Belcanto kontra dramatischer Gesang?

  • Ich sehe das etwas anders. Bellini und seine Zeitgenossen haben sich sicherlich auch für die Sujets interessiert, die sie vertonten.


    Wohl wahr, denn die Wahl einiger Themen lässt darauf schließen, dass durch sie bewusst auch Sozialkritik geübt wird.
    Die Schutzlosigkeit gegenüber der Staatsräson in Anna Bolena, die Gewissensnöte der Norma, die wie Aida zwischen Vaterland und Liebe entscheiden muss und die Tragik der Lucia, die aus der heute noch vielerorts lebenden Praxis der Zwangsehe entsteht, sind Vorlagen, die vermutlich eine gewisse moralische Haltung erfordern, um sie zu wählen. Ein Alibi ist es natürlich nicht, denn die meisten Genies können auch auf Knopfdruck Großes zustande bringen.

  • Ich vergleiche den Belcanto mal mit dem klassischen Ballett. Bei beiden gibt es eine festgelegte Formensprache

    Richtig, da gibt es eine festgelegte Formensprache. Und es war das Verdienst der großen Musikdramatiker des 19. Jahrhunderts (Meyerbeer, Wagner, Verdi, Bizet, Mussorgski u.a.), dieses Primat der Form gesprengt zu haben, weil ihnen Ausdruck und Wahrhaftigkeit auf der Opernbühne wichtiger war als die Einhaltung strenger Formen. Sie bedienten damit natürlich auch ein Verlangen des Publikums (oder großer Teile davon), das in der Luft lag. Ich fände es ganz schrecklich, wenn die Errungenschaften der Entwicklung des Musiktheaters des 19. Jahrhunderts durch zu große 'Repertoireverschiebungen zugunsten von Barock- und Belcanto-Oper quasi negiert weren würden.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • weil ihnen Ausdruck und Wahrhaftigkeit auf der Opernbühne wichtiger war als die Einhaltung strenger Formen.


    Also in der Arie der Amina "Ah non credea mirarti" beispielsweise vermisse ich weder Ausdruck noch Wahrhaftigkeit. Natürlich gibt es in en Belcanto-Opern auch stellenweise Leerlauf - aber wieviel Leerlauf gibt es dann auch bei Wagner??
    Und was die von dir angesprochene "Repertoireverschiebung" angeht - ich denke, vielen Opernbesuchern und -hörern geht es da ähnlich wie mir: Man möchte einfach nicht immer wieder die Opern sehen oder hören, die man ohnehin schon mitsingen kann.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Also in der Arie der Amina "Ah non credea mirarti" beispielsweise vermisse ich weder Ausdruck noch Wahrhaftigkeit. Natürlich gibt es in en Belcanto-Opern auch stellenweise Leerlauf - aber wieviel Leerlauf gibt es dann auch bei Wagner??

    Also ich kann diesem Stoff mit seinem Somnambulismus nur wenig bis gar nicht abgewinnen, dann lieber noch Kleist's "Käthchen", das ist dann doch noch vielschichtiger. Im Übrigen finde ich beispielsweise im "Tristan" oder in Verdis "Otello" keinen einzigen Takt Leerlauf.


    Und was die von dir angesprochene "Repertoireverschiebung" angeht - ich denke, vielen Opernbesuchern und -hörern geht es da ähnlich wie mir: Man möchte einfach nicht immer wieder die Opern sehen oder hören, die man ohnehin schon mitsingen kann.

    Umso schlimmer, dass all diejenigen, die ich schon erwähnte, so weitgehend verschwunden sind: Auber, Lortzing, Marschner und und und...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Im Übrigen finde ich beispielsweise im "Tristan" oder in Verdis "Otello" keinen einzigen Takt Leerlauf.



