Aldo Ciccolini - Wie Glanz von altem Tafelsilber

  • Sein Geburtstag ist heute. Aldo Ciccolini wurde am 15.8.1925 geboren. Aufgewachsen ist er in Neapel, dort erhielt er seine musikalische Ausbildung, und dort fand auch eine kurze Wunderkindkarriere statt, die freilich zugunsten einer soliden Ausbildung aufgegeben wurde. 1949 gewann Ciccolini den Long-Thibaud Preise in Paris.


    In Frankreich feierte Ciccolini von Anfang an große Erfolge, eine Liebe, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Bereits in den 1950er Jahren erschloss Ciccolini das neuere französische Klavierrepertoire für die Schallplatte und widmet sich Komponisten wie Deodat de Severac, Jules Massenet und Erik Satie, die damals abseits der allgemeinen Wahrnehmung standen. Mit der Gesamteinspielung der Klavierwerke Saties löste Ciccoline eine regelrechte Satie-Welle aus und wurde auch in Deutschland bekannt.


    Man tut ihm allerdings unrecht, wollte man ihn auf jenes Repertoire reduzieren, das zu der Zeit, als er es nach und nach auf Schallplatten veröffentlichte, von sonst niemandem eingespielt wurde. Denn gleichzeitig nahm Ciccolini Werke von Brahms, Schubert und Schumann auf, die Klavierkonzerte von Saint-Saens und das Klavierwerk von Claude Debussy. Wiederholt hat Ciccolini auch das b-moll Konzert von Tschaikowsky eingespielt (unter Silvestri und unter Cluytens), oder die „Nächte in spanischen Gärten“ unter Ernesto Halfter und Enrique Batiz. Ich selber habe Ciccolini durch seine Liszt-Einspielungen entdeckt, besonders der „Années de Pélérinage“ wegen, aber auch der „Harmonies poetiques et religieuses“.


    Seit 1969 ist Aldo Ciccolini französischer Staatsbürger, von 1970 bis 1983 unterrichtete er am Pariser Konservatorium, 1999 feierte er in Paris sein 50jähriges Bühnenjubiläum. Aldo Ciccolini hat sich nicht zurückgezogen und gibt sogar zusätzlich zu seinem Konzertprogramm Meisterkurse während des „Festival musique de Radio France“ in Montpellier. Sein diesjähriger Recital-Abend mit Werken von Clementi, Czerny und Beethoven wird im September auf BR 4 ausgestrahlt.


    Bis 1990 nahm Ciccolini fast ausschließlich für EMI auf. Etwa 100 LP's sind da zusammengekommen. Aber Vorsicht: die diversen GA's sind ursprünglich nach und nach als Einzel-LP's erschienen und erst später zu Boxen zusammengefasst worden (Satie, Massenet, Severac etc). Zwei Violin-Sonaten von Beethoven (op. 12 und op. 47) mit dem Violin-Partner Charles Cyroulnik wurden von dem französischen Label Vega veröffentlich und zählen wie die Aufnahmen der Cello-Sonaten op. 19 von Rachmaninoff und op. 65 von Chopin mit Paul Tortellier zu den eher seltenen kammermusikalischen Ausflügen Ciccolinis (jedenfalls auf Tonträger).


    Seit den 1990ern ist er auf verschiedenen Labeln wiederzufinden, die den Mut haben, auch abseitiges Repertoire wie das Klavierwerk von Castelnuovo-Tedesco zu veröffentlichen, oder Kammermusik von Achille Longo, Alberto Fano oder jüngst eine Platte mit Werken von Ildebrando Pizetti.


    Die Arbeit mit kleinen Labeln ist insofern problematisch, als einzelne Aufnahmen deshalb nicht mehr verfügbar sind (Castelnuovo z.B.), weil das Label „Phönix“ offensichtlich die Segel streicht. Cascavelle ist da schon eine sicherere Bank. Die haben die in den 1990er Jahren für Nuova Era aufgenommenen Beethoven-Sonaten übernommen und als GA publiziert.


    Neben dem Eintreten für Unbekanntes widmet sich Ciccolini Beethoven und Mozart, spielt Chopin für die Schallplatte ein und Schumann. 2002 erhielt er den Diapasson d’or für seine Janacek- und seine Schumann-CD.


    Ciccolinis früheren Aufnahmen klingen gelegentlich ein wenig hart im Anschlag, was sich wohl auch mit dem Live-Eindruck deckte, der mir von Freunden berichtet wurde. Bei vielen seiner Platten entpuppt Ciccolini sich allerdings als eine wahrer Meister im erzeugen von Klangfarben. Dreimal konnte ich ihn in diesem Jahr live erleben und kann diesen Eindruck, den die Platten vermitteln nur bestätigen. Ciccolin ist kein Mann der Posen, weder gestisch noch musiklisch. Da wird nichts aufgebrochen, gegen den Strich gebürstet, neu gelesen. Stattdessen das Gefühl, daß der Pianist das Medium eines Werkes ist, das in dem Moment, in dem es erklingt, so und nicht anders klingen muß.


    Bei der überwiegenden Mehrzahl seiner Einspielungen handelt es sich um solche von Werken für Piano-Solo. Im Zusammenspiel mit Orchestern sind die Studio-Einspielungen der Klaviekonzerte von Ravel (Martinon) und Saint-Saens (Baudo) hervorzuheben. Die Live-Mitschnitte der Beethovenkonzerte lassen hingegen nur bedingt Freude aufkommen. Das Orchester des Maggio Musicale Firenze ist ebenso mäßig wird die Aufzeichnungstechnik. Die GA der Klaviersonaten Beethovens wiederum ist für mich ein absolutes Highlight.


