Beethoven, Ludwig van: Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21

  • Das Tempo muß so (langsam - meine Einfügung) gewählt werden, dass die (ganze) Musik gehört werden kann.


    Was nützt das, wenn man sich dann damit von Beethoven´s Tempovorgaben total entfernt. Und dann für meinen Geschmack die Musik auseinander fallen lässt; so etwas wirkt bei mir langweilig.
    *** In diesem Beitrag wurde das mit den richtig gespielten Tempi (mit Metronomangaben) bei der Sinfonie Nr.1 bereits genaustens analysiert.
    :thumbsup: Dabei ergab sich als Ergebnis für :!: Paavo Järvi:
    Dichter an Beethovens Tempovorgaben hat übrigens keiner gespielt. ... :thumbup: :yes:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Celibidache hat sich zum Problem des Tempos ja auch theoretisch geäußert. Grundlage ist nicht zuletzt sein Philosophiestudium - er beschäftigte sich mit Edmund Husserls "Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins". Für Celibidache gibt es nur ein richtiges Tempo, wenn der Anfang im Ende präsent bleibt. Das Prinzip: Ist das Tempo zu schnell, verliert man die Aufmerlsamkeit für Details, ist es zu langsam, kann man den Zusammenhang nicht mehr erfassen. Das vermittelte ihm ein besonderes Konzerterlebnis. Aber dieses "ideale" Tempo ist nicht reproduzierbar, sondern immer gebunden an die speziellen Bedingungen einer Aufführung. Deswegen lehnte Celibidache Studioaufnahmen ab. Die Frage des "richtigen" Tempos läßt sich so einfach nicht beantworten. Wir kennen die Aufführungspraxis bei Beethoven nicht. Von Gustav Mahler ist überliefert, daß er seine Symphonien sehr unterschiedlich dirigierte - einige Minuten schneller oder langsamer je nach Aufführung.


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Bei der 1. finde ich, geht man mit Celi auf eine Entdeckungsreise. Da kommen bei ihm Sachen heraus, die man vorher nie gehört hat.

    Kannst du mir bitte sagen, lieber Holger, von welcher Aufnahme du sprichst? Ich war nämlich seinerzeit, als ich folgende Box erstand:

    überrascht, dass keine!! Aufnahme der Ersten enthalten war, dafür aber die Vierte in zwei verschiedenen Anfnahmen vertreten war. Da EMI schon bei der Bruckner-Box die Dritte vergessen hatte, aber anstandslos nachlieferte, vermutete ich, dass dies bei der Sinfonien -Box auch geschehen wäre. Ein Anruf bei der EMI ergab aber, dass man keine Erste aufgenommen hätte.


    Insofern bin ich wohl bei den Beethovensinfonien Nr. 2 bis 9 mit Celi auf Entdeckungsreise gegangen und habe viel Schönes entdeckt, bei der Ersten ist mir dies aber verwehrt geblieben. über die anderen acht habe ich auch berichtet.

    Zitat

    zweiterbass: Das Tempo muss so (langsam - meine Einfügung) gewählt werden, dass die (ganze) Musik gehört werden kann.

    Auch das, lieber zweiterbass, kann sich nur auf die Symphonien Nr. 2 bis 9 beziehen. Oder hast du etwa auch die Erste in einer Interpretation von Celibidache vorliegen?

    Zitat

    teleton: *** In diesem Beitrag wurde das mit den richtige gespielten Tempi (mit Metronomangaben) bei der Sinfonie Nr. 1 bereits genauestens analysiert. :thumbsup: Dabei ergab sich für :!: Paavo Järvi:
    Dichter an Beethovens Tempovorgaben hat übrigens keiner gespielt...

    Bist du sicher, dass die Erste mit Celibidache dabei war, lieber Wolfgang? Ich vermute mal, wenn sie dabei gewesen wäre, wäre sie ein Stück weiter von Beethovens Metronomangaben entfernt gewesen als Järvi, Leibowitz oder gar Chailly. Eine andere Frage wäre die, ob mir das nicht auch so gut gefallen hätte wie die übrigen acht Aufnahmen mit Celibidaches Interpretationen. Mir kommt es mehr auf die stimmigen temporalen Binnenverhältnisse und auf spannungsreiches Musizieren aqn. Das ist bei Celibidache allemal gegeben (bie Järvi natürlich auch).



    Also: ein Königreich für eine Erste Beethoven mit Celibidache. ?(


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es gibt die Aufnahme, aber wieso sie von EMI nicht veröffentlicht wurde, ist mir auch ein Rätsel:



    Es handelt sich um einen klangtechnisch gar nicht üblen Mitschnitt aus dem Jahre 1989, natürlich in Stereo.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wie gewöhnlich, bist du wieder sehr gut unterrichtet, lieber Joseph. Aber vielleicht hatte ja auch Harald diesen Mitschnitt zur Verfügung. Ich ahne jedoch, warum er möglicherweise nicht aufgenommen worden ist. Zu Beginn kommen die Geigen genau aus der Mitte, später wandern sie "auf die falsche Seite". Ich musste meine Kopfhörer dann "verkehrt herum aufsetzen", bis die Geigen wieder aus der richtigen Ecke kamen. Vielleicht haben sie es deshalb nicht aufgenommen, aber aus Gründen der Vollständigkeit hätte ich es unbedingt akzeptiert, zumal es ja wirklich ordentlich klingt. Und so viel langsamer ist es nach Angabe der Gesamtspielzeit (25:47 min.) auch nicht. Ich hab etliche Erste, die langsamer sind.


