Opern unter der Lupe -002- Ludwig van Beethoven: Fidelio

  • Eine Panne hat mich zurückgeworfen:
    Ich wollte meine detaillierte Antwort auf Willis nächtlichen Einwurf absenden - und weg war er, im Orkus. Deshalb jetzt aus dem Gedächtnis eine Neufassung.


    Es liegt mir fern, irgendein Denkmal zu demontieren - schon gar nicht das des Schöpfers der Eroica und der Fünften - und des wunderbaren Concertato "O Gott, welch ein Augenblick!", wo die Handlung stillsteht und das ganze Haus vier Minuten lang die Luft anhält! Aber mich hat auch mein Lebenlang gestört, wie Beethoven davor und danach die Sänger quält mit "Heil! Heil! Heil sei dem Tag!" und "Wer ein sol-ches Weib errun-gen, stimm in un-sern Ju-hu-bel ein!" (Ich habe es oft genug im Chor mitgesungen und kenne es gut!) Des weiteren fiel mir schon damals auf (in Stuttgart, vor 50 Jahren), dass Wieland Wagner nicht ohne Grund die unsäglichen Dialoge radikal entfernt und durch einen Sprecher ersetzt hatte, der dreimal die folgenden Szenen erläuterte - entschieden zum Vorteil des Werkes. Das hat mich für alle Zeiten die (später gehörten) Dialoge ungenießbar gemacht.


    Ich habe mich mit meinem Sänger-Freund darüber unterhalten, der den Pizarro u.a. an der MET gesungen hat. Seine Reaktion auf meine Fragen: "Du rennst offene Türen ein, Fidelio ist durch und durch sinfonisch angelegt, das ist im Grunde keine Oper - und schon gar nicht für Stimmen geschrieben. Er wollte eben auch mal eine Oper schreiben, wie fast alle. Und sie musste genau so durch Nacht zum Licht gehen wie die Sinfonien..."


    Mozart, Rossini, Donizetti, Bellini haben den Sängern in die Kehle geschrieben. Verdi und sogar Wagner haben die Möglichkeiten der Sänger gut gut gekannt und ausgelotet. Beethoven hat sogar beim Violinkonzert den Solisten angeschnauzt: "Was kümmert mich seine elende Geige?!" Und von Gesang verstand er noch weniger. Dass der Fidelio trotzdem unglaublich bewegende Stellen enthält, bezweifle ich als letzter. Aber das ändert nichts daran, dass das Werk voller Brüche und Schrammen ist.


    Verehrung von Genies in allen Ehren. Aber ein so sperriges Meisterwerk als makellos zu sehen, das grenzt schon an Devotion und entspringt dem Wunschdenken. Genießen wir es, wie es ist: als Achterbahn extremer Emotionen - als Beethoven!
    Das meint jedenfalls
    Sixtus

  • Lieber Sixtus
    Wo ist Fidelio sinfonisch angelegt ? Es wird höchstens häufiger die Frage gestellt, welche Overtüre gespielt wird. Und in der Oper siegt am Ende das Gute über daß Böse. So unsingbar sind die Rollen nun auch nicht . Fidelio tritt im ersten Akt überhaupt nicht auf, Leonore hat nur eine Arie zu singen, da sind Verdi Sopran Arien schwerer zu singen und Rocco hat eine kurze Arie im ersten Akt zu singen . Die Rollen von Marzelline und Jaquino weden häufig auch von Sängern gesungen die Mozart singen. Sehr lyrisch ist auch das Quartett im ersten Akt. Der Graf in Figaros Hochzeit brüllt auch in seiner Arie. Und Pizzaro ist eben ein Bösewicht, wie soll seine Rolle sonst gestaltet werden, da es bei ihm keine Gefühlswandlung gibt.

  • Lieber Rodolfo, mehr Konfusion geht nicht.
    Nur den ersten Punkt will ich beantworten: Die Florestan-Arie z.B. besteht zur Hälfte aus Vor- und Nachspiel, also Orchester, das sinfonisch behandelt wird. Und am Schluss der Arie wird die Singstimme mit atemlosem Stammeln in die Höhe getrieben, das die wenigsten Tenöre adäquat singen können. Es ist, wie der Fachjargon sagt, instrumental komponiert (eine Geige kann das besser, hier singt aber ein Mensch!).


    Grüße von Sixtus

  • Demontieren ist schon o.k. Dann muss man aber eben mal mit der Demontage-Arbeit anfangen und nicht dreimal (oder eher fünfmal) darauf hinweisen, dass das stellenweise unangenehm zu singen ist. Das haben wir inzwischen verstanden, wir betrachten es aber als völlig unabhängig von der musikalischen Qualität und wie Stimmenliebhaber angedeutet hat, kann man sogar argumentieren, dass, wie auch in manch anderer Musik, die extremen Anforderungen zum dramatischen Ausdruck beitragen.


