Musik des 20./21. Jahrhunderts - gerade gehört - kurz kommentiert

  • Kai Nieminen (1953-) ist ein finnischer Gitarrist und Komponist. Dies ist meine erste Begegnung mit ihm. Sein zweisätziges Flötenkonzert entstand im Jahre 2001. Man könnte es als nordisches Gegenstück zu Debussy's "Preludes a l'apres-midi d'un faune" hören. Finnischer Neo-Impressionismus sozusagen. Jedenfalls hätte das Stück wäre es vor 100 Jahren komponiert worden, keinen Skandal mehr ausgelöst. Das Stück ist weitgehend tonal und Bezüge zur Musik von Rautavaara und Sallinen sind offensichtlich. Ob der Einfallsreichtum über die 25 Minuten dauerhaft trägt, müssen weitere Hörsitzungen ergeben.
    Unklar auch, ob mit Palomar das legendäre Observatorium oder ein Touristenziel in Venezuela gemeint ist. Der Beiname "Enchanted Gardens" spricht eher für letzteres.

  • Kara Karayev war ein sowjetischer Komponist der 2. Reihe, dessen Musik der von Khatchathurian, Kabalevsky oder Eshpai nicht unähnlich ist. Die Ballettsuite "The Path of Thunder" klingt mit ihren kurzen Sätzen eher wie eine Filmmusik, die das beigegebene Stück "Don Quichotte" auch ist. Nicht essentielles, aber ganz nett. Auf meiner alten Melodiya LP dirigiert Svetlanov die Ballettsuite und er ist natürlich auch der richtige Mann dafür. Greifbar ist derzeit eine Naxos CD, die ich aber nicht kenne.


    [timg]http://i.ebayimg.com/t/KARA-KARAYEV-EVGENY-SVETLANOV-The-Path-of-Thunder-Suite-No-3-MELODIYA-LP-C-0339-/00/s/MTU5N1gxNjAw/z/5zAAAOSwqu9VHHCR/$_35.JPG[/timg]


  • Mir gefällt's auch, es ist das erste Werk von Tippett, das ich kennengelernt habe, und ich habe es oft gehört.

  • Hallo zusammen,



    Edmund Rubbra (1901-1986)
    Streichquartette Nr.1-4

    + Lyrischer Satz für Streichquartett & Klavier op. 24; Mediationen über eine byzantinische Hymne "O Quando in Cruce" op. 117a; Impvorisation für Cello op. 124; Sonate für Cello & Klavier op. 60


    Alastair Blayden, Pierre Doumenge, Michael Dussek, Dante Quartet
    Dutton, DDD, 2010 2 CDs 


    Man findet kaum etwas zu Rubbras Kammermusik, im Tamino-Forum. Allein Alfred hatte hier mal etwas zu den Quartetten geschrieben. Vielleicht kann ich daran zumindest ein wenig ändern...


    Rubbra schrieb vier Streichquartette, die von der zeitlichen Entstehung her recht weit auseinanderliegen. Die Quartette 1 und 3 sind dreisätzig, dass 2. Quartett hat vier, das 4. - und letzte - Quartett hat 2 Sätze.


    Das erste Quartett begann der Schüler von Gustav Holst im Jahre 1934 (dem Todesjahr von Holst). Es ist nicht seinem Lehrer gewidmet, sondern vielmehr Ralph Vaughn Williams, der Rubbra bei der Revision des Werkes unterstützte bzw. ihn diese Richtung "schubste". Die überarbeitete Version des Quartetts wurde 1946 fertiggestellt und im selben Jahr erfolgt die Uraufführung durch das Blech Quartett in der Wigmore Hall.
    Nr. 2 aus dem Jahre 1951 ist dem wahrscheinlich größten Komponisten von Streichquartetten überhaupt gewidmet, Ludwig van Beethoven. Es wurde 1952 durch das Griller Quartett aus der Taufe gehoben.
    Das 3. Streichquartett war eine Auftragsarbeit für das Allegri Quartett und wurde im Jahre 1963 vollendet. Es wurde der Öffentlichkeit 1964 im Rahmen des Cheltenham Festivals vorgestellt (vermutlich eben durch das beauftragende Quartett).
    Streichquartett Nr. 4 schließlich konnte 1977 fertiggestellt werden. Aufgrund seiner Zweisätzigkeit sowie der eher kürzeren Dauer der beiden Sätze ist es Rubbras wohl "kompaktester" Gattungsbeitrag. Widmungsträger war hier der Komponist Robert Simpson.