    Mit dem "Otello" hast du recht. Aber: Und wenn mich alle Wagnerianer verprügeln: Wenn ich könnte, würde ich den "Tristan" um mindestens ein Drittel kürzen.
    Und was die Amina angeht: Ob die Geschichte mit dem Somnambulismus glaubhaft ist oder nicht -hier geht es nur um eine junge Frau, die um ihre verlorene Liebe trauert, und das eben sehr ausdrucksvoll.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Beim letzten Dialog von euch beiden, Mme.Cortese und Stimmenliebhaber, kam mir abwechselnd der Impuls, jeweils zuzustimmen, obwohl ich wahrlich kein Opportunist bin. Schließlich habe ich mich dazu durchgerungen, auf diesem "Nebenkriegsschauplatz" als "Schlichter" aufzukreuzen und zu rufen: Ihr habt ja beide so recht!
    Was ich meine: Euer beider Argumente sind nachvollziehbar. Wenn man sie etwas durchschüttelt, geben sie sogar eine sehr gute Mischung, die ich etwa so zusammenfasse:


    Bellini hat seine Längen (Sonnambula Beginn 2.Akt!), Puccini hat seine Durststrecken (Manon Lescaut 1.Akt!). Aber beide haben auch die Norma und die Tosca hervorgebracht und sind schon deshalb Fixsterne am Himmel der Operngeschichte. Man muss allerdings auch den Beginn 3.Akt Puritani und den 2.Akt Butterfly (nach ihrer Arie) dramaturgisch überstehen. Sehen wir lieber davon ab, sie gegeneinander auszuspielen.


    Was das Bedauern über manches Vergessene betrifft: Leider sind (nicht nur in der Oper) manche Stücke, ja ganze Stile, so zeit- und ortsgebunden in ihrer Atmosphäre, dass sie kaum über Grenzen transportierbar sind. Lortzing spröder Charme ist kaum für Frankreich kompatibel, Aubers und Adams Esprit kaum für Deutsche abendfüllend. So müssen wir leider ins jeweilige Heimatland fahren, wenn wir uns an ihnen delektieren wollen. Ähnliches ließe sich über Marschner sagen, der ein großer Anreger war, aber selber keinen echten Knüller hinterlassen hat (obwohl er doch aus meiner Heimatstadt Zittau stammt!).


    Und was die politische Substanz betrifft: Da ist die Oper wohl doch das falsche Medium, trotz Nabucco und Stumme von Portici, aber Ausnahmen gibt es immer. D´accord?


    Mit diesem kleinen Zwischenruf grüßt
    Sixtus

  • Puccini hat seine Durststrecken (Manon Lescaut 1.Akt!).

    Gerade den 1. Akt der "Manon Lescaut" liebe ich ganz besonders, noch mehr als die anderen Akte.


    die Tosca hervorgebracht

    Ja, und da empfinde ich den 3. Akt nach der Arie nun wirklich als Durststrecke - mit dem musikalischen Material des "Edgardo"...


    und den 2.Akt Butterfly (nach ihrer Arie) dramaturgisch überstehen.

    Da habe ich nun wieder gar kein Problem!
    Die "Butterfly" ist viel geschlossener und konsequenter als die "Tosca" mit ihrem so deutlich abfallenden dritten Akt.


    Sehen wir lieber davon ab, sie gegeneinander auszuspielen.

    Einverstanden!


    Lortzing spröder Charme ist kaum für Frankreich kompatibel,

    Das weiß ich nicht, aber das erklärt ja auch nicht, warum er hier nicht mehr gespielt wird.


    Aubers und Adams Esprit kaum für Deutsche abendfüllend.

    Das sehe ich anders - und es war ja auch lange anders.
    Und warum sollten Adam und Auber nicht mehr "abendfüllend" sein, Rossini und Bellini aber schon? Erklärt sich mir nicht. Und wollten wir nicht aufhören, die Komponisten gegeneinenader auszuspielen?


    So müssen wir leider ins jeweilige Heimatland fahren, wenn wir uns an ihnen delektieren wollen.

    So ist es ja nicht mehr! In Deutschland läuft kaum noch Lortzing und in Frankreich kaum noch Auber! Die "nationalen Antworten" tragen in Zeiten einer sich immer weiter globalisierenden Opernwelt ja immer weniger...


    Ähnliches ließe sich über Marschner sagen, der ein großer Anreger war, aber selber keinen echten Knüller hinterlassen hat (obwohl er doch aus meiner Heimatstadt Zittau stammt!).

