Alfred Brendel zeigt mit dieser Interpretation auch in dieser Sonate und in diesem Satz, dass er dem Ziel in Beethovens Sonatenkosmos näher gekommen ist.
Lieber Willi,
es gibt von Brendel ja noch eine Live-Aufnahme. Aber ich finde die letzte der von Dir besprochenen Brendel-Aufnahmen von seinen Einspielungen am besten. In der Live-Aufnahme wirkt die Durchführung ein bisschen klebrig, jedenfalls nicht so licht und klar, wie das bei noch schnellerem Tempo Géza Anda spielt. Leider hat Brendel bei seinen Live-Aufnahmen nicht immer ein glückliches Händchen, natürlich sind die Aufnahmen sehr gut, aber eben auch sehr 'ausgewogen' - ich habe ihn Live in den 80er Jahren noch ganz anders erlebt. Da hat er richtig viel riskiert. Beispielsweise sind seine veröffentlichten Schubert-Live-Aufnahmen viel ausgewogener und klassischer als ich es damals erlebt und teilweise auch im Radio gehört habe. Und so ist für mich auch seine Live-Aufnahme von op. 101 kein Gewinn gegenüber seiner letzten Studio-Einspielung.
Schon jetzt aber fällt auf, dass bei op. 101 das Feld der wirklich sehr guten Aufnahmen deutlich kleiner ist! Bislang hast Du nur zwei Aufnahmen als herausragend bezeichnet (Solomon und Arrau Live) und ich stimme Dir darin absolut zu! Svistoslav Richter hat sich in seinem schönen und sehr selbstkritischen Buch (Hg. Bruno Monsaingeon) auch über diese Sonate geäußert und sie gestalterisch extrem schwierig genannt. Leider finde ich die Stelle nicht mehr. Die Sonate ist für mich lyrisch und durchaus rabiat zugleich, das muss man erst einmal unter einen Hut bekommen, ohne irgendwelche Extreme rauszunehmen, wie es doch viele im zweiten Satz machen. Bin schon gespannt wie es weitergeht. Hier noch das Cover der CD mit der erwähnten Live-Aufnahme von Brendel:
Viele Grüße,
Christian