    Wo Rubbras Vorbilder liegen mögen, ist nicht so einfach auszumachen. Er orientiert sich jedenfalls nicht, wie auf der Insel recht verbreitet, an volkstümlichem Material. Seine Quartette bewegen sich irgendwo zwischen Traditionalismus und Moderne. Wer primär wohlige Romantik sucht, wird bei Rubbra nur bedingt fündig. Wirklich "schöne" Stellen existieren in den Kompositionen zwar durchaus, nur dominieren sie eben nicht. Vielmehr erscheinen die Quartette überwiegend nachdenklich, stellenweise nervös-getrieben, manchmal auch pessimistisch. Interessant, gut gemacht, anhör- und genießbar sowie abwechslungsreich sind sie in meinen Ohren aber allemal! Es kommt - wie so oft - eben darauf an, was man sucht. Freunde einer gemäßigten Moderne werden bei Rubbra jedenfalls gut bedient. Wer mit den Gattungsbeiträgen von Britten oder Schostakowitsch keine Schwierigkeiten hat, sollte zumindest mal ein Ohr riskieren.


    Das hervorragende Dante Quartet erweist sich als gleichsam feinsinniger, wie zupackender Anwalt dieser Musik. Das Klangbild ist klar und direkt, vielleicht etwas zu trocken.
    JPC listet mit der Einspielung durch das auf britische Werke spezialisierte Maggini Quartet lediglich eine Alternativaufnahme (Naxos). Vermutlich eine gleichwertige Wahl:




    Viele Grüße
    Frank

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  • Der tschechische Komponist und Dirigent Iša Krejčí (1904-1968) ist weitgehend vergessen und auch auf CD praktisch kaum existent. Eines der wenigen verfügbaren Stücke ist seine 1956/57 entstandene 2. von 4 Symphonien. Während viele Symphonien dieser Zeit "doom and gloom" ausdrücken, ist diese Symphonie eine eher frech-fröhliche Veranstaltung. Stilistisch knüpft sie an den Prokofieff der Pariser Jahre und Stravinsky's Petrushka an. Das knapp 25-minütige Werk hat die typischen vier Sätze, am besten gefällt mir der dritte langsame Satz. Den Finalsatz hat er bei irgendeinem Russen der Jahrhundertwende "geklaut". Mit dieser Symphonie, die eher wie eine Ballett- oder (Zeichentrick)-Filmmusik klingt, ist er sicher bei den Hütern des sozialistischen Realismus nicht angeeckt.
    Die tschechische Philharmonie und ihr damaliger Chefdirigent Karel Ancerl sind natürlich Idealinterpreten für diese Art von Musik und Supraphon war 1964 im Gegensatz zum großen Bruder technisch auf dem westlichen Stand.

  • Die CD habe ich mir vor einigen Jahren zugelegt. In einer hauseigenen Einspielung des BR kenne ich die Serenade allerdings schon wesentlich länger. Sie wurde früher öfters gespielt und ist auch ausgesprochen pfiffig instrumentiert sowie im Material eingängig, ohne banal zu klingen.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo da draußen,



    Francis Chagrin (1905-1972)
    Symphonien Nr.1 & 2


    BBC Symphony Orchestra, Martyn Brabbins
    Naxos, DDD, 2014


    Francis Chagrin war ein in England wirkender Komponist rumänischer Herkunft, dessen Betätigungsfeld vor allem im Bereich der Filmmusik lag. Allerdings hat er auch auf diesem Feld keine Scores wirklich großer Filme hinterlassen. Einen deutschen Wiki-Eintrag gibt es (noch) nicht. JPC listet zwei CDs mit seiner Musik, wobei eine die hier gezeigte Naxos-CD ist (Produktion aus 2016 mit Weltersteinspielungen vom November 2014). So weit, so desolat. :D
    Beide Sinfonien sind klassisch viersätzig aufgebaut und weisen in der vorliegenden Aufnahme eine identische Spieldauer von 28:01 auf. Die Musik klingt vertraut-modern. Manches mag an William Walton erinnern. Jedenfalls habe ich den Eindruck, "alles schon einmal gehört" zu haben. Beide Werke sind weitgehend tonal komponiert und folgen den bekannten Schemata einer kontrast- wie farbenreichen Moderne. Auch Freunde massiveren Schlagwerkeinsatzes kommen auf ihre Kosten.
    Unmittelbares zur 2. Sinfonie kann erfahren, wer sie mit dem Bournemouth Symphony Orchestra unter Leitung des Komponisten auf YouTube hört.
    Zur sehr gut klingenden Aufnahme mit dem BBC Symphony Orchestra unter Martyn Brabbins lässt sich im Netz ein bisschen was finden: 1, 2, 3. Besprechungen bei Naxos.