    Für mich ist "Hans Heiling" ein "echter Knüller", wenn auch leider nicht mehr so populär, wie er früher durchaus mal war.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Man lernt immer wieder hinzu: Es ist nicht immer hilfreich, seine Aussagen mit Beispielen zu veranschaulichen. Das kann nach hinten losgehen, weil sich auch andere auf ihre Ohren verlassen. Und es lässt sich leider nicht zweifelsfrei feststellen, wer die besseren Ohren hat. Ich habe also keine Veranlassung, meine Beurteilung um 180 Grad zu drehen. Obendrein habe ich vermutlich einen Rekord eingefahren: acht zitierwürdige Sätze in zehn Zeilen. Aber das lag nicht in meiner Absicht.
    Mein Wunsch wäre eher (ich wiederhole mich, weil bisher noch keine Reaktion darauf kam), den Beitrag nicht deutschsprachiger Sänger im deutschsprachigen Repertoire zu würdigen - mit eurer Hilfe, versteht sich.
    Ich denke dabei an zwei Wellen: einmal die Amerikaner und Asiaten in den 60er biis 80er Jahren - und dann vor allem die vielen Osteuropäer ab den 90ern. Die Diskussion ist eröffnet!
    Beste Grüße von Sixtus

  • Mit dem "Otello" hast du recht. Aber: Und wenn mich alle Wagnerianer verprügeln: Wenn ich könnte, würde ich den "Tristan" um mindestens ein Drittel kürzen.


    Aber wer wird denn prügeln und dann noch eine Dame - NEIN niemals. :hello: Dennoch bin ich froh, dass Du liebe Mme. Cortese, nicht die Möglichkeit hast, den geliebten "Tristan" auch nur um eine Note zu kürzen. Wobei bei Wagner Text und Musik so eng miteinander verwoben sind, dass es eigentlich kaum Leerlauf geben kann, alles ist im Dienste des Musikdramas meist genial vereint.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Jetzt, nachdem dieser unverzeihliche Lapsus meinerseits entdeckt und ausgeräumt ist, könnten wir eigentlich beginnen. Und damit
    klar ist, warum es mir geht, fange ich gleich selber an:


    In meiner Stuttgarter Zeit war der Zugriff auf alle wichtigen deutschen Tenorpartien in den Händen des Haustenors Windgassen, der ein sehr intelligenter Sänger und Darsteller war, dessen Stimme sich aber damals eher dünn ausnahm. Damals sang ich als Mitglied des Verstärkungs-Chors in allen großen Choropern mit. Immer wenn bei den Meistersingern Hans Hopf gastierte, war für mich ein
    Freudentag, weil da ein Heldentenor den Stolzing sang. Den löste der Amerikaner Jess Thomas ab, und ich durfte mich weiter freuen, obwohl der anfangs noch Schwierigkeiten mit der deutschen Aussprache hatte. Das konnte ich regelmäßig im Wechsel mit Windgassen studieren. Da bei Wagner Stimme und Diktion beide sehr wichtig sind, war ich hin- und hergerissen.


    Später, als immer mehr ausländische Sänger kamen, hatten die meisten ihre deutschen Rollen schon ziemlich perfekt vorstudiert, und die Theater richteten außerdem Sprachcoatchs ein. So konnten Sänger wie Thomas Stewart oder James King ein ziemlich astreines Deutsch (sogar Wagner-Deutsch) artikulieren, sodass sie auch von Karajan u.a. für Plattenproduktionen eingesetzt wurden. Aber nicht alle erreichten dieses Niveau. Ich bin siche, dass die Älteren unter euch ähnliches berichten können.


    In diesem Sinne beste Grüße von Sixtus

  • Dennoch bin ich froh, dass Du liebe Mme. Cortese, nicht die Möglichkeit hast, den geliebten "Tristan" auch nur um eine Note zu kürzen. Wobei bei Wagner Text und Musik so eng miteinander verwoben sind, dass es eigentlich kaum Leerlauf geben kann, alles ist im Dienste des Musikdramas meist genial vereint.

    Lieber "Operus",


    das sehe ich ganz genau so wie du! :yes:




    Ab den 60ern! :yes:


    Zumindest in einem Teil Deutschlands! ;)

    Ich möchte zu diesem selbstgemachten Einwurf etwas beitragen.