    Liebe Grüße


    Willi :):thumbup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Ich habe nun die ganze Aufnahme gehört, lieber Joseph, und verstehe nun, warum EMI dieses MPH-eigene Bandmaterial nicht zu einer Aufnahme verwendet hat. Meine anfängliche Einlassung, dass ich den Kopfhörer umdrehen musste, galt für die gesamte Aufnahme, was sich im Einzelnen so darstellte, dass der Anschein erweckt wurde, das linke bzw. das rechte Drittel des Podiums sei frei geblieben, und die Musiker hätten sich auf den restlichen zwei Dritteln zusammengequetscht. Der Stereo-Effekt bzw. Raumeffekt war damit hinfällig. Die gelegentlichen Huster oder das gelegentliche Räuspern des Meisters "himself" störte mich dabei gar nicht, aber dann war da noch nach drei Vierteln des Andantes ein ganz hässliches durchdringendes Geräusch, das man wahrscheinlich nicht rauskopieren konnte und das vielleicht den Ausschlag gegeben hat. Wenn ich der verantwortliche Produzent bei EMI gewesen wäre, hätte ich das auch nicht aufgenommen.
    Doch- wie schade!!
    Die Philharmoniker spielten himmlisch, die Blechbläser liefen im Finale zur Höchstform auf, und auch das Andante war vom Feinsten. Celi zeigt hier, was ein temporal entspanntes, aber inniges Andante ist. Dennoch gerate ich, wenn ich die Spielzeiten vergleiche, ins Grübeln, und ich vergleiche mal mit Karajan (1/1984):


    Celibidache: 8:34-7:34-4:06-4:55 -- 25:09 min.
    Karajan 84: 10:11-6:24-3:56-5:53 -- 26:24 min.


    Irgendwo muss da doch im Finale mächtig gekürzt worden sein, denn Celibidache war hier (im Finale) nicht nur eine Minute schneller als Karajan sondern noch 34 Sekunden schneller als der gegenüber Liebestraums "Schnellzug Järvi" als "TGV" zu bezeichnende Chailly, der für das Finale 5:29 min. brauchte.


    Alles Klar oder alles unklar? ?(


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Kannst du mir bitte sagen, lieber Holger, von welcher Aufnahme du sprichst?

    Lieber Willi,


    da muß ich über mich selbst lachen! ;) Da hatte ich irgend etwas falsch im Kopf abgespeichert! Ich habe natürlich auch nur die von EMI veröffentlichten Mitschnitte! Es ist halt schon etwas länger her, daß ich die gehört habe und habe da wohl etwas verwechselt! Bei dem Mitschnitt, der auf Youtube zu hören ist, fällt offenbar nach ein paar Minuten ein Mikrophon aus (links). Deswegen (schade!) hat sich EMI wohl nicht getraut, das zu veröffentlichen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Genau so habe ich das auch empfunden, lieber Holger, und dann habe ich dich fälschlicherweise in Posting 125 auch noch als Harald bezeichnet. Der Arme hat ja nun gar nichts damit zu tun.
    Schade ist es aber doch, dass die Aufnahme nichts geworden ist.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Schade ist es aber doch, dass die Aufnahme nichts geworden ist.

    Finde ich auch, lieber Willi. Wenn ich der Produzent gewesen wäre, hätte ich auf dieses wenn auch nicht technisch fehlerlose Dokument nicht verzichtet. Die Qualität ist ja insgesamt doch akzeptabel und der künstlerische Wert zählt letztlich. Aber da denken die Marketing-Leute offenbar anders.


    Schöne Grüße
    Holger


  • Sir Simon Rattle, Beethoven 1 , 19. 3. 2013
    Wiener Philhamoniker, 2002
    Satzzeiten: 8:36-7:07-4:03-5:43 – 2529 min;
    Der erste Eindruck dieser Einspielung ist, dass Sir Simon nicht versucht, eine neue Sichtweise zu vermitteln, sondern dass er und sein Orchester versuchen, die aus der Partitur zu entnehmende Sichtweise auf die bestmögliche Art wiederzugeben. Und ich denke, dass ihnen das gelungen ist.
    Ich habe auch in der Vergangenheit die vielen negativen Urteile über Rattles GA der neun Symphonien gelesen, und ich muss sagen, dass ich nach dem bisher Gehörten da ganz und gar nicht mit übereinstimme.
    Rattle betont in dieser Einspielung die Schönheiten der Partitur, von denen es reichlich gibt, und schon im ersten Satz schlägt er im Allegro con brio ein forsches Tempo an. Das swingt richtig. Der Klang deutet darauf hin, dass die Wiener Philharmoniker nicht in Kammerorchester-Stärker angetreten sind, aber mein Gott, das ist Beethoven. Das muss man nicht mit einem Kammerorchester spielen.
    Trotz der größeren Besetzung oder eben, weil es die Wiener Philharmoniker in Hochform sind, agieren sie mit großer Leichtigkeit, mit fast mozartinischem Schwung. Am Ende des Kopfsatzes kommen dann auch die Pauken, die vorher gut vernehmbar im Hintergrund agiert haben, richtig zu ihrem Recht.
    War schon der Kopfsatz klanglich transparent und dynamisch ausgewogen, so gibt es hier im Andante cantabile natürlich noch mehr zu entdecken. Als Beispiel ziehe ich mir immer das Fagott heran und verfolge seinen Verlauf. Auch im mp bis mf – Tutti ist es gut zu orten, und so entdecke ich manche Stelle, die mir bisher nicht so erinnerlich war.
    Das Menuett kommt wieder in zügigem Tempo daher und nimmt das Tempo des Kopfsatzes wieder auf. Auch hier sind die Holbläser fein zu vernehmen. Das Finale schließt sich nach dem einleitenden Adagio in der Tempostruktur der Sätze 1 und drei an und bringt die Sinfonie in der engagierten und hoch motivierten Spielweise zu Ende.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Beethoven: Symphonie Nr. 1
    La Scala Philharmonic Orchestra
    Carlo Maria Giulini
    Aufnahme: Teatro Abanella, Mailand, 8.—11. Dezember 1991
    Satzzeiten: I. 10:48 — II. 6:54 — III. 4:01 — IV. 6:26 — Ges. 28:09


    Nicht chronologisch bin ich vorgegangen bei den Hörsitzungen der Scala-Beethoven von Giulini, sonst wäre die Erste natürlich gleich zuerst gekommen. Nun erst als vorletzte vor der "Pastorale", die wohl morgen ansteht. Die einzige Beethoven-Symphonie, die noch im 18. Jahrhundert entstanden ist, weist gleichwohl natürlich bereits ins 19. Jahrhundert, auch wenn sie ihr Vorbild Haydn (und auch ein wenig Mozart) nicht ganz verleugnen kann.