    Viele seiner EMI-Platten sind mittlerweile wohlfeil als CD erhältlich: die kleine Liszt-Box wäre hier eine Empfehlung. Auch die wundervollen impressionistischen Klavierminiaturen Deodat de Sévéracs sind als CD erhältlich. Neben dem Pianisten Ciccolini gäbe in diesem Falle überdies noch einen zu unrecht abseits stehenden Komponisten zu entdecken.


    Hörenswert auch: die Janacek-Cd und die Lyrischen Stücke von Edvard Grieg.


    Ad multos annos, Aldo Ciccolini




    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Mir wurde Aldo Ciccolini durch seine erste Gesamteinspielung des Klavierwerks von Erik Satie in den 1960er Jahren ein Begriff - fast jeden Tag war daraus etwas in den nachmittäglichen Klassiksendungen des Hessischen Rundfunks zu hören. Sie gefällt mir heute noch, besser als seine zweite Aufnahmen im frühen Digitalzeitalter, aber daß er sie in den 1980ern nochmal machen sollte, zeigt den fast klassischen Status dieser Aufnahme. Ich muß gestehen, inzwischen schätze ich Jean-Joel Barbiers Aufnahme wesentlich höher ein, der z.B. auch Dédot de Sévérac wesentlich schöner spielt als Ciccolini. Ciccolinis Debussy wurde von der Kritik als enttäuschend bezeichnet, was ich bei Hörproben im Plattenladen auch fand. Anderes habe ich mir von ihm zugegebenermaßen nie angehört. Für meinen Zugang zu Satie bin ich ihm aber auf ewig dankbar.


    Diese preiswerte CD enthält meines Wissens eine Auswahl der frühen Aufnahme:



    Die 5er Box ist die 1980er Aufnahme, die nicht ganz so schön klingt.

  • Lieber Thomas,

    Zitat

    und Saint-Saens (Froment)


    danke für Deinen schönen Beitrag über Ciccolini, den ich auch sehr schätze.


    Eine Kleinigkeit: Der Saint-Saens wurde von Baudo dirigiert.
    Froment dirigierte die Tacchino-Aufnahmen.


    LG,
    Michael

  • Lieber Michael,


    besten Dank für Deinen Hinweis. Diese Peinlichkeit werde ich umgehend korrigieren.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo Thomas,


    vielen Dank für die Erinnerung an diesen schätzenswerten Pianisten und für Deinen schönen Beitrag!
    Seine Interpretationen der Klavierwerke von SATIE gefallen mit immer noch am Besten.
    Eine schöne Möglichkeit Ciccolinis Klavierspiel kennen zulernen biete eine Doppel-CD mit folgenden Werken:


    - D. SCARLATTI 4 Sonaten (K268, 459, 259 & 64)
    - W.A. MOZART Klaviersonte A-Dur K331
    - F. LISZT Consolations
    - F. LISZT Ballade Nr.2
    - F. LISZT Mephisto-Walzer
    - F. LISZT Petrarca-Sonett 123


    - I. ALBENIZ Espana
    - F. MOMPOU Canciones y Danzas (8 Stücke)
    - A. BORODIn Petit Suite
    - ARENSKY Scherzo op.8
    - D. KABALEVKSY Sonatine Nr.1
    - I. STRAVINSKY Tango



    Eine außergewöhnliche Auswahl mit vielen Raritäten, bei der Ciccolini immer musikalisch wie technisch überzeugend ist! (Auch wenn es zu den einzelen Werken noch gelungenere Interpeationen geben mag)
    Interessant könnte auch die 4-CD-Box, aus der Reihe „Les introuvables“ sein.
    Hier wäre auch zu entdecken, dass Ciccolin nicht nur Kammermusikpartner, sondern auch Liedbegleiter war (z.B. mit J. Micheau/ DEBUSSY)- und auch mit E. Schwarzkopf soll er musiziert haben.



    Sein Klavierlehrer in Neapel war übrigens ein Schüler von Busoni ((Paolo Denza) Gern hängt man ja dann den Begriff „Enkel von..“ an, der oft etwas übertrieben wirkt. Immerhin dürfte so eine Linie auch nicht ganz ohne Auswirkung sein. Hat denn Ciccolini BUSONI (ein)gespielt?


    Gruß pt_concours



    PS. SEVERAC wäre auch mal ein schönes Thread-Thema !

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber pt-concours,


    ich bin der Meinung, über eine recht umfassende Ciccolini-Sammlung zu verfügen, Busoni-Einspielungen von ihm sind mir allerdings nicht bekannt. Das musikalische Umfeld hat er auch erst in den letzten Jahren beackert (für das Label Phönix). Meine Kenntnis betriff allerdings lediglich die Plattenaufnahmen: möglicherweise hatte Ciccolini Werke von Busoni in seinem Konzertrepertoire.


    Zusammen mit Claudio Scimone hat Ciccolini auch zwei Klavierkonzerte von Antonio Salieri eingespielt, zu LP-Zeiten noch, doch auch hier für ein kleines italienisches Plattenlabel.


    Die "Introuvables"-Box ist ein sehr guter Hör-Tip: Wie Du bereits erwähntest, begenen wir hier dem Liedbegleiter Ciccolini (mit der Schwarzkopf sind wohl -trotz aller Verehrung- keine gemeinsamen Aufnahmen entstanden), darüber hinaus ausschließlich dem Solo-Pianisten. Sowohl signifikante Aufnahmen wie seine frühen Satie-Einspielungen als auch in Deutschland wenig bekanntes wie die große b-Dur Sonate D.960 von Franz Schubert finden sich in der Box. Dieses Werk hat Ciccolini übrigens auch heute noch in seinem Bühnenrepertoire (zusammen mit den Moments Musicaux und den Impromptus).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hi