    Wie übrigens schon mehrfach erwähnt, sind keine historischen Berichte bekannt, dass das Werk als unsingbar oder unspielbar gegolten hätte. Ich höre auch hier im Forum zu ersten Mal, dass es diesen Ruf haben soll. Weder in dem wikipedia-Artikel, noch in Kloibers Handbuch der Oper werden außerordentliche sängerische Schwierigkeiten erwähnt. Ich glaube, dass hier erst im 20. Jhd. eine gewisse Verwirrung entstanden ist, weil Sänger wie Vickers einen "Florestristan" gegeben haben. Vor (und sicher auch nach) Wagner wurden die Partien von den Sängern gesungen, die sonst Mozart, Paer, Cherubini, Weber usw. gesungen haben.
    Julius Radichi, der Florestan der 1814-Fassung war da schon 50 Jahre alt und erlebte ein Alter von 83 Jahren.
    (Etwas später sang Wilhelmine Schröder-Devrient mit 17 Jahren die Titelrolle, später war sie die erste Senta und Venus.)


    Mich wundert ein wenig, dass so viele Hörer hier anscheinend erhebliche Schwierigkeiten mit dem Werk haben (oder sind das nur die Freizeitsänger?) Ich hatte die Oper (allein aufgrund der Präsenz und der großen Anzahl bedeutender Interpretationen) für ähnlich "unangefochten" gehalten wie die reifen Mozart-Opern.


    Kloiber (Handbuch der Oper): "Der hohe sittliche Gehalt, die Echtheit der Gefühle, die Ekstase der Leidenschaften, die erschütternde und ergreifende Darstellung seelischen Erlebens in einer vergeistigten musikalischen Gestaltung erheben die Schöpfung zu einem einsamen Gipfel in der gesamten Opernliteratur."

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Johannes,
    bei allem Respekt: Wir sprechen offenbar versichedene Sprachen und reden aneinander vorbei. Mir geht es nicht darum, etwas mit Zahlen zu beweisen. Auch die Tatsache, dass ein Stück seit 200 Jahren auf den Spielplänen steht, ist für mich nicht relevant. Das kann auch mit dem Stoff zu tun haben, und das tut es hier ganz offensichtlich. Es ist offenbar des deutschen Bildungsbürgers liebstes Kind - unabhängig von der Qualität.


    Wir sind uns einig, dass es sich um ein bedeutendes Stück des deutschen Musiktheaters handelt. Nicht einig sind wir uns, ob es eine "runde Sache" ist. Ich würde es ein problematisches Meisterwerk nennen, dessen Meisterschaft selbst die vielen Ecken und Kanten seiner Form bis heute ausgehalten hat. Mich wundert nur, dass diese Tatsache im Forum noch nicht bekannt war.
    Ich habe alles gesagt, was mir dazu wichtig war. Und weil ich mich nicht nochmals wiederholen will, ziehe ich mich jetzt aus diesem Thema zurück. Weiterhin ff - fiel Fergnügen bei der weiteren Debatte!
    Das wünscht euch - bis irgendwann -
    Sixtus

  • Wenn dir die Argumente ausgehen, ziehst du dich immer zurück.


    Ich finde, dass Sixtus sehr gute Argumente gebracht hat. Aber es gibt offenbar unterschiedliche Meinungen, was eine gute Oper als Oper oder Musikdrama ausmacht.


    "Der hohe sittliche Gehalt, die Echtheit der Gefühle, die Ekstase der Leidenschaften, die erschütternde und ergreifende Darstellung seelischen Erlebens in einer vergeistigten musikalischen Gestaltung erheben die Schöpfung zu einem einsamen Gipfel in der gesamten Opernliteratur."


    Das zum Beispiel würde hier wohl niemand bestreiten, aber reicht das? All das kann auch ein Oratorium erfüllen, und trotzdem ist das dann kein Musikdrama.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zitat

    Bertarido: Ich finde, dass Sixtus sehr gute Argumente gebracht hat. Aber es gibt offenbar unterschiedliche Meinungen, was eine gute Oper als Oper oder Musikdrama ausmacht.