    Der dissonante Beginn im Kopfsatz — hier sehr gelungen zu hören — war für die Zeitgenossen gewiss revolutionär. Das einleitende Adagio wird hier voll ausgekostet. Beim Allegro con brio übertreibt es Giulini mitnichten, so dass er auf fast 11 Minuten Spielzeit kommt. In der Coda sehr schön die Trompeten. Im zweiten Satz ist Giulini gar nicht so langsam, wie ich gerade merke, selbst Rattle kommt anscheinend auf geringfügig mehr Spielzeit. Bei Giulini ist das Andante der Ruhepol der Symphonie, auch wenn Trompeten, Hörner und Pauken hier nicht schweigen, was damals neumodisch war. Im noch altertümlich mit Menuett bezeichneten Scherzo trödelt Giulini mit 4 Minuten ebenfalls nicht, kommt auf beinahe exakt diesselbe Spielzeit wie Sir Simon. Die Pauken melden sich wieder deutlich vernehmbar zu Wort. Die Klangphilosophie ist auch hier wieder das Dunkle, Bassbetonte. Im abschließenden Finale lässt es der Dirigent wieder etwas langsamer angehen. Dennoch oder gerade deswegen wird dieses zum Höhepunkt des Werkes. Generell fällt auf, dass sich Giulini besonders in den Ecksätzen mehr Zeit nimmt, so dass er insgesamt auf eine stattliche Spielzeit von 28 Minuten kommt, womit er beweist, dass man auch die Erste erfolgreich großsymphonisch auffassen kann. Erst mit fast 80 Jahren nahm sich Giulini der beiden frühen Beethoven-Symphonien überhaupt an, und bestimmt hätte er die Werke zwanzig Jahre früher anders dirigiert. Aber es tut gut, op. 21 und op. 36 auch einmal so zu hören.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Carlo Maria Giulini, Beethoven 1,
    L a Scala Philharmonic Orchestra,
    Mailand , Teatro Abanella, 8.-11.- 12. 1991,


    Satzzeiten: 10:48-6:54-4:01-6:21 – 28:04 min.;


    Giulini beginnt mit einem wunderbar atmenden, hell und luftig klingenden Adagio-Eintritt in die “Neue Welt” der Musik am Fuße des 19. Jahrhunderts, einer Musik, die es bis dahin auf dem Gebiet der Sinfonik noch nicht gegeben hat. Und er will eben nicht Reminiszenzen an Haydn und Mozart liefern. Er will uns deutlich machen, dass hier der Beethoven etwas völlig Neues, Großes in Gang gebracht hat, und er will auch mit dieser Darlegung so schnell nicht fertig werden, deswegen spendiert er dem großen musikalischen Rahmen, der großen Klangkuppel, auch den großen Zeitrahmen, den er hier für erforderlich hält, um diese neuen Strukturen deutlich zu machen. Immer mehr wird er mir in dieser Tempogestaltung Celi ähnlicher, obwohl wir hier den direkten Vergleich gar nicht ziehen können, denn von Celi liegt (mir) keine Aufnahme der Ersten vor. Spätestens in der Besprechung der Zweiten werde ich die Celi-Zeiten mal mit denen Giulinis vergleichen. Einstweilen werde ich noch die von Karajan III zu Rate ziehen.
    Natürlich folgt auch das Allegro con brio im gemäßigten Tempo, alles zu Gunsten des Ausdrucks und der Spannung. Die Strukturen treten deutlich hervor, von etwas mehr integrierten, aber deutlich vernehmbaren Pauken unterstützt. Das Hauptthema wiederholt Giulini hier, deshalb kommt er auch auf diese doch enorme Satzzeit. Das relativiert sich aber wieder, wenn man Karajans Zeiten dagegen hält.
    Das Andante cantabile con moto ist dagegen gar nicht zu langsam, desgleichen aber sehr ausdrucksvoll und wirklich berückend musiziert. Dieses italienische Projektorchester ist wirklich von außerordentlicher Güte. In neuerer Zeit haben wir ja solche Orchesterbildungen häufiger, wie z. B. das Lucerne Festival Orchestra von Claudio Abbado oder das von Sir Georg Solti gegründete World Orchestra for Peace, das zurzeit von Valery Gergiev geleitet wird und in dem der 1. Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, Rainer Küchl, ebenfalls 1. Konzertmeister ist. Nicht vergessen dürfen wir natürlich das West-Eastern-Diwan-Orchestra von Daniel Barenboim.
    Das Menuett, eigentlich schon ein Scherzo, ist schwungvoll und relativ flott und folgt hier der normalen Dreiteilung mit dem Trio in der Mitte und der Reprise.
    Das Finale stellt m.E. einen weiteren Höhepunkt in dieser Symphonie dar nach dem Kopfsatz. Es beginnt in dem einleitenden Adagio mit dem gleichen dunklen Tuttischlag wie die III. Leonoren-Ouvertüre op. 72 a und gestaltet sich, jedenfalls in der großsymphonischen Interpretation Carlo Maria Giulinis ähnlich triumphal wie das Finale der Fünften. Es ist zwar noch ein weiter Weg bis dahin, aber man kann das, was kommt, schon mehr als ahnen.
    Etwas Ähnliches wiederholt sich ja im Kopfsatz der Zweiten, in der das Hauptthema des Kopfsatzes der Neunten vorausgeahnt wird.
    Zwar hat es solche Adagio-Einleitungen in der früheren Wiener Klassik schon häufiger gegeben, aber noch nicht in dieser großen Form wie bei Beethoven.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • In meiner mitternnächtlichen Sitzung hatte ich einen genaueren Vergleich zwischen den Satzzeiten von Karjan und Giulini versprochen, dies aber vergessen. Ich habe dies jetzt mal auf prozentualer Basis gemacht, wobei die Gesamtzeit mit 100% angesetzt wurde. Es kaum Erstaunliches dabei heraus, oder doch nicht?