    Ich habe vor erschreckend langer Zeit den damals eigentlich ziemlich unbekannten Aldo Ciccolini über eine LP "Pleasures and Pecadillos" kennengelernt, auf der er damals möglicherweise noch unbekanntere Klaviermusik von Rossini eingespielt hatte. Das war eine echte Gute-Laune-Platte.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Und diese netten Rossinis, lieber Theophilus, sind auch in der von pt-concours genannten Box enthalten, nicht die ganz LP, aber immerhin diese Stücke:


    Péchés de vieillesse,
    Book 10 (Miscellanée pour piano) No.6, Petit caprice


    Book 7 (Album de chaumière) No.5, Prélude inoffensif


    Book 5 (Album pour les enfants adolescents) No.7, L'innocence italienne


    Book 5 (Album pour les enfants adolescents) No.10, Ouf! les petits pois


    Book 6 (Album pour les enfants dégourdis) No.7, Une caresse à ma femme


    Book 6 (Album pour les enfants dégourdis) No.10, Un petit train de plaisir




    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Danke für die Info. Ich habe es leise vermutet, als ich den Namen Rossini auf der Box las, wusste aber nicht, ob es davon noch mehr gibt.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von pt_concours
    - und auch mit E. Schwarzkopf soll er musiziert haben.


    Er hat mit der Schwarzkopf musiziert. Jean-Jacques Lafaye veröffentlicht in einem dem Gesprächs-Buch "Musique et Verite" über Ciccolini den folgenden Brief von Elisabeth Schwarzkopf, der für dieses Buch als "Témoinage" bestimmt war:


    "Auf meinem Weg als Musikerin habe ich selten einen wunderbareren und feinsinnigeren Partner als Aldo Ciccolini getroffen. Bei unserer ersten gemeinsamen Probe spielte er den Klavierpart des Schumann-Liedes "Noyer" (Welches Schumann-Lied ist damit bitteshön gemeint?TP) ausgesprochen poetisch und erheblich langsamer als üblich. Für meinen Mann und mich war das eine Entdeckung und eine sehr intensive Inspiration. Wir haben dieses Tempo an allen Abenden übernommen, die darauf folgten. Und genau dieses Tempo erbitte von allen Künstlern, die mit mir arbeiten. Und ich versäume nie zu sagen, welchem großartigen Künstler ich diese Inspiration verdanke. Aldo Ciccolinis Sensibilität und sein Verständnis für die Musikalität der Texte waren außerordentlich. Ich bin glücklich, an dieser Stelle mit alle meinen Wünschen für Aldo Ciccolini sagen zu dürfen, daß die gemeinsamen Abende zu meinen schönsten Erinnerungen zählen."


    Soweit also Elisabeth Schwarzkopf. Man muß wohl bedauern, daß es von dieser Zusammenarbeit keine offiziellen Zeugnisse gibt (was in Rundfunkarchiven möglicherweise schlummert weiß ich natürlich nicht).


    Die Erwähnung der deutlichen Tempo-Verlangsamung bei einem Schumann-Lied fand ich insofern interessant, als Langsamkeit nicht unbeding typisch für Ciccolini ist. Janaceck's "Verwachsene Pfade" durcheilt er zuweilen in einem Tempo, bei dem Radoslav Kvapil, der tschechische Meister deutlich versonnener zurückbleibt. Bei den "Nocturnes" von Chopin hingegen wird Langsamkeit regelrecht zelebriert, ohne daß die Stücke zerdehnt wirken. Als Nachricht für Frank: Die "Nocturnes" sind definitiv auf einem Fazioli eingespielt; ein wunderbares Instrument!!


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lieber Thomas :



    Danke , dass Du mich heute auf Deinen Thread über den von mir seit vielen Jahren sehr geschätzten Aldo Ciccolini aufmerksam gemacht hast .


    Nicht besitze ich die Aufnahme aus 2007 von dem Meisterkurs in Montpellier .


    Seine Mozartaufnahmen , die es einmal bezüglich des Werkes für Klavier solo gegeben hat , sind leider derzeit nicht erhältlich .


    Hinweisen möchte ich zunächst auf den "Karneval der Tiere" ( mit Alexis Weissenberg als Partner am Flügel ) bei der EMI France ; diese Aufnahme ist inzwischen auch in Deutschland auf CD erhältlich .


    Ciccolini hat sich erfreulicherwesie auch um die Aufführung von Werken sehr bemüht , die sonst wohl kaum aufgeführt worden wären .


    Bei E. Satie hat er eine echte und bis heute fortbestehnde Renaissance eingeleitet .


    Es ist wirklich sehr bedauerlich , dass er für zum Teil wohl inzwischen vom Markt verschwundene Plattenfirmen so viele , zu viele Aufnahmen eingespielt hat .


    Leider ist seine GA der Klaviersonaten Beethovens wohl wegen der technischen Defizite des Labels "Nuova Era" ( Aufnahmen 1989 in Bozen ) bis zu der vor Kurzem erfolgten Wiederveröffentlichung bei "Cascavelle" lange Zeit fast in Vergessenheit geraten - zu Unrecht , wenn man eimige Rezensionen nachliest in Fachzeitschriften , in denen besonders die "Hammerklaviersonate" hervorgehoben wird .


    Hinweisen möchte ich auf das Buch von Summers : "Pianists . A - Z" ( 2007 ) .


    Dein Artikel hier ist es wert , dass ich mich mit meiner Ciccolini Sammlung zwischen den Feiertagen wieder näher befasse .



    Dir noch einen ruhigen , besinnlichen 4. Adventssonntag !


    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    spielte er den Klavierpart des Schumann-Liedes "Noyer" (Welches Schumann-Lied ist damit bitteshön gemeint?TP)


    Hallo Thomas,


    danke für Deine Hinweise.
    "Noyer"? Ich vermute hier ist "Der Nussbaum" (franz. Noyer) aus den "Myrten" op.25 gemeint


    Grüße von pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Die "Introuvables"-Box, die teils auch recht seltenes Repertoire (Chabrier, Rossini) enthält, ist jetzt recht preiswert zu haben:



    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Sie ist nun veröffentlicht und auch bei mir angekommen: Die Box mit den Aufnahmen, die Aldo Ciccolini in einer 41-jährigen Partnerschaft für Columbia, Pathe heute EMI aufgenommen hat.