    Viele Grüße
    Frank

  • Ich habe verteilt über die letzten 25 Jahren wohl jede der ersten fünf Symphonien von Sir Peter einmal gehört und keine hat mich angesprochen. Mir waren sie alle zu dick orchestriert, zu düster, zu undurchdringlich. Vor einigen Wochen begegnete mir dann seine letzte - die 10. - die nun auch sein Schwanengesang geworden ist, denn vor einigen Wochen ist Sir Peter verstorben. Die 10. gefiel mir und so stellte sich die Frage, ab wann Sir Peter etwas zugänglichere Symphonien zu schreiben begonnen hat. Jetzt weiss ich es... seit der 6. Dieses Werk entstand 1996 und wurde auch gleich vom Komponisten eingespielt. Ich höre es als späten Nachklang zu den Werken von Gustav Mahler. Das 50-minütige, dreisätzige Werk ist keineswegs leichte Kost, aber ich kann nachvollziehen, was der Komponist da schreibt und viele Passagen beeindrucken mich. Das weckt Neugier auf die Symphonien 7-9, die alle wohl noch auf eine Einspielung warten. Ich hoffe, Naxos oder ein anderes Label finden jemand für diese Aufgabe. Die erste Symphonie hat immerhin auch Simon Rattle eingespielt....


    Dass auf der vorliegenden CD auch die beliebten "Orkney Wedding" drauf sind, ist kein Nachteil.

  • Hallo da draußen,



    Alfredo Casella (1883-1947)
    Sonaten für Cello & Klavier Nr. 1 & 2; Notturno; Tarantella


    Andrea Favalessa, Maria Semeraro
    Brilliant, DDD, 2013


    Schaut man auf das vorhandene Angebot der Aufnahmen der Werke für Cello und Klavier von Alfredo Casella, so stellt man schnell fest, dass es neben gezeigter Brilliant Classics-CD kaum Produktionen gibt. Eine Aufnahme des ital. "Dynamic"-Labels mit dem Duo Pepicelli ist eventuell noch erwähnenswert und wurde hier im Forum bereits angeführt.
    Die dünne Katalogsituation ist angesichts der lebendigen, lohnenden Musik wirklich schade. Umso schöner, dass Brilliant diese Kompositionen nun preisgünstig zugänglich macht. Neben der Wiederverwertung von Material anderer Label hat man als weiteres Standbein vor einiger Zeit damit begonnen, CDs mit Nischenrepertoire in Italien aufzunehmen (mit jungen, noch unbekannten/unverbrauchten Musikern). Diese Scheibe ist dafür ein exemplarisch-gelungenes Beispiel. Engagiert und mit vollem Ton setzen sich der Cellist Andrea Favalessa und die Pianistin Maria Semeraro für Casellas Musik ein. Auch die Tontechnik wußte bei dieser Einspielung zu überzeugen.
    Da der Text IMHO gut passt, zitiere ich aus der Brilliant Classics-Produktinfo: "Die vorliegende CD des Cellisten Andrea Favalessa und der Pianistin Maria Semeraro fasst Casellas vollständige Kammermusik für Klavier und Cello zusammen. Sie besteht im Kern aus den beiden Cellosonaten in c-Moll op. 8 (aus dem Jahre 1906) und C-Dur op. 45 (1926), die durch zwei kurze Bearbeitungen, der Tarantella und dem „Notturno“ (beide 1929), ergänzt werden.
    Die Werke zeichnen sich durch klare Strukturen, weitläufige Melodiebögen, akzentuierte Rhythmen und eine insgesamt starke Vitalität aus. Die beiden Musiker treten seit geraumer Zeit gemeinsam auf und konnten schon einige internationale Kammermusik-Wettbewerbe für sich entscheiden."