    Karajan: 38,6 - 24,2 - 14,9 - 22,3 -- 100%;
    Giulini: 38,4 - 24,5 - 14,3 - 22,8 -- 100%;


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven 1
    Rudolf Kempe


    Münchener Philharmoniker, 6/1972
    Bürgerbräu, München


    Satzzeiten: 9:10 - 6:55 - 3:38 - 6:00 – 25:43 min.


    Rudolf Kempe verwendet durchaus ein zügiges Tempo, nach einrm selbstverständlich gemessenen Adagio-Einleitung. Der Klang ist lucide und gut durchhörbar, auch die Pauken, die hier noch in den Gesamtklang integriert sind, sind gut zu vernehmen. Es entsteht schon hier in der Ersten eine großsymphonische Klangkuppel, und die Musiker spielen exzellent.
    Ich habe mich hier entschlossen, mal die GA von Herbert Blomstedt und der Sächsischen Staatskapelle Dresden zum Vergleich heranzuziehen, die nur wenige jahre später, auch noch in den 70er Jahren entstanden ist.
    Obwohl der Kopfsatz den größten Umfang einnimmt, ist er jedoch nicht alleine der Höhepunkt der Symphonie. Das wäre dann ja auch nicht Beethoven, sondern nach den ebenso eindrucksvoll wie lebhaft musizierten Mittelsätzen, wobei Kempe im Gegensatz zu Blomstedt die Exposition des Andantes nicht wiederholt, tritt, wie ich schon bei der Besprechung der Interpretation Giulinis ausführte, das Finale höchst prägnant als zweiter großer Höhepunkt auf, wobei ähnlich triumphaler Jubel entsteht wie bei der Fünften, natürlich umfänglich noch eine Nummer kleiner. Auch die schon im 3. Satz mehr hervortretenden Pauken, die im Finale nochmals zulegen, tragen zu diesem sieghaften Eindruck bei.
    Dies ist ein viel versprechenden Beginn einer sich hoffentlich so fortsetzenden Gesamtaufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Symphonie Nr. 1 C-dur op. 21
    SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
    Dirigent: Michael Gielen
    AD: Februar 2000
    Satzzeiten:
    8:29-6:55-3:18-5:49 – 24:31 min.;



    Beethoven, Symphonie Nr. 1 C-dur op. 21
    Berliner Philharmoniker
    Dirigent: Herbert von Karajan
    AD: Dezember 1971
    Satzzeiten:
    7:41-5:54-3:34-5:21 – 22:30 min.;


    Ich habe mich hier mal zu einer vergleichenden Besprechung entschlossen, ausgehend von einem genaueren Vergleich der Spielzeiten in den einzelnen Abschnitten der Sätze, da ja die Spielzeiten bei Karajan hauptsächlich deswegen so kurz sind, weil er in der Regel die Expositionen in vielen Sätzen nicht wiederholt, so auch hier im Kopfsatz und im Andante, sonst wäre die Spielzeit hier nicht 22:30 min gewesen, sondern 26:30, weil die Exposition im Kopfsatz bei ihm nach dem einleitenden Adagio 2:05 min dauerte und im Andante 1:55 min. Eine Ausnahme gibt es jedoch in dieser Symphonie, von der noch die Rede sein wird.
    Gielen schlägt wie gesagt ein höheres Grundtempo an als Karajan. Hätte auch er die o.g. Wiederholungen ausgelassen, wäre seine Interpretation 3:35 min kürzer gewesen und hätte nur 20:56 min. gedauert. So eine kurze Spielzeit der 1. Symphonie ist mir in der Tat bis heute noch nicht untergekommen.
    Gielen hat auch sein Orchester hier noch kleiner besetzt als Karajan. Außerdem ist sein Konzert im Konzertsaal aufgenommen worden mit Publikum, während Karajan das Konzert in Artur Brauners CCC-Filmstudios in Berlin aufzeichnen ließ. Dies hatte zur Folge, dass, im Verein mit der größeren Besetzung, eine wesentlich größere Klangkuppel erzeugt wurde als bei Gielens Aufnahme im Festspielhaus Baden-Baden. Deswegen, aber auch wegen der fortgeschrittenen Aufnahmetechnik ist die Gielen-Aufnahme etwas transparenter als die Karajan-Aufnahme, was sich auch am Beispiel der besser durchhörbaren Pauken festmachen lässt. Bei Karajan ist der gute Werner Thärichen im Kopfsatz weitgehend gerade mal so zu hören und schwingt sich erst ganz am Schluss zu großen Taten auf, während sein Kollege aus Baden-Baden durchweg prägnant zu vernehmen ist.
    Mitreißend musiziert sind natürlich beide Aufnahmen, und Gielen hat temporal fast immer die Nase vorn, wie gesagt, mit einer Ausnahme:
    Im Finale macht Karajan mit dem etwas beschaulicheren, aber damals durchweg üblichen Tempo abrupt Schluss. Dieser Satz ist absolut atembraubend, und mit dieser Sogkraft habe ich ihn noch nie gehört. Er ist hier, obwohl er nach der abermaligen Adagio-Einleitung die Allegro-Exposition doch wiederholt, nicht nur schneller als Gielen (s.o.), sondern auch schneller als Leibowitz und sogar schneller als Chailly und vor allem schneller als er selbst in den drei GA’s von 1962, 1977 und 1982/84. So wie er das hier interpretiert hat, steigert sich das von Satz zu Satz zu diesem einmaligen Finale hin.
    Ab der zweiten Symphonie werde ich die Aufnahmen einzeln besprechen und auch die dritte GA von Abbado hinzunehmen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    erst einmal interessant zu lesen, dass es bei DG (im Prinzip) noch diese 3.GA auf DVD gibt. Ich glaube die werde ich mir auch noch zulegen.


    Aber man weis ja, das Du, was die Spielzeiten anbetrifft ein "Pfennigfuchser" bist. Karajan ist für meine Begriffe (wie ich es beurteilen und messen würde) in seiner 77er-Aufnahme total gleich schnell unterwegs, wie in deiner Betrachtung: 7:45 - 6:04 - 3:35 - 5:27


    Und auch meine Favoriten Bernstein (SONY) mit 5:43 und Solti (Decca, DDD) mit 5:37 im 4.Satz unterscheiden sich im Tempo auch nicht fühlbar - die gehen ebenfalls ab wie "Schmitts Katze".