    Ich finde das nicht, denn er geht in seiner Argumentationskette nie in die Tiefe, in die Einzelheiten, an denen man erkennen kann, ob "Fidelio" eine gute Oper ist oder nicht. Wenn Johannes relevantes Zahlenmaterial aufführt, blockt er ab.
    Wenn ich Beweise für seine unsägliche Meinung von dem "Pappkameraden" Don Pizarro fordere, gibt er zur Antwort, dass er den Fidelio "oft genug im Chor mitgesungen" hat, und zaubert einen "Sängerfreund" aus dem Ärmel, der den "Pizarro u. a. an der MET gesungen" hat und alle Argumente äußert, die seine Meinung unterstützen. Könnte es sein, dass dieser "Sängerfreund" mit den Anforderungen der "Pizarrorolle" nicht fertig geworden ist. Wenn der Chor, in dem er mitgesungen hat, den Chor "Wer ein solches Weib errungen" so singt, wie er es hier als Beispiel angibt, hat er wohl keine Ahnung von Legatogesang. Das bekommen wir schon als Laienchor von unserem Chorleiter eingetrichtert, dass wir nicht so singen dürfen, und wir bekommen es mittlerweile ganz gut hin.


    Zitat

    Bertarido: Das zum Beispiel würde hier wohl niemand bestreiten, aber reicht das? All das kann auch ein Oratorium erfüllen, und trotzdem ist das dann kein Musikdrama.


    Aber ein Oratorium ist kein Musikdrama, auch wenn es dramatische Züge hat, weil es keine Handlung hat. Das, was Johannes aus Kloibers Handbuch der Oper zitiert hat, bezieht sich nur auf eine Oper, wo es um "eine ergreifende Darstellung seelischen Erlebens"
    geht. Das kann ein Oratorium nicht leisten, auch nicht ein Requiem wie das Verdis, das einige Dirigenten nur deswegen ablehnen, weil sie es für zu opernhaft halten. Welch ein Irrtum. Das Verdi-Requiem ist ein einziges Gebet, ebenso wie ein Oratorium, das, wie du weißt, seine Bezeichnung vom lateinischen Verb "orare" = "beten" hat.


    Wie dem auch sei, gute Argumente sehen m. E. anders aus.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Aber das ändert nichts daran, dass das Werk voller Brüche und Schrammen ist.

    Es bringt ja nichts, immer uind immer wieder das Gleiche zu wiederholen - ich bleibe dabei, dass jeder Ton in dieser Oper bewusste Aussage ist und bin gerne bereit, auf der Grundlage entsprechender Literatur, z.B. den Holland-Csampai-rororo-Opernführer über die Details weiterzudiskutieren, muss freilich feststellen: "Ohn' Antwort ist der Ruf verhallt!"

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Handelt es sich dabei um Attila Csampai, den langjährigen Renzensenten im FONO FORUM?


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Handelt es sich dabei um Attila Csampai, den langjährigen Renzensenten im FONO FORUM?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    Es handelt sich um Attila Csampai, der gemeinsam mit Dietmar HGolland nicht nur die sehr gute Reihe der rororo-Opernführer, sondenr auch einen sehr guten Konzertführer herausgebracht hat. Ob der auch im FONO FORUM geschrieben hat, weiß ich nicht, aber bei gleichem Vor- und Nachnamen wird's wohl so sein.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Mich wundert ein wenig, dass so viele Hörer hier anscheinend erhebliche Schwierigkeiten mit dem Werk haben (oder sind das nur die Freizeitsänger?)

    Ich würde das völlig anders formulieren: Mich wundert ("ein wenig" streiche ich vollkommen heraus), dass einige Mitglieder im Forum erhebliche Schwierigkeiten mit einem der größten und schönsten Werke (was die Musik betrifft) der Opernbühne haben (beim Libretto-Text könnte ich mir manches auch besser vorstellen, was auch auf andere Operntexte zutrifft!)


    Ich stelle mich auf die Seite aller "Fidelio"-Liebhaber hier. Ich erkenne aber auch an, dass es andere Meinungen geben darf und muss. Also sollen sich - auch in diesem Thread - die Parteien von Herzenslust streiten. Der "Ludwig van" wird es bestimmt belustigt (vielleicht auch wütend und rotierend, wenn ich seine Charakterzüge richtig einordne) "dort" mitbekommen. Vielleicht denkt er aber auch an den asiatischen Sack Reis oder an den Hund, der die deutsche Eiche anpinkelt...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Dann müsst Ihr mich vielleicht mit der Nase drauf stoßen.
    Ich erkenne mit Mühe drei "Argumente".
    Das am häufigsten (nahezu in jedem Beitrag von Sixtus) wiederholte, halte ich für völlig irrelevant, nämlich, dass das Stück schwer zu singen sei. Das hat schlicht nichts mit der musikalischen oder dramatischen Qualität zu tun.


