Beethoven: Klaviersonate Nr. 28 A-dur op. 101, CD-Rezensionen und Vergleiche (2015)

  • Alfred Brendel zeigt mit dieser Interpretation auch in dieser Sonate und in diesem Satz, dass er dem Ziel in Beethovens Sonatenkosmos näher gekommen ist.



    Lieber Willi,


    es gibt von Brendel ja noch eine Live-Aufnahme. Aber ich finde die letzte der von Dir besprochenen Brendel-Aufnahmen von seinen Einspielungen am besten. In der Live-Aufnahme wirkt die Durchführung ein bisschen klebrig, jedenfalls nicht so licht und klar, wie das bei noch schnellerem Tempo Géza Anda spielt. Leider hat Brendel bei seinen Live-Aufnahmen nicht immer ein glückliches Händchen, natürlich sind die Aufnahmen sehr gut, aber eben auch sehr 'ausgewogen' - ich habe ihn Live in den 80er Jahren noch ganz anders erlebt. Da hat er richtig viel riskiert. Beispielsweise sind seine veröffentlichten Schubert-Live-Aufnahmen viel ausgewogener und klassischer als ich es damals erlebt und teilweise auch im Radio gehört habe. Und so ist für mich auch seine Live-Aufnahme von op. 101 kein Gewinn gegenüber seiner letzten Studio-Einspielung.


    Schon jetzt aber fällt auf, dass bei op. 101 das Feld der wirklich sehr guten Aufnahmen deutlich kleiner ist! Bislang hast Du nur zwei Aufnahmen als herausragend bezeichnet (Solomon und Arrau Live) und ich stimme Dir darin absolut zu! Svistoslav Richter hat sich in seinem schönen und sehr selbstkritischen Buch (Hg. Bruno Monsaingeon) auch über diese Sonate geäußert und sie gestalterisch extrem schwierig genannt. Leider finde ich die Stelle nicht mehr. Die Sonate ist für mich lyrisch und durchaus rabiat zugleich, das muss man erst einmal unter einen Hut bekommen, ohne irgendwelche Extreme rauszunehmen, wie es doch viele im zweiten Satz machen. Bin schon gespannt wie es weitergeht. Hier noch das Cover der CD mit der erwähnten Live-Aufnahme von Brendel:



    Viele Grüße,


    Christian

  • Lieber Christian,


    schönen Dank für den Tipp. Aus sammlerischen Gründen werde ich mir die CD wohl noch anschaffen, habe es aber nicht ganz so eilig damit. Ich darf vielleicht ergänzend zu deinen Ausführungen hinzufügen, dass ich Paul Badura-Skoda auch in der (bis jetzt) vordersten Reihe gesehen hatte.
    Ich glaube, der Knackpunkt im zweiten Satz ist die richtige Tempowahl, die wohl stark in Verbindung mit der entsprechenden Dynamik steht und bei zu langsamem Tempo die Gefahr besteht, in einen erdenschweren Marschrhythmus zu verfallen, wie das bei Ashkenazy, Backhaus und auch bei Brendel in seiner ersten Aufnahme der Fall war. In den beiden späteren Einspielungen hat er sich, zumeist erfolgreich, bemüht, das Schwere insbesondere in der Begleitung harauszunehmen und so statt einer "Marcia" ein "alla Marcia" zu spielen.
    Ich bin mal gespannt, wie (und ob) die weiteren Protasgonsiten das Problem gelöst haben. Als Nächsten werde ich heute wohl den frühen Buchbinder anhören.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Ich bin mir nicht sicher, ob das hierhin gehört, aber so sehr ich diese Aufnahme von Brendel mag, stört mich sein "mitsummen" doch sehr. Einigemale habe ich eine der Sonaten vor dem Einschlafen über Kopfhörer gehört und mich dann plötzlich gewundert, ob ich schon angefangen habe zu schnarchen.
    Bis mir dann einfiel, dass Herr Brendel mitsummt.


    Das gefällt mir nicht. Wenn einer mitsummt, dann ich.

    "Lassen Sie sich ruhig fallen, bei Bruckner fallen Sie immer nach oben"
    Günter Wand

  • Zitat

    yagura: Das gefällt mir nicht. Wenn einer mitsummt, dann ich.


    Stell dir mal vor, lieber yagura, du wärst an Alfred Brendels Stelle und könntest so gut Klavier spielen. Würdest du dann nicht auch gerne mitsummen?. Ich habe Alfred Brendel ja viele Male live erlebt und immer ziemlich weit vorne gesessen. Wenn er mal einmal nicht mehr mitgesummt hätte, dann hätte nicht nur ich angenommen, er wäre ernsthaft krank.
    Hast du übrigens Aufnahmen von Glenn Gould? Es muss ja nicht unbedingt Beethoven sein. Der kann das auch gut, das Mitsummen. :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 28 A-dur op. 101
    Rudolf Buchbinder, Klavier
    AD: 1982
    Spielzeiten: 4:05-5:49-2:59-7:07 -- 20:02 min.;


    Rudolf Buchbinder spielt in seiner frühen Aufnahme den Hauptsatz sehr lyrisch, mit moderater Dynamik, temporal recht flott, sodass er beiden Aussagen der Satzbezeichnung hier vollauf gerecht wird. Auch das "espressivo e semplice" ist bestrickend, ausdrucksvoll und natürlich gespielt.
    In der Durchführung beginnt er so atemberaubend, wie er die Exposition beendet hat, legt in der Kontrastfolge f-p-f-p bis 44 in den Fortepassagen zu, ebenfalls in dem dann folgenden Crescendo, so dass er in Takt 50 das Forte erreicht, aber alles in allem eine jederzeit dynamisch beherrschte und rhythmisch wie temporal schlüssige Lesart vorlegt. Auch das überleitende "molto espressivo" passt wunderbar in dies Konzept.
    Auch die Reprise setzt dieses Bild eines lyrischen, gleichzeitig aber auch dynamisch bewegten und rhythmisch ganz organisch verlaufenden Satzes fort. Auch das wiederum folgende "molto espressivo" ist auf dem gleichen hohen Niveau, und die abschließende Steigerung ab Takt 85 spielt er ähnlich wie der späte Brendel kraftvoll, aber nicht überbordend.
    Eine schlicht singende aber zugleich sehr anrührende Coda schließt sich an.


    Den zweiten Satz spielt Buchbinder rascher als Brendel, aber manchmal gerät ihm auch der Bass stärker, ähnlich wie Brendel in seiner ersten Aufnahme. In der Durchführung nimmt er dann den Bass etwas zurück, wird das Geschehen in seinem eckigen Rhythmus etwas leichter, am Ende der Coda des ersten Satzteiles leider wieder etwas schwerer. Natürlich wiederholt er diesen Abschnitt.
    DAs B-dur-Trio im Themenbeginn und im zweiten Gedanken, die er dann wiederholt, gerät ihm wieder sehr lyrisch, auch die modulierende Durchführung und der Beginn der Reprise, sind noch licht und leicht, aber dann fällt in der Überleitung der Bass wieder zunehmend "ins Gewicht".
    Er schließt "alla Marcia" Da Capo an.


    Das Adagio spielt er signifikant langsamer als Solomon und auch als Brendel in seiner letzten Aufnahme. In der kanonischen Verkürzung bringt er im zweiten und dritten Abschnitt etwas dynamische Belebung hinein, ähnlich wie Solomon.
    Auch bringt im "non presto (Takt 20) ein Accelerando hinein, erreicht aber bei weitem nicht das Presto. Die Erinnerung an den ersten Satz spielt er wieder sehr lyrisch und einen schwungvollen Presto-Übergang.


    Das finale Allegro spielt er, wie ich finde auch im richtigen Tempo, nicht zu langsam, vielleicht einige Sekunden hinter Solomon, aber durchaus rhythmisch auch zupackend. In der Überleitung, gleichzeitig Beginn des Seitenthemas, lässt er es wieder lyrisch fließen und schließt nach den Staccatotakten 79 und 80 den zweiten Dolce-Abschnitt an. In der Schlussgruppe nimmt er wieder den staccatierenden Rhythmus auf, anschließende wiederholt er die Exposition. Auch er spielt die parallelen Melodielinien wunderbar.
    Im Übergang gestaltet er auch wie Wenigen langsamen Takte mit den Halben in der hohen Oktave sehr berührend, ehe er sich in das hochvirtuose Getümmel der dreiteiligen Durchführungsfuge stürzt. Auch bei seinem Spiel ist die Struktur noch gut zu verfolgen, ebenso wie im noch vertrackteren zweiten Teil (Takt 173 bis 208) und im anschließenden dritten Teil, der in den tiefen "Contra-E"-Akkorden endet. Die Reprise beginnt ja nicht mit dem Thema, sondern erst nach dem Themenübergang ab Takt 24o mit Auftakt, (nicht) überraschenderweise im "dolce poco espressivo", in dem er auch sehr schön wiederum die parallelen Melodien spielt, an die sich die lichte zweite "dolce"-stelle anschließt, auch von ihm wunderbar gespielt und nach der kraftvollen Steigerung die dritte "dolce"-Passage. Nach der letzten kraftvollen Steigerung ist auch hier die originelle Coda erreicht, in der er die beiden ff-Akkorde in Takt 313/314 auch etwas zurücknimmt, um den Zauber der Coda nicht zu zerstören, dann ein letztes Mal die parallelen Melodielinien und die grummelnden Sekunden-Wechsel, dann sind die letztlich noch mal kraftvollen ff-Schlussakkorde erreicht.


    Ein, wie ich finde, grandios musizierter Schlusssatz in einer Interpretation, die lediglich im zweiten, aber so wichtigen Satz Schwächen zeigt!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 28 A-dur op. 101
    Rudolf Buchbinder, Klavier
    AD: 2. 1. 2011
    Spielzeiten: 4:02-5:54-2:42-7:00 -- 9:38 min.;


    Rudolf Buchbinder spielt diese knapp 30 Jahre später entstandene Aufnahme im Kopfsatz etwa im gleichen Tempo, aber, wie ich finde, dynamisch in den Steigerungen etwas höher stehend, ohne an lyrischem Ausdruck zu verlieren.
    Auch das "espressivo e semplice" macht seinem Namen alle Ehre, tiefer Ausdruck verbindet sich mit einfachem natürlichem Klang.
    In der Durchführung legt er ebenfalls gegenüber der ersten Aufnahme dynamisch ordentlich zu, vergrößert die Kontraste, und alles wird wieder aufgefangen in der wunderbaren Piano-Fermate in Takt 52 auf der Eins und das "molto espressivo" geht nun mit größerer dynamischer Bewegung einher (mp-mf).
    Auch in der Reprise greift er gleich im ersten Crescendo ab Takt 59 beherzt zu. Im folgenden Diminuendo-Abschnitt offenbart Buchbinder wieder seine großen lyrischen Fähigkeiten , die sich auch auf das kräftige Crescendo ab Takt 75 erstrecken und v. a. auf den nachfolgende Piano-Abschnitt, der in einen nunmehr allerdings durchaus kraftvolle Fortissimo-Steigerung mündet. Buchbinder nimmt offenbar eine andere dynamische Entwicklung als sein Landsmann Alfred Brendel, der bei seiner späten Aufnahme 61 Jahre alt war, Buchbinder dagegen bei dieser Aufnahme schon über 64 Jahre. Ich muss gestehen, dass mit diese Passage (Takt 85/86) bei Brendel etwas näher ging.
    Dafür belässt Buchbinder es in der intimen Coda in der Schlusssteigerung bei einer moderaten Bewegung, die ich hier auch für angebrachter halte und die hier auch die gleiche anrührende Bewegung hervorruft wie diejenige Brendels und ähnlich wie Solomon, bei dem die musikalische Tiefe mir noch etwas "tiefer" schien.


    Auch in dieser zweiten Aufnahme scheint mir der Bass immer noch zu schwerfällig und das ganze musikalische Geschehen zu erdenschwer im Gegensatz zu Solomon oder Paul Badura-Skoda, die das so wunderbar leicht und dem agilen Rhythmus angespielt spielen.
    Auch die Tiefbässe in Takt 33 bis 35 sind für mich nicht pp, sondern p/mp und nicht hingehaucht, sondern wirken schon schwerer. DAs Gleiche spielt sich in Reprise und Coda ab, in der die Oktavläufe im Bass /Takt 45/46 und 48/49 mir zu massiv klingen. Es scheint doch recht schwer zu sein, da das richtig dynamische Maß zu finden. Buchbinder wiederholt hier natürlich auch die "alla Marcia", hier mehr eine "Marcia".
    Im B-dur-Trio ist das wesentlich besser, auch wenn ich hier den Eindruck habe, dass er, wie schon zuvor in der Durchführung in den Legato-Passagen ins Stocken gerät. Auch in der modulierenden Durchführung will es mir manchmal so scheinen. Wenigstens spielt er hier wie auch in der nachfolgenden Überleitung bis zu den Bassoktaven zurückhaltender, im "piu crescendo" poltern sie wieder los-Buchbinder spielt dann auch die "alla Marcia" Da Capo.


    Das Adagio gefällt mir wieder sehr gut, weil er auch hier nach dem eher dunklen Themenbeginn in der kanonischen Verkürzung eine hier angebrachte dynamische Bewegung hineinbringt und in Takt 19 auch das Crescendo ausreichend dynamisch anhebt. Das Accelerando in Takt 20 dagegen scheint mir wieder des Guten zu viel. Die Erinnerung an den ersten Satz (Takt 21 bis 27) ist dagegen wieder sehr schön gespielt.


    Im Finale stimmen im ersten Thema Tempo, Rhythmus und Dynamik durchaus. In der Überleitung und ersten Hälfte des Seitenthemas lässt er es schön fließen und spielt auch das lange Crescendo sehr organisch und dazwischen das kurze "dolce" sehr anmutig. Auch die Schlussgruppe gestaltet er sehr kontrastreich, nach der ff-Steigerung und der Oktavierung dann subito piano. Natürlich wiederholt er die Exposition und spielt eine sehr ausdrucksvolle Überleitung zur dreiteiligen Durchführungsfuge. Auch diese spielt er in ihrem vertrackten Rhythmus sehr bestimmt und mit dem nötigen Vorwärtsdrang. Die vielschichtige Struktur tritt schön hervor, auch im zweiten Teil, in dem er auch die parallelen Melodielinien sehr schön spielt.. Die sich immer mehr aufschaukelnden rhythmisch-dynamischen Kontraste lässt er in einer machtvollen Fortissimo-Contra-E-Sequenz Takt 223 bis 227 auslaufen.
    Sehr klar und klangstark spielt er auch in der hohen Oktave die Themenüberleitung zur Reprise.
    Diese selber spielt er im "dolce con espressivo" wieder sehr ausdrucksstark, wobei ihm die erst einfache, dann zweistimmige und zuletzt dreistimmige Melodielinie Takt 244 bis 251 sehr gut gelingt.
    Die anschließenden Legatobögen in der hohen Oktave fließen wunderbar dahin und gipfeln in einer silbrig schimmernden Steigerung zum nächsten "dolce" hin, die in die Schlusssteigerung zum Fortissimo mündet.
    Auch die intime Coda mit den zwei "dynamischen" Eruptionen Takt 313/314 und den letzten drei Takten 359 bis 361 spielt er sehr ausdrucksstark einschließlich der bei ihm in dieser Einspielung natürlich markerschütternden sieben ff/fff-Schlussakkorde.


    Mein Fazit fällt ähnlich aus wie bei seiner frühen Einspielung nur mit dem Unterschied, dass er im Kopfsatz und im Finale dynamisch die Partitur noch besser umsetzt. Das, was im zweiten Satz sich nachteilig auswirkt, ist in den Ecksätzen um so überzeugender.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 28 A-dur op. 101
    Aldo Ciccolini, Klavier
    AD: 1996
    Spielzeiten: 3:36-6:22-3:01-7:44 -- 20:43 min.;


    Aldo Ciccolini ist im Kopfsatz etwas gleichschnell wie Solomon, jedoch schneller als Brendel in seiner zweiten Aufnahme und Arrau in seiner Schwetzinger Live-Aufnahme, auch einige Sekunden schneller als Badura-Skoda. Er spielt den Hauptsatz sehr lyrisch mit intimer Tongebung und moderater Dynamik.
    Im "espressivo e semplice" geht er mit der Dynamik noch etwas zurück und endet am Übergang zur Durchführung gar beim ppp- grandios! Nach den famosen f-p-Wechseln kommt er erst im langen Crescendo ab Takt 45 dann in den absteigenden Sforzandi an das Forte heran und läuft auch in einer betörenden Viertel-Fermate aus. Im "molto espressivo zur Reprise hin fährt er die Dynamik wieder etwas zurück und spielt dort auch wunderbare Bögen.
    Auch die Reprise ist weitgehend beseligender Gesang, wieder dynamisch moderat und im "espressivo e semplice" (zwar hier nicht so bezeichnet, aber beinahe deckungsgleich mit der Passage ab Takt 25) spielt er das atemberaubend, auch die ff-Steigerung in den Beginn der Coda hinein spielt er entsprechend seinem dynamisch Konzept höchstens forte und spielt die sangliche Coda mit großem Ausdruck auf relativ niedriger dynamischer Stufe, endend mit einem grandiosen Ritartando/Diminuendo.


    Das "Vivace alla Marcia" ist das Langsamste von meinen bisher gehörten Einspielungen (diese ist die 15.), und leider ist sie auch wie die erste von Brendel ziemlich basslastig, sprich sie ähnelt mehr einem deftigen Bauernmarsch als einem flotten, marschartigen, aber eher federnden Satz, wie es zum Beispiel bei Badura-Skoda und Solomon, aber auch bei Arraus Schwetzinger Aufnahme der Fall ist. Im "sempre ligato" wird es leichter, aber zu Reprisenbeginn wird es wieder schwerer, und am Ende der Coda schepperte es aber richtig. Die Durchführung, Reprise und Coda wiederholt er natürlich.
    Das B-dur-Trio ist natürlich auf einem ganz anderen Niveau, das ist wieder reiner, teilweise schwebender Gesang. Das wiederholt er natürlich auch. Auch die modulierende Durchführung und die Reprise, sogar in den ersten Teil der Überleitung hinein, behält noch diesen von der Erdenschwere losgelösten Zustand bei. Doch am Ende geht es wieder dahin. Dann spielt auch Ciccolini das "Vivace alla Marcia" Da Capo. Solomon, Arrau 1963 und Badura-Skoda spielen diesen Satz eine knappe Minute schneller.


    Im Adagio ist es natürlich auch ganz anders. Obwohl im ganzen Adagio keine Dynamikbezeichnung steht, geht er nach einem p/pp im Themas zu einer moderaten dynamischen Bewegung in der kanonischen Verkürzung über, etwa bis zum mp. Dafür reduziert er im letzten Takt (19, das Crescendo etwas. DAs "non presto" spielt er auch langsamer als Brendel und Buchbinder in ihren diversen Einspielung. Ich finde das besser, als ein heftiges Accelerando einzubauen.


    Das Finale spielt Ciccolini langsamer als Solomon, Badura-Skoda und Arrau, aber schneller als Brendel und rhythmisch und dynamisch durchaus angemessen und immer klar und natürlich im Ton uns sehr sanglich in den Bögen. In der Schlussgruppe spielt er eine kräftige, gleißend helle Steigerung zum Schluss der Exposition und spielt einen großen dynamischen Kontrast zwischen den abschließenden pp-Takten und der ff-Wiederholung des Themas in der Weiderholung der Exposition.
    Die Überleitung zur dreiteiligen Durchführungsfuge ist auch sehr beeindruckend.
    Die Durchführung selber in ihrem vertrackten Rhythmus spielt er in diesem Tempo sehr durchhörbar und dynamisch kontrastreich. Die im zweiten und dritten Teil noch ansteigenden pianistischen Anforderungen bewältigt er in der gleichen Weise und endet in dem sehr langen Crescendo im Fortissimo in der "Contra-E-Sequenz" ab Takt 224 mit Auftakt.
    Sehr schön klar ist wieder die Themenüberleitung zur Reprise in der ganz hohen Oktave. Ihr lässt er ein leicht grummelndes "dolce poco espressivo" folgen und drückt auch die parallelen Melodielinien sehr schön aus, mitten in das zweite "dolce" hinein und nach einer neuerlich oktavierten gleißenden Steigerung gleich das dritte "dolce" und dann die dritte hohe Steigerung. Er spielt das alles sehr bestimmt und mit hörbarem Vergnügen, in das vierte "dolce" hinein, die originelle Coda, die sich auch durch den ersten ff-Doppelschlag nicht aus der Ruhe bringen lässt. Weiter geht es im Pianissimo, hin zu den wunderbaren Melodieparallelen und schließlich zu den Sekundenwechseln ab Takt 347 bis hin zu den abschließenden sieben machtvollen ff-Akkorden.


    Eine großenteils grandiose Einspielung mit dem leider m. E. nicht angemessenen zweiten Satz.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup: :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Stell dir mal vor, lieber yagura, du wärst an Alfred Brendels Stelle und könntest so gut Klavier spielen. Würdest du dann nicht auch gerne mitsummen?. Ich habe Alfred Brendel ja viele Male live erlebt und immer ziemlich weit vorne gesessen. Wenn er mal einmal nicht mehr mitgesummt hätte, dann hätte nicht nur ich angenommen, er wäre ernsthaft krank.
    Hast du übrigens Aufnahmen von Glenn Gould? Es muss ja nicht unbedingt Beethoven sein. Der kann das auch gut, das Mitsummen. :D


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Hallo Willi,


    steht denn in den Noten etwas dazu? Vielleicht eine Anweisung von Beethoven: "Hier zwei Takte mitsummen" oder so ähnlich. Ehrlich gesagt stört es mich sehr, wenn ich die Musik mit Kopfhörer höre. Im Konzert würde ich wahrscheinlich darüber hinweghören.


    Von Glenn Gould habe ich nichts und mir steht auch der Sinn nicht nach Musik von ihm. Sorry.


    LG,
    Thomas

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    Günter Wand


  • Beethoven, Sonate Nr. 28 A-dur op. 101
    Annie Fischer, Klavier
    AD: 1977-78
    Spielzeiten: 4:01-5:28-2:42-7:11 -- 19:12 min.,


    Annie Fischer spielt den Kopfsatz etwas langsamer als Backhaus, Solomon und Badura-Skoda, aber schneller als die meisten Andern bisher gehörten. Ihr Spiel hat von Anfang an den nötigen Schwung und eine steten Fluss, die zahlreichen Synkopen organisch einbindend. Auch dynamisch ist ihr Spiel auf einem klassischen Wege, weder zu heftig noch zu wenig konturiert. Auch das "espressivo e semplice ist sehr ausdrucksvoll musiziert und zeigt, wie auch schon der Hauptsatz ihre lyrische Ausdrucksfähigkeit auf das Vortrefflichste.
    In der Durchführung steigert sie die dynamische Bewegung organisch, schafft schöne Kontraste in der f-p-f-p-Passage Takt 42 bis 44 und spielt eine beherrschte Steigerung ab Takt 45, die wieder weich aufgefangen wird von der frappierenden Piano-Fermate in Takt 52 auf der Eins.
    Das überleitende "molto espressivo" hat die nötige Vorwärts-Bewegung, um dem ersten Teil der Satzbezeichnung gerecht zu werden und den nötigen Fluss, um dem zweiten Teil zu entsprechen. Diesen Wege der Mitte setzt sie auch in der Reprise fort, wobei auch ihr klarer, natürlicher Klang zu loben ist. In der dem "espressivo e semplice" ähnlichen Überleitung zur Coda nimmt sie das Crescendo sehr kraftvoll und auch geschärft, um daran eine grandiose, sehr ausdrucksstarke Coda anzuschließen.
    Welch ein großartiger Satz!


    Den zweiten Satz spielt sie zwar etwa in dem Tempo von Solomon und Badura-Skoda, aber nicht mit deren Leichtigkeit, sondern es geraten ihr ein um das andere Mal die Bässe zu kräftig. Das passt zwar zu preußischen Märschen, selbst zu Beethovens "Marsch des Yorck'schen Korps", aber nicht zu dieser Sonate, denn dieser Satz ist kein Marsch, sonder er hat lediglich einen marschähnlichen Rhythmus, nicht aber dessen Gewicht.
    Selbst in der "sempre ligato"-Überleitung zur Reprise (ab Takt 30) geraten ihr die "Halben-Oktaven" in Takt 33 bis 35 zu gewichtig, drücken das Geschehen nach unten.
    Auch in der Coda haben die Bassoktaven Takt 45/46 und 48/49 zu viel Gewicht. Annie Fischer weiderholt natürlich die "alla Marcia"..
    Im B-dur-Trio, das etwas leichter gespielt ist, wiederholt sie leider den Themenbeginn und den zweiten Gedanken nicht, sondern geht direkt in die modulierende Durchführung und die Reprise, die wieder etwas leichter sind, aber in der Überleitung zum Da Capo poltern die Bässe wieder.
    Dieser Satz hat mich nicht überzeugt!


    Das Adagio ist wieder mehr "ihr Ding". Hier erhebt sie von Anfang an ganz klar ihre Stimme, artikuliert die Sehnsucht klar vernehmlich, steigert die dynamische, ja drängende Bewegung noch merklich in den kanonischen Verkürzungen, spannt einen wunderbaren dynamischen Bogen , indem sie zum Ende hin wieder leiser wird und natürlich das Crescendo in Takt 19 wieder hervorhebt.
    Auch den Takt 20 spielt sie vorbildlich, in dem sie zwar gelinde acceleriert, aber nicht den "non presto"-Bereich (wie Backhaus) verlässt, sondern diese "Schlüsselstelle" ist für mich eine der besten, die ich bis jetzt gehört habe.


    Im Finale hat sie wieder das Niveau des Kopfsatzes erreicht und lässt es wieder wunderbar fließen, auch in den dynamisch niedrigeren lyrischen Regionen wie in der Überleitung und 1. Hälfte des Seitensatzes ab Takt 66. Und hier lässt sie auch im oberen dynamischen Gereich in der Steigerung in Takt 79/80 Milde walten, rundet den Bogen zum Dolce-Thema ab Takt 81. Auch dieser und die Schlussgruppe sind bei ihr beseligender, gleichsam rhythmisch mitreißender Gesang. Selbst die ff-Steigerung mit der anschließenden Oktavierung passt sich in dieses Konzept ein.
    Nach der Wiederholung der Exposition schließt Annie Fischer mit einer ausdrucksstarken Überleitung an die dreiteilige hochvirtuose Durchführungsfuge an.
    Im ersten Teil dieser Fuge findet sie zu dieser rhythmischen Leichtigkeit, die ihr im zweiten Satz abging, warum auch immer. Auch durch den transparenten Klang ist die musikalische Struktur sehr gut erkennbar. Auch die hohen virtuosen Anforderun gen an die Partitur erfüllt sie, wie ich finde mühelos. (Warum, um alles in der Welt, hat sie den zweiten Satz nicht so leichtfüßig gespielt?)
    Den zweiten und dritten Teil der Durchführung spielt sie mit der gleichen Souveränität. Auch Überleitung und Reprise passen sich in dieses Bild organisch ein.
    In der Reprise im "dolce e poco espressivo" spielt sie die melodischen Parallelen wunderbar und hält diese sangliche Struktur aufrecht. Diese Passage gehört sicherlich zu den stärksten Momenten ihrer Aufnahme. Auch die Überleitung zur Coda ist einfach nur grandios.
    Zwar greift sie auch im Finale dynamisch kraftvoll zu, aber sie bleibt immer im Rahmen ihres dynamischen Gesamtkonzeptes.
    Schade, dass der zweite Satz da nun ganz und gar nicht hineinpasste.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 28 A-dur op. 101
    Claude Frank, Klavier
    AD: 1971
    Spielzeiten: 4:42-5:40- 3:15-7:32 -- 21:09 min.;


    Claude Frank nimmt den Kopfsatz langsamer als Solomon und Badura-Skoda, aber keinesfalls zu langsam. Dynamisch bewegt er sich durchaus höher als Solomon und Badura-Skoda, zumindest im Hauptsatz. In das "espressivo e semplice" bringt er in den Oktav-Akkorden in Takt 28 bis 32 eine merkbare dynamische Auf- und Abwärtsbewegung hinein. Das gefällt mir sehr gut.
    Die Durchführung spielt er auch dynamisch hochstehend mit wunderbaren Forte-Piano-Wechseln und einer kraftvollen Schlusssteigerung, die er sanft in der Piano-Fermate auffängt. Auch in der "molto espressivo"-Überleitung zur Reprise steckt mehr dynamische Bewegung, als ich verschiedentlich schon gehört habe.
    Auch die Reprise spielt er dynamisch kontrastreich, dabei jedoch stets in den Bögen den sanglichen Ton beibehaltend. Die Oktavakkorde im Übergang zur Coda spielt er wieder dynamisch etwas bewegter und das anschließende Crescendo durchaus machtvoll.
    In der Coda bleibt er trotz der dynamische Kontraste jederzeit sanglich- ein dynamisch kontrastreicher Satz mit klarem natürlichem Ton und sehr tief empfunden!


    Der zweite Satz ist im ersten Teil, dem "Vivace alla Marcia", bis auf die letzten Takte der Durchführung, auch durchaus nicht erdenschwer, wie z. B. beim frühen Brendel oder bei Backhaus.
    Die Überleitung ist ganz vorzüglich, aber in der Reprise wird der Bass wieder etwas schwerer und in den Oktavläufen der Coda dann noch schwerer.
    Das B-dur-Trio ist wieder leicht, aber leider wiederholt er den Themenbeginn und den zweiten Gedanken (Takt 55 bis 64) nicht. Die modulierende Durchführung, Reprise und die Überleitung sind wieder leichter. Claude Frank spielt dann die "alla Marcia" Da Capo.


    Das Adagio spielt Frank langsamer als Badura-Skoda, Fischer und Solomon, obwohl es erst nicht den Anschein hat, aber der Unterschied liegt im "non presto", das er langsamer spielt als alle anderen, auch ohne jegliches Accelerando, aber durch diese Spielweise erhebt er den Takt 20 zu einer Schlüsselstelle, was mir ausnehmend gefällt. _Die Erinnerung an den ersten Satz spielt er auch wieder sehr anrührend.


    Im Finale ist er langsamer als Solomon und Badura-Skoda und auch wohl als Fischer, dennoch trifft die Satzbezeichnung "Geschwinde, doch nicht zu sehr und mit Entschlossenheit" m. E. voll zu. Die großen dynamischen Kontraste zeichnet er sorgfältig nach und die lyrischen Bögen desgleichen. Besonders eindrucksvoll gelingt ihm die Schlusssteigerung der Exposition mit der abschließenden subito piano-Sequenz. Die Exposition wiederholt er natürlich.
    Sehr schön ist auch die Überleitung zur dreiteiligen Durchführungsfuge, die er am Schluss sehr scharf kontrastiert durch die machtvollen doppelten Fortissimo-Akkorde.
    Den sprunghaften Rhythmus in dem ersten Teil trifft er sehr gut. Auch die virtuosen Strukturen des zweiten Teils stellt er klar dar. Sehr eindrucksvoll ist auch der dritte Teil mit der atemberaubenden langen Steigerung von Takt 214 bis 228. Fast die Hälfte des dritten Teils besteht nur aus diesem Crescendo und dem anschließenden Thema, das noch vor der Reprise ertönt, hier von Frank auch sehr volltönend dargeboten.
    Die Reprise im "dolce poco espressivo" mit den parallelen Melodielinien spielt Claude Frank grandios, und die anschließenden langen Bögen im zweiten Thema singt er wunderbar aus. Auch den federnden Rhythmus der Schlussgruppe mit der ff-Schlusssteigerung und dem anschließenden "subito piano" spielt er wiederum vorbildlich.
    Auch die originelle Coda, meist im Pianissimo, spielt er sehr ausdrucksvoll, neben den Melodieparallelen und den wechselnden Sekunden gefällt mir bei ihm das Ritartando besonders gut.


    Ein toller Schlusssatz, und nur der zweite Satz mit einigen Irritationen hat eine noch bessere Wertung verhindert.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Hallo Willi,


    den 2. Satz finde ich bei Claude Frank eigentlich sehr gelungen! Er spielt ihn so zügig, dass ich niemals den Eindruck habe, dass die Bässe zu schwer sind. Dieser sperrige Satz lebt ja von gegenläufigen Bewegungen und Dissonanzen - und er wird gleichsam 'von unten' angetrieben. Es ist für mich kein eleganter Marsch, das Geschehen wird eher zugespitzt, verkürzt und verdichtet. Das ist bei Claude Frank gut aufgefächert, hat Esprit und Tempo. Seltsamerweise klingt der Satz bei Annie Fischer viel statischer, obgleich sie ihn nochmals schneller, aber eben auch irgendwie flächiger spielt.


    Viele Grüße,
    Christian

  • Lieber Christian,


    eigentlich sind wir mit usneren Meinungen bei Claude Frank gar nicht weit auseinander, ich war vielleicht etwas pingeliger, aber ich finde die von mir bisher als Referenz angesehenen Claudio Arrau 1963, Schwetzingen, Paul Badura-Skoda und Solomon im Ganzen noch weiter vom puren (preußischen) Marsch entfernt als Claude Frank, der ja immer dann im zweiten Satz überzeugt, wenn er die Bässe dynamisch etwas zurücknimmt zugunsten des erregten, agilen, eckigen Rhythmus.
    Bei Annie Fischer sehe ich unsere Meinungen deckungsgleich. Wenn du Arrau 1963, Solomon und Badura Skoda nicht hast und vergleichend hören möchtest, lässt sich sicherlich etwas auf dem kleien Dienstweg machen, denn ich bin ja froh, wenn wenigstens hier und da Eindrücke vom vergleichenden Hören ausgetauscht werden.


    Da ich heute Abend meine Schwägerin und meinen Bruder vom Flughafen abgeholt habe und meine Erinnerungen noch fertigstellen musste, geht es bei mir erst morgen (heute) Nachmittag mit Brundo Leonardo Gelber weiter.


    Liebe Grüße


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Deine Favoriten habe ich, Danke, vor allem Arrau in Schwertzingen finde ich großartig! Badura-Skoda ist überraschend gut, es wackelt nichts wie sonst manchmal bei ihm. Bin schon sehr gespannt auf die Gelber-Aufnahme, die ich gar nicht mehr in Erinnerung habe. Aber das Stück müsste ihm eigentlich liegen.


    Viele Grüße,
    Christian

  • Hier ist Bruno-Leonardo Gelber:



    Beethoven, Sonate Nr. 28 A-dur op. 101
    Bruno-Leonardo Gelber, Klavier
    AD: 3. September 1982
    Spielzeiten: 4:09-6:22-2:54-7:23 -- 20:45 min.;


    Bruno-Leonardo Gelber, der große Lyriker am Klavier, beginnt auch diese Sonate mit behutsamer Dynamik und gleichsam großer Empfindung. Seine dynamischen Bewegungen sind in diesem Hauptsatz hauchzart und sehr anrührend. Die Synkopen fließen organisch in den Ablauf mit ein.
    Sein "espressivo e semplice ist atemberaubend und geht pp/ppp in die Durchführung hinein. Ich kann mich gut dran erinnern, wie er die Sonate vor vielen Jahren in meinem damaligen Wohnort spielte. Schon damals lief mir ein Schauer über den Rücken.
    Auch in der Durchführung bleibt er in der reduzierten Dynamik, ohne aber die dynamischen bewegungen auf einem niedrigeren Niveau nachzuzeichnen und den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. In der Schlusssteigerung erreicht er etwa das Mezzoforte. Wenn man es jedoch vom Pianissimo her denkt, ist das durchaus in der entsprechenden Spannweite.
    Auch in der Überleitung und in der Reprise behält er dieses dynamisch Verhältnis bei, und sein Spiel ist einfach wunderbar. Auch die große Steigerung am Ende der Reprise passt er seinem dynamischen Gesamtkonzept an.
    Die zarte Coda ist ebenfalls, wie ich finde, innigstlich empfunden. Der ganze Satz ist herausragend gespielt.


    Beim zweiten Satz hatte ich anfangs die Befürchtung, dass er angesichts des relativ langsamen Tempos in die "Bassfalle" tappen würde, aber Gott sei Dank hatte sich das nicht bewahrheitet, denn er spielt den Satz trotzdem leicht und spielt den vertrackten Rhythmus auf dem geringeren Tempolevel lebhaft und nicht basslastig. Ich kann in der gesamten "Vivace alla Marcia" keine Stelle finden, wo er aus diesem Konzept ausgebrochen wäre und die Bässe überbetont hätte. Wenn man das so spielt mit so leichten, federnden Bässen , dann muss man nicht in fünf Minuten fertig sein, dann ist das auch in gut sechs Minuten nach der Satzbezeichnung "Vivace alla Marcia" und kein "schnöder " Marsch. Die Überleitung zur Reprise beispielsweise (Takt 30 bis 34) ist überwältigend gespielt.
    Das B-dur-Trio ist im Themenbeginn und im zweiten Gedanken traumhaft gespielt und selbstverständlich wiederholt er das. Auch die modulierende Durchführung und die Reprise sind grandios gespielt, aber die absolute Krönung des zweiten Satzes ist die Überleitung zum Da Capo des "Vivace alle Marcia". So leicht im sempre pp, dann im poco crescendo und letztlich im piu crescendo habe ich das noch nicht gehört. Das ist einfach überragend. Selbstverständlich spielt er das Da Capo.
    Genauso muss man m. E. diesen Satz vom Espressivo her spielen, man kann ihn schneller spielen, aber wenn man dann die Bässe überbetont, ist auch nichts gewonnen,


    Auch das Adagio spielt er aus dem Pianissimo heraus sehr ausdrucksvoll, und trotzdem mit moderater dynamischer Bewegung im zweiten und dritten Abschnitt der kanonischen Verkürzung (Takt 12/13). Im vierten Teil geht er dann wieder etwas zurück. Ab Takt 17 hebt er jedoch die Bewegung wieder an und spielt auch das Crescendo im Rahmen seines dynamischen Gesamtkonzeptes durchaus hervortretend. Auch diese Bewegung wird, wie schon so oft n dieser Sonate, von der Viertel-Fermate im Piano aufgefangen: wie er das spielt, ist einfach grandios!
    Im "non presto" (Takt 20) acceleriert er etwas, aber längst nicht so stark wie einige seiner Kollegen.


    Das finale Allegro spielt er im Rahmen seines Gesamtkonzeptes im normalen Tempo und mit dem notwendigen dynamischen Impetus, jedoch nicht überbordend. Er zeichnet die dynamischen Kurven gewissenhaft nach, achtet aber gleichzeitig auch auf die Synthese von Legato- und Nonlegato-Elementen, die sich ja (nicht nur) in dieser Sonate laufend abwechseln.
    In der Überleitung und 1. Hälfte des Seitenthemas zeigt er, wie viel Gesang auch in diesem Allegro steckt. Demzufolge endet auch die Steigerung in Takt 80 maximal auf einem schwachen Forte, so dass das "dolce" in Takt 81 nahtlos anschließen kann. Auch die Überleitung zur Schlussgruppe und dieselbe fließen wunderbar dahin.
    Auch die Überleitung zur dreiteiligen Durchführungsfuge ist nur als grandios zu bezeichnen. Da überrascht es schon fast, dass er in dem "a tempo - ff" Takt 121/122m über seinen dynamischen Schatten springt.
    Schon im Beginn des ersten Durchführungsteils zeigt er, wie wunderbar es klingt, wenn man die Bässe etwas leichter nimmt, zumal ja die Fuge im Tiefbass beginnt.
    Schließlich zeigt seine Lesart der Fuge eine geradezu bachianische Leichtigkeit. Die virtuosen Klippen dieser Fuge bereiten ihm nicht die geringsten Schwierigkeiten, und dank seines kristallklaren Spiels wei0 man zu jeder Zeit, wo man gerade ist. So ein souveränes, ja virtuoses Spiel hört man in dieser Sonate nicht bei jedem Interpreten.
    Auch die "Contra-E-"Sequenz liegt so klar vor uns. Selbst die ff-Passage Takt 228 ff. gerät in seinem Spiel nicht aus den Fugen. Es fließt weiterhin so wunderbar organisch dahin, dass es eine wahre Freude ist. Sein "dolce poco espressivo" in der Reprise mit den parallelen Melodielinien ist eine Offenbarung. In seinem so überaus lyrischen Spiel überrascht es geradezu, dass er in der Schlusssteigerung der Reprise in Takt 295 auf der Eins doch noch das Fortissimo erreicht, aber ohne jeden Zwang und ohne jede Wucht, einfach so. Da überrascht es auch nicht mehr, dass er die Coda mit geradezu impressionistischer Feinzeichnung ausmalt und in der Tat in der ganzen Sonate die markanten Fortissimi erst in den Takten 314/315 und 359 bis 361 erreicht.


    Ich möchte diese Aufnahme, die ohne jede Schwäche und mit höchster Souveränität und Ausdruckskraft daherkommt, als meine neue Referenz erheben. Aber, wer weiß, Emil Gilels folgt auf dem Fuße.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ja, ich finde auch, dass Gelber die Sonate ganz wunderbar spielt - auch den zweiten Satz, obwohl der bei ihm recht langsam ist. Aber sein federndes Konzept geht hier gut auf und wo es nötig ist, kann er eben auch richtig hinlangen. Ich kenne allerdings keine Einspielung, in der im vierten Satz die Dynmaik so ausgereizt wird, schon der Einstieg ist hier fff! Insofern wundere ich mir nur ein bisschen , dass du hier von "nicht überbordend" sprichst. Ich meine, dass diese Aufnahme gerade auszeichnet, dass sie im vierten Satz dynamisch zwischen pp und ff (wenn nicht fff) die KOntraste voll ausreizt. Bei mir kracht es hier jedenfalls gewaltig. Ansonsten stimme ich Dir voll zu, gerade auch was diesen wunderbaren ersten Satz betrifft.


    Viele Grüße,
    Christian

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  • Zitat

    Christian B.: Ich kenne allerdings keine Einspielung, in der im vierten Satz die Dynmaik so ausgereizt wird, schon der Einstieg ist hier fff! Insofern wundere ich mir nur ein bisschen , dass du hier von "nicht überbordend" sprichst.


    Ich meinte mit "nicht überbordend" auch, dass er trotz seines dynamisch sehr kontrastreichen Spiels auch die dynamischen Spitzen immer unter Kontrolle hat, und in der Tat hatte ich den akustischen Eindruck, der mich natürlich angesichts meiner momentanen heftigen Erkältung auch täuschen kann, dass er in den sieben Schlussakkorden erst seinen dynamischen Höhepunkt erreicht. Vielleicht waren das ja dann auch schon drei "f".
    Wie dem auch sei, ich höre immer mit der gleichen Lautstärkeeinstellung, und da meine ich schon Unterschiede feststellen zu können, nicht nur in dieser Sonate. Zu denjenigen, die dynamisch kräftig zupacken, gehört m. E. auch der vor Gelber besprochenen Claude Frank.
    Ich sagte am Ende meiner letzten Besprechung, Gilels folge auf dem Fuße. Dabei hätte ich fast Walter Gieseking übersehen, der natürlich zuerst an die Reihe kommt.


    @ Holger:


    ich habe mal in den Cortot reingehört, lieber Holger, der Klang ist ja ganz passabel, aber die Stücke werden ja nicht ganz vorgestellt, und ansonsten gibt es von ihm von Beethoven hauptsächlich die Klaviertrios.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • ich habe mal in den Cortot reingehört, lieber Holger, der Klang ist ja ganz passabel, aber die Stücke werden ja nicht ganz vorgestellt, und ansonsten gibt es von ihm von Beethoven hauptsächlich die Klaviertrios.


    Lieber Willi,


    das werde ich auch noch machen. Hast Du die EMI-Cortot-Box? Ist da vielleicht eine Komplettaufnahme von op. 101 drin? In Paris am Konservatorium benutzen sie wohl immer noch die Cortot-Ausgaben, die reichlich kommentiert sind. Von Chopin und Liszt habe ich zwei. Bei Beethoven wäre das sicher sehr interessant - man muß sich nur die Mühe der Übersetzung machen. Seine Sprache ist schon sehr "blumig" poetisch. (Ich habe Dir eine Mail geschickt! ;) )


    Herzliche Grüße zum Sonntag
    Holger

  • Nein, lieber Holger,


    ich habe nichts von Cortot. Ich habe nur in die Hörschnipsel bei Amazon hineingehört, und bei JPC gibt es die EMI-Bos mit reichlich Hörbeispielen. Darauf sind die Sonaten op. 13, op. 27 Nr. 2, op. 57, op. 79. op. 81 a und op. 90. Leider gibt es davon keine Hörbeispiele, aber wenn das stimmt, was da steht, sind die Satzzeiten unglaublich. Du kannst sie selber nachschauen: Nur diese Beispiele:


    Sonate Nr... 8: 16:02-8:10-7:57 -- 32:09 min.;
    Sonate Nr. 23: 17:42-7:09-7:08 -- 31:59 min.:
    Wenn Cortot wirklich so langsam spielt, dann bin ich davon überzeugt, dass er in der Appassionata im finale die Wiederholungsvorschriften mißachtet hat, sonst wäre er mühelos auf 35 Minuten (für die ganze Sonate) gekommen. Meister Gould wäre angesichts solcher Spielzeiten blass vor Neid geworden. :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 28 A-dur op. 101
    Walter Gieseking, Klavier
    AD: 1949, live
    Spielzeiten: 3:37-4:53-2:17-6:09 -- 16:56 min.;


    Walter Gieseking spielt den Kopfsatz etwa im gleichen Tempo wie Solomon und Badura-Skoda. Dynamisch bewegt er auch die kleinen Akzente in den Takten 1/2 und 5/6, auch den temporalen Gegensatz im "poco ritartando" und "a tempo" führt er gewissenhaft aus. Die großen Crescendi im Hauptsatz führt er moderat aus, was seinen großen lyrischen Fähigkeiten sehr entgegenkommt. Auch in das "espressivo e semplice" fügt er hauchzarte dynamische Bewegungen ein.
    In der Durchführung wird sein Spiel noch etwas bewegter und lebhafter, ja expressiver und im langen Crescendo ab Takt 46 mit Auftakt auch dynamischer und durchaus forte, auch hier sanft auslaufend in Piano-Fermate. Auch das anschließende "molto espressivo" spielt er dynamisch bewegt.
    Die Reprise legt er ähnlich an, mit einem markanten Crescendo und dann nach dem Diminuendo Takt 63 die dynamischen bewegungen beibehaltend. Das Crescendo ab Takt 75 führt er moderater aus als beispielsweise Claude Frank, und das anschließende Crescendo zum Codabeginn beginnt er einen Takt früher und steigert es durchaus kraftvoll zum ff.
    Die Coda selbst spielt er auch, wie auch eigentlich fast die ganze Sonate, sehr sanglich und im klaren Ton. Ich weiß nicht, warum mir ausgerechnet bei Giesekings Spiel Schubert in den Sinn kommt, vielleicht, weil hier so viel gesungen wird, oder auch wegen der Tonart "A", in der Schubert 2 Sonaten in A-dur, 3 Sonaten in a-moll und eine in As-dur komponiert hat und Beethoven immerhin 2 in A-dur und 2 in As-dur. Und von Schubert abgeschrieben haben konnte Beethoven ja nicht, denn vor Entstehen dieser Sonate hatte Schubert ja gerade die Sonaten D.157 E-dur und D.279 C-dur. Aber dieser Schubert-Ton tauchte ja schon in der e-moll-Sonate op 90 auf, die zu einem Zeitpunkt entstand, als Schubert noch gar keine Sonate komponiert hatte und gerade einmal 17 Jahre alt war.
    Jedenfalls hat Gieseking diesen Satz m. E. auch grandios gespielt.


    Walter Gieseking spielt den zweiten Satz schneller als die hier zum Vergleich herangezogenen Solomon, Badura-Skoda, Gelber und Frank, und er geht dabei höchstes Risiko ein, denn dieser Satz mit seinem kniffligen Rhythmus geht auch ständig über mehrere Oktaven und hat auch eine eminent schwere Begleitung mit seinen mehrfachen Oktavenwechseln und Oktavläufen. Ganz gelingt ihm dieser Ritt über den Bodensee nicht, denn ich meine, den einen oder anderen Verspieler gehört zu haben, und außerdem ziehen die Bässe manchmal nach unten, vor allem in der Reprise des "Vivace alla Marcia und auch in dessen Coda, aber sehr oft in den anderen Satzteilen gelingt es ihm auch, "vom Boden" loszukommen und diesen "leichten", federnden Rhythmus zu spielen. Dass er die ersten 10 Takte des B-dur-Trios nicht wiederholt, kann temporal vernachlässigt werden.


    Den dritten Satz spielt er rascher als alle anderen zum Vergleich herangezogenen, und dennoch kann ich keine Hast erkennen. Überall sind in diesem im langsamen Teil, der ja fast vollständig von Dynamikvorschriften befreit ist, leichte dynamische Bewegungen zu erkennen, allerdings in der kanonischen Verkürzung nur marginal. Im "non presto" acceleriert er doch sehr stark, ganz im Gegensatz zu Claude Frank, der diese Stelle überragend spielt.


    Auch das Finale spielt er sehr rasch, mit normaler Dynamik, das heißt für die Exposition zwischen p und f. Es klingt fast, als wolle er austesten, was hier temporal möglich sei. Es kommt jetzt darauf an, was man unter "geschwinde" versteht. Ich meine schon, dass er hier eine sehr schnelle Allegro-Gangart einlegt: https://de.wikipedia.org/wiki/Tempo_%28Musik%29.
    In der Wikipedia-Tabelle wird "geschwind" mit "presto" gleichgesetzt. Auf dem Weg dahin ist es auf jeden Fall. Auch in diesem Satz ist hohes Tempo riskant. Es ist schon sehr mitreißend, kostet allerdings im übertragenen Sinnen auch "Luft", denn solche stellen, an denen man Luft holen kann, wie zu. B die Überleitung und 1. Hälfte des Seitenthemas (Takt 66 bis75), oder das Dolce-Thema (Takt 81 bis 86), sind immer noch recht schnell, selbst die Überleitung zur dreiteiligen Durchführungsfuge, obwohl er da ein sehr schönes "poco ritartando" spielt, das in Kontrast zum nachfolgenden "a tempo" steht.
    Die Fuge gleicht dann in Giesekings Lesart schon mehr einem Höllenritt, was natürlich nicht ganz ohne Schrammen abgeht. Aber das macht er schon furios und endet im dritten Teil im hochdynamischen "Contra-E"-Tumult, wobei die Überleitung zur Reprise ja auch noch ganz schöne Wucht besitzt.
    Auch die Reprise "dolce poco espressivo" hat es bei diesem Tempo nicht leicht, auch sie birst schier vor Brio, und nach einem kurzen "Atemholen" im neuerlichen "dolce" Takt 270 bis 275 setzt Gieseking zum Schlussspurt vor der Coda an. In dem dreimal (Takt 284, 287, 291) ansetzenden Crescendo hat man den Eindruck, als wenn sich "das Karussell immer schneller dreht". Selbst in der Coda hat man nicht wirklich den Eindruck, als wenn jetzt alles zur Ruhe kommt. Wie er die parallelen Sechzehntel-Melodielinien und die Sekundenwechsel spielt, das ist schier unglaublich. Aber das abschließende Ritartando spielt er.
    Wenn man in der Satzbezeichnung das "doch nicht zu sehr" einmal nicht so genau nimmt, ist der ganze Satz unglaublich.


    Alles in allem eine hervorragende Live-Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Wenn Cortot wirklich so langsam spielt, dann bin ich davon überzeugt, dass er in der Appassionata im finale die Wiederholungsvorschriften mißachtet hat, sonst wäre er mühelos auf 35 Minuten (für die ganze Sonate) gekommen. Meister Gould wäre angesichts solcher Spielzeiten blass vor Neid geworden.


    Das hängt wahrscheinlich mit den Aufnahmebedingungen von damals (20iger, 30iger Jahre) zusammen, lieber Willi - man konnte überhaupt nur 4 Minuten am Stück aufnehmen, und dann mußte man zusammenstückeln. Die Kapazität der Schellackplatten war zudem begrenzt. Da hat man dann Wiederholungen zwangsläufig weglassen müssen, wenn man nicht gleich einen ganzen Stapel von Platten für eine einzige Sonate abspielen wollte. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Wenn dem wirklich so wäre, lieber Holger, vor allem bei den Beethoven-Sonaten, die laut Produktinformationen bei Amazon in den "späten 50er Jahren" entstanden sind, dann fiele das ja weg, weil in dieser Zeit bei der EMI schon Stereo-Aufnahmen entstanden. Nein, die Satzzeiten, speziell bei den Kopfsätzen, aber auch bei einigen anderen Sätzen sind unerklärlich. Die Zeiten der Pathétique und der Appassionata habe ich ja weiter oben schon vepostet, aber der Kopfsaatz der Mondschein-Sonate dauert auch 13.41 min. Interessant sind auch die Zeiten von Les Adieux, die ich mal mit den Zeiten von Gieseking vergleichen will, weil der gerade noch am Computer liegt und die Aufnahmen ca. 10 Jahre eher gemacht hat als Cortot:


    Gieseking: 06:15-03:04-03:58 -- 13:17 min.;
    Cortot....:. 12:11-07:33-09:17 -- 29:01 min.;


    Das passt ja hinten und vorne nicht. Da muss irgendetwas anderes hinterstecken.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ist da vielleicht eine Komplettaufnahme von op. 101 drin? In Paris am Konservatorium benutzen sie wohl immer noch die Cortot-Ausgaben, die reichlich kommentiert sind. Von Chopin und Liszt habe ich zwei. Bei Beethoven wäre das sicher sehr interessant - man muß sich nur die Mühe der Übersetzung machen. Seine Sprache ist schon sehr "blumig" poetisch. (Ich habe Dir eine Mail geschickt! ;) )


    Herzliche Grüße zum Sonntag
    Holger


    Leider nein, Holger, Cortot scheint op. 101 leider nicht aufgenommen zu haben.


    Viele Grüße,


    Christian


  • Beethoven, Sonate Nr. 28 A-dur op. 101
    Emil Gilels, Klavier
    AD: August 1971, Ossiach, live
    Spielzeiten: 4:11-6:02-2:52-7:20 -- 20:25 min.;


    Emil Gilels verzaubert mit dieser Liveaufnahm im August 9171 vom ersten Ton an. So natürlich ist sein Spiel, so selbstverständlich zeichnet er die dynamischen Kurven, so organisch ist bei ihm der dreimalige Crescendo-Anlauf ab Takt 19 mit dem jeweils dazwischenliegenden, sanft dämpfenden Piano-Takt, dass man sich in dem Moment gar nicht vorstellen mag, dass das auch anders gespielt werden könnte. Das überführende "espressivo e semplice" ist atemberaubend, geht leise aushauchend in die Durchführung über.
    Die kurze Durchführung mit den wiederum mehrfachen Crescendi und den Sforzandi gestaltet er mit den dazwischen liegenden Piani als Rufe und ihre Echos, jeder Ruf etwas lauter werdend. Vor allem aber bleibt er auch in der letzten Steigerung ab Takt 46 mit Auftakt im Rahmen, erreicht zwar das Forte, aber tastend von Sforzando zu Sforzando. Das ist Ausdruck pur, kein vordergründiger Tastendonner. Das Schöne an dieser Aufnahme ist, dass man nicht nur hört sondern auch sieht, bzw., wie gestern Abend in einem Film über Herbert von Karajan ein Mitwirkender sagte, "dass man sieht, was man nicht hört".
    Auch hier leitet ein espressivo, diesmal ein "molto espressivo" über, hier zur Reprise. Auch hier tauch wieder diese selbstverständlichen kaum merklichen dynamischen Bewegungen auf, wie schon zuvor im o. a. "espressivo e semplice".
    Die Reprise setzt den beseligenden, tiefst empfundenen Gesang mit seinen sanften dynamischen Wellenbewegungen nahtlos fort, selbst die Steigerung in Takt 75/76 ist sanft singend.
    Als wenn es noch einer Steigerung dieses wunderbaren Spiels bedürfte, so atemberaubend spielt er die Coda, und tatsächlich steigert er die letzten Takte konstant, aber moderat bis zum zweitletzten Ton, wie es in der Partitur steht- herausragend!!


    Sein Tempo des zweiten Satzes gehört zu den langsameren, aber sein Anschlag, seine unvergleichlich federleichte Behandlung der Begleitung scheint mir doch noch um eine Stufe vorbildlicher zu sein als die von Bruno-Leonardo Gelber. Auch in der Reprise, wo die Gefahr, in einen simplen Marsch zu verfallen, noch viel größer ist, vor allem in den Oktavwechseln im "poco crescendo" und auch in der Coda in den Oktavläufen und anschließenden -wechseln, bleibt er so leicht und federnd, wie sich Beethoven das sicherlich gedacht hätte. Selbstverständlich wiederholt er das "Vivace alla Marcia". Bei dem berückenden B-dur-Trio kann man es verschmerzen, dass er den Themenbeginn und den zweiten Gedanken nicht wiederholt, so organisch führt er es fort. Auch die modulierende Durchführung, die Reprise und die Überleitung können, so glaube ich, nicht mehr besser gespielt werden. Gilels schließt nun das wunderbare "Vivace alla Marcia" Da Capo an.


    Auch sein Adagio klingt fast wie von einem anderen Stern. Er durchmisst den Themenbeginn, die beiden Harmoniktakte 5 und 6sowie die Rückkehr der Melodie und die kanonischen Verkürzungen mit einer unendlichen Ruhe und Gelassenheit, aber auch Konzentration und mit geringen dynamischen Bewegungen, die Spannungskurve keinen Moment sinken lassend. Auch das Crecsendo in Takt 19 ist nicht auswüchsig. Im "non presto" acceleriert er nur wenig, und erhebt es ebenfalls zur Schlüsselstelle.
    Nach dem schwungvolle Prestoübergang und den berückenden Trillerstufen beginnt er schwungvolles Finale, dynamisch wiederum genau die Partitur abbildend, rhythmisch überragend und pianistisch: nun, man muss sich nur die ersten oktavierenden, dann parallelen Melodielinien anhören, wie traumhaft das fließt- besser kann man das nicht spielen. Die Überleitung und 1. Hälfte des Seitenthemas (Takt 66 bis 80) kommt bei ihm aus einem intimen Pianissimo und das lange Crescendo (Takt 71 bis 80) erfährt durch seine Fähigkeit der kleinsten dynamischen Steigerungsschritte eine ganz ungeahnte, tiefe Wirkung- dann das kurze, aber anrührende "dolce" und Überleitung und Schlussgruppe, die Schlussgruppe selbst, wiederum mit dem dreimaligen Crescendo. Ich muss doch nochmal bei Gelber nachhören, ob der das auch so kleinstschrittig gespielt hat. In der hohen Oktave und deren nochmalige Oktavierung ist das silbriger überirdischer Gesang, sann subito pianissimo zum Übergang zur Expositionswiederholung führend.
    Auch die getupften Staccati am Ende der Exposition und in der Überleitung zur dreiteiligen Durchführungsfuge, hier hört man nicht nur, wie hauchzart er das macht, man sieht es auch und- ich hätte wetten können, dass er im "a tempo" Takt 121/122 die beiden Akkorde nicht ff spielt, und er tut es auch nicht- ein gesundes Forte, aber durch sein unnachahmliches Staccato ist die Wirkung ungeheuerlich, und- man kann ihm an der Stelle ins Gesicht sehen: er beugt sich kritisch über die Klaviatur und nimmt für einen kurzen Moment die Züge Beethovens an- grandios!
    Und dann die Fuge: das ist kein erdiges Durchstampfen, sondern ein leichtfüßiges Durch(über)queren der hochvirtuosen Partitur, durch sein nicht zu rasches Speil erscheint die musikalische Struktur wie ein offenes Buch, und ehe wir uns versehen, spielt er schon die vertrackten Melodielinien im zweiten Teil traumhaft sicher. Bei ihm klingt selbst die am Ende des dritten Teils folgenden "Contra E-Sequenz Takt 223 bis 227 nicht titanisch massiv, sondern leichter, besser zum gesamten Satz passend, auch nicht Fortissimo, sondern nur forte.
    Auch die Themenüberleitung zur Reprise, fröhlicher Gesang, in den beiden pp-Fermaten butterweich auslaufend. Die Reprise stellt einen weiteren interpretatorischen Glanzpunkt dar: die wunderbaren parallelen Melodielinien und das sich anschließende nur um eine Oktaven nach oben verlegte himmlische Seitenthema: jeder, der damals bei dem Konzert anwesend war und heute noch lebt, muss sich doch sehr wahrscheinlich sagen lassen, dass der die Sonate so herausragend nie wieder gehört hat.
    Auch noch am Ende der Reprise, wenn die ansteigenden Sechzehntel durch die Oktaven hüpfen, achtet er noch ganz genau auf die kleinen, aber feinen dynamischen Unterschiede.
    Auch in der Coda weiterhin höchste Werktreue, größte Lust an diesem seltsamen Rhythmus, und da kann der dynamische "Konter" in Takt 313/314 einfach nicht in einem massiven Fortissimo daherkommen, sondern aus einem leichten Fortestaccato (wie in Takt 121/122). Und das Schwierigste zum Schluss, als wenn nichts leichter wäre, erst die parallelen Melodielinien, dann die Sekundenwechsel, das betörende Ritartando und dann am Schluss: sieben astreine Fortissimoakkorde, als wolle Emil Gilels sagen; hier gehören sie hin.


    Dies ist eine gänzlich herausragende Interpretation und meine neue Referenz!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Wieder einmal Gilels! Seine Studio-Einspielung habe ich etwas 'glatt' in Erinnerung, Willi, das Konzert ist aber wirklich toll. Leider gibt es diesen Mitschnitt nicht auf CD, so dass man ihn sich 'nur' ansehen kann. Die Audioqualität am PC oder gar im Fernseher ist bei mir nicht besonders gut, ohnehin will ich Musik hören und nicht unbedingt sehen. Das lenkt mich ab. Ich habe mal von einer DVD eines Klavierabends den Ton überspielt (es gibt dafür ein Programm), aber das war mit einigen Verzerrungen verbunden. (Oder hat hier jemand eine Idee, wie man das am besten macht?)


    Viele Grüße,


    Christian

  • Dies ist eine gänzlich herausragende Interpretation und meine neue Referenz!!

    Da ist man wirklich glücklich, lieber Willi, die DVD zu haben. Leider ist bei mir bei Beethoven (vor allem der Waldstein-Sonate) Bild und Ton nicht ganz synchron. Aber Du hast ja einen neuen Receiver, mit dem kann man das korrigieren! :hello:


    Ich habe mal von einer DVD eines Klavierabends den Ton überspielt (es gibt dafür ein Programm), aber das war mit einigen Verzerrungen verbunden. (Oder hat hier jemand eine Idee, wie man das am besten macht?)

    Leider, lieber Christian, ist die Regel, dass der Ton bei DVDs generell erheblich schlechter ist als bei der CD. Das ist z.B. bei Horowitz in Moskau (sehr enttäuschend!) so. Ein Freund von mir bestätigt mir das immer wieder: Auch bei Volodos in Wien z.B., einer ganz neuen Aunahme also, ist die Qualität Blue-Ray im Vergleich zur CD leider nicht dieselbe. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Zitat

    Christian B.: ohnehin will ich Musik hören und nicht unbedingt sehen. Das lenkt mich ab.


    Dann gehst du auch nicht ins Konzert, lieber Christian? :D

    Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Leider ist bei mir bei Beethoven (vor allem der Waldstein-Sonate) Bild und Ton nicht ganz synchron. Aber Du hast ja einen neuen Receiver, mit dem kann man das korrigieren! :hello:


    Die Waldstein-Sonate habe ich diesbezüglich nicht mehr im Ohr, lieber Holger, aber bei der op. 101 waren bei mir Ton und Bild synchron, und den Ton empfand ich als vorzüglich. Ich höre ihn allerdings über einen soliden Yamaha-Verstärker und mit mit meinem KH Grado SR 325 i. Vielleicht bekommt mein neuer PC ( 1 1/2 Jahre, Intel i5-Prozessor) ja diese Korrektur auch schon hin.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Die Waldstein-Sonate habe ich diesbezüglich nicht mehr im Ohr, lieber Holger, aber bei der op. 101 waren bei mir Ton und Bild synchron, und den Ton empfand ich als vorzüglich. Ich höre ihn allerdings über einen soliden Yamaha-Verstärker und mit mit meinem KH Grado SR 325 i. Vielleicht bekommt mein neuer PC ( 1 1/2 Jahre, Intel i5-Prozessor) ja diese Korrektur auch schon hin.


    Lieber Willi,


    die Tonqualität ist bei dieser DVD wirklich sehr gut (ich lasse sie jetzt auch über meinem alten Yamaha-Vollverstärker über die Anlage laufen). Bei Horowitz in Moskau haben sie leider nicht die vorzügliche CD-Aufnahme als Tonspur auch für die DVD benutzt, sondern wohl die Tonaufnahme der mitlaufenden Kameras o.ä. Das ist leider öfters der Fall. Ziemlich ärgerlich, aber da sind dann auch irgendwelche rechtlichen Dinge im Spiel - wer die Rechte für den Vertrieb der DVD besitzt, hat sie nicht automatisch auch für die CD. Der Kopfhörer-Klang bei mir ist leider für mich kaum noch zu ertragen (ich bin halt sehr verwöhnt!), da ist die Elektronik entweder zu alt oder (wie mein Freund kürzlich meinte) die Elektrostaten-Membranen des alten Stax haben ihr Zeitlimit überschritten. Da wird wohl eine Neuanschaffung fällig... Die op. 101 muß ich mir jedenfalls in Ruhe zu Gemüte führen, diese Woche wird es allerdings eng! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Dann will ich nachher mal hören, die die Studioaufnahme ausgefallen ist, die ja nur 5 Monate nach der Live-Aufnahme aus Ossiach im Januar 1972 in dem Berliner UFA-Tonstudio entstanden ist. Auf jeden Fall ist sie in jedem Satz etwas länger, im Adagio sogar über eine halbe Minute.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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