• Und auch sie sollten hier nicht fehlen, alle vier nicht (wobei unter dem Begriff "Giganten" für mich die Erste und die Vierte noch mehr fallen als die beiden mittleren Sinfonien, ganz besonders der erste Satz der ersten und der vierte Satz der Vierten, aber auch insgesamt):


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Also, meine liebste Sinfonie von Brahms ist die 2. mit Bruno Walter, was sich einfach dadurch erklärt, dass sie das erste große Werk von Brahms für mich mit 16 war. Danach war ich Brahms verfallen, was sich bis heute nicht geändert hat. Das Schubertsche Streichquintett (das Alban-Berg-Quartett ist bei Schubert noch besser als das berühmte Amadeus-Quartett) habe ich in Tübingen an der Uni gehört: der Theologieprofessor Adolf Köberle machte eine Reihe für Hörer aller Fachrichtung (studium generale), in der er u.a. dieses Werk vorstellte und auch per Grammophon spielen ließ. Ich war damals wie erschlagen von dieser Musik; auch das hat sich nicht geändert.
    Beim Durchsehen des Themas stelle ich fest, dass ihr sehr gut aufgezeigt habt, dass auch subtile, kleiner besetzte Werke zu den Giganten gehören. Zum andern freue ich mich, dass ich die Werke bis auf den Sibelius alle kenne und sie alle mit Freude hier begrüße. Meine Beiträge werden sich hier weiter auf die alte Musik konzentrieren. Der nächste Beitrag wird sich mit Byrd und Tallis beschäftigen.
    Zu den Dirigenten: als Chorsänger bin ich Purist, da möchte ich einen Dirigenten haben, der ganz ruhig schlägt und genaue Einsätze gibt (und so einen habe ich). Das ist für mich auch eine Tugend von Orchesterdirigenten, daher war mir die Apotheose von Herbert von Karajan immer etwas komisch (vom Erhabenen zum Lächerlichen...). Aber eine Ausnahme gibt es, und das scheinen die meisten hier auch so zu sehen: Leonard Bernstein. Dieser unbedingte Wille zur Emotion, wobei die Genauigkeit ja nicht leidet, das reißt mich immer mit. Es zeigt sich übrigens, dass "Giganten" sich auch auf die Ausführenden bezieht, denn die Werke verlangen so viel, dass man kleinere Geister damit nicht betrauen kann.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Thomas Tallis und William Byrd waren Fremde im eigenen Land, denn England war protestantisch geworden (genauer: anglikanisch). Sie wollten aber katholisch bleiben und katholische geistliche Musik schreiben. Nur ihr Ruhm schützte sie vor Verfolgung. Im Alten Testament sahen sie Parallelen zu ihrem Schicksal. Das zentrale Ereignis des Alten Testaments war die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar 589 v.Chr. (oder 586); daraus resultierte das komplette Ende des jüdischen Staates und die Verbannung und Verschleppung nach Babylon. Zentrale literarische Werke wurden damals die Klagelieder Jeremias (die aber ihm nur zugeschrieben sind, lat." lamentationes Jeremiae"), der Psalm 137 ("An den Wassern von Babylon..., lat. super flumina Babylonis") und Jesaja 64 ("ne irascaris domine/civitas sancti tui"). Diese Texte waren schon immer Teile der katholischen Liturgie, und Jerusalem und das jüdische Volk wurden mit der Kirche identifiziert. Im 16. Jahrhundert wurden sie auch zum Symbol im Kampf gegen den Abfall des Protestantismus vom wahren Glauben.
    Viele Komponisten der Renaissance haben diese Texte komponiert. "Super flumina Babylonis" werde ich vorstellen in einer Komposition von Tomás Luís de Victoria.
    Tallis: "Lamentationes Jeremiae", ein Werk in zwei Teilen. Die Stimmverteilung liegt nicht genau fest. In einem ersten Chor habe ich 1. Tenor gesungen, in einem 2. Chor die 2. (tiefe) Altstimme, die für einen hohen Tenor gut machbar ist.
    Die Stücke sind abgeteilt mit hebräischen Zahlen (alef, beth, gimel, dalet usw.), die von Tallis auch komponiert sind. Das Werk enthält einige veritable Dissonanzen, die leider nicht von allen Ensembles zu hören sind. Meine Lieblingsaufnahme habe ich aus dem Radio, es sind die "Clerkes of Oxenford" unter David Wulstan, eines jener legendären englischen Ensembles. Leider existieren sie nicht mehr. Daher empfehle ich diese Version (den Tipp für dieses Ensemble habe ich hier aus dem Forum):