    Das zweite ist, dass es sich, besonders bei Pizarro um eine schablonenhafte Figur handelt und dass einige Unplausibilitäten in der Handlung vorkommen. Das habe ich sofort eingeräumt. Das gibt es aber sehr häufig in Opern und von einem Manko oder Scheitern kann allein deshalb wohl kaum die Rede sein. Zumal alle Befürworter des Fidelio (und auch die übliche Rezeption) sich weitgehend einig sind, dass eine abgerundete Figurenzeichnung kaum das Ziel dieser Oper gewesen ist. (Und Kunstwerken Ziele zu unterstellen, die sie bitte hätten haben sollen, ist für mich erst einmal fragwürdig.)
    Was die Unwahrscheinlichkeit der Handlung betrifft, ist Fidelio, gemessen an typischen Opern, eher überdurchschnittlich schlüssig :D (angeblich ja auch nach einer wahren Begenheit im nachrevolutionären Frankreich). Jedenfalls beim besten Willen nicht besonders unplausibel. Und als Männer verkleidete Frauen kommen nun wirklich in jeder zweiten Komödie von Shakespeare bis Charlies Tante vor, warum ist die Verkleidung in Cosi (oder die absurde "Verwechslung" in Rigoletto) akzeptabel, aber nicht Leonore-Fidelio?
    Und wenn der Dialog "unsäglich" sein sollte, wäre Fidelio damit erstens in guter Gesellschaft von z.B. Zauberflöte und Freischütz und zweitens wird der ohnehin immer stark gekürzt, hat mithin auf das musikdramatische Gelingen keinen Einfluss, solange nur die Handlung logisch nachvollziehbar bleibt. Die Gesangstexte (z.B. Gefangenenchöre, Leonores und Florestans Arien, "Euch werde Lohn" u.a. finde ich übrigens keineswegs unsäglich)


    Dann wird es ziemlich vage und mir ist nicht mehr recht klar, was die Einwände sein sollen: Anscheinend Abneigungen gegen einzelne Nummern. Der Schluss sei zu oratorisch. Das ist reine Geschmackssache, die selbst wenn man die Ansicht teilt, erst einmal nichts mit musikdramatischem Scheitern zu tun hat. Verdächtig wäre, mittendrin so einen langen und festlichen Chor zu haben. Ist "Meistersinger" auch problematisch wg. der Festwiese im 3. Akt?
    "Zu sinfonisch" ist für mich ein Lob, denn u.a. darin besteht ja gerade eine der Errungenschaften und der historische Einfluss des Werks. Beethoven hat hier großes Gespür bewiesen, in dem er die großartige Leonorenouverture durch die weit knappere Fidelio-Ouverture ersetzt hat, damit das erste Duett nicht "erschlagen" wird. Er kann kaum für die absurde Idee, die Ouverture vor das Finale des 2. Akts zu schalten, verantwortlich gemacht werden.


    Auf die Gefahr hin unnachsichtig zu wirken: Ich erkenne tatsächlich nirgendwo in dem bisher Vorgetragenen einen ernstzunehmenden Aufweis der angeblichen Schwächen. "Musikdramatisch gescheitert" bedeutet für mich nicht einfach, dass ein paar Stücke nicht gefallen, sondern ich sehe das als einen ziemlich starken Vorwurf an das Gesamtwerk. Der müsste in der Struktur des Werks, etwa einer extrem ungeschickten Abfolge der Stücke, langweiligen aktionslosen "Löchern" zwischendurch, durchgehenden Schwächen der Stücke selbst, Motivations/Logikfehlern in Figuren oder Handlung oder was weiß ich noch aufgezeigt werden. Gleichzeigt müsste man leicht zahlreiche Opern nennen können, gegenüber deren gelungener Musikdramatik, Fidelio offensichtlich nachvollziehbar abfällt. Das hat noch niemand im thread überhaupt nur versucht.


    Solange ich keine derartigen Argumente erkennen kann, ist die Diskussion für mich ebenfalls weitgehend sinnlos, wenn auch nicht ganz, da sie mich darin bestärkt, dass die Gegner anscheinend keine besonders guten Argumente zu haben scheinen. Es ist allerdings etwas frustrierend, seit 10 Jahren immer wieder das gleiche...
    Fidelio - Freiheitsoper oder Desaster ?


    Lesenswertes findet man auch in diesem Thread, allerdings dort hauptsächlich Kommentare zu Aufnahmen und Aufführungen usw.
    O welche Lust - Fidelio

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  • Damit hast du, lieber Johannes, auch in diesem Thread eigentlich alles gesagt, was an dieser Stelle zu sagen ist, wenn du auch schon frühzeitig zu verstehen gabst, dass du dich nicht ständig wiederholen möchtest.
    Obwohl, mir scheint hier wiederum eine andere Strömung auf, die es schon öfter in diesem Forum gegeben hat, zuletzt im Thread über die Siebte Sinfonie Beethovens, dass man versucht, mit unbewiesenen Behauptungen unt teilweise auch persönlichen Ansichten, die einfach absolut gesetzt werden, hier einen Thread zu zerstören. Gottseidank hat Sixtus eingesehen, dass er damit hier nicht weiterkommt.
    Ich möchte dir damit hier danken, liebber Johannes, dass du das Ganze dann coh bis zu Ende diskutiert hast.


