47.
    Die Stücke sind sehr uneinheitlich in der Stimmung, mal lieblich mal furios bis zum geht nicht mehr - insbesondere die Nr 10 (Track Nr. 5) "Increpatio". Ich kann mich nicht erinnern, daß ich Klavier so realitätsnah (und agressiv) in meinem Zimmer vernommen habe.
    Es ergibt sich natürlich die Frage, ob die Auswahl aus einem Zyklus zulässig wäre - aber bei Mendelssohns "Lieder ohne Worte" oder Hellers "Spaziergänge eines Einsamen" wird es oft ebenso gehandhabt....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Angeregt durch einige einzelne Stücke des Zyklus "Esquisses 48 Motifs" op. 63, die mich sehr beeindruckt haben, habe ich mich entschlossen den gesamten Zyklus zu kaufen - und seit einigen Tagen bereichert er meine Sammlung. Es handelt sich um 48 Charakterstücke unterschiedlicher Thematik und Stimmung. Teilweise Liszt an geballter Wucht übertreffend, teilweise in ihrer Melodik an Mendelssohns "Lieder ohne Worte" erinnernd, teilweise voll von chopinscher Eleganz, teilweise mit nichts vergleichbar, das ich kenne - aber stets beeindruckend und Originell, gelegentlich auch geheimnisvoll, gespenstisch oder Aggressiv, nie jedoch belanglos, spröde oder abweisend. Alkan gelingt hier ein Spagat, den ich für nicht möglich gehalten hätte. Jedes der 48 kurzen Stücke besitzt einen Titel in französischer Sprache, etwas über den Charakter aussagt. Die mir hier zur Verfügung stehende Aufnahme - ich habe das erst jetzt bewusst gesehen - wurde vom Ex-Mitglied AcomA in Beitrag 11 dieses Threads bereits positiv bewertet. Bei Gelegenheit werde ich einige der Stücke mit der Aufnahme von Alan Weiss (siehe Beitrag 21) vergleichen......

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 8385

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  • Eine weitere Sammlung von Klavierwerken ist jene, die sich über etliche Jahre - auf 5 Bände verteilt - "Recueils de Chants" nennt .
    Obrflächlich betrachtet erinnert sie an Mendelssohns "Lieder ohne Worte", wie ja auch der frei übersetzte Name andeutet: "LiederSammlung"
    Dennoch ist einiges anders. Die Stimmung der "Lieder" ist nicht einheitlich sondern relativ unterschiedlich von Ausdruck und Temperament her, Extreme, wie sie indes die Esquisses op 63 aufweisen fehlen hier gänzlich. Ehrlich gesagt, desto mehr ich von Alkans Werk höre, desto mehr wundert mich, daß er nicht mehr Anhänger hat. Die einzelnen Stücke tragen zumeist (aber durchaus nicht immer) charakterisierende Beinamen.
    Die Werke sind heuer bei Toccata eingespielt worden, Vol. 1 mit den Büchern 1 op 38, 2 op 38 und 3 op 65
    Vol 2 wird voraussichtlich noch heuer erscheinen....

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Den 200. Geburtstag werden wir im November noch feiern.


    Heute ist es nun soweit:
    220px-Charles-Henri-Valentin_Morhange_dit_Alkan.jpg
    Charles Valentin Alkan (* 30. November 1813 in Paris; † 29. März 1888 ebenda; eigentlich Charles Valentin Morhange) war ein französischer Komponist und Klaviervirtuose.
    Sein umfangreiches, auf das Klavier konzentrierte Werk wurzelt in der Zeit des romantisch verstandenen Virtuosentums Niccolò Paganinis, Frédéric Chopins und Franz Liszts, dessen Zentrum das Paris der 1830er Jahre war.
    Bereits im Alter von sechs Jahren wurde er zum Studium von Klavier und Orgel am Pariser Konservatorium aufgenommen und gab sein Konzertdebüt als Pianist mit zwölf Jahren.
    Alkans Werke, überwiegend Klavierkompositionen, sind zu seinen Lebzeiten recht unbekannt geblieben. Er galt als ziemlich scheu und lebte meist zurückgezogen und starb 1888 in fast völliger Vergessenheit.
    Richtig gewürdigt wurde seine Musik erst im 20. Jahrhundert.


    Der Deutschlandfunk erinnert in seinem heutigen Kalenderblatt ebenfalls an den 200. Geburtstag von Charles Alkan.
    Den link zum Nachlesen und -hören gibt es hier: http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=270604
    "Der liebe Gott am Klavier"


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Anscheinend bin ich von den momentan im Forum aktiven Mitgliedern der Einzige, der sich für die Werke von Charles Valentin Alkan begeistern kann. Ich gestehe, ich habe mich auch erst durch seinen heurigen 200. Geburtstag näher mit ihm und seinen Werken befasst. Für mich zumindest hat es sich gelohnt. Ich habe keine wirkliche Vorstellung davon, was die Leute mit seinem Namen verbinden. Ich würde sagen, das Besondere an ihm ist, dass seine Werke nicht nur "wild" und "unangepasst" sind, sondern dass er stets zwischen wilden, skurrilen Einfällen auf der einen Seite und einer eingängigen Melodik von annähernd schubertscher Qualität auf der anderen Seite pendelt. Die hier gezeigte CD ist der zweite Teil von "Recueils de Chants" - der Erste Teil wurde in Beitrag 23 dieses Threads gezeigt. Beide CDs wurden von TOCCATA CLASSICS im Jubiläumsjahr 2013 veröffentlicht.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred Schmidt
    Tamino Klassikforum

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Mein Lieblingswerk von Alkan ist ja sein (Rossini gewidmeter) Trauermarsch auf einen toten Papagei in der höchst ungewöhnlichen Besetzung für 4 Gesangsstimmen, 3 Oboen (die quasi die Papageienlaute imitieren) und ein Fagott. :D


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Folgendes kuriose Klavierwerk hätte auch kein Chopin und kein Liszt komponiert, schon gar nicht unter diesem Titel, der zeigt, dass der Kauz Alkan durchaus auf der Höhe seiner Zeit sein konnte! :D


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Eigentlich hätte ich diese Neuerscheinung auch in "Heute erst gehört" unterbringen können, aber ich finde hier passt sie auch ganz gut. Wie wir bereits wissen, war Alkan nicht nur Komponist, sondern auch Pianist - oder eher Klaviervirtuose, seine Stücke sind schwer zu spielen, weshalb ihnen viele Pianistan ausgewichen sind. Nicht so Alkan selbst, der ja gelegentlich auch der Paganini des Klaviers genannt wurde. Bei den auf der hier vorgestellten CD enthaltenen Werken scheint es sich eher um kompositorische Fingerübungen gehandelt haben, als um Virtuosenstücke. Ähnlich wie auch Liszt und Thalberg transkribierte er Werke anderer Komponisten oder schrieb Variationen über deren Themen. Mit dieser CD startet das Label TOCCATA eine Serie mit sämlichen Klaviertranskriptionen Alkans. Die erste Folge ist Werken von Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet, wie viele Transcriptionen Alkan angefertigt hat, das weiß ich nicht, aber es handelt sich durchwegs um Werke ohne Opuszahl. Mit Sicherheit gibt es hier Transkriptionen von Werken (oder besser gesagt Ausschnitten davon) Meyerbeers, Beethovens, Schuberts und Rossini, vermutlich aber noch einiges mehr....

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein Name, der in diesem Thread noch nicht gefallen ist, ist Vincenzo Maltempo. JLang hat ihn einmal erwähnt, nachdem er zwei Alkan-CDs mit diesem noch jungen Pianisten (*1985) gekauft hat. Es gibt auf YouTube ein Konzert mit ihm aus Japan, wo er die zwölf Moll-Etüden op. 39 vollständig aufführt. Dieses Konzert kann man bedenkenlos in die Kategorie "unfassbar" einreihen. Über zwei Stunden Klavierspiel in vielfach höchstem Schwierigkeitsgrad an einem Abend!!! Manche Menschen sind wirklich zu Unglaublichem fähig....



    (Die Zahl der Pianisten, die dieses Werk eingespielt haben, ist recht überschaubar, aber nur drei sollen es bislang vollständig in einem Konzert aufgeführt haben - der erste war Jack Gibbons!)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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