    Das andere Stück ist auch zweiteilig: "Ne irascaris, Domine" /"Civitas sui" von William Byrd. Wir haben dieses Stück gesungen in der Fassung für Frauen, hohen Tenor, tiefen Tenor, hohen Bass, tiefen Bass.
    Das Stück ist gut dokumentiert auf YouTube; die meisten Chöre singen es zu schnell, zu laut oder mit zu vielen Sängern. Die ideale Aufnahme ist die von "Stile antico".



    Zu Giganten werden diese Kompositionen nur durch die entsprechende Interpretation. Giganten sind sie, weil trotz des dichten Stimmengeflechts die einzelnen Stimmen gut durchhörbar sind und auch der Text verständlich bleibt. Dazu kommt, dass die starken Emotionen des Textes sich in der Musik vollkommen abbilden (man höre nur in beiden Komposition den klagenden Ton des wiederholten "Jerusalem, Jerusalem"). Dazu kommen Steigerungen und Höhepunkte, starke und leise Stellen. Es ist klassische Polyphonie mit all ihren Vorzügen.

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  • Schütz darf hier nicht fehlen. Hier nenne ich zunächst die Geistliche Chormusik von 1648. Es gibt keinen evangelischen Chorsänger, der nicht schon jede Menge Motetten aus dieser Sammlung gesungen hätte. Die alte Ehmann-Aufnahme ist doch etwas angestaubt, neuen Aufnahmen, die z.T. solistisch besetzt sind (wie die Weser-Renaissance), fehlt das, was ich den Gabrieli-Faktor nenne; d.h. sie sind zu dünn besetzt. Die Aufnahme mit dem Knabenchor Hannover sagt mir nicht zu, da das kein guter Knabenchor ist und das Knabentimbre mir bei Schütz nicht zusagt.
    Das nächste Werk habe ich noch nicht gesungen; es ist riesig im Umfang und von der Qualität und Pracht nur mit der Marienvesper von Monteverdi zu vergleichen: der Schwanengesang.
    Hier gibt es die Top-Aufnahme, die auch den Gabrieli-Faktor hat.



    Der Gabrieli-Faktor gehört auch in die Musikalischen Exequien hinein, besonders in den 2. Teil, die doppelchörige Motette "Herr, wenn ich nur dich habe". Von der Herreweghe-Aufnahme war ich so enttäuscht, dass ich sie verschenkt habe.
    Wenn ich also dieses Werk hören will, hole ich mir die Noten (ich habe Tenor 1 und 2 gesungen; bevor mich hier wieder einer korrigiert: nicht zusammen) und lege unsere eigene Aufnahme auf. Das war in meinem alten Vokalensemble neben der "Missa Papae Marcelli" der große Renner. Ich erinnere mich noch, wie nach irgendwelchen Sommerferien unser Dirigentenpaar mit den Noten ankam. Wir haben dann 3 Stunden lang uns sofort mit dem ganzen Stück beschäftigt, so sehr hat uns schon der erste Eindruck gefesselt. Für dieses Stück haben wir keine Solisten gebraucht, wir haben alle Soli selbst gesungen; damit wurde eine sehr gute Geschlossenheit erreicht. Von den Noten her ist Schütz viel leichter als Bach, Schütz schreibt für Sänger, Bach denkt auch in den Vokalstimmen instrumental. Trotzdem muss man aber den "Schütz-Sound" treffen. Was Schütz noch Bach voraus hat: er komponiert viel stärker auf den Text. Bei Bach muss man sich nur ansehen, wie aus "Hercules am Scheidewege" das Weihnachtsoratorium wird.