    Ich hatte bislang gedacht, zumindest diesen Teil seines diskographischen Werkes nahezu vollständig zu besitzen. Und finde in der Box genügend nicht bekanntes, daß selbst unter Abzug aller meiner EMI-LP's die verbleibenden unbekannten Aufnahmen aus dem Kaufpreis der Box ein Schnäppchen machen.


    Auf 56 CD's enthält sie definitiv alles, was Ciccolini für die EMI eingespielt hat. Abweichend von meiner Vermutung im Neuigkeiten-Thread auch alle Mehrfacheinspielungen. Also zweimal Debussy, zweimal Satie, zweimal die "Noces" von de Falla. Kommen bei Satie noch die Lieder hinzu. Die Box enthält einiges, das zuvor noch nie auf CD veröffentlicht wurde und als LP auch in der späten LP-Zeit nicht mehr auf dem Markt war. Sie enthält überdies Aufnahmen, die offensichtlich selbst die EMI nicht mehr im Original besitzt: die ersten Plattenaufnahmen von Aldo Ciccolini, veröffentlicht 1950 auf 78rpm Schellackplatten. Um nun die beiden mich am meisten faszinierenden Pianistenpersönlichkeiten miteinander zu vergleichen: Samson Francois hat 1948 seine erste Platte aufgenommen. "Scarbo" von Maurice Ravel. Und Ciccolini? Sonaten von Domenico Scarlatti. Neben der frühen Einspielung einiger Mozart-Sonaten habe ich heute vor allem diese ersten Aufnahmen Ciccolinis gehört. Und konnte kaum davon loskommen. Die Sonate G-Dur KK 259 etwa. Der Beginn wird recht trocken vorgetragen. Und plötzlich ist das Spiel des 25-jährigen wie ein alter Wein: man entkorkt die Flasche und langsam beginnt er zu leben, wird weit und behält doch sein Profil. Scarbo ist sicherlich das spektakulärere Stück. Aber dieser Scarlatti des frühen Ciccolini - der den Steinway partiell so klingen lässt wie ein Cembalo - ist schon faszinierend.


    Woher ich das mit dem Steinway weiß? Nun, die EMI war ihrem Altstar gegenüber sehr sorgfältig: alle Aufnahmedaten sind erwähnt, und auch, welcher Klavierhersteller bei welcher Aufnahme zum Zuge gekommen ist (Steinway mehrheitlich, Bösendorfer gelegentlich, Fazioli und Yamaha bei den EMI-Aufnahmen lediglich Randnoten).


    Anlässlich der Wiederveröffentlichung aller EMI-Schätze kommt auch der 84-jährige Meister zu Wort: in dem sorgfältig gemachten Booklet äußert er sich zu einzelnen Komponisten oder Werkgruppen. Interessant seine Erinnerung an die erste Satie-Platte. Die EMI wollte den Komponisten mit einem Recital dokumentieren und verabredete mit Ciccolini die entsprechenden Aufnahmen. "Wenn wir von der Platte 200 Exemplare verkaufen, wird das ein Wunder sein", so der EMI-Verantwortliche (das mögen sich heutige Verantwortliche im Plattengeschäft bitteschön hinter die Ohren schreiben!!!). Der tasächliche Verkaufserfolg: 4.000 Stück innerhalb der ersten Woche nach Veröffentlichung. Soviel zum geschichtlichen Wert der Aufnahmen (neben dem musikalischen).


    Und eine Aufnahme enthält diese Box, die bislang in den Archiven der EMI schlummerte, zuvor weder als LP, noch als CD veröffentlicht worden ist und nun erstmals zu hören ist: "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgski aus dem Jahre 1976. Unmöglich, diesem Pianisten danach nicht zu erliegen. Bin hin und weg und hellauf begeistert.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich persönlich bin kein Freund von solchen Boxen die querbeet durchs Repertoire fahren - aber natürlich macht man eine Ausnahme wenn es sich um einen Lieblingskünstler handelt.


    Ich selbst habe eine einzige Aufnahme von Ciccolini - Mozart Klaviersonaten, die ich gerne höre - mir aber bis dato nicht besonders aufgefallen sind, (Discover) Ich werde mir die jetzt gezielt anhören.


    Viel wichtiger aber ist, daß dieser Thread mein Interesse an diesem Pianisten geweckt hat - und ich ein wenig bei jpc gestöbert habe.
    Da habe ich doch einige Einzelveröffentlichungen gefunden die mich interessieren - sogar Repertoire jeneseits meines vermeintlichen Interesses !!! bringt er zum Leuchten. Vielleicht sollte man einige Aufnahmen aus den Gesamtoxen, nämlich solche die derzeit auch einzelnl erhältlich sind, kurz besprechen.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber Thomas :



    zunächst einmal herzlichen Dank , dass Du die Mitglieder des Forums auf diese fast sensationellen 56 CDs mit Aufnahmen von ALDO
    CICCOLINI aufmerksam machst .



    Ciccolini nicht näher zu kennen , ihn gar im Konzert seiner langen internationalen Karriere erlebt zu haben , ist ein grosses Versäumnis . Ja ein Irrtum in der Einschätzung , wer zu den "Great Pianists" des 20. Jahrhunderts wirklich gehört .