    Liebe Grrüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zum Verlauf der Fidelio-Diskussion habe ich, in gebührendem zeitlichen Abstand, noch eine Anmerkung zu machen:
    Die Argumente, die mir entgegenschlugen, haben mich völlig unvorbereitet getroffen. Ich war bisher der Meinung, dass unter Kennern und Fachleuten Einigkeit darüber besteht, dass der große Beethoven hier (in der Vokalmusik, und besonders in der Oper) unsicheres Terrain beackert hat und, wie die Entstehung des Fidelio belegt, immer wieder neue Anläufe starten musste - und auch am Schluss die Gattung nicht vollständig gemeistert hat.


    Dass dem offenbar nicht so ist, ist mir im aktuellen Streit klar geworden. Es hat sich gezeigt, dass die landläufige Meinung, alles, was Beethoven der Welt geschenkt hat, müsse sakrosankt sein, bis in die Kreise der abgebrühten Opernfreunde gedrungen ist.
    Aber auch ein Beethoven war nicht nur als Mensch, sondern auch als Künstler nicht frei von Schwächen. Und seine größte Schwäche war der Umgang mit der menschlichen Stimme, die er wie ein mechanisches Instrument behandelte. Seine Gesangsnummern sind nicht nur "schwer zu singen", sondern gegen die Stimme geschrieben, was allerdings die Qualität der Komposition beeinträchtigt.


    Neben den schon von mir genannten Beispielen nenne ich noch das Duett "O namenlose Freude!" Das ist kein Duett, sondern ein Gestammel, bei dem sich die Stimmen nicht entfalten können. Dass dergleichen nicht bemerkt wird, kann nur als generalisierter Kniefall vor dem heilig gesprochenen Namen erklärt werden. Musik ist aber Kunst und wird nach deren kriterien gemessen - und nicht nach denen der Heiligenverehrung.


    Nur wenn wir uns auf diese Ebene einigen können, halte ich eine weitere Diskussion für sinnvoll.
    Das meint Sixtus

  • Du bist aber auch ein alter Streithammel! Diese Diskussion war doch nun wirklich erschöpft, die gegensätzlichen Positionen sind deutlich geworden, aber du musst erneut versuchen, deine Meinung als "Einigung" durchzusetzen!
    Es ist doch Unsinn, dass diese Oper in Opernliebhaberkreisen geächtet war, sie war 200 Jahre lang eine der beliebtesten deutschen Opern überhaupt, und nur wer so verblendet ist, sie auf der Perspektive von Richard Wagner oder Richard Strauss zu betrachten und zu werten, kann zu solch ungerechten Urteilen kommen wie du!



    Neben den schon von mir genannten Beispielen nenne ich noch das Duett "O namenlose Freude!" Das ist kein Duett, sondern ein Gestammel, bei dem sich die Stimmen nicht entfalten können.

    Ja, und damit wunderbar glaubhaft, denn was anderes sollen diese beiden liebenden Eheleute, sich sich nach zwei Jahren am Rande der (nahezu) Hoffnungslosigkeit plötzlich und unerwartet wieder allein gegenüberstehen, anderes tun als "stammeln"??? Das ist die Beethovensche Wahrheit, die den Inhalt über die Form stellt. Nochmal: alles, was du als schroff und unsymmetrisch und unsanglich und was auch immer empfindest, ist bewusster Komponistenwille, um etwas zu verdeutlichen!
    Ich vermute mal ganz stark, dass in den "Leonore"-Versionen von Paer und Mayer an der Stelle Duette gesungen werden, in denen nicht gestammelt wird, sondern die Stimmen sich unbedrängt von der dramaturgischen Situation "entfalten" können - und genau deshalb sind diese Opern zu Recht vergessen und wird Beethoven zu Recht gespielt!


    Ich werde mich mit dir bestimmt nicht auf deiner "Ebene" einigen! Nur, wenn du dich mal bemüßigen würdest, den Holland-Csampai-rororo-Opernführer zu "Fidelio" wirklich zu lesen, hätte es aus meiner Sicht Sinn, mit dir über "Fidelio" weiterzudiskutieren, aber so wiederholst du nur permanent deine Vorurteile und bist in dieser Diskussion in meinen Augen nichts weiter als ein Ignorant!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Nur wenn wir uns auf diese Ebene einigen können, halte ich eine weitere Diskussion für sinnvoll.