    Aber in dem Punkt sind wir einig: Alle die wir hier erwähnen - :angel: ganz grosse Interpretationen !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Für mich, lieber Wolfgang, bietet die Betrachtung der Spielzeiten, wertvolle Einblicke in die temprorale Werkauffassung der Dirigenten. Ich habe damals, als ich noch mit Swjatoslaw in einem anderen Forum unterwegs war, damit begonnen, und zwar bei Bruckner.
    Und bei Karajan kam dabei zweierlei Erstaunliches zu Tage.
    Zum Einen nimmt er den Kopfsatz in seiner ersten GA 1962 am schnellsten, was ich hier am Beispiel der Ausdehnung der Exposition (2:02) darstelle, gefolgt von der DVD 1971 (2:05), dann der Aufnahme von 1977 (2:08) und letztlich der von 1984 (2:11).
    Zum Anderen hat Karajan ausgerechnet in seiner ersten und in seiner letzten Aufnahme die Exposition wiederholt, in den beiden 70er Aufnahmen nicht. Warum, das wird wohl ewig sein Geheimnis bleiben.
    Interessanterweise nimmt er auch das Andante in der ersten (5:50) und zweite Aufnahme (5:54) etwas schneller als in der dritten (6:04) und in der letzten (6:24). Im Menuett ist er in den beiden mittleren Aufnahmen schneller (3:34, 3:35) als in der ersten und letzten (3:56, 3:56), aber in den beiden jeweils gleich schnell. Ebenso verhält es sich mit dem Finale. Auch dort ist er in den beiden mittleren Aufnahmen signifikant schneller als in der ersten und letzten.
    Aber wei dem auch sei, alle vier Aufnahmen sind mitreißend musiziert.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Ich glaube nicht, dass man einen Unterschied von 3 sec. auf 2 min oder 5 sec. auf 5 min, also im Bereich von ca. 2% Schwankung, hörend wirklich wahrnimmt...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Beethoven, Symphonie Nr. 1 C-dur op. 21
    Berliner Philharmoniker
    Dirigent: Claudio Abbado
    AD: Februar 2001
    Spielzeiten: 8:56-7:32-4:30-5:28 -- 26:26 min.;


    Claudio Abbado hat sein Orchester für diese Aufnahme in Kammerorchester-Stärke besetzt, 3 Kontrabässe, 4 Celli, verminderte Geigen und Bratschen zweifaches Holz und Blech, Pauken. Diese Besetzung, etwa vergleichbar mit der der Kammerphilharmonie aus Bremen, geht mit ähnlichem Engagement und mit ähnlicher Kraft zu Werke.
    Temporal liegt Abbado in etwa zwischen Gielen und Karajan, auch wenn es nicht danach aussieht. Aber Abbado lässt als Einziger im Menuett nach dem Trio das komplette Menuett noch einmal spielen, während Gielen und Karajan nur eine verkürzte Reprise spielen lassen. So ist ihr Menuett ein dreiviertel Minute kürzer.
    Abbado lässt konsequent alle Wiederholungen spielen, lässt die Musik atmen, ohne ihr den Schwung zu nehmen. Seine Interpretation hat mir einen Fluss, der kaum noch zu steigern scheint.
    Ähnlich wie Karajan betont er die Steigerungen in den Codas des Kopfsatzes und des Finales vielleicht noch mehr als Gielen, wozu er auch dem ausgezeichneten Solopaukisten Wieland Welzel freie Hand lässt. Alle Instrumentengruppen geben ihr Bestes, und das ist bei den Berliner Philharmonikern immer eine ganze Menge. Man merkt schon bei dieser Ersten, warum dieser Zyklus allerorten begeistert gefeiert wurde, als erstes auch vom römischen Publikum.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Johannes Roehl: Ich glaube nicht, dass mein ainen Unterschied von 3 sec auf 2 min oder 5 sec. auf 5 min, alos im Bereich von ca. 2% Schwankung, hörend wirklich wahrnimmt....

    Da gebe ich dir Recht, lieber Johannes, was die Expositionen Karajans betrifft, aber schon, was beispielsweise das erste und letzte Andante betrifft, die 34 Sekunden auseinander liegen oder die beiden kürzeren Menuette, die 21 bzw. 22 Sekunden kürzer sind als die beiden längeren. Das sind dann jeweils rund 10%. Das höre ich schon.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven: Symphonie Nr. 1 C-dur op. 21
    Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
    Dirigent: Mariss Jansons
    AD: Tokyo 2012
    Spielzeiten: 8:16-


    Mariss Jansons hat natürlich das Rad nicht neu erfunden und liefert auch keine völlig neue Sicht auf Beethovens Symphonien. Aber im Kopfsatz der Ersten fällt immerhin auf, dass er dem besetzungsmäßig reduzierten Orchester (4 KB, 6 C, schlanker Geigenapparat, zweifaches Holz und Blech) einen Ton von geradezu Mozartinischer Leichtigkeit entlockt und dass Bläser und Streicher doch insgesamt ausgewogen erscheinen. Die Durchhörbarkeit ist ausgezeichnet, und ein „Aha“-Erlebnis hatte ich außerdem. Auch Mariss Jansons hat sich, zumindest hier bei der Ersten, bei den Berliner Philharmonikern den Solo-Paukisten ausgeliehen, Rainer Seegers, der ja nicht zu Unrecht als einer der besten Paukisten weit und breit gilt.
    Noch eins ist mir aufgefallen, ohne, dass ich jetzt Zeiten verglichen hätte. Jansons nimmt auch das einleitende Adagio molto nicht etwa erdenschwer, sondern etwas leichter und auch schneller. Bei Gelegenheit werde ich das noch mit anderen Aufnahmen vergleichen. Es passt jedenfalls gut zum Allegro con brio.


    Auch das Andante ist leicht, anmutig und von kristallinem Klang. Den federnden Rhythmus unterstützt Jansons noch dadurch, dass er die Taktenden immer zum Schweben bringt. Das ist kein Marschrhythmus, sondern das swingt, auch wenn die Tutti mal ihre Stimme erheben.