    Als die Philips-Edition "Great Pianist of the Century" 1998 in ersten Mitteilunge bekannt geworden ist , war eigentlich schnell klar , dass der junge Produzent Tom Deacon es rechtlich leicht hatte , die Hauskünstler der Philips , Eindhoven , zusammenzustellen . Diese wurden dann ergänzt durch grosse Pianisten , die vor allem früher für die EMI Aufnahmen gemacht hatten ( etwa Horowitz ab 1932 oder eben auch Aldo Ciccolini ) .



    Als die Edition schon die ersten CD-Sets herausgebracht hatte und überraschend schwache Pianisten sogar wohl selbst verduzt sich darin wiederfanden ( etwa André Previn ) oder bei dem überragenden Josef Hofmann nicht mehr herausgekommen ist als ein fast beliebiges Zusammenstellen von kleineren Werken oder Rudolf Serkin völlig unangemssen "behandelt" worden ist , gab es sofort in der internationalen Fachliteratur zu den teilweise schwachen Booklets wie den Werkzusammenstellungen massive Proteste .



    Dass der damals schon auf seinem künstlerischen Höhepunkt anerkannte Ivo Pogorelich ( man denke nur an seine Referenzaufnahme der "Préludes" von Chopin ) fehlte erboste viele Klassikliebhaber .



    Ich hatte auf meiner nicht kurzen Liste der fehlenden bedeutenden Interpreten in einer umfangreichen persönlichen Korrespondenz mit Dr. Matthias Kornemann ( damals Verfasser der Rezension in RONDO ) sowie eigenen Beuträgen an diese Musikzeitschrift mit dem damaligen Macher des Blattes Wolfgang Halder , München , asl den ersten nicht aus der Russischen Schule stammenden Pinaisten ohne jeden Zweifel an seiner Zugehörigkeit zu den Grossen ALDO CICCOLINI stehen .



    Anders als dies heute der Fall ist , gab es nach dem weitestgehenden Ende der LP - Ära in Deutschland plötzlich kaum noch Aufnahmen von Maestro Ciccolini hier zu kaufen . In Frankreich , vor allem , in den Niederlanden ( sein Liszt ! ) , in Belgien oder seinem geburtsland Italien konnte man einige seiner Einspielungen für die EMI nach und nach auch via Internet kaufen .



    Wer wollte , der fand sehr schnell auch international hochbeachtete Aufnahmen wie die des Werkes für Klavier solo ( Spatwerk ) von Johannes Brahms oder Robert Schumann . Übrigens eine der besten Doppel - CDs , die ich kenne . Daneben die seltenen Werke , die Ciccolini in seiner Karriere immer wieder auch öffentlich gespielt hatte .



    Es war nicht einfach zu erfahren , ob etwa Ciccolinis sehr höresnwerter , durchgeistigter Beethoven auf einem wohl erloschenen Label nicht ursprünglich eine EMI - Aufnahme war . Daselbe gilt für seinen luziden Mozart ( die Aufnahmen wurden geradezu zu Rekordpreisen in Belgien vertrieben ) .



    Du erwähnst in Deinem Einführungstext nun seinen mir bislang nicht weiter bekannten Scarlatti . Dessen Sonaten werden fast ausschliesslich mit den Namen Horowitz , Weissenberg und mit dem fast identischen Programm durch Pogorelich ( beide übrigens DGG 9 in Zusammenhang gebracht .



    Dabei hatte Ciccolini Albeniz ebenso eingespielt wie andere bedeutende andere Komponisten . Sein Schubert war noch vor wenigen Jahren - zu Unrecht - fast unbekannt .



    Dies lag sicherlich mit daran , dass die EMI - France viele ihrer Aufnahmen unter dem Namen "Pathé Marconi" fast ausschliesslich , übrigen snicht nur bei Ciccolini in Frankreich und den USA sowie Japan vertrieben hatte .



    Darin den Aufnahmen durch den von Dir oben besonders herausgestellten SAMSON FRANCOIS oder ALEXIS WEISSENBERG ( was in FonoForum damals immer bemängelt wurde ) nicht unähnlich . Man musste sich also auf eigens Material berufen , wenn man über die Kunst und da enorme Können Ciccolinis sprechen oder schreiben wollte .



    Noch einmal hier auch wenn ich dies hier im Tamino-Klassikforum vor kurzem schon einmal geschreiben hatte : EMI plant eine ähnliche Edition wie die für Aldo Ciccolini in 2010 auch frü SAMSON FRANCOIS !



    Aufgrun der mir besher bekannten Aufnahmen durch Ciccolini ist diese Edition geradezu ein Muss für jeden Freund und Liebhaber klassischer Klaviermusik .



    Soweit ich dies bisher von einem Kenner weiss , sind die Aufnahmen exzellent .



    Der Preis ist sehr günstig .



    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Thomas :



    wenn Du irgendwie Zeit haben solltest , dann wäre ich Dir sehr


    dankbar , wenn Du uns Deine bisherigen Höreindrücke dieser CD - Zu


    sammenstellung der EMI kurz kommentieren würdest .


    Vor wenigen Tagen habe ich eine viel zu kurze "Übersicht" über


    Aldo Ciccolini gelesen , in der an den Klavierkonzerten von Saint-Saens


    und Erik Satie festgemacht worden ist .


    Dies ist nun definitiv wirklich unsinnig !


    Die Repertoirebreite von Ciccolini war enorm . Er hat mustergültige


    Interpretationen eingespielt . Unabhängig von den EMI - Aufnah-


    men .


    Aus der Sicht der durchgängig deutschen Musikkritiken ist die


    fanzösiche Interpretationskultur , von dem gebürtigen Schwei-


    zer und und an seinem Lebensabend dorthin zurückgekehrten


    Zeit - Franzosen Alfred Cortot aus rein politischen Gründen ab-


    gesehen , auch heute noch allenfalls am Rande wahrgenommen


    worden .


    Dies gilt auch für die neue Generation französischer Pisnaisten und


    Sänger(innen) . Sazu gehört selbst ein Weltstar wie Natalie Des-


    say .