    Die erste Sonate op. 8 wurde 1906/07 geschrieben und ist Pablo Casals gewidmet. Das (ausschließlich englischsprachige) Beiheft will Einflüsse seitens Mahler, Debussy, Fauré und Strauss ausgemacht haben.
    Die zweite Sonate op. 45 lässt neoklassizistische Einflüsse erkennen. Beide Werke erscheinen mir - trotz ihrer Bezüge - doch sehr eigenständig. IMHO eine Entdeckung und eine Empfehlung! :)


    Viele Grüße
    Frank

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  • Hallo zusammen,



    Mieczyslaw Weinberg (1919-1996)
    Violinkonzert op.67
    + Britten: Violinkonzert op. 15


    Linus Roth, Deutsches Sinfonie-Orchester Berlin, Mikhel Kütson
    Challenge, DDD, 2013
    SACD; Tonformat: stereo/multichannel (Hybrid)


    Anknüpfend zu diesem Beitrag in einem den Konzerten Weinbers gewidmeten Thread, in welchem Lutz das Violinkonzert op. 67 beschrieb, möchte ich auf eine weitere Aufnahme von Weinbergs Violinkonzert op. 67 hinweisen, die seit einiger Zeit mit dem der jüngeren Generation entstammenden Geiger Linus Roth vorliegt. Für Roth scheint Weinberg eine Herzensangelegenheit zu sein, hat er doch bereits seine sämtlichen Werke für Violine und Klavier mit dem Pianisten José Gallardo (ebenso für Challenge Classics) eingespielt, neben dem gleichfalls vorliegenden Concertino op. 42.
    Roth meistert die Komposition ganz hervorragend und transportiert ihre Stimmungen auf ideale Art und Weise. Hinzu kommt die exzellente Klangtechnik dieser Produktion. Die Kopplung mit dem häufiger eingespielt Britten-Konzert erscheint mir sehr passend, denn die Werken weisen gerade im Bereich des Atmosphärischen durchaus parallelen auf.
    Lutz in dem oben verlinkten Beitrag enthaltene Einschätzung, das Werk sei kein großer Wurf, mag ich nicht teilen, denn mich hat op. 67 auf Anhieb begeistert!


    Viele Grüße
    Frank

  • Magnus Lindberg ist nach Jahren des Experimentierens bei einem musikalischen Stil angekommen, der zurück geht an den Anfang des letzten Jahrhunderts und seine Anregungen aus der Spätromantik und dem frühen Stravinsky, Debussy, Ravel, Bartok und Respighi bezieht. Dabei ist seine Musik absolut heutig. Ihm geht es weniger um die Entwicklung musikalischer Themen sondern seine Musik ist Klang pur, in meinen Ohren auch Wohlklang pur. Das 20-minütige Al largo, das bereits zum zweiten Mal eingespielt wurde, wäre mein Favorit für die Wahl des besten Orchesterstückes des 21. Jahrhunderts. Für mich ein Geniestreich. Das beigegebene Cellokonzert Nr. 2 würde ich ebenfalls als einen entsprechenden Kandidaten in seiner Kategorie ansehen. Lindberg ist für mich der bedeutendste lebende Komponist. Das ist genau die Musik, die ich heute hören will.


  • Hallo zusammen,



    Dimitri Kabalewsky (1904-1987)
    Cellokonzerte Nr.1 & 2
    + Colas Breugnon-Suite op. 24a


    Torleif Thedeen (Cello), NDR Radiophilharmonie Hannover, Eiji Oue, Adrian Prabava
    CPO, DDD, 2009