    Aber, lieber Sixus, was erwartest Du denn da? Ich werde mich mit niemandem darüber einigen können, dass das Duett "O namenlose Freude" ein "Gestammel" ist, in dem sich die Stimmen nicht entfalten könnten. Warum sollen sie? Welcher Form der Oper redest Du hier das Wort? Was Stimmenliebhaber zu dieser Szene geschrieben hat, ist auch meine Auffassung. Auch ich kenne kein Duett, das mich mehr als zweihundert Jahre nach seiner Erfindung immer wieder so ief erschüttert und ergreift durch seine Glaubhaftigkeit, die sich auch oder vor allem in der in extremen Form ausdrückt. Das ist nach einem Empfinden sehr weit in die Zukunft komponiert. Sind dazu nicht alle Messen gelesen? Mir scheint, Du hast mit "Fidelio" Probleme. Das ist zu akzeptieren. Wer kann schon mit allen Opern etwas anfangen? Du kannst aber nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, eine Mehrheit für Deine sehr persönliche Sicht zu bekommen, auf deren Grundlage eine Fortsetzung der Diskussion "sinnvoll" wäre. :no:


    Mit besten Grüßen für Dich Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Immer noch kein (neues) Argument, außer angeblicher Beethovenheiligenverehrung, die hier zur Erklärung nur nötig wäre, wenn der Erfolg der Oper nicht anderweitig erklärbar wäre. Genau letzteres ist aber der strittige Punkt... Und (zum zehnten Mal?) "unangenehm zu singen".


    Ich habe inzwischen leise Zweifel, ob verstanden wird, was ein Argument sein könnte... Nur wenn wir uns soweit einigen können, dass man bei einer Diskussion Argumente austauscht, nicht sich auf umstrittene Positionen einerSeite einigt (durch Erschöpfung, weil die anderen einfach nicht mehr hören können, dass das Stück teilweise unkonventionell und unangenehm zu singen ist), halte ich eine solche für sinnvoll. Dann habe ich ja immer noch recht und kann mich auch wieder zurückziehen, super!

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  • In einem Punkt jedenfalls sind wir uns einig: dass wir uns nicht verständigen können.
    Ich hätte mir nur etwas mehr Fairness gewünscht. Die Tatsache, dass ich ein halbes Dutzend Stellen aufgezählt habe, die ich bewundere, wurde im Eifer des Gefechts übersehen. Sonst wäre klar geworden, dass ich diese Oper als zwar anfechtbares, sperriges, aber trotzdem bedeutendes Werk betrachte. Es gehört allerdings zu den Opern, die mich zwischen Bewunderung und Irritation hin- und her schütteln.


    Dass das Stück 200 Jahre eine Spitzenposition in den Spielplänen einnimmt, ist, davon rücke ich nicht ab, vor allem auf seine hehre Botschaft, also auf den Stoff, zurückzuführen. Sei´s drum - ich kann es nicht ändern.


    Resigniert grüßt Sixtus

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  • Dass das Stück 200 Jahre eine Spitzenposition in den Spielplänen einnimmt, ist, davon rücke ich nicht ab, vor allem auf seine hehre Botschaft, also auf den Stoff, zurückzuführen.

    Aber drei andere Komponisten vor Beethoven (Paer, Mayer und zuallererst ein Franzose, dessen Name mir gerade nicht einfällt), haben den gleichen hehren Stoff vertont.


    Der Unterschied ist: In jedem Ton der Beethoven-Partitur hört man den Geist der Zeit, den Schrei(!) nach Verwirklichung der Ideale der Französischen Revolution (Freiheit - Gleichheit - Brüderlichket), während die anderen drei eine konventionelle Oper mit guten sangbaren Partien draus machten, die aber den Geist des Stoffes und der Zeit nicht wirklich atmet - und die eben deshalb heute nicht mehr gespielt werden.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Nichts mehr von mir zu diesem Thema!
    Ich habe deutlich genug gemacht, dass (und warum) ich eure Meinung nicht teilen kann. Wenn meine Beurteilung an euch abprallt, weil ihr die Formprobleme nicht sehen wollt, nehme ich das zur Kenntnis. Aber nicht beschämt, sondern befremdet. Ich brauche nicht den Konsens um jeden Preis. Und bevor die Beschimpfungen (die mit "Ignorant" schon wieder begonnen haben!) von Neuem eskalieren, begebe ich mich auf weniger ideologisch besetzte Schauplätze.


    Bis bald - an anderm Ort!


    Sixtus

  • weil ihr die Formprobleme nicht sehen wollt

    Ich sehe, dass die Form den Inhalt entspricht, mit allen Problemen, und das macht diese Oper zu einem wahrhaftigen Meisterwerk!