    Spätestens seit dem Mauerbau war die DDR auf Gastsänger aus den osteuropäischen "Bruderländern" angewiesen. Das erste lyrische Sopranfach wurde bis zur Wende an ast allen großen Häusern der DDR fast ausschließlich von Nicht-DDR-Bürgern gesungen. An der Staatsoper Berlin waren das neben der Italienerin Celestina Casapietra vor allem die Slowakin Magdalena Hajossyova sowie Magdalene Falewicz und Hanna Lisowska aus Polen - natürlich nicht zu vergessen die Bulgarin Anna Tomowa-Sintow, die 1971 bzw. 1972 von Leipzig nach Berlin wechselte. Auch die tschechische Sopranistin Jana Smitkova wäre noch zu nennen, die wie Magdalena Falewicz an beiden Ost-Berliner Opernhäusern sang. In den 1960er Jahren sangen in den Verdi-Opern wie "Masenkball" und "Don Carlos" zumeist zwei Bulgarinnen die weiblichen Hauptpartien: Julia Wiener (ja, diese Sopranistin ist wirklich aus Bulgarien) und Nadja Afejan (Mezzosopran). In Dresden gab es die slowenische Sopranistin Ana Pusar, in Leipzig die tschechische Sopranistin Jitka Kovarikova.
    Das Koloratursopranfach wurde in den 1960er an der Staatsoper Berlin ziemlich komplett von Sylvia Geszty abgedeckt. Nach ihrem Weggang wurde die Polin Isabella Nawe ihre Nachfolgerin. In Dresden gab es die Rumäninnen Silvia Voinea und Roxana Incontrera.
    Im hochdramatischen Fach war für mehr als zwei Jahrzehnte die Tschechin Ludmila Dvorakova die führende Sängerin der Deutschen Staatsoper Berlin, auch sie Ensemblemitglied.
    Bei den Herren ist das Bild ähnlich: ganz wichtig war natürlich der bulgarische Heldentenor Spas Wenkoff, aber auch der Tscheche Jaroslav Kachel wirkte in Berlin und sein Landsmann Ivo Zidek gastierte zumindest eine Zeit lang regelmäßig. Viele andere Gastsänger wären zu nennen, es gab zum Beispiel auch reine Solistengastspiele der Staatsopern Budapest, Bucarest oder Sofia bei "Rigoletto" und ähnlichen Werken. Der tschechische Bariton Antonin Svorc sang fast 30 Jahre lang an der Staatsoper, sein Kollege Vladimir Bauer in derselben Zeit an der Komischen Oper Berlin, wo auch die "Bassbaritonnen" Rudolf Asmus und Klemens Slowioczek engagiert waren. Der Bulgare Stojan Popov war an der Staatsoper Berlin ein gern gesehener regelmäßiger Gast und auch Herlea gastierte einige Male am Haus. Unter den russischen Gästen wären neben Wishnewskaja und Mazurok (beide nun nicht so oft) vor allem Jewgeni Schapin und Wladislaw Piawko zu nennen.
    Viele weitere habe ich jetzt garantiert vergessen, aber meine Ausführungen zeigen schon, dass "Oper in der DDR" ohne osteuropäische Sängerinnen und Sänger so nicht möglich gewesen wäre.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Stimmenliebhaber hat viele Beispiele genannt. Es gibt tatsächlich noch mehr Sänger aus osteuropäischen Staaten, die zu Säulen des Opernbetriebes in der DDR wurden. Maria Corelli, auch eine Bulgarin, ist zu nennen. Sie sang an der Deutschen Staatsoper fast den gesamten Verdi und entlichen Puccini. Jola Koziel, aus Polen stammend, kam nach anderen Stationen in der DDR-Provinz schließlich auch an die Lindenoper, wo sie Elsa, Agathe oder den Komponisten in Ariadne sang. Ohne Elka Mitzewa, auch eine Landsmännin der Corelli, ging zeitweise gar nichts. Ruggero Orofino war ein italienischer Import. Ein ehemaliges Taminoi-Mitglied verehrte ihn über die Maßen. Ivana Mixova, in Wien geboren, aber in der Tschechoslowakei ausgebildet, war Carmen, Amneris, Octavian oder Eboli. In anderen Städten der DDR sah es nicht viel anders aus.