    Es mag an den Problemen im Zusammenhang mit der Schreibweise des russischen Namens liegen, dass ich keinen bereits existierenden "Hauptthread" ausfindig machen konnte, der sich mit dem Schaffen Dimitri Kabalewskys auseinandersetzt.
    Kabalewsky war ein regimetreuer Komponist und langjähriger Professor für Komposition. Er füllte eine Reihe von Funktionen und Ämtern im kulturellen und Musikleben der damaligen Sowjetunion aus. Seine Cellokonzerte sind gekennzeichnet durch tonale Kompositionsweise bei hoher Fasslichkeit, die durch klare, einfache Strukturen und eingängige Melodien gekennzeichnet sind. Kabalewsky war sicher kein Neuerer, Innovator oder jemand, der "vergrübelte" Dinge zu Papier gebracht hätte. Seine Tonsprache ist sehr klar und geradeheraus: simpel, knackig und verständlich. Dabei hat er ein Händchen für "drive" und rhythmische Gestaltung sowie einprägsame Melodien, die teilweise gleich beim ersten Anhören "greifen". Der Cello-Part erscheint in der Bewältigung hingegen alles andere als banal. Mein Eindruck ist, dass der Solist hier ganz schön gefordert wird.
    Die vorliegende Einspielung entstammt einer dankenswerten CPO-Serie, die gleichfalls die Klavierkonzerte wie die Sinfonien Kabalewskys umfasst (sämtlichst Fälle für meinen Wunschzettel). Die 2009 in Kooperation mit dem NDR in Hannover aufgenommenen Werke klingen hervorragend, mit mächtigem Durchzug in den tiefen Registern.
    In einer Rezension las ich etwas von einer gewissen Nüchternheit der Interpreten. Diesen Eindruck mag ich nicht teilen. Vielmehr geht es hier mit vollem Einsatz zur Sache und ich kann mir keine trefflichere Einspielung dieser "bodenständigen", plakativen Musik vorstellen. Ein nachdrücklicher Kauftipp und für mich eine echte Überraschung ! :hail:
    Besprechungen im Netz: klassik.com, classicstoday.com, klassik-heute.com.


    Viele Grüße
    Frank

  • Warum die acht Symphonien des englischen Komponisten William Wordsworth - der mit dem berühmten englischen Dichter gleichen Namens tatsächlich verwandt war - nicht die gleiche Anerkennung genossen haben wie die von Robert Simpson, Malcolm Arnold, William Alwyn oder Edmund Rubbra ist mir ein Rätsel. Die nach Kriegsende entstandene 45-minütige 2. Symphonie ist jedenfalls ein überaus potenter Beitrag zur Symphonik des 20. Jahrhunderts, vergleichbar mit Brittens Sinfonia da Requiem oder Prokofieffs Sechster. Kürzlich erschien eine zweite Lyrita CD mit Rundfunkmitschnitten der 1. und 5., wobei die erste leider noch in mono ist. Steht trotzdem auf der Bestellliste, man muß ja froh sein, dass es sie überhaupt gibt.

  • Joan Tower dürfte neben Jennifer Higdon die derzeit erfolgreichste amerikanische Komponistin sein. Ihr Orchesterstück Made in America wurde laut Covertext bereits in allen (!) 50 US-amerikanischen Staaten gespielt. Wer diese Grammy prämierte CD hört, den wundert der Erfolg nicht. Frau Tower schreibt in einem attraktiven Stil, den man als Weiterentwicklung der amerikanischen Symphonik des letzten Jahrhunderts unter Einbeziehung der Errungenschaften der "Immigranten" Stravinsky und Bartok hören kann. Die schlagzeuglastigen Stücke klingen jedenfalls ziemlich spektakulär und dürften als Konzert-Opener gut beim Publikum ankommen. Fazit: Orchestermusik kann sie, in den nächsten Tagen werde ich eruieren, ob sie auch Streichquartett kann.


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  • Dazu kann ich nur sagen: Das sind Juwelen moderner Kammermusik! Warum ist diese Komponistin nur so wenig bekannt? Ihr gelingt es, verschiedenste Einflüsse der Musik des 20. Jhd. zu integrieren, ohne jedoch jemals eklektisch zu wirken, sondern eine sehr eigene, höchst originelle, ungemein klare und zugleich facettenreiche, ungeheuer vielschichtige Musik zu schreiben. Das 2. Klavierquintett geht noch weiter in Richtung Abstraktion von Bewegungen und Klängen, ohne jedoch jemals "anstrengend" zu wirken. Die Klaviersonate Nr. 2 hält an Rang mit den bedeutendsten Prokofieff-Sonaten mit und ist von einer großen Kühnheit, Tiefe und auch formalen Kraft. Pianistisch stellt sie rieisige Anforderungen. Hier ist ein "ganz großer" der Pianistenzunft genau richtig am Platze, der sie wahrlich atemberaubend interpretiert: Krystian Zimerman.


    Ich kann diese außergewöhnliche Platte nur wärmstens empfehlen! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Man mag zu Khrennikov (politisch) stehen wie man will, aber seine Klavierkonzerte, die in der Tradition zwischen Prokofieff, Bartok und Schostakowitsch stehen, empfinde ich als den Hammer !
    :thumbsup: Thats my music !


    Leider ist die Melodiya-Box (mit den 3Sinfonien, KK, CC, VC) derzeit nicht gelistet.
    Die Klavierkonzerte Nr.1-4 werden dort von Khrennikov selbst und Chlaudiakov unter Swetlanow und Kitaenko mit russ.Orchstern gespielt. Die sehr gut klingenden Aufnahmen stammen aus den Jahren 1973 bis 1993.



    Aber auch die Aufnahmen auf der abgebildeten CD, die ich natürlich auch als MUSS bezeichnen würde, mit Kissin (2.KK) und Khrennikov (3.KK) sind hammermässig gut - der Diri ist hier Fedossejew:



    Brillant, 1988, ADD


    Komponiert wurden die KK:
    Klavierkonzert Nr.1 (1932/33)
    Klavierkonzert Nr.2 (1971)
    Klavierkonzert Nr.3 (1983)
    Klavierkonzert Nr.4 (1991)

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Man mag zu Khrennikov (politisch) stehen wie man will, aber seine Klavierkonzerte, die in der Tradition zwischen Prokofieff, Bartok und Schostakowitsch stehen, empfinde ich als den Hammer !
    Thats my music !


    Kenne ich noch gar nicht.

  • Hallo Lutgra,


    im April 2014 hattst Du mir im Chrennikov-Thread folgende nachvollziehbare Antwort gegeben. Von daher hast Du auch noch keine grosse Affinität zu Chrennikov entwickelt.

    Zitat

    Lieber Wolfgang
    als bekennender Schostakowitsch- und Prokofieff-Fan "darfst" Du diese Musik eigentlich gar nicht gut finden , den sein Schöpfer hat alles getan, um als verlängerter Arm von Josef Stalin den wesentlich begabteren Komponisten das Leben schwer zu machen. Aber - ich werde mir das gelegentlich auch mal anhören .
    Gruß
    lutgra


    Es ist sicher eine Sauerei, was er sich gegenüber seinen Komponistenkollegen geleistet hat. Aber lässt man diese Tatsache aussen vor und widnet sich seiner Orchestermusik, so stelle ich zumindest immer wieder fest, dass der Typ mir musikalisch voll liegt - bes. seine 4 KK, die in TOP-Aufnahmen auf den genannten russischen CD-Aufnahmen vorliegen.



    Ich höre gerde auch die Kriegsinfonie, die Sinfonie Nr.2 (1944) --- ja, auch das Werk hat was ... jedenfalls alles fern jeder Langeweile, wie so manches was bei Tamino oft angepriesen wird. Nichts tiefgehendes, wie bei Schostakowitsch, aber mit Hörspassfaktor. Besonders die aufgewühlten Sätze 3. Allegro molto und 4. Allegro marciale haben Klasse und da geht mit brio die Post ab.
    Die Sinfonien werden mit "schmackes" von Swetlanow dirigiert.


    Sinfonie Nr.2 op.9 (1944)
    1. Allegro con fuoco
    2. Adagio
    3. Allegro molto
    4. Allegro marciale
    Spieldauer ~ 34Minuten



    Man findet die Melodiya-Box mit den Aufnahmen der Sinfonien und Konzerte im oben angegeben Chrennikow-Thread (auf das Unterstrichene klicken).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Man findet die Melodiya-Box mit den Aufnahmen der Sinfonien und Konzerte im oben angegeben Chrennikow-Thread (auf das Unterstrichene klicken).


    Es gibt davon auch einiges auf youtube, das werde ich mir mal anhören.

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  • Die regelmässigen Besuche bei meinem Plattenhändler fördern doch immer wieder erstaunliche Dinge zu Tage. Die inzwischen legendären 2 € Kisten wechseln wöchentlich ihren Inhalt und immer finde ich etwas Neues, Ungehörtes.