    Es ist daher interessant , auf welche Interpreten sich diese typisch


    deutsche Rezensionen ( etwa genau nachlesbar in FonoForum )


    konzentrieren .


    Parallelen zu englischsprachigen Zeitschriften wie "Gramophone" oder


    "BBC Music Magazine" sind sehr aufschlussreich .



    F A Z I T :


    Diese CD - Zusammenstellung mit Interpretationen durch


    Aldo CICCOLINI ist für mich die wertvollste Edition des Jahres


    2010 .



    Beste Grüsse




    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Ich grabe diesen Thread mal wieder aus und berichte über ein Klavierrecital, das Aldo Ciccolini am vergangenen Samstag in Nohant gegeben hatte. Der kleine Ort ist entlegen genug, dass es sinnvoll war mit dem Auto anzureisen, hin und zurück etwa 1.600 km.


    Ich versuche zu berichten und schicke voraus, dass das Klavier ein Instrument ist, das die Seele berührt. Pianisten sind Mittler -oder Medien- die eben genau diesen Zustand des Berührtwerdens herstellen können.


    In meinem Falle kommt hinzu dies: Aldo Ciccolini, den ich mit Satie und Liszt kennengelernt habe, hat soviel unbekanntes Repertoire eingespielt, das ich lediglich aufgrund des Umstandes kennengelernt habe, das Ciccolini der Interpret war, so dass dieser Musiker wie ganz wenige andere noch für mich eine Art Cicerone durch die (Klavier-)Musik wurde. Dies nun als Vorrede.


    Nun zum Konzert. Und dem Vorspiel dazu.


    "Les fêtes de Nohant" sind Kult; ein Festspiel, das einen Monat umspannt und sich weistestgehend auf Chopin konzentriert, der auf Einladung von George Sand in Nohant einige seiner Werke komponiert hatte. Ein kulturträchtiger Ort also, bedenkt man den kuturgeschichtlichen Rang von George Sand, selber bedeutende Schriftstellerin, gleichzeitig Förderin von Kunst und engagierte Streiterin für soziale Veränderungen. Ihr Landsitz in Nohant, wo auch Chopin viele Sommermonate verbachte, ist nunmehr Museum -ein faszinierendes- und eben Ort der "Fêtes de Nohant", die in der "Bergerie" des Anwesens stattfinden.


    Nun denn, am vergangenen Samstag leuchtete die Sonne der Auvergne einen strahlend blauen Himmel aus, und ich fuhr schon früh von miener Unterkunft in Montierchaume nach Nohant, zunächst, um mir das Anwesen anzuschauen. Ich schloss mich einer Führung durch das Landgut an, was allerdings ausschließlich auf französisch möglich war. Der Bildungsschatz der offensichtlich außerordentlich kenntnisreich geleitenden Dame drang indes durch meine antik verstaubten Französischkenntnisse nicht durch; ich verließ die Gruppe und ging hinüber zur Bergerie. Eine Tür stand offen; ich ging hinein und ... ich sah und hörte Aldo Ciccolini, der sich auf den Abend vorbereitete. Er spielte allerdings nicht Chopin, sondern ein ganzes Heft der Etudes von Claude Debussy.


    Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass er sein Abendprogramm geändert hatte und Debussy die angekündigte h-moll Sonate von Chopin ablösen würde (mir insofern ganz recht, als ich mit den Debussy-Etudes recht vertraut bin, was ich von der h-moll Sonate nicht wirklich behaupten kann). Ciccolini spielte die Etudes einfach so runter, unterbrach an keiner Stelle und war am Ende erschreckend erschöpft (was für Außenstehende erschreckend besorgniserregend wirkt).


    Wundersamerweise hatte mich niemand verscheucht, ich konnte die ganze Zeit zuhören, hatte also quasi ein kleines Privatkonzert, konnte hernach auch zur Bühne und ihm die Hand reichen. Ciccolini hat ein langes Leben hinter sich -er wird im August 85- und lebt vor allem für die Musik. Und genießt das Dasein. In der benachbarten Herberge wohnte er mit seinen Begleitern, saß am Nachmittag draußen und konnte dies unbehelligt von jedem Starrummel auch tun.


    Das Recital am Abend war ausverkauft. Unter uns: gegen die Bergerie von Nohant ist Bayreuth perfekt klimatisiert!!! Ciccolini begann mit zwei Nocturnes. Die Langsamkeit, mit der er die beiden Stücke anlegte, würde ideal in den Thread "Entdeckung der Langsamkeit" hier bei Tamino passen. Leider glückten ihm die notwendigen Bögen -ander als in der bei Cascavelle erschienenen Studioaufnahme- nicht; die trockene Akustik der Bergerie ist da zusätzlich nicht eben hilfreich. Die "Tarantelle" war indes schon fabelhaft. Drei Mazuken als Zwischenspiel, ebenfalls in gemäßigtem Tempo gespielt, haben mich auf die Idee gebracht, mich mit diesen mir so gar nicht liegenden Chopin-Miniaturen mal intensiver zu beschäftigen. Vor der Pause die Polonaise op. 61. Das war die eigentliche Krönung des ersten Teils. Ciccolini arbeitete weniger die "Polonaise" als den Untertitel "Fantaisie" heraus.


    Nach der Pause dann die Programmänderung: Das erste Heft der "Etudes" von Claude Debussy. In dem sich wunderbare Miniaturen wie "Des pas sur la neige", "La fille aux cheveux de lin" oder die "Cathédrale engloutie" verbergen. Das eigentlich Faszinierende war hier der Umstand, dass ich diesen Teil bereits am Vormittag gehört hatte. Und einen Riesenunterschied feststellen konnte: am Vormittag hatte sich Ciccolini seiner Technik versichert. Das betrifft etwa die Reaktion des Steinway auf das neu gestaltete Auditorium der Bergerie (@Frank: in Nohant stehen ein Steinway und ein Pleyel zur Verfügung, leider kein Fazioli; unnötig zu erwähnen, dass Ciccolini sich vor den Steinway setzt).