    Der hohe Anteil von Ostblocksängern hatte aus meiner Sicht zwei Gründe. Einer war die gescheiterte Ausbildung an den eigenen Hochschulen. Der Ausstoß war zu gering. Der andere bestand darin, dass die DDR Nachwuchs aus den "Bruderlänern" übernahm, weil er dort nicht richtig zum Zuge kam. Die hatten einfach zu viele Talente, und die DDR war solidarisch. Das ging oft politisch vor - und damit auch zu Lasten des eigenen Nachwuchses. Osteuropäische Sänger hatten und haben tatsächlich enormes Stimmmaterial. Die Globalisierung - und das war eben eine frühe Form - brachte aber auch schnell Probleme mit sich. Die sangen sehr gut, hatten aber oft nichts oder zu wenig zu sagen. Rollen wurden allgemeiner, beliebiger. Profile verschwischten, unverwechselbares Timbre ging verloren. Was hat man nicht alles über sich ergehen lassen müssen. Dass man in einer deutsch gesungenen Oper oft kein Wort verstand, diese erste bittere Erfahrung habe ich schon damals machen müssen. So etwas ist nicht neu.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber "Rheingold1876",


    vielen Dank für deine Ergänzungen.


    Ivana Mixova, in Wien geboren, aber in der Tschechoslowakei ausgebildet, war Carmen, Amneris, Octavian oder Eboli.

    In Berlin? Da habe ich sie ehrlich gesagt nur als Carmen auf dem Schirm (bzw. auf den Staatsopern-Besetzungszetteln entdeckt). Die hat sie aber einige Jahre rauf und runter gesungen.




    Allein von März 1964 bis Juni 1968 stand sie 62 Mal als Carmen auf der Bühne der Deutschen Staatsoper Berlin. Dann sang sie in den Spielzeiten 70/71 und 71/72 noch je drei Mal Carmen, also insgesamt 68 Abende. Andere Rollen hat sie an diesem Haus meines Erachtens nicht gesungen.



    Dass man in einer deutsch gesungenen Oper oft kein Wort verstand, diese erste bittere Erfahrung habe ich schon damals machen müssen.

    Als besonders "legendär" gilt ja diesbezüglich Felsensteins zweite "Carmen" (mit russischen Sängern in drei Hauptpartien) an der Komischen Oper Berlin,

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Dennoch bin ich froh, dass Du liebe Mme. Cortese, nicht die Möglichkeit hast, den geliebten "Tristan" auch nur um eine Note zu kürzen. Wobei bei Wagner Text und Musik so eng miteinander verwoben sind, dass es eigentlich kaum Leerlauf geben kann, alles ist im Dienste des Musikdramas meist genial vereint.


    Lieber Operus,
    das ist ja alles gut und richtig, aber ich denke, dass die Verwobenheit von Text und Musik auch dann noch vorhanden wäre, wenn er den Text kürzer gefasst hätte. In einem anderen Thread habe ich das mal Wagners "Geschwätzigkeit" genannt, die sich auch in anderen seiner Opern finden lässt und, -
    zumindestens für mich - auch seine Schriften ungenießbar macht. Wenn von diesen endlosen Monologen (3. Akt) und Dialogen (Liebesduett) ein ordentlicher Teil wegfiele, wäre die Oper für mich eher goutierbar. Übrigens - heißt der Untertitel nicht "Handlung in drei Akten"? Frage ich: Welche Handlung?
    Aber das ist eigentlich OT und gehört in einen anderen Thread...

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • "Geschwätzigkeit"

    Komisch, wenn ich dieses Wort lese, denke ich zuerst an Rossinis Parlando! :P


    Wobei ich den Schriftsteller Richard Wagner auch von Jahr zu Jahr weniger schätze. Schon von Aufsätzen wie "Über das Dirigieren" wird mir regelrecht übel...


    Dialogen (Liebesduett)

    ?(


    Wobei ich persönlich gegen den Tag- und-Nacht-Strich nichts habe.


    Frage ich: Welche Handlung?

    Die packendste und tragischste Liebesgeschichte der Opernliteratur. :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Sixtus,
    ich will ja nicht nörgeln, aber ich frage mich, was der Einfluss, den ausländische Sänger auf den Opernbetrieb hierzulande ausüben, eigentlich noch mit dem Threadtitel zu tun Hat. Sollte man da nicht eher einen neuen Thread starten?

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Übrigens - heißt der Untertitel nicht "Handlung in drei Akten"? Frage ich: Welche Handlung?


    Doch wohl eher eine innere als eine äußere Handlung.


    Auch ich möchte an meiner Lieblingsoper von Wagner keine Note missen :yes:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Komisch, wenn ich dieses Wort lese, denke ich zuerst an Rossinis Parlando!


    Das geht aber nur ein paar Minuten (dann folgt eine schöne Arie, oder ein Duett oder ein großes Ensemble) und nicht stundenlang!