    Heute also eine LP von 1973 mit der 3. Symphonie von Pavel Borkovec. Dieser mir bisher unbekannte tschechische Komponist wurde 1884 in Prag geboren und starb hochbetagt 1972 ebendort. Er studierte am Prager Konservatorium bei Josef Bohuslav Foerster und Josef Suk. Laut Covertext durchlief seine musikalischen Entwicklung drei Phasen: Spätromantik, Moderne und dann eine Art Synthese aus beidem. Die 3. Symphonie von 1959 wird der dritten Phase zugeordnet. Ich würde sie stilistisch irgendwo zwischen Hindemith's Mathis der Maler und Prokofieff's 5. Symphonie einordnen. Natürlich ist sie nicht so großartig wie die beiden genannten Werke, aber doch recht beachtlich und von beiden berühmten Komponisten kenne ich Orchesterwerke, die ich deutlich schwächer finde als die 3. von Borkovec. Was meine These untermauert, dass die besten Werke wenig bekannter Komponisten oft besser sind als die schwächeren von berühmten. Das vorliegende 35-minütige, klassisch viersätzige Werk kommt jedenfalls ziemlich gut und müsste jedem Spass machen, den die Musik der Genannten anspricht. Das Spiel der tschechischen Philharmonie unter Zdenek Kosler trägt dazu mit bei.


    teleton: man könnte Borkovec auch als tschechische Ausgabe von Andrej Eshpai betrachten


  • Hallo,


    ich hörte:

    Mozart Camargo Guarnieri (1907-1993)
    Symphonien Nr. 5 & 6
    + Orchestersuite "Vila Rica"

    Sao Paulo Symphony Orchestra, John Neschling
    BIS, DDD, 2003


    Mehr bei Bedarf gerne hier.



    Viele Grüße
    Frank

  • Im Gegensatz zu den letzten Tamino-Hörberichten greife ich hier nicht auf neu erworbenes CD-Material zu, sondern auf lange bei mir Geschätztes und Etabliertes.


    :angel: Die Orchesterwerke vom finnischen Komponisten Einar Englund begeistern mich immer wieder.


    Das Klavierkonzert Nr.1 (1955) habe ich in zwei Aufnahmen. Neben der Abgebildeten ist die Aufnahme mit Raekallio/Klas (ONDINE) noch etwas gespannter, detailreicher, expressiver und klanglich sogar noch besser (obwohl es auch hier bei Naxos nix zu meckern gibt).
    Dafür sind die Sinfonie Nr.2 - Backbird (1948) und Nr. 4 Nostalgic (1976), die ich anschliessend hörte, sogar den entsprechen ONDINE-Aufnahmen sogar noch geringfügig vorzuziehen, weil diese eben klanglich mehr Details und Spannung bieten. Der Dirigent Jorma Panula (hier auch auf Naxos) war 1976 der UA-Dirigent der Sinfonie Nr.4.
    :thumbup: Wir hören hier moderne und tonale Musik, die keine avantgardistischen Ansätze zu verzeichnen hat. Seine Musik reflektiert eher bei Sibelius, Strawinsky mit vorbildhaften Ansätzen auf Schostakowitsch, was man bei der 4ten deutlich hört.


    Eine preiswerte Englund-CD, die in jeder Hinsicht (Werke, Musik, Soundqualität) überzeugt:



    NAXOS, 1996, DDD



    Mir persönlich gefallen von den 7 Englund-Sinfonien die ersten Fünf am besten (die späteren sind etwas eigenwillig und bieten weniger Spannungsmomente) ; sowie ganz ausgezeichnet die beiden hammermässigen Klavierkonzerte Nr.1 (1955) und Nr. 2 (1974), die klar an die fantastischen Gegenstücke des Komponistenkollegen von Merikanto erinnern.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ingvar Lidholm ist ein schwedischer Komponist. Er wurde am 24. Februar 1921 geboren und lebt offensichtlich immer noch. Der Schüler von Hilding Rosenberg ist so etwas wie der große Modernist unter den schwedischen Komponisten. Das 1963 entstandene Poesis wurde 1964 von Herbert Blomstedt uraufgeführt und eingespielt und erhielt 1965 den Koussevitzky International Recording Award. Diese CD ist ebenfalls verfügbar.


    Das Stück ist auf der Höhe der Zeit, Penderecki, Lutoslawski und Ligeti haben Anfang der 60er ähnliches geschrieben. Der Orchesterpart ist Avantgarde pur mit viel Geclustere und geräuschhaften Anteilen. Ein Soloklavier spielt ungewöhnlicherweise fast über die Hälfte des Stückes unbegleitet, post-scriabinhaftes bis leicht angejazztes. Ein Kontrabasssolo gibt es auch noch. Der Schluss ist ein über mehr als eine Minute anhaltender immer lauter werdender Ton. Das ist zumindest alles recht ungewöhnlich und obwohl ich mit der Musik dieser Zeit nicht so viel anfangen kann, hat mich der Komponist doch über die 20 Minuten hinweg bei der Stange gehalten.