    Im Menuett, das in seinem rasanten Zuschnitt schon bald an ein Scherzo gemahnt, geht es auch hier schon ganz anders zur Sache, unterstützt von den kühnen Läufen des fabelhaften Paukisten Rainer Seegers. Aber auch hier blitzt immer wieder die Mozartinische Leichtigkeit auf, die großen dynamischen Kontraste zwischen Pianissimo und Fortissimo. Mit der beschaulichen Ruhe aus dem zweiten Satz ist es vorbei. Großartig musiziert!


    Das Finale, abermals durch ein eher zügiges Adagio eingeleitet, erweist sich dann als würdiger Höhepunkt dieser Symphonie, auch in dieser Aufnahme. Das ist schon ganz echter Beethoven. Wie engagiert und mit wie viel Schwung gehen doch die Musiker aus München zu Werke, auch hier wieder angetrieben von ihrem Chefdirigenten. Dem Orchester merkt man es an, dass es zum Zeitpunkt der Aufnahme schon im zehnten Jahr mit dem Dirigenten zusammenarbeitet. Da herrscht großes gegenseitiges Vertrauen und eine große Sicherheit sowie ein sehr hohes künstlerisches Niveau. Auch im Finale, in dem sich eigentlich alle Instrumentengruppen gleichermaßen hervortun, merkt man, welch einen großartigen Solopaukiten sie sich da ausgeliehen haben. Nun stehen die Berliner Philharmoniker ja dann nicht blank dar, denn sie haben noch einen großartigen zweiten Mann an den Pauken, der z. B. de Aufnahmeserie in St. Cecilia mit Claudio Abbado bestritten hat.
    Beim Schleswig Holstein Musikfestival in Lübeck (1999) war Rainer Seegers übrigens auch schon mal vertreten, zusammen mit dem NDR-Sinfonie-Orchester unter Günter Wand.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Liebe Forianer,


    ein neuer Beethoven-Sinfonien-Zyklus ist im Entstehen. Deren ersten beiden Sinfonien lassen aufhorchen!



    (Mitschnitte in den Konzerträumen der Wiener Erstaufführungen - Landhaussaal des Palais Niederösterreich Wien)


    Künstler: Wiener Akademie, Martin Haselböck
    Label: Alpha, DDD, 2014


    Bei jpc heißt es: "Gesamtaufnahmen der Beethoven-Sinfonien auf historischen Instrumenten gibt es mittlerweile zu Hauf. Für ihre Einspielung gingen Martin Haselböck und die Wiener Akademie jedoch noch einen Schritt weiter, denn sie haben die Werke jeweils an den Wiener Stätten ihrer Uraufführung bzw. ihrer Aufführungen zu Lebzeiten Beethovens eingespielt und die Besetzungen entsprechen in Größe und Instrumentarium jenen der Zeit des Komponisten. Zudem waren die Tontechniker bemüht, die klangliche Besonderheit jedes einzelnen Raumes wiederzugeben. Und so erklingen die Sinfonien Nr. 1 und 2 hier wieder in der weichen Fülle des barocken Landhaussaales."


    :hello: LT

  • Passend zur Diskussion um Schuberts erste Sinfonie , wo unter andem die Frage "Meisterwerke - ja oder nein" diskutiert wurde, setze ich auch diesen Thread über Beethovens Sinfonie Nr 1 fort. Ich eröffne hier bewusst keinen neuen Thread, der zwar unsere Aktivitäts-Statistik aufmöbeln könnte, aber vermutlich das ohnehin schon riesige Forum noch unübersichtlicher machen könnte. Ich lade hiermit ein sich an diesem Thread zu beteiligen ohne darauf zu achten ob irgendwer vor 5 oder sechs Jahren eine Aufnahme bereits gelobt oder verrissen hat. Jeder entscheidet allein für sich wo er in den Thread einsteigen will, ob er sich mühsam (oder mit Vergnügen?) durch 142 Beiträge - entstanden innerhalb eines Jahrzehnts - durchliest bevor er mitmacht, oder ob er frisch und frank einsteigt. Unterthema könnte sein, inwieweit ihr die erste Sinfonie Beethoven als vollwertiges Meisterwerk betrachtet. Oder als von Mozart und Haydn inspiriertes (epigonales ??) Werk.
    Natürlich sind die Voraussetzungen bei Beethoven völlig andere als bei Schubert. Letztlich war er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits 31 Jahre alt....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Beethovens Sinfonie Nr 1 - bereits ein Meisterwerk ??


    :angel: Das ist für mich gar keine Frage oder Überlegung wert, das hier ein TOP-Meisterwerk vorliegt.
    Nebenbei sei angemerkt wieviele hunderte Aufnahmen und unzählige Aufführungszahlen davon existieren und somit klar ist, wie lohnend das Werk im Prinzip von allen Klassikfreunden angesehen wird.
    Natürlich ist die Erste durch Haydn inspitiert, aber mit welch eigenständiger Tonsprache hat Beethoven dort schon komponiert.


    Persönlich lege ich Alfred seine Neuanschaffung zum Hören ans Herz = die Szell-Aufnahme der Ersten (SONY) ist bereits eine ganz grosse Beethoven-Aufnahme.
    Vor mehr als 10Jahren hatte ich mir alle 9Sinfonien (aus preisgründen, da die GA sehr teuer war) auf den SONY-Einzel-CD´s aus der Essential Classics - Serie gekauft.



    SONY, 1962/1964/1967, ADD


    Ich sehe aber gerade in "Heute gehört" - Alfred ist bereits selber bweriets schon voll begeistert von Szell´s Aufnahme der Sinfonie Nr.1:

    Zitat

    Ob diese an der langen Hörabstinenz, meinem Alter oder der genialen Interpretation Szells und seinem Orchester liegt - das weiß ich nicht - und halte es auch nicht für bedeutsam....Mehr dazu demnächst im soeben wieder aktivierten Spezialthread über Beethovens Erste.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Beethoven war 28, als er das Werk begonnen hat (oder evtl. erst 26, es gibt wohl Skizzen, die mit dem Finale in Verbindung gebracht werden, von 1797) und 29, als er die Premiere geleitet hat. Es besteht hier ja eine ganz andere Situation als im Falle Schubert. Schubert hat schon als Teenager einfach draufloskomponiert, die frühen Streichquartette wurden wohl teils als Hausmusik gespielt, die frühen Sinfonien (wenn überhaupt) von Liebhaberorchestern ebenfalls nicht in großen öffentlichen Konzerten.