    Und bis du dir wirklich nochmal die gängige Literatur dazu (ich habe ein konkretes Buch als Möglichkeit genannt) zu Gemüte führst, die genau das bestätigt, bleibst du für mich ein Ignorant - sorry, aber ich muss das leider so deutlich sagen!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Schwer zu singen ist kein Formproblem und kein Mangel an musikalischer Dramatik oder Kongruenz von Musik und dramatischer Handlung. Im Gegenteil wurde darauf hingewiesen, dass z.B. bei "O namenlose Freude" oder auch die Stelle der Vision des "Engels Leonore" aus Florestans Arie, die "Atemlosigkeit", das Außersichsein ein ganz wesentlicher Punkt des Ausdrucks ist und eine grandiose Umsetzung des Textes und des emotional-dramatischen Ausdrucks in Musik. Obwohl ich natürlich auch höre, dass Sänger hier teils an Grenzen kommen, sind das, seit ich das Stück mit 17 oder 18 zum ersten Mal gehört habe, zwei meiner Lieblingsstellen. :D


    Außer diesem Vorwurf kam halt leider fast nichts. Wenn man jemanden überzeugen möchte, muss man mit irgendwas halbwegs Unstrittigem anfangen, nicht immer wieder das wiederholen, was man selbst für richtig, die Gegenseite aber für verkehrt hält.
    Ich wiederhole auch gern wieder, dass ich den Vorwurf der schweren Sangbarkeit, selbst wenn er zutreffen sollte, für irrelevant halte. Damit könnte man ebenso den Tristan abschießen (und würde ebensowenig ernst genommen). Oder die Hammerklaviersonate (o.k., da muss man nicht singen... ;))


    Ein nachvollziehbares Formproblem wäre z.B., wenn Beethoven 15 Minuten Leonorenouverture als Zwischenspiel in den zweiten Akt eingefügt hätte.


    Wie auch immer, fruchtbar wird das so sicher nicht. Als Verteidiger des Werks kann man dann letztlich auch nicht mehr tun als auf besonders beeindruckende Aspekte hinzuweisen. Das ist sowohl hier als auch in den weiter oben verlinkten älteren Threads schon geschehen. Vielleicht finden sich dort ja einige Einladungen an die Skeptiker, das Stück neu zu bewerten. Ich selbst würde auch nicht sagen, dass Fidelio überhaupt keine Schwierigkeiten aufweist. Aber ich sehe das eher als Herausforderungen an Interpreten (und Hörer) und keine der Schwierigkeiten "ruiniert" die Oper.
    Ich finde aber auch kein einziges Stück daraus schwach. Kandidaten wären überhaupt nur die Goldarie und die "Rache-Arie" Ha, welch ein Augenblick. Die sind beide recht konventionell und dass Pizarro eine flache Figur ist, kann man einräumen. Nichtsdestoweniger ist die Arie ein packendes und passendes Stück. Genial ist der halblaute Chor-Kommentar der Wache, die lieber nicht so genau wissen wollen (habt acht auf eure Runde), was der Boss vorhat.
    Gegen die Goldarie kann man eigentlich nur einwenden, dass sie "fehl am Platze" und nach "Mir ist so wunderbar" als Rückfall in die Buffa/Singspielsphäre stört. Das spricht aber nicht gegen das Stück selbst.

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  • und die "Rache-Arie" Ha, welch ein Augenblick. Die sind beide recht konventionell und dass Pizarro eine flache Figur ist, kann man einräumen.

    Dann kann man zwar, muss man aber nicht, zumal man damit Beethoven wieder Unrecht tut. Pizarro verkörpert für Beethoven das Prinzip Böse in Reinkultur - so wie die Königin der Nacht im 2. Akt von Mozarts "Zauberflöte" mit ihrer Rache-Arie. Interessant ist, dass Beethoven sich bei seiner Pizarro-Arie tatsächlich an die Rache-Arie der Königin der Nacht anlehnt, nämlich bei den Oktavsprüngen abwärts ("Verstoßen sei auf e(8)wig" und "Ha" Welch ein Au(8)genlick! Die Ra(8)che werd' ich küh(8)len!"


    Grandios an dieser Pizarro-Arie - und sie dadurch über nahezu alles gleichzeitig im Musiktheater Gebotene meilenweit erhebend - ist dieser unerhörte Beginn: auf einem leisen Paukenwirbel setzt im Pianissimo das Orchester ein und steigert sich auf kürzester Strecke in einem gewaltigen Crescendo zu einem riesigen Fortissimo-Ausbruch. Das war unerhört, das war revolutionär und das beeindruckt auch nach 200 Jahren noch immer. Unheimlich ist dieses Triumphgeheul des von Pizarro verkörperten "Prinzips Böse". Dem Text "Ha! Welch ein Augenblick!" ist musikalisch grandios entsprochen - es ist auch musikalisch ein ganz besonderer, grauenerregender Augenblick!


    Nichtsdestoweniger ist die Arie ein packendes und passendes Stück. Genial ist der halblaute Chor-Kommentar der Wache, die lieber nicht so genau wissen wollen (habt acht auf eure Runde), was der Boss vorhat.