  • Osvaldas Balakauskas - Jahrgang 1937 - ist einer der bekanntesten litauischen Komponisten. Sein 1999 komponiertes Violinkonzert steht dem Blues und Jazz nahe und swingt teilweise ganz mächtig. Neben der unentwegt geforderten Geige haben auch Bassklarinette und Flöte viel zu tun. Kann man gut hören. Und Rusnė Mataitytė spielt das ihr gewidmete Konzert mit Herzblut. Nebenbei malt sie auch noch und das Coverbild ist von ihr.


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  • Hallo,


    Mozart Camargo Guarnieri (1907-1993)
    Symphonien Nr.2 & 3
    + Abertura Concertante

    Sao Paulo Symphony Orchestra, John Neschling
    BIS, DDD, 2001


    Die Sinfonien 2 und 3 sind sanglicher und der Wunsch des Komponisten nach einer gemäßigten Moderne erscheint noch einmal weniger ausgeprägt, als in den Sinfonien Nr. 5 und 6. In den meditativen Momenten gelingen Mozart Camargo Guarnieri schöne Stimmungen und eine tolle Atmosphäre. An der einen oder anderen Stelle meine ich ganz leichte Anklänge in Richtung Strawinsky wahrzunehmen.
    Es handelt sich meiner Einschätzung nach nicht um die ganz großen kompositorischen Würfe, aber um leicht zu rezipierende, gelungene und hörenswerte Musik, deren Entdeckung ich als lohnenswert empfinde.
    Bei dieser CD machen die Interpreten einen untadeligen Job und ich kann mir kein relevantes Potenzial in Richtung einer ggf. besseren Anwaltschaft vorstellen.


    Viele Grüße
    Frank


  • Bei der Uraufführung der "Nachtstücke und Arien" in Darmstadt verließen damals Stochausen, Boulez und Nono aus Protest den Saal - das klang ihnen zu "romantisch". Heute, nach dem Verrauchen der strikten Moderne in der Postmoderne, kann man sich diese expressionistisch-spätromantische Musik erst Recht ohne schlechtes Gewissen anhören. Das klingt wie ein Nachklang von Berg und Schönberg - aber diese Musik hat einfach große Kraft und Ausstrahlung. Mit den "Nachtstücken und Arien" nach Texten von Ingeborg Bachmann lohnt es sich zu beschäftigen. Die Aufnahme ist - interpretatorisch und klanglich - ganz ausgezeichnet. Die Symphonie zu hören spare ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf - heute ist es einfach zu heiß und das Gewitter rollt schon grollend an!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Mit den "Nachtstücken und Arien" nach Texten von Ingeborg Bachmann lohnt es sich zu beschäftigen. Die Aufnahme ist - interpretatorisch und klanglich - ganz ausgezeichnet.

    Lieber Holger
    Das Stück hat mir auch gut gefallen, siehe Beitrag 30 in diesem thread. :hello:



    Die Symphonie zu hören spare ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf - heute ist es einfach zu heiß und das Gewitter rollt schon grollend an!

    Ich verbringe diesen heiss-schwülen Tag auch noch mit einer leicht fiebrigen Sommergrippe. ;(


  • Lieber Holger
    Das Stück hat mir auch gut gefallen, siehe Beitrag 30 in diesem thread. :hello:


    Ich verbringe diesen heiss-schwülen Tag auch noch mit einer leicht fiebrigen Sommergrippe. ;(


    Lieber Lutz,


    dann erst einmal gute, gute Besserung! :hello: Deinen Beitrag 30 habe ich gelesen - da haben wir offenbar bei demselben Schnäppchen-Angebot zugeschlagen, nur ist die CD bei mir mangels Zeit zum Hören so lange liegen geblieben! :D


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Schostakowitschs 4. Sinfonie in der Interpretation von Rochdestwenski mit dem Sinfonieorchester des sowjetischen Kultus- bzw. Kultrurministeriums, auschließlich erhältlich in dieser Box:



    Wild, heftig, unmittelbar und direkt, ohne dabei die Härten und Dissonanzen überzubetonen! Und das alles bei einem Klang, der weder nach Rundfunk, noch nach live und schon gleich gar nicht nach sowjetisch klingt, kurz gesagt, eine der besten, wenn nicht die beste Aufnahme der 4., die ich kenne.


    John Doe

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