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  • Ich wage es einmal, um auf Brahms zurrückzukommen, diese Aufnahme unter die Giganten einzordnen, da sie mir in letzter Zeit sehr ans Herz gewachsen ist und ich meine, dass Thielemann, der ja auch zuvor schon mit Pollini zusammen Brahms gemacht hat, spätestens seit seiner Gesamtaufnahme der Sinfonien und mit dieser Aufnahme zu den Brahmskapazitäten zu zählen ist. Zudem hat er in dieser Aufnahme zwei großartige Solisten und einen der besten deutschen Chöre sowie ein deutsches Spitzenorchester zur Verfügung.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Und ich komme auf Beethoven zurück, dem wir viele Giganten zu verdanken haben. Da wir gerade bei Sakralmusik sind: Die Missa solemnis ist zweifellos ein solcher, auch wenn manche Taminos diesem Werk reserviert gegenüberstehen (was ich nicht verstehen kann).


    Meine beiden Lieblingseinspielungen: die hyper-emotionale von Bernstein und die ziemlich neue Aufnahme von Guttenberg (die Bluray-Audio besticht durch einen exzellenten Surround-Klang):


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Die Bernstein-Aufnahme, lieber Bertarido, habe ich seit etlichen jahren auf DVD, und ich kann dir da nur beipflichten: eine grandiose Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ein Solitär unter den Mozart-Opern ist für mich der IDOMENEO gewesen, seit ich das Werk erstmals in dieser Aufnahme hörte:



    Ich habe diese Einspielung noch zu LP-Zeiten gehabt und fand sie nicht rundum zufriedenstellend, habe sie aber lange Jahre wie einen Augapfel gehütet, weil die Auswahl damals eben nicht gerade groß war. Inzwischen ist das ja anders geworden, der Markt weist von Historisch bis Neu eine große Auswahl aus. Gardiner, Mackerras, Böhm und Marriner stehen mir heute zur Auswahl zur Verfügung und sie zeigen auf, welch "gigantische" Oper Mozart geschaffen hat:




    Die Musik ist einfach grandios, oftmals sogar (ich denke an die Sturmszenen und das Orakel) auf den DON GIOVANNI weisend.


    :hello:

    .


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  • Ich möchte euch daran erinnern, dass ich ja eigentlich ein Verächter der Beethovenschen Chormusik war; seit ich die Grazer Aufnahme mit Harnoncourt im Fernsehen erlebt habe, habe ich mich in Bezug auf dieses Werk eines Besseren besonnen und begrüße dieses Werk in diesem Thema, wo es zu Recht hingehört. Allerdings muss ich es noch richtig kennenlernen, das verhindert gerade ein Gigant, den die meisten von euch wohl nicht mal dem Namen nach kennen: Francisco Guerrero.

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  • Damit auch das 20. Jahrhundert zu seinem Recht kommt, nenne ich als nächsten Giganten Benjamin Brittens War Requiem, eine in ihrem künstlerischen Rang wirklich herausragende und immer wieder erschütternde Auseinandersetzung mit den Schrecken des Krieges, leider heute noch so aktuell wie zum Zeitpunkt der Komposition.


    Hier muss man natürlich die Ersteinspielung unter Leitung des Komponisten nennen, kürzlich in einer neu gemasterten Fassung auf BluRay-Audio erschienen. Meine Lieblingsaufnahme aus neuer Zeit mag überraschen, ich hätte selbst nicht erwartet, dass gerade Helmuth Rillung eine so gute Interpretation vorlegen würde. Die bei diesem Werk nicht ganz unwichtige Klangqualität der SACD ist ebenfalls hervorragend:


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Britten ist natürlich auch mein Lieblingskomponist der neueren Zeit neben Strawinski, Prokofiew und Janacek. Die kommen bestimmt alle noch.
    Heute möchte ich ein auf den ersten Blick unscheinbares Werk lenken, Brittens Hymn to St. Cecilia (1942) auf einen Text von W.H. Auden, der gar nicht so leicht zu knacken ist. In meinem jetzigen Vokalensemble habe das Werk vor einigen Jahren vorgeschlagen. Das Gemaule war groß, wich aber ungeteilter Begeisterung, nachdem wir es konnten. Es ist A-Capella und nur für leistungsfähige Chöre. Es gibt sehr viele Aufnahmen davon. Wenn wir Dr. Pingels Rasiermesser anwenden, scheiden zunächst alle Aufnahmen aus, die zu stark besetzt sind und daher nicht flexibel genug. Viele ältere Sänger trüben dann zusätzlich den Klang. Eine dieser Aufnahmen ist - die von Britten selbst! Sie ist gänzlich unzulänglich. Der nächste Schnitt des Rasiermessers trifft alle Aufnahmen, die entgegen Brittens Anweisung externe Solisten verpflichten. Jetzt sind nur noch wenige im Rennen. Der nächste Schnitt des Rasiermessers wird angesetzt beim Solo des Soprans im dritten Satz ("O dear white children.."), eine der schönsten Melodien, die Britten je geschrieben hat. Dieses Solo muss ein ganz junges Mädchen mit einer reinen vibratolosen Stimme singen, also mädchenhaft, wie man so schön sagt. Wir hatten eine solche 20jährige, die Tochter der stellvertretenden Chorleiterin. Alles zusammengenommen: wenn ich dieses Stück hören will, hole ich mir die Noten und lege unsere eigene Aufnahme auf.

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  • Von der Messe de Nostre Dame gibt es viele Aufnahmen. Meine Lieblingsaufnahme ist die vom Deller-Consort mit dem Collegium Aureum, die ich vor Jahrzehnten beim Kirchentag in Köln sogar live erlebt habe. Vielleicht ist sie historisch nicht ganz so getreu, das weiß man aber sowieso nicht. Jedenfalls ist sie die kühnste, wuchtigste, modernste. Ein Freund tippte damals auf Strawinski. Gar nicht so falsch, denn einer der Lieblingskomponisten Strawinskis war - Machaut.
    Es gibt sie einzeln, aber Amazon verweigert hier das Bild, daher die Box bei jpc.


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  • Zitat

    von dr. pingel: [...] das verhindert gerade ein Gigant, den die meisten von euch wohl nicht mal dem Namen nach kennen: Francisco Guerrero.

    Immerhin kennt den Spanier mein Propyläen-Musiklexikon und deshalb auch ich - dem Namen nach. Musik des Malersohnes (1528-1599) aus Sevilla habe ich noch nie gehört. Ich bin mal gespannt, was Du zu ihm posten wirst. Ich fand ein (gemeinfreies) Bild in der Wikipedia:



    Den Interessierten sei das Werk Guerreros, einem der hervorragendsten Komponisten der spanischen polyphonen Schule der Zeit, hier gelistet: 18 Messen, 2 Requiem, 2 Passionen (Matthäus und Johannes), 7 Psalmvertonungen, 10 Magnificat, 24 Hymnen und ein 5stimmiges Te Deum (neben vielen anderen kirchlichen Gesängen). Dazu kommen noch weltliche Motetten und Lieder, die damals sehr beliebt gewesen sein müssen, weil Lautenisten sie für ihr Instrument transkribiert haben...
    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Da wir gerade bei Sakralmusik sind: Die Missa solemnis ist zweifellos ein solcher, auch wenn manche Taminos diesem Werk reserviert gegenüberstehen (was ich nicht verstehen kann).


    Ich auch nicht. Allein schon die orchestrale Einleitung zum Kyrie ist grandios, die Handschrift Beethovens deutlich zu erkennen.

  • Zitat

    dr. pingel: seit ich die Grazer Aufnahme mit Harnoncourt im Fernsehen erlebt habe,...