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Lieber Sixtus,
    ich will ja nicht nörgeln, aber ich frage mich, was der Einfluss, den ausländische Sänger auf den Opernbetrieb hierzulande ausüben, eigentlich noch mit dem Threadtitel zu tun Hat. Sollte man da nicht eher einen neuen Thread starten?

    Bist du dir da ganz sicher, dass du nicht nörgeln willst bzw. nur eine etwas begrenzte Toleranz gegenüber Dingen hast, die dich weniger interessieren? (Ich denke da an deine heutige "Pips"-Polemik aus einer anderen Rubrik...)



    Ich habe mich jedenfalls ausdrücklich auf diesen WUNSCH des Thread-Stellers bezogen:

    Mein Wunsch wäre eher (ich wiederhole mich, weil bisher noch keine Reaktion darauf kam), den Beitrag nicht deutschsprachiger Sänger im deutschsprachigen Repertoire zu würdigen - mit eurer Hilfe, versteht sich.
    Ich denke dabei an zwei Wellen: einmal die Amerikaner und Asiaten in den 60er biis 80er Jahren - und dann vor allem die vielen Osteuropäer ab den 90ern. Die Diskussion ist eröffnet!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Bist du dir da ganz sicher, dass du nicht nörgeln willst bzw. nur eine etwas begrenzte Toleranz gegenüber Dingen hast, die dich weniger interessieren?


    Sicher nicht. Ich habe ja gar nichts gegen dieses Thema, nur finde ich, es passt nicht zur Überschrift. Zur Erinnerung: Die heißt "Belcanto kontra dramatischer Gesang?"

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ach ja? Und was ist beispielsweise mit Romeo und Julia?

    Ja, was ist damit? Die schönste und tragischste Liebesgeschichte der Weltliteratur. Leider gibt es keine Veroperung, die auch nur annähernd das Niveau des Shakespearschen Originals erreicht. Ganz sicher nicht Bellini, am ehesten noch Gounod oder vielleicht sogar Bernstein mit seiner "West Side Story". Aber Shakrespeare-Vertonungen auf Augenhöhe, das findet man erst beim späten Verdi.


    Im übrigen ist das einer der vielen Vorzüge Wagners, dass er sein eigener Dichter war und es nicht in seinen Opern daher eine Einheit von Text und Musik gibt - und nicht so ein extremes Gefälle wie bei der Belcanto-Oper.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe mich jedenfalls ausdrücklich auf diesen WUNSCH des Thread-Stellers bezogen:


    Zitat von »Sixtus« Mein Wunsch wäre eher (ich wiederhole mich, weil bisher noch keine Reaktion darauf kam), den Beitrag nicht deutschsprachiger Sänger im deutschsprachigen Repertoire zu würdigen - mit eurer Hilfe, versteht sich.
    Ich denke dabei an zwei Wellen: einmal die Amerikaner und Asiaten in den 60er biis 80er Jahren - und dann vor allem die vielen Osteuropäer ab den 90ern. Die Diskussion ist eröffnet!


    Genau deswegen habe ich mich mit meinem Vorschlag ja an SIXTUS gewandt.

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  • Sicher nicht. Ich habe ja gar nichts gegen dieses Thema, nur finde ich, es passt nicht zur Überschrift. Zur Erinnerung: Die heißt "Belcanto kontra dramatischer Gesang?"

    Nun entwickeln Rubriken mitunter eine Eigendynamik, und wenn der Rubrikgründer zwischendurch neue Akzente setzt und konkrete WÜNSCHE äußert, bin ich gerne bereit, diese zu erfüllen, soweit das in meiner Macht liegt. (Die entsprechende Stelle habe ich bereits zitiert.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Der Streit ist ja so alt wie das Werk selbst. Wie oft habe ich in einer Vorstellung gesessen und schreckte plötzlich entsetzt bei dem Gedanken daran auf, dass da ja bald auch noch Marke mit seiner endlosen Klage um die Ecke biegen würde. Das Problem sind nicht die Längen im Stück sondern die unzulänglichen und langweiligen Aufführungen. Die zwei, drei Male, die ich "Tristan" so gehölt und gesehen habe, dass es mich packte, hätten kein Ende nehmen brauchen.


    Wagner, durch und durch Theatermensch, war selbst auch nicht gegen Kürzungen. Striche im "Tristan" sind gebräuchlich und vernünftig, wenn die Sänger nicht durchalten. Schließlich schneidet ja niemand etwas aus der Partitur im "Opernmuseum" heraus, so dass es für alle Zeit verloren ist. Das Original bleibt unangestatet. Sakrosankt muss nichts sein auf dem Theater, finde ich. Zur heiligen Kuh ist Wagner erst durch Cosima und den Bayreuther Clan geworden. Ist Wagner "geschwätzig", wie es Mme. Cortese ihm anlastet? Das ist nun wirklich ein anderes Thema, das diesen Rahmen sprengt. Ich sage, NEIN!


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ist Wagner "geschwätzig", wie es Mme. Cortese ihm anlastet? Das ist nun wirklich ein anderes Thema, das diesen Rahmen sprengt. Ich sage, NEIN!

    Ich auch! Das beweist schon sein nicht sehr hohes Tempo, das aber für "Geschwätzigkeit" unbedingt erforderlich ist! :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Für mich ist Geschwätzigkeit keine Frage des Tempos, sondern einfach die Tatsache, dass einer nicht aufhören kann zu reden. In Wagners heimischen Dialekt nennt man das, glaube ich, Gemäre. Aber das ist nun schon boshaft. Bevor ich also selbst geschwätzig werde, werde ich das Thema verlassen. Vielleicht kann die Moderation die Diskussion auch in den Thread "Was mich an Wagners Musik stört" verschieben.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • sondern einfach die Tatsache, dass einer nicht aufhören kann zu reden. In Wagners heimischen Dialekt nennt man das, glaube ich, Gemäre.

    Beim Schriftsteller Richard Wagner stimme ich dir zu, beim Dichter und Komponisten nicht. Da finde ich Rossinis "Barbier von Sevilla" ungekürzt weit geschwätziger, den kriegt man dann nämlich auch nicht unter dreieinhalb Stunden - bei nur einer Pause.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Für mich ist Geschwätzigkeit keine Frage des Tempos, sondern einfach die Tatsache, dass einer nicht aufhören kann zu reden. In Wagners heimischen Dialekt nennt man das, glaube ich, Gemäre.


    "Gegäre" wäre passender. Rumgären heißt soviel wie herumreden, quatschen und klatschen, sinnloses Zeug reden, sich redend die Zeit vertreiben, andere schwatzend von deren Arbeit abhalten. "Gemäre" bezeichnet mehr die Tatsache, dass jemand nicht fertig wird, sich aufhält, verzettelt, nicht vom Fleck kommt. Ich bin kein Sachse, höre aber den Dialekt gern wie ich überhaupt Dialekte liebe. Schade, dass sie oft den Kindern schon den der Schule ausgetrieben werden.


    Alfred Pringsheim, ein finanzstarker Förderer der ersten Bayreuther Festspiele aus München hat in seinem Tagebuch auf wunderbare Weise festgehalten, wie Wagner bei den abendlichen Runden in Wahnfried gesprochen und agiert hat. Pringsheim, der von Haus aus Mathematiker war und einen berühmten Salon unterhielt, offenbart dabei ein enormes schriftstellerisches Talent. In diesen Texten finden sich auch - und damit zurück zum eigentlichen Thema - bemerkenswerte Aussagen von Wagner zu Opern seiner Zeitgenossen bzw. seiner Vorgänger.



    Ich glaube, dass wir heutzutage oft nicht mehr die Geduld und die Konzentration aufbringen, gründlich zuzuhören. Es muss schnell gehen. Rucksack! Auch im Theater. Nicht lange aufhalten. Die Wiederentdeckung barocker Opern ist auch die Wiederentdeckung der Ausführlichkeit. Das finde ich ganz bemerkenswert. Dabei wird bei Aufführungen schon gnädig gekürzt, Wiederholungen fallen weg, Einlagen, Ballette oder Gesprochenes ebenso. "Es sind Längen in der Oper - gefährliche Längen." ;) Ein wunderbarer Satz. Nein, Wagner hat die "Geschwätzigkeit" nicht erfunden. Er hatte eine Botschaft, und die brauchte ihre Zeit. Wie ich finde, ist bei ihm nichts um der Länge willen lang. Ausführlichkeit verselbständigt sich nicht. Sie hat immer einen Sinn. In der Oper vor Mozart kommt mir das mitunter gegenteilig vor.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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