BEETHOVEN, Ludwig van: Symphonie No. 2 D-dur op. 36

  • Wieso scheint mit meinem Tempogefühl etwas nicht zu stimmen, lieber Liebestraum? Von den letzten 10 Aufnahmen, die ich hier mit Zeitangaben gepostet habe, sind 8 teilweise deutlich über 10 Minten:


    Abbado: 10:45, Gielen: 10:04, Karajan 70er: 10:17, Kempe: 12:37;
    Giulini: 12:32. Rattle: 10:20, Leibowitz: 10:23, Leinsdorf: 11:18;


    Bei denjenigen, bei denen mir das zu schnell schien, habe ich das auch deutlich gemacht, z. B. bei Jansons und von Dohnany. Selbst der von dir stets gescholtene Järvi (TGV) kommt auf 9:46 min.


    Oder willst du allen Ernstes behaupten, dass alle diese o. a. Herrschaften zu langsam dirigiert hätten? Larghetto ist immerhin nach Larghissimo, Grave und Largo das viertlangsamste Tempo überhaupt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Egal mit welchen Komponisten ich eine Szell-CD auflege - er begeistert mich immer !


    Die Szell-Aufnahme der Sinfonie Nr.2 (SONY, 1960) hatte ich hier schon 2006 in Beitrag 3 in einem Atemzug mit Karajan´s Aufnahme (DG, 1977) genannt. Und nun festgestellt, wie lange solche Schätze liegen bleiben, weil so unglaublich viele Alternativ-Einspielungen vorliegen.


    Szell kann es natürlich auch mit meinen favorisierten Aufnahmen der Sinfonie Nr.2 (Bernstein (SONY); Solti (Decca, DDD); Leibowitz (Chesky); Chailly (Decca); P.Järvi (SONY-DVD)) aufnehmen und gessellt sich als weiterer Favorit dazu.
    Aus Zeitgründen möchte ich jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen. Jedenfalls liefert Szell mit seiner zügigen straff und packenden Leseart eine glänzende Aufnahme die richtig Spass macht. Der beleuchet Details, die mir selbst bei den geschätzten Karajan-Aufnahmen unbelichtet bleiben. Ganz exqusisit auch die Blechbläser des Cleveland Orchestra.


    Die angemessenen Spielzeiten der Sinfonie Nr.2 mit Szell = 10:09 - 11:30 - 3:37 - 6:16


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    SONY, 1964, ADD



    Ich habe auch die Sinfonien Nr.3 und 5 mit Szell nach Jahren mit Genuss wiedergehört = :thumbsup:
    und kann hier nur die gleichen positiven Worte finden.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Nun möchte ich hier auch noch einige Sätze zur Zweiten in der neuen Gesamtaufnahme der Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle sagen:
    Nachdem ich als Letzte aus der GA die Siebte gehört hatte, habe ich die Zweite noch einmal hinterher gelegt:



    Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 2 D-dur op. 36
    Berliner Philharmoniker
    Dirigent: Sir Simon Rattle
    AD: Oktober 2015
    Spielzeiten (brutto): 11:33-9:54-3:18-6:00 -- 30:54 min.;


    Auch in der wunderbaren Zweiten legt Sir Simon klassisches Ebenmaß an, d. h. vor allem mit dem temporalen Impetus nach der herrlichen Adagio-Einleitung im Kopfsatz. Und auch hier ist dank der reduzierten Besetzung (47 Instrumentalisten) eine großartige Transparenz zu bemerken.
    Obwohl das Larghetto etwas schneller ist als bei seinem Vorvorgänger Karajan, erreicht Sir Simon auch hier ein hohes Maß an Ausdruck, vor allem in der durchführenden Streichersteigerung in der Mitte des Satzes. Wenn es in meinem Rücken kribbelt, dann war es richtig. Es kribbelte.
    Scherzo und Allegro hielten das hohe Niveau.
    Ich kann sagen, dass m. E. keine einzige schwache Aufnahme bei dieser GA vorhanden ist, auch nicht die Eroica, obwohl ich von einem Tamino etwas Anderes gelesen habe.


    Sir Simon hat mit dieser Gesamtaufnahme seinem Nachfolger Petrenko ein gewaltiges Pfund vorgelegt, dass dieser erstmal kontern muss, wenn er es denn überhaupt kann.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • In der Reihe "Klavierolymp" des WDR-Sinfonieorchesters unter Jukka Pekka Saraste mit Yefim Bronfman fand heute der erste Teil bei uns in Coesfeld statt Ich habe mal die Ankündigung von der WDR-Homepage nach hiert kopiert und dabei die Anfangszeit korrigiert:
    Do 26.05.2016, 18 Uhr, Coesfeld, Konzert Theater
    Klavier-Olymp I

    Yefim Bronfman stammt aus einer Musikerfamilie in Taschkent, die vertrauten Umgang mit Größen wie Emil Gilels und David Oistrach pflegte. Nach dem Studium in Israel übersiedelte der junge Pianist in die USA, wo er rasch in die Weltspitze aufstieg. Yefim Bronfman ist für seine luziden Klassiker-Interpretationen ebenso bekannt wie als wirkungsmächtiger Darsteller romantischer Virtuosität.
    Ludwig van Beethoven
    Ouvertüre zu Collins Trauerspiel
    „Coriolan“ op. 62


    Konzert Nr. 3 c-moll für Klavier und Orchester op. 37


    Sinfonie Nr. 2 D-dur op. 36
    Mitwirkende:
    • Yefim Bronfman, Klavier
    • WDR Sinfonieorchester Köln
    • Jukka-Pekka Saraste, Leitung
    Klavier-Olymp I
    Datum: Donnerstag, 26.05.2016
    Ort: Konzert Theater
    Osterwicker Straße 31
    48653 Coesfeld
    Beginn: 19.30 Uhr


    Ich schreibe keinen zweigeteilten Bericht, sondern lasse auch das, was ich über die beiden ersten Stücke zu sagen habe, hier stehen.
    Die Akustik des Konzerttheaters Coesfeld ist herausragend, und so konnte das WDR-Sinfonieorchester in normaler Klassikgröße (gut 50 Mitwirkende) schon in der einleitende Coriolanouvertüre, die ja im gleicvhen Zeitraum wie die tonartgleiche Fünfte entstanden ist, ihr ganzen dynamisches Potential voll ausschöpfen, und der Saal mit seinen knapp 650 Plätzen packte das Phon-Gewitter weg, als wenn es nichts wäre, sondern es bildete die hellen dynamischen Spitzen fein sauber ab, wobei seine klangliche Transparenz eminent war, vor allem in den mittleren Streichern in den niedrigen dynamischen Bereichen
    Die Orchesteraufstellung war in den streichern eine Variante der amerikanischen Aufstellung, in der die 1. Violinen vorne links an 5 Pulten saßen, die zweiten Violinen parallel dahinger, die Violen an dreieinhalb Pulten rechts vorne (der siebte Violaspieler saß am 4. Pult alleine), dann die vier Kointrabässe rechts nach hinten in Reihe und die Cellivon rechts hinten nach vorne in die Mitte reichend.
    Die Hörner saßen hinten links, die Holhbläser hinten in der Mitte und die Trompeten hinten rechts. Ganz hinten in der Mitte thronte leicht erhöht der Solopaukist Werner Kühn, der sich eindrucksvoll in Szene setzte (alles natürlich vom Saal aus gesehen).
    Jukka Pekka Saraste:
    jukka-pekka-saraste.jpg
    ließ vom ersten Akkord keinen Zweifel daran, dass man hierhergekommen war, um ein tolles Konzert abzuliefern, was denn ja auch vollends gelang. Man merkte, wie weit Musiker und Dirigent in den nun schon über fünf Jahren gemeinsamen Musizierens zusammengewachsen sind.
    Nach der höchst beeindruckenden Coriolan-Ouvertüre stand mit Yefim Bronfman:
    20130205193002_la-1337491-et-bronfman-1-lkh.jpg
    ein kongenialer Partner zur Seite, um das tonartgleiche 3. Klavierkonzert op. 37 aufzuführen. Bronfman ist m. E. ein Pianist von hohen Graden, dessen pianistische Mittel keine Grenzen zu kennen scheinen und der trotzdem oder vielleicht gerade deshalb mit voller Konzentration zur Sache ging. Er spielte Beethovens eigene recht umfangreiche Kadenz von über drei Minuten Dauer.
    Temporal würde ich das ganze Konzert, auch wenn das abgedroschen klingt, als ein "Konzert der klassischen Mitte" bezeichnen, in dem die Musik wohltuend atmen konnte.


    Dies war auch nach der Pause bei Beethovens Zweiter zu verspüren, der Saraste auch die klangliche Größe zukommen ließ, die ihr gebührt. Nachdem ich tags zuvor ja noch die Zweite mit Rattle und den BPh auf Blue Ray gehört und gesehen hatte, war ich von der Live-Wirkung mehr als überrascht, vor allem in dem himmlisch anmutenden Larghetto, dem Saraste alle Zeit der Welt angedeihen ließ (im Gegensatz zu dem doch signifikant rascheren Rattle). Da hat es mich durchgeschüttelt, und ich brauchte mich meiner Tränen nicht zu schämen.
    Dass Saraste auch "schneller" kann, stellte er im Scherzo und im Finale unter Beweis, in denen er das Orchster zu größten Ausdruckshöhen und rhythmsichen Meisterleistungen antrieb, und in dem die Mitwirkenden direkt nach Verklingen des letzten Tons spontanen Jubel des Publikums ernteten.


    Es war ein berührender Musikabend, auf dem ich zudem noch im Gegenstz zu meinen häufigen Besuchen in Köln auch viele bekannte Gesichter entdecken und so manchen Meinungsaustausch vornehmen konnte.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

    Einmal editiert, zuletzt von William B.A. ()

  • Lieber Willi,


    ich habe auch in den letzten 2 Jahren (in TV-Übertagungen von Beethoven Sinfonien mit dem Kölner Orchester) festgestellt, dass Saraste einen unwarscheinlich positiven Reifungsprozess durchgemacht hat. Das sind heute alles unwarscheinlich gute und spannend ausgehörte Interpretationen. Mir gefällt (genau wie Dir) natürlich, dass er bei Beethoven die Pauken nicht lapadar in den Orchesterklang integriert, sondern effektvoll einsetzt. Gemäss Deinem interessant zu lesenden Hörprotokoll entnehme ich, dass er diese Richtung weiter verfolgt.
    Ich habe zufällig gerade u.a. die Sinfonie Nr.2 als Festplattenaufnahme als wichtiges Dokumente zurückbehalten, die ich sehr gerne höre.


    Wenn ich als Beispiel an Sarastes frühe Aufnahmen der Sibelius-Sinfonien denke (die ich auf CD hatte), wie langweilig diese waren, dann erkennt man, dass sein Reifungsprozess nicht nur von seinen Interpretationstil zugenommen hat ... sondern auch optisch. (Man siehe dazu die Coverbilder seiner frühen Sibelius - Aufnahmen auf Finlandia.) Saraste ist heute zu einem ernsthaften charismatischen Dirgenten geworden.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe anlässlich des von mir als überaus erfüllend empfundenen Sylvesterkonzertes aus Leipzig und des ebenso empfundenen Neujahrskonzertes aus Wien mich entschlossen, so nach und nach wieder alle Beethoven-Symphonien, aufgeführt von den Wiener Philharmonikern unter Christian Thielemann, anzuhören und -zusehen und, wie immer bei Beethoven, zu beginnen mit der


    Symphonie Nr. 2 D-dur op. 36 (U.A. 2. 4. 1800)

    AD: Dezember 2008, Wien, Musikverein, live

    Spielzeiten: brutto: 12:04 - 12:17 - 3:22 - 6:24 --- 36:09 min;


    Thielemann hatte ja bekanntlich bei den Aufnahmen aller neun Symphonien eine durchaus größere Besetzung für das Orchester gewählt als viele andere Kollegen aus diesem Jahrtausend, wie ein flüchtiges Durchzählen meinerseits ergab (u. a. ca 14. erste, 12 zweite Geigen, 10 Bratschen, 8 Celli und 6 Kontrabässe, bei den Blechbläsern drei Hörner, sonst doppelte Besetzung, und doppeltes Holz).

    Das bedeutete aber keineswegs mulmigen Mischklang, sondern im Gegenteil, Thielemann holte aus dem Orchester einen hellen, teilweise durchaus geschärften, sehr transparenten und in den dramatischen Steigerungen (u. a. die schon an die Neunte gemahnenden d-moll-Schläge) auch äußerst kraftvollen Klang heraus, der m. E. auch demonstrieren sollte, dass es sich bei der Zweiten schon um eine durchaus erwachsene, mitreißend kraftvolle Beethoven-Symphonie handelt (wie es sicherlich auch von Beethoven konzipiert war).

    Wie die o. a. Zeiten ergeben, ließ er sich in den langsamen Teilen, speziell im Larghetto, die Zeit, die dem Stück m. E. gebührt, baute aber im Allegro con brio des Kopfsatzes und im Scherzo und dem finalen Allegro molto gewaltige temporale Kontraste auf. In diesen Abschnitten trieb er das Orchester regelrecht an, das sich aber willig und präzise leiten ließ.

    Thielemann ließ das Orchester aber auch an den entsprechenden Stellen innig singen, holte aus den Melodieinstrumenten (vor allem den 1. Geigen) betörende Pianissimi heraus, die Beethoven ja, wie schon in den Klaviersonaten, in der Themenwiederholung immer wieder (fast als Echo) verwendete.

    Ich achte ja besonders immer auf das Larghetto, das m. E., in der richtigen Weise gespielt, ebenso wie das so wunderbar an Silvester zu hörende Adagio der Neunten als eigentlicher musikalischer Kern der Symphonie angesehen werden kann, und Thielemann verstand es wunderbar, sich mit dem richtigen Tempo dem musikalischen Kern dieses herrlichen Satzes zu nähern und hat mich abermals mit seiner Interpretation so richtig durchgeschüttelt. Die Dirigenten, die das bisher bei mir geschafft haben, sind an einer Hand abzuzählen. Vor allem die große Streichersteigerung zu Beginn der zweiten Satzhälfte gehört zum Besten, was ich bisher gehört habe.

    Wie ich schon sagte, hat Thielemann auch große temporale Kontraste erzeugt, so gehört das Scherzo in der großen Anzahl von Aufnahmen, die ich in meiner Sammlung habe, zu den schnellsten, aber es wird auch von den Wiener Philharmnonikern kongenial wiedergegeben.

    Ebenso wie das Finale stellte er hier auch die großen rhythmsichen und dynamischen Kontraste heraus, die dieser Symphonie innewohnen, die sie einerseits so mitreißend und andererseits so unendlich berührend machen, dass ich mich nicht schäme, sondern dass ich ein Glücksgefühl versprüre, wenn mir beim Larghetto die Tränen kommen und wenn es mich ordentlich schüttelt.


    Als nächste werde ich in den nächsten Tagen die Erste hören und sehen und meine Eindrücke dann schildern.


    Liebe Grüße


    Willi:)



    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).