    Lieber dottore, meinst du diese Aufnahme? Sie hat mich vor wenigen Tagen erreicht, und ich habe sie bereits zweimal voller Begeisterung gehört, zumal sie (die Missa in C) derart tief gehend von einem der besten Chöre der Welt vorgetragen wird. Diese Messe ist eine meiner Lieblingsmessen:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es könnte sie sein; ich bin mir aber nicht sicher, weil ich die Aufnahme aus dem Fernsehen (3Sat oder arte) mitgeschnitten hatte.

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  • Wenn der verehrte Kollege Dr. Pingel einen Giganten als ein Werk beschreibt, das "einen den Atem verschlägt", dann ist dies mit Sicherheit ein - wenn nicht gar DER Gigant - unter den mir bekannten Werken klassischer Musik. Und dies ist die einzige mir bekannte Aufnahme, die mich restlos überzeugen kann.


    Als ich das Werk seinerzeit erstmals "unvorbereitet" hörte und danach regelrecht platt war, war mir klar, dass dieses "Buch mit Sieben Siegeln" seinen festen Platz in meinem Herzen und meinem Schallarchiv errungen hatte. Auch die Tatsache, dass mich das Opus noch immer restlos zu überwältigen vermag, spricht für sein Gigantentum.
    Amen


  • Der "Ring des Nibelungen" ist per se der Gigant der Opernliteratur. Die gigantischste Gesamtaufnahme ist insofern ein Kuriosum, als dass sie auf Englisch gesungen wird. "Das Rheingold" 174 Minuten (auf 3 CDs), "Die Walküre" 249 Minuten, "Siegfried" 279 Minuten und "Götterdämmerung" sogar 311 Minuten (auf 5 CDs). Das English National Opera Orchestra unter der Leitung von Sir Reginald Goodall hat zwischen 1973 und 1977 etwas wirklich Monumentales geschaffen. Der "Dinosaurier" unter den "Ring"-Aufnahmen. Goodall liegt braucht in der "Götterdämmerung" beinahe eine Stunde länger als Keilberth 1955 und eine halbe Stunde länger als Knappertsbusch 1956. Dirigat erstklassig, sängerisch vorzüglich, nicht einmal das Englisch stört wirklich.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Für mich ein Gigant ist auch die Missa in Angustiis (Nelson-Messe) von Joseph Haydn, wie überhaupt m. E. Josseph Haxdn ein Gigant der Messen war.
    Ich hatte vor einigen Jahren die Gelegenheit bei zwei Aufführungen dieser grandiosen Messe mitzuwirken. Besonders angetan hatte es mir dabei der Credo-Schluss "et resurrexit" mit einer der schönsten Amen-Fugen, die ich mir vorstellen kann. Hier ist eine exzellente Aufnahme mit einem englischen Ensemble, wie ich überhaupt die englischen Ensembles als überaus prädestiniert für die Aufführung von Haydns Messen ansehe:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • William meinte mit dem Komponisten Josseph Haxdn sicher den arabischen Ausnahmemusiker und Giganten Jussuf Hax Iden, dessen sämtliche Werke, es sollen über 1000 gewesen sein, alle bei einem Brand der Haxxdia Sophia in Konstantinopel zerstört wurden. :untertauch:


    Viele mögen sich gewundert haben, warum hier noch kein einziger Janacek aufgetaucht ist. Das liegt daran, dass wir auch einfach Zeit haben und nichts überstürzen müssen.
    Das Jahr 1905-1905 verzeichnete zwei sensationelle Opernaufführungen, die die Oper als musikdramatisches Theater wieder zur neuen Blüte führten. Beide umstritten, aber ihr Siegeszug war nicht aufzuhalten.
    Es handelt sich um Salomé und Jenufa, zwei Werke, von denen ich nicht genug bekommen kann, sogar, wenn sie durch RT verstümmelt werden; das gilt allerdings eher für Salomé (Inszenierung durch Tanja Gürbaca in Düsseldorf, mit der interessanten Schlusspointe, dass sich alle, aber wirklich alle, am Schluss im eigenen Blut wälzen) als für Jenufa, die ich in RT-Fassung zum Glück noch nicht gesehen habe.
    Bei Salomé gibt es eine sehr gut besetzte Aufnahme von Karajan (1977, remastered 1999), mit Hildegard Behrens, die auch schon gestorben ist. Die Aufnahme mit Monserrat Caballé ist mir gerade nicht präsent, vielleicht kennt ihr noch ganz andere Aufnahmen. Eine Besonderheit der Salomé habe ich jetzt erst entdeckt: Strauss hat in der Partitur ein Heckelphon verlangt, das ist eine von Wilhelm Heckel entwickelte Art von Oboe.



    Auch von Jenufa gibt es eine Reihe von sehr guten Aufnahmen, mir die liebste ist die von Charles Mackerras (1982) mit Elisabeth Söderström. Aber auch die alte Gregor-Aufnahme hat ihre Meriten, vor allem wegen der beiden Tenöre Vilem Pribyl und Ivo Zidek.


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  • Angesichts der Tatsache, dass mir nicht nur Wagner, sondern auch Kammermusik wenig zusagt, wird es wundern, dass ich die Haydn-Werke (sogar doppelt), die Werke Mozarts, Beethovens und Dvoraks (neben einigen Einzelwerken) im Regal habe. Unter den Streichquartett-Kompositionen Dvoraks (Moderator Reinhard wird es, wenn ich von seinem Avatar ausgehe, vielleicht bestätigen können) ragt das hier gezeigte als durchaus gigantisch zu nennen heraus, denn es ist mit etwas über 70 Minuten Spieldauer bestimmt das längste Streichquartett des 19. Jahrhunderts.


    Mir gefällt an diesem Quartett besonders der 3. Satz, ein Scherzo, in dem Dvorak das Lied "Hej, Slované" (das in den 1860er Jahren als Kampflied der tschechischen Nationalbewegung galt) mehrmals und durchaus mit Spaßfaktor zitiert. Die Melodie erinnert mich aber auch an die polnische Nationalhymne "Noch ist Polen nicht verloren".


    Ich möchte die anderen Stücke nicht herabsetzen (weder das Brahms gewidmete, noch das so genannte Amerikanische), aber dieses hier liegt weit öfter im Player, als andere aus der Box...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Wenn ich hier so die Themen sehe und vor allem die Rubrik "Was hört ihr gerade?", beschleicht mich das Gefühl, dass rückwärts gesehen die Musikgeschichte mit Bach aufhört und schon Schütz kaum bekannt ist. Und die Giganten des 16. Jahrhunderts sind relativ unbekannt, aber zum Glück keineswegs vergessen. Einer dieser Giganten, - das muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich ihn auch erst vor 20 Jahren und richtig erst vor 10 Jahren entdeckt habe -, ist der Spanier Tomás Luís de Victoria. Sein Werk ist zum Glück reichhaltig auf CDs dokumentiert, wie ein Blick zu Amazon und jpc beweist. Da kenne ich auch nur relativ wenige Ensembles und beschränke mich daher auf 2 CDs. Victoria hat in Italien gewirkt und ist in seinen späteren Jahren nach Spanien zurückgekehrt. Er hat nur geistliche Musik komponiert, die erfüllt ist von einer großen Ausdruckskraft. Was mich dabei überrascht hat, dass er so stark polyphon wie etwa Palestrina gar nicht schreibt, sodass man Text und Musik gut verfolgen kann. Sein Lieblingsthema war die Marienverehrung; und für mich ist es immer wieder eine Überraschung, dass die schönste katholische Kirchenmusik sich auf Maria bezieht, und dass diese Art der Marienverehrung mich als in der Wolle gefärbten Protestanten magisch anzieht. Vielleicht ist es ja nach Freud die Kompensation für den Zölibat.
    Ich empfehle hier zwei grandiose CDs, eine ältere mit "Pro Cantione Antiqua", ein reines Männerensemble mit einem faszinierenden herben Klang (ich glaube, das dies auch der Originalklang früher war)



    und eine Aufnahme mit Hesperion XX unter Jordi Savall, wo auch Frauenstimmen mitwirken.



    Beide CDs haben bestimmte Titel gemeinsam, was den Vergleich reizvoll macht. Das zentrale Stück ist ein doppelchöriges "Salve Regina" (Dauer einmal 10, einmal 11 Minuten). Dieses Stück habe ich leider nie gesungen, trotzdem gehört es für mich zu den besten Chorwerken aller Zeiten, was sich bei mir daran misst, dass ich ganz traurig bin, wenn es aufhört.

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    dr. pingel: William meinte mit dem Komponisten Josseph Haxdn sicher den arabischen Ausnahmemusiker und Giganten Jussuf Hax Iden, dessen sämtliche Werke, es sollen über 1000 gewesen sein, alle bei einem Brand der Haxxdia Sophia in Konstantinopel zerstört wurden. :untertauch:


    Die "Haxxdia Sophia", lieber Dottore, ist, wie ich vor genau einem Jahr bei einem Besuch Konstantinopels von einem sehr versierten Fremdenführer erfuhr, in der Vergangenheit mehrmals abgebrannt (worden), weil die ersten Bauten hauptsächlich aus Holz bestanden. Irgendwann haben die Türken die Nase voll gehabt und sie aus Stein gebaut, deswegen steht sie heute noch da. Aber Stein hat auch den Nachteil, dass er sehr schwer ist, und deswegen mussten sie dann allüberall Stützkonstruktioenen einziehen, damit die riesige schwere Kuppel nicht einfach aufgrund ihres Eigengewichts zusammenstürzte. Aber wie dem auch sei, wir wissen nicht, bei welchem Brand die unschätzbaren Meisterwerke ein Raub der Flammen wurden. Doch Jussuf Hax Iden hatte einen Nachkommen, den es in den Norden zog und der sich in der Nähe von Wien niederließ. Da auch er sich auf die Musik verlegte und in Wien schon viele Gebäude aus Stein waren, konnten die Noten der Werke des österreichischen Hax Iden der Nachwelt gerettet werden, zumindest die Noten des nächsten Werkes, vielleicht hatte er sie ja auch in Eisenstadt versteckt (Eisen brennt ja nicht so schnell):



    Liebe Grüße


    Willi :D


    P.S. Eine Stunde nach dem lehrreichen Vortrag in der Haxxdia Sophia stand ich wenige hundert Meter weiter genau vor dem ägyptischen Obelisken auf dem Hixxodrom. Gottseidank ist damals nichts passiert, sonst könnte ich dieses jetzt gar nicht schreiben, und auch mein Zahnarzt hätte heute morgen vergeblich auf mich gewartet.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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    Mir gefällt an diesem Quartett besonders der 3. Satz, ein Scherzo, in dem Dvorak das Lied "Hej, Slované" (das in den 1860er Jahren als Kampflied der tschechischen Nationalbewegung galt) mehrmals und durchaus mit Spaßfaktor zitiert. Die Melodie erinnert mich aber auch an die polnische Nationalhymne "Noch ist Polen nicht verloren".


    Das muss ich jetzt nachhören - und wenn es nur dieser Satz ist.


    Meines Wissens wird dieses Monstrum - ich habe es mit Sicherheit zweimal komplett gehört (in den letzten zwanzig Jahren oder so) - nämlich nicht ernstgenommen.


    Danke! :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Meines Wissens wird dieses Monstrum - ich habe es mit Sicherheit zweimal komplett gehört (in den letzten zwanzig Jahren oder so) - nämlich nicht ernstgenommen.

    Lieber Wolfgang,
    das mit dem "Ernstnehmen" ist schon richtig, ich kenne auch diese Geringschätzung aus meinem Kammermusikführer, dem MGG und aus einer Dvorak-Biographie. Weil ich aber nicht alles, was man mir vorsetzt, hinnehme, sage ich: Mir gefällt das voluminöse Stück! Das Scherzo ganz besonders.
    Ich habe ein nicht ganz spannungsfreies Verhältnis zur Kammermusik und kann es mir überhaupt nicht erklären, warum mir gerade dieses Streichquartett gefällt...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Deine Einstellung ist ohnehin stets gerechtfertigt!