    Eben! Das ist der zweite ganz besonders grandiose Moment in dieser Arie, neben dem Beginn. Was Beethoven hier in dieser Arie an Charakterisierungskunst in drei Minuten gelingt, dafür braucht Wagner dann eine Viertelstunde...


    Gegen die Goldarie kann man eigentlich nur einwenden, dass sie "fehl am Platze" und nach "Mir ist so wunderbar" als Rückfall in die Buffa/Singspielsphäre stört. Das spricht aber nicht gegen das Stück selbst.

    Ja, die Arie wirkt nach diesem wunderbaren Quartett, dass wie aus einer anderen Welt klingt und die Hoffnungen und Sehnsüchte der Darsteller dieser Szene bündelt, unglaublich trivial! Und das soll sie auch! Hier ist Leonore, die Retterin, die die größten Opfer auf sich nimmt, um ihren verschwundenen Gatten zu finden und zu erretten, mit der ganzen Biederkeit und Trivialität dieser Kleinbürger-Idylle konfrontiert, die sich Rocco und Marzelline inmitten des ganzen Elends in diesem Gefängnis geschaffen haben (und damit diese Gefängnisrealität so gut wie möglich bewusst ausblendend!). Leonore, die sich in einem emotionalen Wechselbad aus Angst und Entschlossenheit befindet, deren kleinster Fehler zur Lüftung ihres sorgsam behüteten Inkognitos führen könnte und deren Situation durch Marzellines Verliebtheit immer brenzliger wird, muss diese Gold-Predigt Roccos unglaublich trivial und billig vorkommen - und so kommt sie, dank Beethovens bewusster kompositorischer Entscheidung(!) auch dem Zuhörer vor. Es konnte ja nicht bei der Transzendenz des Quartetts bleiben, dann wäre die Handlung weiter stehengeblieben und nicht weitergegangen, also muss diese triviale Nummer die Anwesenden aus ihrer Abgewandtheit herausreißen, und das nicht sehr sanft...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"


  • Was du hier gesagt hast, lieber Stimmenliebhaber, kann ich wort für Wort unterstreichen. Und was die grandiose Pizarro-Arie betrifft, so gefällt mir die m. E. tiefböse Lesart Tom Krauses in dieser Aufnahme am besten:


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Noch ein Nachtrag zu Pizarro: Wenn er in erster Linie eine persönliche Vendetta gegen Florestan (also über die Entlarvung seiner Verbrechen hinaus) hätte, warum hat er ihn nicht längst persönlich umgebracht, sondern zwei Jahre gefangen gehalten und dann auf Hungerkur gesetzt Und warum versucht er zuerst, Rocco den Mord ausführen zu lassen? Er singt zwar in der Arie "in seinem Herzen wühlen", aber im folgenden Duett will er Rocco bestechen (d.h. Pizarro ist sich sogar bewusst, dass er das nicht einfach per Befehl von ihm verlangen kann), damit der den Mord begeht.
    Ungeachtet der wutschnaubenden Arie scheint das alles eher dafür zu sprechen, dass Pizarro keinen persönlichen Hass hat, sondern politisch laviert und aus unterschiedlichen Gründen Florestan zuerst nur aus dem Verkehr ziehen und erst als es gar nicht anders geht, selbst umbringen will.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ungeachtet der wutschnaubenden Arie scheint das alles eher dafür zu sprechen, dass Pizarro keinen persönlichen Hass hat, sondern politisch laviert und aus unterschiedlichen Gründen Florestan zuerst nur aus dem Verkehr ziehen und erst als es gar nicht anders geht, selbst umbringen will.


    Ein interessanter Gedanke! Es gibt dafür ja viele Beispiele in der Geschichte. Thälmann ist eines. Die Luxemburg auch. Auf gewisse Weise sogar Mandela. Mich bestärkt dies erneut darin, FIDELIO nicht als Handlungsoper zu verstehen sondern als eine Art Topos oder eine Ansammlung vieler Topoi.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es kann natürlich auch sein, dass ich zuviel realistische Psychologie hineininterpretiert habe und es sich schlicht um die sehr verbreitete Verzögerung einer Hinrichtung handelt, damit es a) spannend bleibt und b) noch Aussicht auf Rettung besteht. Eben wie James Bond, der nicht einfach niedergeschossen, sondern kompliziert in den Haifischteich gesenkt wird, damit er sich noch befreien kann und der Schurke von den eigenen Haien gefressen wird...
    In jedem Falle sprechen die Faktoren aber gegen die Interpretation Alfreds (der ich sonst noch nie begegnet bin), dass Pizarro in erster Linie einen persönlichen (am Ende gar berechtigten) Rachedurst befriedigt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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