    Am Abend machte er Musik. Und das war im Ergebnis ergreifend. Aldo Ciccolini gehört zu den wenigen Pianisten, die die Stimmungslagen ihres Instrumentes so perfekt beherrschen, dass sie ausgesprochen überzeugend die Stimmungen von Komponisten vermitteln können.


    Später habe ich das Erinnerte dann mit Ciccolinis 2. GA der Debussy-Werke verglichen: gegen die Vitalität und Kraft, mit der Ciccolini am Samstag gespielt hatte, ist die jüngere der beiden Studio-Aufnahmen regelrecht handzahm. "Ce qe'a vu le vent d'ouest" spielte Ciccolini in Nohant mit geradezu bedrohlicher Agressivität, vor allem aus dem Baß heraus. Ein Highlight auch die "Cathédrale engloutie".


    Vor allem die Debussy-Etudes hatten mich begeistert. Die übrigen Konzertbesucher aucg. Aldo Ciccolini -sichtlich erschöpft- bedankte sich für den lauten Applaus mit einer Zugabe, die mir die allerliebste Ciccolini-Zugabe ist: dem "Kuppelwieser-Walzer" von Franz Schubert.


    Noch ganz begeistert....


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich muss mich korrigieren: keine Ahnung, was mich auf die Idee gebracht hat, Ciccolini hätte bislang zwei GA's der Klavierwerke von Debussy aufgenommen. Tatsächlich gibt es die eine Aufnahme aus 1991. Zuvor wurden lediglich einzelne kleine Werke aufgenommen oder die Werke mit Orchesterbegleitung im Rahmen der Orchesterwerke-GA von Jean Martinon.


    Den gesamten Debussy gibt's hier:



    Wie Ciccolinis Debussy heute klingt, lässt sich hier nachhören:



    Gespielt wird auf einem Fazioli. Die Aufnahme ist ein live-Mitschnitt eines Recitals in Tokio aus Oktober 2008. Auch wegen Chopin höhrenswert.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Thomas ,


    und besonders auch an alle, die Ciccolinis Kunst noch nicht ( näher ) kennen !



    Angesichts der nun seit etwa 20 Jahren anhaltenden Focussierung auf die Debussy - Interpretationen durch Gieseking und Michelangeli ist es erforderlich, auch das Ohr auf andere herausragende Aufnahmen zu richten .


    Dazu gehören wohl zweifelsfrei Vlado Perlemuter und Aldo Ciccolini.


    Bei Ciccolini kann der Hörer tatsächlich eine andere, neue Sicht heraushören , die fasziniert .


    Eine absolute Kaufempfehlung.


    An anderer Stelle hatte ich bereits auf Ciccolinis Interpretation der h - moll - Klaviersonate von Frédéric Chopin hingewiesen .


    Es ist wirklich faszinierend, mit welcher Vitalität bei erhaltener sehr guter Technik Ciccolini diese Sonate zu spielen vermag .


    Der letzte Satz ist von solch einer Virtuosität, ohne dabei das Tempo über die Vorschriften hinaus zu beschleunigen, so dass wir im Vergleich von etwa 30, 40 anderen Aufnahmen sagen müssen, dass Aldo Ciccolini zu den herausragenden Interpreten gehört .


    Dies ist ganz grosses Klavierspiel !


    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Aufgrund des unverschämt positiven Beitrags durch Thomas Pape und darauffolgend individuelle Hörproben habe ich mir diese einmalige EMI Box des Herrn Ciccolini vor etwa zwei Monaten auch zugelegt. Und ich habe es auf keinen Fall bereut! Für mich ist Ciccolini's Klangsprache in jeder Hinsicht eine riesige Bereicherung mit dem direkten Bezug zu Arturo Benedetti Michelangeli und vor allem der französischen Klavier- und Interpretationskunst. Vielen Dank nochmals an Thomas und alle anderen Schreiberlinge in diesem Beitrag.


    :jubel:


    Viele Grüsse
    Pianomania

    "Die Welt ward ihm Klavier. In Terzen, Quinten, Oktaven sprang sein Denken, Dur und Moll spannte sein Herz."
    Carl Sternheim

  • Bloß in Kürze zur Ergänzung:


    im EMI-Schwarzkopf-Porträt auf DVD ist ein Ausschnitt des Liederabends aus dem Versailler Marie-Antoinette-Theater mit Ciccolini zu hören, und zwar der Auftritt mit dem Beginn von "Morgen" von R. Strauss.


    Ich besitze eine SWR-Platte mit dem Live-Mitschnitt des 2. Klavierkonzerts von Prokofjew (pianistisch grandios).


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Am 8.12. hätte Aldo Ciccolini in Amsterdam ein Recital gegeben. Seine Gesundheit lässt dies derzeit nicht zu, er wurde heute in ein Krankenhaus gebracht. Zugegeben: der 88 jährige Pianist mutet sich immer noch viel zu, hat auch gerade einen neue CD vorgelegt. Dennoch: ich bin besorgt. Anfang des Jahres hatte ich ihn noch recht agil in Paris erlebt. Und ich wünsche ihm von hier aus gute Genesung.