    Was das frühe Dvorak-Quartett anbelangt, kann ich die Ansicht, das Werk sei strukturell gänzlich unausgewogen, schon teilen, aber 1. hast Du, werter Musikwanderer, soeben einen konkreten Grund zum Wiederhören genannt, ist 2. die CD(-Box) nicht im Schrank, um zu verstauben, und braucht man 3. bisweilen Längliches zum Sich-Versenken, sei es alter Steve Reich, sei es junger Dvorak ...


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Wenn hier "Giganten" genannt werden sollen, denke ich, das muss schon etwas ganz Besonderes sein, was einen fasziniert, umhaut, ja anders ist als auch gute Kompositionen. Deshalb würde ich hier keine Brahms-Sinfonie nennnen. Klavierkonzerte sind hier, glaube ich, noch nicht genannt worden, da fällt mir dann als ein wahrlich gigantisches Werk das Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll op. 30 von Sergej Rachmaninow ein.


    Ich habe diese Einspielung in einer Decca-Ausgabe. Man kann auch andere anführen, mir gehts um das Konzert mit seinen gewaltigen Ausbrüchen und den gigantischen Anforderungen an jeden Pianisten, der sich hier heranwagt. Das Werk beinhaltet einen unglaublich reichhaltigen motivischen Ideenreichtum und stellt höchste Ansprüche an die technische Versiertheit des Solisten. Das ist ein wahrer Hürdenlauf. Dabei alles andere als pompöse Nur-Virtuosität, sondern es gibt immer wieder leise Zwischentöne und die Rückkehr zum Melodischen. Die Komposition steht ganz in der spätromantischen Tradition des 19. Jahrhunderts, darf aber auch als Wegbereiter des 20. Jahrhunderts betrachtet werden, quasi als Scharnier zwischzen Romantik und "Neuer Musik". Großartige Musik, in dieser Form ziemlich einzigartig!

    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Die Oper hat ihren Anfang in Venedig und mit Monteverdi gleich einen ersten Giganten hervorgebracht. Als Vorläufer der Oper könnte man die Madrigalkomödie "L´Amfiparnaso" von Orazio Vecchi (1597) bezeichnen, die in einer charmanten Version des Deller Consorts vorliegt.



    Zu den Vorläufern gehört auch das Werk "Rappresentazione di anima e di corpo" (1600) von Emilio de Cavalieri, das zwar ein wenig eintönig ist, aber seinen Reiz hat, wenn es gut gesungen wird. Ich habe hier die Aufnahme mit dem Linde-Consort, es gibt aber auch eine mit L´Arpeggiata unter Christina Pluhar.



    Vor Jahrzehnten hat die Düsseldorfer Oper dieses Werk in der St. Andreaskirche in der Düsseldorfer Altstadt in einer prächtigen Aufführung gespielt.
    Jetzt folgte einer der ersten Opern, nämlich "Euridike" von Jacopo Peri (1600), die in einer schauerlichen Amateuraufnahme vorliegt.


    Die erste große Oper, die bis heute gespielt wird, ist natürlich der "Orfeo" von Monteverdi (1607). Unzählige Aufnahmen gibt es davon, die meisten liegen nach der Zeitenwende der historisch orientierten Aufführungspraxis. Dort gibt es alles, von steril akademisch bis zu fulminant (Ponnelle-Harnoncourt). Meine Lieblingsaufnahme ist diese hier.



    Eine Aufnahme aus einem Guss (2009 Barcelona). Jordi Savall als Monteverdi mit seinem tollen Orchester, alle in Kostümen; sehr gute Chöre und Solisten, dazu eine einfühlsame, nicht übertriebene (wie das Ponnelle macht) Regie von Gilbert Deflo. Das Bühnenbild orientiert sich am Palazzo Ducale von Mantua, dem Ort der Uraufführung.
    Wer sich ein Bild machen möchte: diese Oper gibt es komplett bei YouTube. Aber die DVD bietet da natürlich mehr.

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