    Dagegen hat Beethoven sehr lange mit seiner Sinfonie gewartet, sie war gleichzeitig ein Hauptprogrammpunkt seiner ersten eigenen "Akademie", mit der er sich nun hauptsächlich als Komponist, nicht mehr nur als Klaviervirtuose präsentiert hat. Die Sinfonie scheint beinahe darauf kalkuliert zu sein, sowohl zu demonstrieren, dass er den Mozart/Haydn-Stil beherrscht als auch die eigene Originalität herauszustellen.


    Und obwohl daher diese erste Sinfonie, verglichen mit dem, was Beethoven schon in seinen offiziellen Debutwerken op.1 und op.2 (man vgl. mal die Dimensionen dieser Werke mit Sonaten und Trios von Haydn oder Mozart, Beethovens 1. Sinfonie ist dagegen etwas kürzer als Haydns und Mozarts späte) oder den folgenden opp.10,12,13 einige Jahre vorher präsentiert hatte, relativ knapp, humorvoll und vielleicht sogar konservativ gehalten ist, ist sie m.E. doch ein anderes Kaliber als die frühen Schubert-Sinfonien.


    Am deutlichsten sticht ins Auge, dass Beethoven hier mit einem kurzen, aber voll ausgeprägten "beethovenschen" Scherzo eine epochale Neuerung bringt. Der Satz ist zwar als Menuetto bezeichnet, aber Tempoangabe (all. molto e vivace), Rhythmus, Phrasierung und Gestus entsprechen genau einem Scherzo (deutlicher sogar als in der 2. Sinfonie). Ansonsten bezieht er sich teils deutlich auf Haydn und Mozart, wobei höchstens für wenige Passagen (im Finale und im andante, aber auch die enthalten typisches) Verwechslungsgefahr bestünde. Sehr charakteristisch sind zB schon die (für den Rest der Sätze etwas zu bombastischen) Codas in den Ecksätzen.
    Ich will die frühen Schubert-Sinfonien nicht abwerten, an Charme und Melodik sind sie Beethovens Debut vielleicht sogar überlegen. Aber "technisch", in der Detailarbeit, Motivverarbeitung, Integration, Konzentration usw. ist Beethovens 1. m.E. tatsächlich eine andere Hausnummer. Ich muss zwar zugeben, dass ich mir keine der frühen Schubert-Sinfonien jemals so genau angeschaut habe wie Beethovens 1., aber ich weiß noch, wie ich als Teenager diese 1. Sinfonie auch eher vernachlässigt und unterschätzt hatte, bis ich dann mit einer kommentierten Partitur gemerkt habe, was es da alles zu entdecken gibt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wäre Beethoven im Alter von Mozart gestorben, hätten wir nur die ersten drei Symphonien. Ich glaube, dass er trotzdem ein berühmter Komponist wäre.


    Die 1. Symphonie ist in der Tat mehr als ein Abklatsch von Mozart oder Haydn. Schon die ersten Takte deuten in eine neue Zeit. Es ist die einzige Beethoven-Symphonie, die (gerade noch) im 18. Jahrhundert entstand, aber bereits nach dem 19. klingt.


    Anders als die 2. Symphonie, die von einigen Dirigenten, darunter dem wirkungsmächtigen Furtwängler, als kein erkennbarer Fortschritt gegenüber der 1. selten aufgeführt wurde (sicherlich zu Unrecht), hat die Erste wohl zudem den Bonus des Erstlings, dem man manches nachsieht. Wohl kaum eine 1. Symphonie eines Komponisten der Klassik wurde so oft aufgeführt und eingespielt wie jene Beethovens.


    P.S. Die in Beitrag 142 genannte Aufnahme der Wiener Akademie unter Martin Haselböck ist übrigens vorzüglich. Mit historischen Instrumenten am historischen Uraufführungsort. Mit die beste HIP-Aufnahme, die ich jemals hörte.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich würde - nachdem ich in den letzten Tagen die Szell aufnahme mehrfach gehört habe, vorsichtig die Behauptuing aufstellen, daß hier weniger hörbare Einflüsse von Haydn und Mozart existieren, als eigenständiger Beethoven - vielleicht noch nicht in voller Konsequenz ausgearbeitet. Dennoch ein Werk das mir immer wieder Freude bereitet. Ich werde in den nächsten Tagen einige Vergleichsaufnahmen hören (um jetzt ein Statment abzugeben habe ich sie schon zu lange nicht gehört) uind dann eventuell ein oder die andere Bemerkung dazu hier schreiben, wenn ich es für sinnvoll halte...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bevor ich hier etwas schreiben wollte, was ich, so glaube ich, in diesem Thread seit Anfang 2011 schon zur Genüge getan habe, habe ich erst einmal die Erste in der von meinem Tamino-Bruder im Geiste Wolfgang (teleton), die ich auch seit etlichen Jahren in meiner Sammlung habe, noch einmal durchgehört, um nicht in den blauen Dunst hinein zu reden.
    Wenn man diese Aufnahme hört, muss man von dem Gedanken Abschied nehmen, dass George Szell "wie ein TGV" (Orignialton Liebestraum, allerdings bezogen auf Paavo Järvi) durch die Partitur gebraust wär. Er hat allerdings, und das sage ich, ohne eine einzige komplette Partitur von irgendeiner Beethoven-Sinfonie zu haben, nach meiner Ansicht und bestätigt durch viele Hörvergleiche, die Sinfonie genauso dirigiert, wie sie Beethoven sich vorgestellt hat. All das, was Beethoven auch schon in den vor dieser Sinfonie erschienenen Sonaten auch schon an Neuem und "Unerhörten" ausgedrückt und seinem staunenden und teilweise ratlosen Publikum offeriert hat, ist auch in dieser ersten Sinfonie zu finden. Wenn z. B. über dem dritten Satz die Satzbezeichnung Menuetto steht, so ist er doch in Wirklichkeit ein Scherzo, wie Thema, Rhythmus, Dynamik und Tempo sowie Orchestrierung verraten.

    Zitat

    teleton: Persönlich lege ich Alfred seine Neuanschaffung zum Hören ans Herz = die Szell-Aufnahme der Ersten (SONY) ist bereits eine ganz große Beethoven-Aufnahme.
    Vor mehr als 10Jahren hatte ich mir alle 9Sinfonien (aus preisgründen, da die GA sehr teuer war) auf den SONY-Einzel-CD´s aus der Essential Classics - Serie gekauft.


    Letztlich beginnt das Neue, Unerhörte, Meisterhafte schon mit den ersten Tönen des Kopfsatzes:
    Wer vor Beethoven und wer nach ihm hat jemals eine Sinfonie mit einer Septim begonnen?
    Wenn man unter Beethovens Zeitgenossen nachschaut und Mozart und Schubert dazu zählt, dann kann man allenfalls die Mozart-Sinfonien ab der Nr. 33 B-dur KV 319 zu den absoluten Meisterwerken zählen und von Schubert die Nr. 4 c-moll D.417 bis Nr. 8 C-dur D.944, wobei ich Schuberts Fragmente ausnehmen möchte.
    Doch keine von all denen hatte eine derart revolutionäre Eröffnung wie die Beethovensche Nr. 1.
    Wenn man objektiv zuschaut, dann gibt es gar nicht so viele Komponisten, deren sämtliche Sinfonien als Meisterwerke gelten, ohne den Vergleich mit ihren Zeitgenossen bemühen zu müssen. Dann bleiben m. E. nur Beethoven, Mendelssohn, Schumann, Brahms, Bruckner und Mahler übrig. Bei Mendelssohn und Schumann werden schon einige mahnend den Finger erheben.
    Wenn man den Vergleich mit den Zeitgenossen bemüht, dann muss man Mozart und Haydn dazurechnen, eventuell Tschaikowsky und Schostakowitsch. Mehr fallen mir im Moment nicht ein.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wäre Beethoven im Alter von Mozart gestorben, hätten wir nur die ersten drei Symphonien. Ich glaube, dass er trotzdem ein berühmter Komponist wäre.


    Ja, allerdings mehr wegen der Eroica und besonders auch der zahlreichen Klavier- und Kammermusik. Wenn man grob Beethovens Werk bis op.57 (Appassionata) nimmt, reicht das jedenfalls für das Pantheon. Auch mit diesem reduzierten Oeuvre wäre Beethoven m.E. immer noch ein bedeutenderer Komponist als Mendelssohn, Liszt oder Dvorak.


    Zitat


    Anders als die 2. Symphonie, die von einigen Dirigenten, darunter dem wirkungsmächtigen Furtwängler, als kein erkennbarer Fortschritt gegenüber der 1. selten aufgeführt wurde (sicherlich zu Unrecht).


    Ja, m.E. total zu unrecht. Ich habe das nie verstanden, wobei Furtwängler nicht der einzige war. Gleichwohl dominiert die Haltung vermutlich bei Kommentatoren und Interpreten, die, wie Furtwängler, einem dezidiert romantischen Beethovenbild anhängen; mit der 8. konnte Furtwängler ja auch nichts anfangen.
    Obwohl auch die zweite noch relativ "vorsichtig" gegenüber der frühen Klaviermusik erscheint, ist sie weit weniger "zurückgenommen" als die 1. Die 2. hat z.B. einen "richtigen" langsamen Satz (wenn auch "schwärmerisch", nicht "tragisch), während im beinahe scherzando-artige andante in der 1. zeigt, wie stark auf die "romantischen" Züge, die sich schon in grandiosen langsamen Sätzen von Klaviersonaten (oder den beiden Klavierkonzerten oder dem Quartett op.18/1) zeigten, verzichtet wird.

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    (Bob Dylan)

  • Irgendwo im Forum habe ich dieser Tage eine Meinung über die Neuaufnahme der neun Symphonien Beethovens der Berliner Philhamroniker unter Sir Simon Rattle gelesen, ich weiß nur nicht mehr wo. Nun ist mittlerweile die GA bei mir eingetroffen, und ich habe die ersten beiden Symphonien gehrört, Nr. 1 und Nr. 3. Nur soviel vorab, der Tamino, der den Beitrag geschrieben hatte, war im Ganzen von den Aufnahmen durchaus angetan, nur von der Eroica nicht. Dazu werde ich mich noch dezidiert äußern.
    Doch zunächst seien einmal ganz allgemeine Bemerkungen vorausgeschickt. Rattle orientiert sich in dieser Gesamtaufnahme doch an den historischen Besetzungsstärken, was an der dynamischen Wucht des Orchesters nichts ändert, wohl aber an der klanglichen Transparenz und an der gesteigerten Konzentration des Orchesters.
    Das Ergebnis zunächst in der ersten Symphonie ist eine rhythmisch wie dynamisch grandiose Aufführung, in der jeder einzelne Musikant bis in die Haarspitzen konzentriert war und dazu beitrug, dass das Orchester eine Aufführung ablieferte, die in diesem Jahrtausend, wenn überhaupt, kaum zu toppen gewesen wäre.
    Für mich war es sehr tröstlich festzustellen, dass weder die Einspielung Chaillys noch diejenige Thielemanns die Aufführung aus der Berliner Philharmonie übertreffen konnte, wobei Rattle temporal sich etwa in der Mitte zwischen dem schnelleren Chailly und dem langsameren Thielemann befand. Das gilt nicht nur für die hier in Rede stehende erste Sinfonie, sondern auch für die Eroica, über die ich mich noch äußern werde.
    Weitere Aufnahmen aus diesem Jahrtausend, wie die der Deutschen Kammerphilharminie Bremen unter Järvi sehe ich durchaus auf dem gleichen Niveau, die aus 2001 von Abbado in St. . Cecilia auch, die von Jansons 2012 in Tokio kanpp dahinter.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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