    Das Concertgebouw hat immerhin einen interessanten Einspringer organisiert: Nelson Freiere, der selber krankheitsbedingt in diesem Jahr ein Recital in Amsterdam absagen musste. Ein schjönes Programm hat er angekündigt:


    J.S. Bach / Siloti Prelude voor orgel in g kl.t., BWV 535
    J.S. Bach / Myra Hess Jesu bleibet meine Freude (uit: Cantate, BWV 147)
    W.A. Mozart Sonate in A gr.t., KV 331 “Alla Turca”
    Brahms 4 Klavierstücke, op. 119


    –pauze–


    Prokofiev Selectie uit Visions fugitives, op. 22:
    – Andante
    – Allegretto
    – Molto giocoso
    – Con eleganza
    – Pittoresco
    (Arpa)
    – Ridicolosamente
    – Con vivacità
    – Poetico


    Granados Quejos ó la Maja y el Ruiseñor (uit: Goyescas, deel I)


    Chopin Ballade nr. 4 in f kl.t., op. 52
    Berceuse in Des gr.t., op. 57
    Polonaise in As gr.t., op. 53
    “Heroïsche”


    Ich werde also auch so nach Amsterdam fahren. Und würde mich trotzdem freuen, Ciccolini noch einmal live zu hören.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Thomas,


    das ist ja nicht sehr schön, was du über Aldo Ciccolini berichtest. Wir wollen hoffen, dass es ihm bald wieder besser geht.


    Ich habe die Liszt-Box, in der er die ersten vier CD's bestreitet, u.a. die Années de pèlerinage und die Harmonies poétiques et religieuses. Die Interpretationen gefallen mir alle sehr gut, und da ich gerade bei den Beethoven-Sonaten sehr beschäftigt bin, habe ich dort nachgeschaut und diese Box entdeckt:


    Wenn du sie hast, kannst du mir da etwas darüber sagen? Ich habe auf einer anderen Doppel-CD Hörbeispiele u. a. von der Pathétique grehört, mit der ich mich momentan beschäftige. Das und auch die Hörbeispiele von der Appassionata und der Hammerklaviersonate haben mich total begeistert, zumal die GA derzeit für nur einen Euro pro Sonate zu haben ist. Ich würde die GA sehr gerne erwerben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat von Thomas Pape

    Das Concertgebouw hat immerhin einen interessanten Einspringer organisiert: Nelson Freiere, der selber krankheitsbedingt in diesem Jahr ein Recital in Amsterdam absagen musste. Ein schjönes Programm hat er angekündigt:


    Auch wenn es OT, lieber Thomas Pape, vielleicht hast Du ja Zeit, um kurz über das Konzert zu berichten? Das Programm ist für Freire, der einer meiner liebsten aktiven Pianisten ist, z.T. eher ungewöhnlich, aber umso interessanter. Es würde mich sehr freuen (eine Freire thread gibt es ja).
    Und um nicht ganz OT zu werden, hoffen wir wirklich sehr, daß Ciccolini sich noch einmal erholt. Ich von ihm leider bisher nur ein paar Beethoven Sonaten auf dem Pianoforte.



    Mit besten Grüßen
    Jlang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber William,


    ich bin in der Beurteilung der Sonaten-GA wahrscheinlich ein wenig befangen. Mit der Hammerklaviersonate erwähnst Du allerdings das Highlight der GA. Ciccolini ist nicht der Pianist, der den Notentext gegen den Strich bürsten würde, ist eher ein Charmeur am Instrument. Persönlich mag ich diesen Zugang sehr. Unglaublich, mit welcher Ruhe und mit welcher Zartheit er den langsamen Satz der Hammerklaviersonate zum leuchten bringt. Wie jede GA hat auch diese ihre Highlight und ihre "Pflichtübungen". In Summa zählt sie allerdings schon zu den absout empfehlenswerten Aufnahmen (ebenso wie die von Yves Nat und Maria Grinberg).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    JLang: über den Freire-Abend werde ich gerne berichten. Ist für mich der Erstkontakt mit diesem Pianisten.

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Thomas,


    schönen Dank für deine Auskunft. Mir gefällt dieser Zugang auch, ich habe das schon bei einigen Pianisten in meinen bisherigen Besprechungen in den Beethoven-Sonaten-Threads erwähnt, wie gut mir ein emotionaler Zugang gerade bei Beethovens langsamen Sätzen gefällt, und ich freue mich in diesem Zusammenhang jetzt schon darauf, wenn wir bei der Hammerklaviersonate angelangt sein werden, die Interpretationen von Alfred Brendel, Claudio Arrau, Emil Gilels, Daniel Barenboim, Aldo Ciccolini und vor allem Michael Korstick , der, wenn ich nicht irre, fast ein Mitbürger von dir ist(?), miteinander zu vergleichen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Thomas,


    die Gesamtaufnahme von Yves Nat datiert wohl aus den Jahren um 1955. Ist sie schon n Stereo?


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Die Aufnahmen von Yves Nat, lieber William, sind alle mono. Ursprünglich entstanden sie für das Label "Les discophiles francais" das bis zum Ender der 1950er Jahre einen richtig feinen AUfnahmenkatalog produziert hatte, dann aber eingestellt wurde . Durch die Großtat von EMI/ Columbia France wurden die Aufnahmen von Nat und Marcelle Meyer der Nachwelt erhalten. Die Aufnahmen dieser beiden Pianisten sind allerdings allesamt mono. Spätere als stereo bezeichneten Ausgaben waren nachträglich stereophoniert worden. Ein kurzer Nachtrag zu den Discophile francais: Totgesagte leben bekanntlich länger: das Label gibt es wieder; es vertreibt seine alten Aufnahmen, numehr als CD, aber mit dem alten Cover und produziert auch neu.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Aldo Ciccolini, der am 1. Februar dieses Jahres für immer von uns gegangen ist, wurde am 15. August 1925 geboren.


    220px-Aldo_Ciccolini_cropped.JPG


    Aldo Ciccolini 2005


    Zu seinem heutigen Ehrentage habe ich diese Liszt-Box ausgesucht:



    Heute wäre Aldo Ciccolini 90 Jahre alt geworden.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose