Beethoven: Klaviersonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2, , CD-Rezensionen und Vergleiche (2015)

  • Und dann muss man sich mal vor Augen führen, lieber Holger, dass Joahim Kaiser Arrau einmal "den steinernen Arrau" genannt hat. Weißt du, was er damit gemeint hat? :D

    Das weiß ich im Moment auch nicht, lieber Willi! Ich vermute mal, weil er so unbeirrbar und ungerührt seine künstlerischen Ziele verfolgt hat, ohne den Versuchungen effekthascherischen Virtuosentums jemals nachzugeben. Schade, dass er nie die Winterreise mal aufgenommen hat, obwohl er doch mit einer deutschen Sängerin verheiratet war. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Dafür hat er die Appassionata ungefähr so oft aufgenommen wie Fischer-Dieskau die Winterreise.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Aldo Ciccolini, Klavier
    AD: 1996
    Spielzeiten: 7:31-6:32-3:38-6:45 -- 24:28 min.;


    So, nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub geht es in der gewohnten alphabetischen Reihenfolge weiter, und nach Robert Casadesus ist nun Aldo Ciccolini an der Reihe. Er spielt die ersten drei Sätze etwa im gleichen Tempo wie Alfred Brendel in seiner dritten Aufnahme zwei Jahre zuvor.
    In einem ruhigen Duktus zieht die Musik dahin, in Staccato und Legato fein aufeinander abgestimmt. Dynamisch nutzt er die Spannweite der Partitur voll aus, endet den Hauptsatz in einem vorbildlichen Rallentando.
    Im Espressivo-Seitenthema steigert er gemächlich, endet aber vor dem ersten Fortissimo in Takt 76 in einem scharfen Sforzando. Auch die Überleitung mit den Oktavtriolen Takt 84ff ist vorbildlich musiziert, und auch das Motiv aus dem Hauptsatz mit den aufsteigenden Sechzehnteln, das auch in der zweiten Hälfte der Durchführung mit den vertrackten Sechzehnteltriolen durchgeführt wird, spielt er souverän und entspannt und lässt diesen Abschnitt in einem ruhigen Pianissimo auslaufen. Selbstverständlich wiederholt er auch die Exposition.
    Die erste Hälfte der Durchführung mit den originellen Unisono-Sechzehnteln spielt er dann kraftvoll durch, und auch in der zweiten Hälfte kann ihn nichts von seinem souveränen Spiel abbringen, nicht einmal die heiklen Sechzehnteltriolen, die er dann ab Takt 202 noch einmal schärfer akzentuiert, als ich es schon bei anderen gehört habe. Auch diesen Abschnitt lässt er aufmerksam im Calando ausklingen.
    Auch die Reprise spielt er, hier am Anfang natürlich schon im kraftvollen Forte, dynamisch sehr kontrastreich und in der Mitte wieder mit dem schönen Rallentando und dem sehr ausdrucksvollen Seitenthema, nach dem letzten ff in Takt 318 mit einem wunderbaren Abschwung in den pp/ppp-Keller, ein fabelhaft musizierter Satz des damals auch schon immerhin 71jährigen Ciccolini.


    Das Largo appassionato beginnt Ciccolini sehr leise, im Stile einer zu Herzen gehenden Rêverie. Auf diese Weise sieht er m. E. Thema und erste Wiederholung als eine Einheit an und verleiht der Steigerung in dieser Wiederholung (Takt 16 bis 18), die er aber auch grandios spielt, ein ganz anderes Gewicht und eine größere dynamische Spannweite.
    Im Moll-Seitenthema geht er dynamisch wieder bis zum Pianissimo zurück. Bei ihm ist die Melancholie ganz und gar zart und introvertiert, dem entsprechend moderat fällt auch die Steigerung in Takt 30 und 31 aus.
    Auch die zweite Themenwiederholung mit den oktavierten Trillern spielt Ciccolini atemberauben, alles unter der dynamischen Kuppel des Zarten, nach innen Gerichteten. Kann Leidenschaft sich nicht auch so ausdrücken? Noch sinnfälliger wird das in der dritten Wiederholung, wo in der oktavierten Themenwiederholung die Schönheit des Themas bei Ciccolini noch intensiver von innen heraus leuchtet.
    Einen gehörigen Kontrast schafft Ciccolini durch den veritablen ff-Ausbruch, der in einem genauso großen Kontrast in der überragend gespielten hohen Oktave mit dem letzten, hier oktavierten Thema ausläuft- ganz große Pianistik!


    Dynamisch umgekehrt als über weite Teile des Largo verfährt Ciccolini im Scherzo Allegretto. Hier greift er dynamisch beherzt zu, vor allem im ersten Crescendo (Takt 13 bis 17) und am Ende des Allegretto (Takt 38 bis 44). Und ganz selten hört man einmal-- nichts, d. h. dass ein Pianist die eineinhalb Takte Pause, Takt 31 und 32 auf der eins, wirklich einhält, auch in der Wiederholung. Das ist ein veritables Erlebnis.
    Und dann das Minore- mein Gott! Welche Kraft doch diesem von Ciccolini gespielten Minore innewohnt, das merkt man erst, wenn einer es so spielt. Bei ihm hört man alle drei ff-Steigerungen so, wie Beethoven sie komponiert und sicherlich ach so gemeint hat. Ich habe noch einmal nachgeschaut: das Scherzo-Allegretto ist der einzige Satz in dieser Sonate mit drei verschiedenen ff-Steigerungen und insofern sicherlich der dynamische Höhepunkt er ganzen Sonate und nicht einfach ein verspieltes Binnensätzchen. Und Ciccolini spielt das überragend!


    Wieder das dynamische Gegenteil stellt das Rondo in Ciccolinis Lesart da- ähnlich wie im largo ein durchweg zartes Gebilde, graziös gespielt im besten Sinne, rhythmisch höchst aufmerksam, vor allem im ersten Couplet mit den rhythmischen Rückungen und ganz moderaten Sforzandi in diesen ersten 40 Takten, ja eigentlich muss man den zweiten Refrain bis Takt 55 noch hinzunehmen.
    Und dann- wieder eine Überraschung wie im ff-Ausbruch im Largo- mit aller Vehemenz spielt Ciccolini hier zweite Couplet- das sind 24 höchst dynamische Takte bis zum pp-Legato und danach die wenigen Takt ab 88 bis 91. Doch im dritten Refrain wieder der totale Kontrast, grazile Klänge, pastorale Stimmung vom Feinsten bis zum vierten Refrain- drei Abschnitte lang, und erst am Ende des vierten Refrains sind in den Sechzehntel-Sextolen drei einzelne Forti notiert, die Ciccolini auch tatsächlich spielt. Im vierten Couplet langt er dann auch noch einmal, wenn auch nur kurz richtig zu und endet auch diese Aufregung mit einem atemberaubenden Decrescendo und schließt einen entzückenden letzten friedvollen Refrain an und eine überragende Interpretation damit ab.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Annie Fischer, Klavier
    AD: 1977/78
    Spielzeiten: 6:42-5:26-3:05-5:38 -- 20:51 min.;


    Annie Fischer beginnt den Kopfsatz etwa im gleichen Tempo wie Rudolf Buchbinder, jedoch wesentlich schneller als Aldo Ciccolini. Dynamisch spielt sie sehr ausgewogen und lässt es schön fließen, jedoch übersieht sie am Ende des Hauptsatzes das Rallentando, das sich über mindestens sechs Takte erstreckt. Manche spielen es sogar bis zum Einsatz des Seitenthemas.
    Dieses spielt sie jedoch seh forsch und drängend mit einer kontinuierlichen Steigerung Auch die Überleitung mit den Sechzehntel-Oktav-Triolen spielt sie sehr deutlich, ebenso wie die sich anschließnede Motivrückkehr. Annie Fischer wiederholt auch die Exposition, nicht jedoch Durchführung und Reprise.
    Im ersten Teil der Durchführung lässt sie es mit der erforderlichen Dynamik in der Unisono-Sechzehntel-Begleitung ebenfalls hörbar vergnüglich schnurren.
    In der zweiten Hälfte schlägt sie sich wacker mit dem hüpfenden Rhythmus und den vertrackten Sechzehnteltriolen und endet im Calando.
    In der Reprise lehnt sie sich an die Auslegung in der Exposition an, was aber letzten Endes auch bedeutet, dass sie wiederum das Ritartando (Rallentando) überspielt. Nach der letzten Steigerung in der Motivrückkehr spielt sie einen schönen leisen Schluss.


    Mit dem Largo verhält es sich leider ähnlich wie mit demjenigen von Wilhelm Backhaus: es ist zu schnell, zwar nicht ganz so rasend wie jenes, aber immer noch 3 Minuten schneller als das von Korstick. Selbst ein Friedrich Gulda und ein Wilhelm Kempff sind um eine Minute langsamer, ein Emil Gilels sogar um zwei Minuten. Das mag dann noch so schön klingen, man weiß welche eindringlichen Tiefen es im "richtigen" Tempo erreicht, dann ist das hier einfach nicht gegeben. Auch will mir hier die eine oder andere Dynamische Entfaltung nicht schlüssig erscheinen wie z. B. in Takt 48, wo sie die Achtel-Abwärtsoktaven (f) wesentlich lauter spielt als das ff in Takt 49 auf der Eins. Auch die wechselnd oktavierte Themenerweiterung ab Takt 50 erreicht m. E. in diesem raschen Tempo bei weitem nicht die anrührende Wirkung wie im langsameren Tempo. Das Gleiche gilt für die hohe Oktave im letzten Abschnitt, die regelrecht hastig klingt.


    Das Scherzo ist da temporal schon wesentlich schlüssiger, wobei wiederum einzuwenden ist, dass sie das Rallentando beim ersten Mal überhaupt nicht beachtet und nur beim zweiten Mal in Takt 30 so in etwa, desgleichen im Da Capo. Im Minore arbeitet sie die Sforzandi sehr schön heraus. und macht so den Dreierrhythmus besser hörbar.


    Im Rondo ist sie die Schnellste überhaupt von allen, die ich bisher gehört habe, etwa im Gulda-Tempo (Gulda habe ich noch nicht gehört). Gilels z. B. ist hier zwei Minuten langsamer.
    Da Beethoven hier keine explizite Tempoangabe gemacht hat, sollte man das eigentlich nicht bemängeln, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich Schwierigkeiten habe, ein "Grazioso" zu entdecken. Das erste Couplet z. B. wäre in einer anderen Sonate Beethovens in Annie Fischers Tempo unter dem Tempo "presto" gelaufen. Am ehesten wäre dieses Tempo noch im ersten Teil des zweiten, durchführenden Couplets schlüssig, da dieser Abschnitt auch dynamisch äußerst bewegt ist, aber "Graziosität" verbindet sich für mich am ehesten mit (an)gemessenem Tempo. Das "Presto-Gefühl" überkommt mich auch beim dritten Couplet wieder.


    Eine Aufnahme, die mich nicht zufriedengestellt hat!


    Liebe Grüße


    Willi :(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Anni Fischer, lieber Willi, habe ich bislang gar nicht im Fokus. Sie hat aber wohl in der ungarischen Musikkultur eine große Rolle gespielt. So berichtet Tamas Vasary, dass sie es war, die ihm und anderen als Studenten die Klassiker Mozart und Beethoven nahebrachte. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

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  • In der ersten Sonate, lieber Holger, hat sie mir wesentlich besser gefallen, und ich hoffe, dass ich noch viele schöne Aufnahmen von ihr besprechen kann.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Walter Gieseking, Klavier
    AD: 1956
    Spielzeiten: 5:01-6:28-2:56-6:08 -- 20:33 min.;


    Walter Gieseking beginnt seinen Vortrag sehr flüssig, dynamisch ausgewogen und temporal durchschnittlich. Die relativ niedrige Zeit von gut 5 Minuten für den Kopfsatz rührt daher, dass Gieseking auch hier wie in der ersten Sonate die Exposition nicht wiederholt. Sonst käme er auf ungefähr 7 Minuten. Ich finde keine Erklärung dafür und habe auch beim gleich agierenden Backhaus keine Erklärung dafür gefunden. Schade!
    Den ersten Teil der Durchführung spielt auch er sehr engagiert, wie ich denke, mit Freude, dynamisch hochstehend und kontrastreich. Im zweiten Teil der Durchführung dokumentiert er, dass ihm die vertrackten Sechzehnteltriolen keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Auch hier steigert er am Ende gemäß der Partitur die dynamische Obergrenze.
    Die Reprise gestaltet er entsprechend der Exposition. Nachzutragen wäre, dass er sowohl das Rallentando in der Exposition wie die das Ritartando in der Reprise zumindest beachtet, wenn auch nicht so konsequent wie andere (siehe meine Rezensionen).
    Das Espressivo-Seitenthema spielt er sowohl in der Exposition wie auch in der Reprise durchaus bemerkenswert, und auch der kontrastreiche Schluss mit dem kurzen codaähnlichen Schluss Takt 321 bis 336 ist als sehr gelungen zu bezeichnen.


    Das Largo ist temporal noch durchaus im Rahmen, zwar an der oberen Grenze, aber im Thema vermisse ich ein wenig die dynamische Binnenbewegung. In der Wiederholung ab Takt 13 steigert er diese und führt das Thema mit einer dann doch großartigen Steigerung ab Takt 16 zu Ende.
    Das Moll-Seitenthema beginnt er sehr zart und melancholisch (da kommt der kompetente Mozartspieler zum Vorschein) und führt es wieder in einer sehr organischen Steigerung zu Ende.
    Seine rhythmische Behandlung der Partitur im tenuto sempre und staccato sempre steht außer Frage. In der zweiten Themenwiederholung nimmt die innere dynamische Bewegung etwas mehr Fahrt auf, die sich in der dritten Wiederholung noch steigert und sich wiederum zu einem ja geradezu majestätischen Crescendo erhebt. In der Themenerweiterung in den Oktavwechseln hat er einen seiner bis hierhin stärksten Momente. Das ist schon sehr anrührend.
    Im ff-Ausbruch greift er beherzt zu und formt diese Passage auch zu einem "streng wie ein Kondukt", wie es bei Mahler heißt. Die diesen Abschnitt abschließende hohe Oktave spielt er schlichtweg grandios, ebenso wie die letzte, nach oben oktavierte Themenwiederholung- große Pianistik!


    Das Scherzo ist temporal an der Grenze, aber durch die exakte Ausführung der Viertelpausen, die er nicht überspielt, wirkt es keinesfalls gehetzt, und rhythmisch ist sein Spiel, dessen mozartinische Prägung hier besonders deutlich wird, ohnehin eine Offenbarung. Auch das Rallentando, das er hier vollends beachtet, trägt zu diesem Eindruck bei, dass er temporal nicht überzogen hat.
    Auch das Minore ist aller Ehren wert und bringt in seiner Lesart den Dreierrhythmus besonders deutlich zur Geltung. Er wiederholt natürlich das Scherzo da capo- das Scherzo- ebenfalls auf einem sehr, sehr hohen Niveau!


    Das Rondo schließt in seiner lyrischen Grundhaltung an das Scherzo an und ist temporal etwa auf der Höhe Rudolf Buchbinders, wesentlich langsamer als das von Annie Fischer und auch noch etwas langsamer als das von Wilhelm Backhaus. Vor allem ist es aber eines: unendlich graziös. Dieser Eindruck setzt sich auch im ersten Couplet fort, das fließt wunderbar voran, ohne jemals zu überdrehen, und das ist rhythmisch einfach grandios! Auch der zweite Refrain atmet diese friedvolle, pastorale Luft.
    Den Kontrast zum zweiten, durchführenden Couplet vergrößert er nicht durch dynamische Verstärkung, sondern durch Schärfung der Achtel-Triolen im staccato sempre, erst in der hohen, dann in der tiefen Oktave. Dem steht dann auch als neuerlicher Kontrast innerhalb dieses Couplets das rundere pp-Legato gegenüber.
    im dritten Refrain, Couplet und vierten Refrain herrscht dann wieder apollinische "Clarté" graziöser musikalischer Figuren. Auch in den Sechzehntel-Sextolen im zweiten Teil des vierten Refrains nimmt er noch den mozartinischen Schwung mit. Auch das vierte Couplet kann da nichts mehr ausrichten.
    Der letzte Refrain bildet das würdige Ende eines großartigen Satzes und einer großartig gespielten Sonate, deren einziger Fehler es ist, dass sie nicht vollständig ist.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Emil Gilels, Klavier
    AD: 8/9/1984
    Spielzeiten: 7:04-7:36-3:29-7:32 -- 25:41 min.;


    Emil Gilels ist wie immer sofort mitten in der Musik. Rhythmus, Dynamik, tempo, alles stimmt. Das Miteinander von Staccato- und Legatospiel ist überragend.
    Auch das Seitenthema in e-moll steigert er in der richtigen Manier und ist im Takt 76/77 dann auf Fortissimo, andererseits ist der dynamische Kontrast gewaltig, da er auch nach unten sehr weit ausdehnt (pp/ppp). Auch die Überleitung und die Motivrückkehr sind vom Feinsten und führen wiederum am Ende der Exposition bis tief in den pp-Keller. Emil Gilels wiederholt auch die Exposition.
    Den ersten Teil der Exposition spielt er auch mit hörbarem Vergnügen und dynamisch sehr ausgewogen. In der zweiten Hälfte lässt er es wieder schön fließen, wobei auch ihm die Sechzehnteltriolen nicht das geringste ausmachen und spielt den schwierigen Rhythmus äußerst souverän und endet ebenfalls im pp-Calando.
    In der Reprise spielt er auch nach den Vorgaben der Exposition mit den entsprechenden kleinen Änderungen dynamischer Art. Er beendet den Satz mit einem wiederum deutlichen Kontrast zur letzten Steigerung, weil er die den kurzen codaartigen Schluss bis ins ppp zieht.


    Emil Gilels gehört auch zu denjenigen, die einem Largo wirklich die nötige Zeit spendieren, um die ihm innewohnende musikalische Tiefe richtig zu entfalten. So kann er auch durch geringe dynamische Bewegungen die leisen Passagen wunderbar strukturieren und in der ersten Themenwiederholung eine veritable Steigerung spielen.
    Das Moll-Seitenthema versieht er mit dem Maß an Melancholie, vor dem man fühlt, dass es genau richtig ist und schließt es mit einer kräftigen Steigerung ab, in derem letzten Takt (31) das Thema schon wieder nach Dur changiert und in die zweite Themenwiederholung mündet. Sie ist wie auch die dritte Wiederholung von bestrickend intimer Tongebung und einem verklärenden Schreitrhythmus. Hinzu kommt, dass Emil Gilels die schon öfter hervorgehobenen Themenerweiterung, die von Mal zu Mal die Lage bzw. die Oktave wechselt, in einer unnachahmlichen Art spielt, die einem Schauer über den Rücken jagen und zeigen, dass hier einer spielt, der schon Einblick in die letzten Gründe erlangt hat.
    Unglaublich auch der nächste Abschnitt, der ff-Ausbruch, an dessen Ende die hohe Oktave steht, die er in einer überirdischen Schönheit spielt, die mich fassungslos macht. Das Gleiche gilt für die letzte, oktavierte Themenwiederholung: so kann das, so glaube ich, nur Gilels spielen - ganz überragend!!


    Auch für das Scherzo Allegretto gilt das Gleiche wie beim Largo: die richtige Tempowahl ist eminent wichtig, wenn man, wie Gilels, dem Stück die richtige musikalische Aussage entlocken will, und seien es "nur" Heiterkeit, Behaglichkeit und Entspanntheit. Wenn man es zu schnell spielt, sind die musikalischen Eigenschaften schwerlich zu vermitteln.
    Interessant auch, wie Gilels es schafft, die Sforzandi im Minore (Takt 46, 48, 54, 46 in den (verminderten) Septim-Intervallen vom leiseren oberen Ton abzusetzen. Gilels schließt selbstverständlich das Scherzo da capo an.


    Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: ich finde auch für das Rondo Grazioso gilt, dass ein etwas gemäßigteres Tempo von den entsprechenden Pianisten genutzt wird, um mehr musikalischen Ausdruck zu gewinnen. Schließlich ist dies hier nicht die Appassionata, deren Finale einen gänzlich anderen Inhalt hat. Hier ist Entspannung, pastorale Stimmung und heitere Behaglichkeit gefragt. Und diese Stimmung ist bruchlos in den ersten drei Teilen, Refrain I, Couplet I, Refrain II, vorhanden. Insofern könnte man sie auch einem Sonatensatzschema unterordnen und hier als Exposition + Wiederholung zusammenfassen, wobei man das Thema des Couplets durchaus als Seitenthema bezeichnen könnte.
    Weiterhin spricht dafür, dass das zweite Couplet eindeutig durchführenden Charakter hat und auch über die erforderliche Länge von über 50 Takten hat und, wie so oft, das thematische Material dramatisch verdichtet. Gilels gelingt es natürlich in diesem Thema ganz hervorragend, die musikalischen Strukturen offen zu legen und auch das nötige dramatische Gewicht zu entwickeln.
    Wunderbar ist auch sein Kontrast zwischen dem Staccatoteil und dem pp-legato-Einschub, der sich dann ja in umgekehrter Reihenfolge am Schluss wiederholt.
    Den nächsten Abschnitt, Refrain III, Couplet III und Refrain IV, könnte man als Reprise auffassen, während der neuerliche Anklang an das Durchführungsthema im vierten Couplet auch als Überleitung zum codaähnlichen fünften und letzten Refrain angesehen werden könnte. Für mich ist einfach an keiner Stelle in diesem Finale die Notwendigkeit erkennbar, das nun im Rekordtempo herunter zu spulen. Das würde den heiteren pastoralen Charakter dieses Satzes zerstören. Wie wichtig gemäßigtes Tempo ist, stellt Gilels nochmal in den Sechzehntelsextolen im vierten Refrain unter Beweis, die so eine gewichtige Aussage erhalten und gleichzeitig die Spielfreude in diesem Stück dokumentieren.
    Ein wenig erinnert mich das Durchführungszitat im vierten Couplet auch an die Zitate aus den voraufgegangenen Sätzen im Finale der Neunten.
    Der letzte Refrain als Zusammenfassung vereinigt Elemente aus den vorangegangenen Refrains in Form Achtel und aus den Couplets in Form der Sechzehntel in sich und kann insofern als abschließende Coda angesehen werden.


    Emil Gilels hat hier m. E. eine überragende Interpretation vorgelegt.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Richard Goode, Klavier
    AD: 1991
    Spielzeiten: 6:51-6:15-2:58-6:12 -- 22:16 min.;


    Richard Goode schlägt von Beginn an einen leichtfüßigen, geradezu mozartinischen Ton an und bleibt auch in der dynamischen Spannweite moderat. Dennoch bildet er die dynamischen Kontraste fein heraus, seine rhythmische Gestaltung ist auch zu loben, und am Ende spielt er ein sanftes Rallentando. Im Tempo ist er kaum schneller als Emil Gilels.
    Das e-moll-Seitenthema spielt er in adäquater dynamischer Ausgestaltung. Hervorzuheben ist außerdem der transparente Klang, vor allem in der Begleitung. Hier endet er in einem veritablen ppp.
    Die Sechzehntel-Oktav-Triolen im Übergang ab Takt 84 kommen klar und von leichter Hand, auch die Motivrückkehr ab Takt 92 spielt er in wunderbarem Fluss. Goode wiederholt auch die Exposition.
    Im ersten Teil der Durchführung spielt er auch eine kernige, lustvolle Begleitung und setzt die Viertel-Staccati in der oberen Oktave akzentuiert dagegen.
    Den zweiten Teil spielt er schön fließend, wobei er den eigenartigen Rhythmus mit den kniffligen oktavierten Sechzehnteltriolen ganz organisch gestaltet und die Durchführung in einem schönen Calando beendet.
    Die Reprise spielt er gemäß den Vorgaben der Exposition mit den eingeschlossenen Änderungen der musikalischen Figuren.
    Auch die hauchzarte Kurzcoda ab Takt 323 spielt er sehr ausdrucksstark auf niedrigstem dynamischem Niveau.


    Das Largo spielt er deutlich schneller als Gilels, aber wie ich finde, gerade noch tolerabel. Dynamisch ist er verhalten, bevorzugt eine intime Tongebung, spielt aber am Ende der ersten Themenwiederholung eine grandiose Steigerung samt tollem Decrescendo.
    Das Moll-Seitenthema hält er auch unter diesem verhaltenen dynamischen Aspekt, was ihm einen Hauch von feiner Melancholie verleiht. Auch hier überrascht er aus dem Pianissimo heraus mit einer veritablen Steigerung.
    Auch in der zweiten Themenwiederholung bleibt er dynamisch auf diesem Wege, dabei immer wieder kleine dynamische Bewegungen einstreuend. Und in der dritten Wiederholung spielt er wiederum dieses tolle Crescendo wie in der ersten. Die Themenerweiterung in den wechselnden Oktaven spielt Goode in dieser Lautstärke (pp) mit unglaublicher musikalischer Tiefe. Ebenso unglaublich ist der dynamische Kontrast, der durch seinen beherzten Zugriff im ff-Ausbruch entsteht- ebenso frappierend seine elysische hohe Oktave und die anschließende oktavierte letzte Themenwiederholung mit codaähnlichem Charakter.
    Wer diesem Satz in dem doch relativ flotten Tempo eine derartige musikalische Tiefe verleihen kann, der zeigt, wie hier Richard Goode, wie tolerant diese Sonate sein kann, wenn sie nur gut genug gespielt wird.


    Auch im Allegretto spielt Goode an der oberen Tempogrenze, entgeht aber der Gefahr, hier in zu seichten musikalischen Tiefen zu fischen, durch abermals leichte, sorgfältige, spannend entspannte Spielweise, die den wiegenden Dreiertakt absolut ebenmäßig wiedergibt.
    Beim Minore entsteh vielleicht noch am ehesten der Eindruck, dass es eine Idee langsamer sein könnte. Natürlich schließt Goode das Scherzo da capo an.


    Natürlich ist Goode auch im Rondo schneller als Gilels , aber etwas langsamer als Backhaus und Gieseking. Aber auch hier führt seine unerhört leichte, fast schwebende Spielweise dazu, dass hier ein musikalisches Gebilde von grazilem Zuschnitt entsteht. Dieser Eindruck zieht sich gleichermaßen durch die ersten drei Teile, die ja durchgehend im p bzw. pp notiert sind und nur von zwei einsamen Sforzandi kurz angerissen werden.
    Umso größer ist natürlich auch hier der dynamische und stimmungsmäßige Kontrast im zweiten Couplet, das Goode rustikal spielt und wo er am Ende des ersten Teils in den begleitenden Staccato-Achteln in Takt 63 und 64 ein überaus wirkungsvolles Crescendo-Decrescendo spielt. Auch Goode gestaltet den pp-legato-Einschub ab Takt 80 als wirkungsvollen Kontrast. Auch ist sein Übergang zum dritten Refrain vom Feinsten.
    Diese nächsten drei Teile von der Art einer Reprise spielt er wieder sehr schön fließend und, ja- einfach graziös. Selbst im letzten -Teil dieser Trias, in den Takten 148ff. hält er trotz der körperhaften Sechzehntel-Sextolen diesen grazilen leichten Eindruck bei, den auch das letzte Couplet mit seiner Reminiszenz an das wilde Durchführungsthema nur kurz überlagern kann. In einem sanften letzten codaähnlichen Refrain führt Richard Goode eine große Interpretation zu Ende.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Eric Heidsieck, Klavier
    AD: 1968-74
    Spielzeiten: 5:19-8:09-3:06-6:10 -- 22:44 min.;


    Eric Heidsieck beginnt die Sonate in normalem Tempo. Die Satzdauernangabe deutet darauf hin, dass er die Exposition nicht wiederholt. Dynamisch liegt er im Rahmen, das Rallentando am Ende des Hauptsatzes beachtet er aber nur am Rande.
    Im e-moll Seitenthema steigert er sehr schön und differenziert auch dynamisch am Ende sehr aufmerksam. Auch Überleitung und Motivrückkehr sind in Ordnung. Im ersten Teil der Durchführung spielt er kraftvoll und trifft auch den humorvollen Ton Beethovens durchaus.
    Im zweiten Teil bewältigt er auch die Tücken der oktavierten Sechzehnteltriolen. Er endet in einem sauberen Calando.
    In der Reprise lehnt er sich im Wesentlichen an die Spielweise in der Exposition an, auch im Ritartando (Rallentando). Am Schluss spielt er jedoch eine sehr schöne Kurzcoda.


    Im Largo lässt er sich alle Zeit der Welt und wählt dynamisch einen verhaltenen Weg und geht auch in der großen Steigerung ab Takt 16 nicht bis zum letzten. Den insistierenden Schreitrhythmus trifft er sehr gut.
    Diese verhaltene Spielweise erzeugt im Moll-Seitenthema eine beklemmende Wirkung, auch wiederum in einer moderaten Steigerung endend. In der zweiten und dritten Wiederholung behält er diese Ausdrucksweise bei, was besonders bei den Oktavwechseln der Themenerweiterung ab Takt 50 ganz grandios gespielt ist.
    Durch den veritablen ff-Ausbruch erzeugt er einen unglaublichen Kontrast, der ein einer tief anrührenden hohen Oktave und letzten Themenwiederholung in Art einer Coda endet- grandios!!


    Das Scherzo spielt er im Vergleich zu den ersten beiden Sätzen recht schnell, aber immer noch langsamer als Goode und Gieseking und auch rhythmisch den Dreier schön betonend, wobei mir das Rallentando etwas zu kurz kommt.
    Das Minore gefällt mir ausnehmend, weil der die Taktanfänge stärker betont als schon gehört. Das Scherzo da capo schließt er natürlich an. im Da Capo betont er das Rallentando besser.


    Im Rondo scheint er mir zwischen dem entspannten ersten Refrain und dem ersten Couplet doch einen erheblichen Temposprung zu machen, und ich weiß nicht, wie ich das beurteilen soll, ob da nicht der Charakter des Grazioso ein wenig auf der Strecke bleibt.
    Das zweite Couplet (Durchführung) ist dagegen stark gespielt. auch der Kontrast zum pp-legato-Einschub ist stark, auch der am Ende des Einschubs.
    Der dritte Refrain, im Verein mit dem dritten Couplet (wieder sehr schnell) und dem vierten Refrain auch als Reprise zu bezeichnen, ist in den Refrainteilen wieder Entspannung pur. Auch die Sechzehntel-Sextolen ab Takt 148 sind ganz großartig gespielt.
    Im vierten Couplet wühlt er das Geschehen nochmal kurz auf, bevor der abschließende Refrain, die Elemente beider Formen in sich vereinigend, einen schönen codaähnlichen Abschluss bildet.


    Eine streckenweise großartige Aufnahme mit einigen kleinen Irritationen und ein wenig unvollständig!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Die Lektüre Deiner Rezensionen hat mir wieder viel Freude gemacht! Zum Musikhören und dann auch Beethoven (Gilels natürlich!) komme ich aber leider erst nächste Woche wieder, lieber Willi! :)


    Einen schönen Sonntag wünscht mit lieben Grüßen
    Holger

  • Auch ich wünsche dir und deiner Frau einen schönen Sonntag.
    Ich werde jetzt anlässlich des gestrigen 75. Geburtstages von Robert Lloyd noch einmal den Fidelio von 1991 aus Covent Garden unter Dohnany hören und sehen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Wilhelm Kempff, Klavier
    AD: 1964-65
    Spielzeiten: 7:11-6:38-3:23-6:26 -- 23:38 min.;


    Wilhelm Kempff spielt das Allegro vivace in ruhigem Tempo, dynamisch mit einem Piano an der Untergrenze und ist sogleich in einem spannend-entspannten Fluss, die Staccati und Legato-Abschnitte organisch miteinander verbindend, zum Schluss in einem moderaten Rallentando zum Seitenthema überleitend.
    Dieses gestaltet er in hellem, fast grellem Klangbild und tut am Schluss in den beiden Fortissimi einen gewaltigen dynamischen Kontrast auf. Die Überleitung und die Motivrückkehr hält er auf dem gleichen hohen Niveau und endet in einem wunderbaren Pianissimo. Wilhelm Kempff wiederholt ebenfalls die Exposition.
    Im ersten Teil der Durchführung, die Kempff dynamisch ebenfalls hochstehend spielt, ist auch ihm die Spielfreude anzumerken. Die tiefe Begleitung kommt kraftvoll und rhythmisch akzentuiert.
    Im zweiten Teil umschifft auch er die Klippen der Sechzehnteltriolen und bildet den koboldesken Rhythmus mendelssohnscher Prägung fein aus. Auch die Begleitung, speziell im letzten Teil, lässt er deutlich hervortreten und die Durchführung im Calando zum Stillstand kommen.
    Die Reprise lehnt er auch an die Exposition an, trägt jedoch den veränderten dynamischen Gegebenheiten Rechnung.
    Das Seitenthema ist wieder von dramatischem Zuschnitt und großen dynamischen Kontrasten geprägt. Er lässt den Satz in einer besonders leise endenden Kurzcoda (ppp) ausklingen- großartig!


    Wilhelm Kempff nimmt das Largo wesentlich rascher als Gilels (gut 1 Minute) und nochmal eine halbe Minute schneller als Heidsieck, aber natürlich auch über eine Minute langsamer als Annie Fischer.
    Er spielt den ersten Teil des Themas bis zum ersten sforzando sehr leise, aber spannungsreich und spielt in der ersten Wiederholung eine formidable Steigerung. Auch hier fällt wieder der stets klare, natürliche, singende Ton ins Gewicht.
    Auch sein "stilles", aber klares Moll-Seitenthema ist sehr beeindruckend. Auch bei der abschließenden Steigerung hält er sich zurück. Auch diese Lesart ist durchaus überzeugend. In der zweiten Themenwiederholung bleibt er bei dieser niedrigen Grundlautstärke. Sehr schön auch in der Folge seine oktavierten Triller, und in der dritten Wiederholung stimmt er in den Oktavwechseln in der Themenerweiterung einen beseligenden Gesang an, seine große Stärke.
    Im ff-Ausbruch greift er dann auch tatsächlich zu einem veritablen Fortissimo und in der anschließenden hohen Oktave ertönt wieder sein hauchzarter überirdischer Gesang, dem eine ebenso atemberaubende letzte codaähnliche Themenwiederholung folgt - ganz große pianistische Kunst!!


    Seine Lesart des Scherzo Allegretto ist an lyrischer Empfindsamkeit und Ausdruck kaum noch zu übertreffe. Hier spielt auch die kluge Tempowahl eine große Rolle. Dynamisch lotet er hier durchaus die Partitur aus.
    Das Minore spielt er einfach herausragend, wobei ich wiederum der Meinung bin, auch dank des "richtigen" Tempos, aber auch dank seines Gefühls für Rhythmus und Dynamik. Er wiederholt natürlich das Scherzo da capo.


    Das finale Rondo spielt Wilhelm Kempff wesentlich langsamer als Annie Fischer, auch langsamer als Heidsieck und Gieseking, aber schneller als Emil Gilels.
    Aber seine klare Tongebung und sein flüssiges Spiel zeigen, wie ein Grazioso klingen kann. Im ersten Couplet und im zweiten Refrain setzt sich das flüssige Spiel fort.
    Im zweiten Couplet, dem langen, durchführungsartigen Abschnitt, tut er dann einen großen dynamischen und stimmungsmäßigen Kontrast auf. Desgleichen geschieht mit dem pp-legato-Einschub, den er sehr behutsam und leise spielt.
    Der dritte Refrain eröffnet dann in der heiteren Anfangsstimmung den reprisenförmigen Teil, der auch das dritte Couplet und den vierten Refrain umfasst. Diesen spielt er auch in der zweiten Hälfte in den Sechzehntelsextolen sehr ausdrucksstark. Auch spielt er im letzten Couplet nochmal eine andere Stimmung, an den Durchführungsteil erinnernd, aber vorübergehend, um dann im letzten Refrain einen verklärenden Abschluss zu spielen.


    Eine große Interpretation von wahrhaft klassischem Zuschnitt!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Stephen Kovacevic, Klavier
    AD: Januar 2003
    Spielzeiten: 6:49-5:31-3:23-6:24 -- 22:07 min.;


    Stephen Kovacevic spielt den ersten Satz etwas schneller als Emil Gilels und Wilhelm Kempff. Er betont das Staccato sehr, lässt aber auch die Legato-Teile wunderbar fließen. Dynamisch spielt er auch entsprechend der Partitur.
    Am Schluss des Hauptsatzes spielt er ein wunderbares Rallentando.
    Den e-moll-Seitensatz spielt er in moderaten Steigerungsschritten, erzeugt aber in den beiden gebrochenen Fortissimo-Akkorden Takt 76 und 78 einen gehörigen dynamischen Kontrast. Auch die kontrastreiche Überleitung und die Motivrückkehr spielt er sehr ausdrucksvoll.
    Stephen Kovacevich wiederholt ebenfalls die Exposition.
    Den ersten Teil der Durchführung spielt er hörbar mit dem Humor, mit dem Beethoven ihn komponiert hat. Dabei treten auch die sich jeweils nach einigen Takten ändernden Unisono-Sechzehntel in der Begleitung schön hervor.
    Auch der zweite, rhythmisch sehr eigenwillige Teil gelingt vortrefflich und endet in einem schönen Calando.
    Die Reprise lehnt er an die Exposition an. Auch hier spielt er das Espressivo-Seitenthema wieder sehr eindrucksvoll mit schönen Oktavtriolen vor den Sechzehntelläufen am Übergang zur Kurzcoda, die er auf diesem hohen Niveau abschließt.


    Auch Kovacevich spielt leider das Largo sehr flott, zwar nicht ganz so schnell wie Annie Fischer, und er lässt auch nicht den Eindruck von Hast aufkommen. Außerdem spielt er das Ganze sehr ausdrucksvoll. Wäre der Satz mit Andante überschrieben, wäre das Spitzenklasse, aber es ist leider (Gottseidank) ein Largo.
    Auch den Seitensatz spielt er sehr stimmungsvoll-melancholisch, nicht oberflächlich und schließt ihn mit einer schönen Steigerung ab.
    Auch die zweite und dritte Steigerung sind wunderbar gespielt, leider im falschen Zeitmaß. Stephen Kovacevich zeigt an den Schlüsselstellen dieses Satzes, hier in der dritten Wiederholung in den Oktavenwechseln der Themenerweiterung oder in der überirdischen Oktave im ff-Ausbruch des Themas (Takt 64 bis 67), über welche tiefgreifenden lyrischen Fähigkeiten er verfügt.
    Leider geht das mit dem Tempo nicht immer gut, denn ausgerechnet in der letzten Themenwiederholung ab Takt 68 klingen die Sechzehntel eindeutig zu schnell-schade!


    Im Scherzo Allegretto ist Kovacevich Gottseidank wieder im Tempo und er spielt das auch rhythmisch sehr prägnant, dynamisch sehr kontrastreich und mit einer spannenden Entspanntheit- wie man es nicht oft hört. Auch das Minore schließt an dieses hohe Niveau an. Zum Abschluss erklingt noch einmal das herausragende Scherzo Allegretto da capo mit einem überragenden Rallentando im Legato-Teil.


    Auch das Rondo Grazioso spielt Kovacevich auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Wie in den vorangegangenen Sätzen innerhalb eines moderateren dynamischen Gesamtkonzeptes, das sich etwas mehr im unteren Bereich befindet, überzeugt er hier vor allem durch Sanglichkeit, Rhythmik, Ausdruck und Kontraste rhythmischer wie dynamischer Natur.
    Obwohl er die dynamische Obergrenze nicht ausreizt, stellt das zweite Couplet auch hier im dramatischen Impetus einen ausreichenden Kontrast dar, ebenso wie seinerseits wieder der pp-legato-Einschub.
    Auch die Rückkehr zum entspannt-friedvollen Procedere im dritten Refrain, der den Reprisenteil eröffnet, ist kontrastreich gestaltet. Das Dritte Couplet und der vierte Refrain setzen hier das begeisternde Musizieren fort.
    in der zweiten Hälfte des vierten Refrains gestaltet Kovacevich die Sechzehntelsextolen geradezu euphorisch, und als unerwarteten Kontrast vernimmt man das diesmal dynamisch fast vollständig ausgereizte vierte Couplet mit der Reminiszenz an die Durchführung. Kovacevich ist also auch für Überraschungen gut. Mit einem überragenden Achtelabstieg leitet er zum abschließenden codaähnlichen letzten Refrain über, der nochmals sehr überzeugend gespielt ist.


    Eine in weiten Teilen grandiose Einspielung, in der mir nur das Largo temporal Kopfschmerzen bereitet hat.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    John Lill, Klavier
    AD: ?
    Spielzeiten: 10:32-9:12-3:47-7:46 -- 31'21 min.;


    Nach dreiundzwanzig "unvollständigen" Einspielungen habe ich doch noch eine vierte gefunden, die komplett ist. Deswegen durchbreche ich noch einmal die alphabetische Reihenfolge und nehme John Lill vor Paul Lewis an die Reihe.
    Er legt die dynamische Messlatte etwas höher als Stephen Kovacevich und ist temporal im Kopfsatz etwas gleichschnell wie Emil Gilels. Er schließt den Hauptsatz mit einem fein abgestuften Rallentando ab.
    Das e-moll-Seitenthema spielt er drängender, dynamisch höher stehend als Kovacevich mit veritablen ff-Spitzen. Auch die Überleitung und die Motivrückkehr sind kräftig und schwungvoll, ein Beweis dafür, dass es auch nicht verkehrt sein kann, wenn man Beethovens Dynamikangaben genau befolgt. John Lill wiederholt nicht nur die Exposition, sondern liefert uns den "ganzen" Beethoven.
    In der ersten Hälfte der Durchführung spielt er die Sechzehntelbegleitung nicht nur lustbetont, sondern auch kraftvoller als mancher andere, denn immerhin beinhaltet dieser Abschnitt vier ff-Angaben. Auch der zweite Teil mit den vertrackten Sechzehntel-Triolen macht Lill nicht die geringste Mühe, und so kann er ungehindert seine dynamisch hoch stehende Interpretation fortsetzen, deren eckiger Rhythmus an dieser stelle noch eindringlicher klingt. Auch Lill endet in einem schönen Calando.
    In der Gestaltung der Reprise orientiert er sich auch an der Exposition. Durch seine dynamisch so hoch stehende Spielweise fallen auch di vielen Kontraste größer aus. Auch die Begleitoktave ist zu jeder Zeit transparent und gut zu vernehmen. Nochmal zieht das Espressivo-Seitenthema mit großem dramatischen Impetus an uns vorüber und endet in einer grandiosen Kurzcoda, deren Pianissimi im Vergleich zu den vorangegangenen Fortissimi (zuletzt ab Takt 318) sicherlich einen um eine Lautstärkenstufe größere Differenz aufweisen, als es bei Kovacevic der Fall war. Weil es so schön war, wiederholt Lill Durchführung und Reprise.
    Ein ganz großartiger erster Satz, der durch die vorgenannte Wiederholung in der Inteprpretation Lills um 3:24 min. länger wird!


    John Lill spielt das langsamste aller Largos, aber um wie viel spannungsreicher und ausdrucksstärker ist es als die kurzen Exemplare, etwa das von Wilhelm Backhaus oder auch das von Annie Fischer und, vor allem, um wie viel richtiger! Welch eine schöne, anrührende Steigerung am Ende der ersten Themenwiederholung! Welch eine Wirkung hat das Moll-Seitenthema durch den langsamen, steten melancholischen Schreitrhythmus, und es endet in einer veritablen ff-Steigerung. Auch die zweite Themenwiederholung ist von dieser stillen Schönheit, ebenso wie die dritte mit der wunderbaren Steigerung und den atemberaubend gespielten Wechseloktaven der Themenerweiterung. Das ist ganz große Pianokunst!
    Und der ff-Ausbruch ist markerschütternd- mein Gott: so kann man das also auch spielen- dann der grandiose Kontrast in der hohen Oktave und der letzten oktavierten codaartigen Themenwiederholung- nochmals eine kleine interpretatorische Steigerung, die jede Frage, ob das vielleicht zu langsam sei, verstummen lässt.


    Auch im Scherzo lässt sich John Lill alle Zeit der Welt, und er tut gut daran. Hier hört man explizit, warum Beethoven so viele ff notiert hat, alleine in den Takten 43 und 44 vier Stück, und das ff in Takt 17 sticht auch wirklich genügend heraus.
    Und das Minore ist unglaublich im ersten teil genügend Zeit zum Entwickeln einer melancholischen Stimmung, im zweiten Teil eine tolle Steigerung mit höchstem dynamisch-dramatischen Impetus. Selbstredend schließt Lill das Scherzo da capo an.


    Auch das Rondo Grazioso spielt er in aller Ruhe, und auch bei der nochmals um 20 Sekunden längeren Dauaer als Gilels trifft das zu, was ich schon bei jenem bemerkte: bei diesem gemäßigteren tempo kann man nicht nur die Strukturen mehr aufhellen, sondern auch mehr musikalische Tief erreichen. Auch in den Passagen, in denen Beethoven keine anderen dynamischen Angaben macht, bringt Lill durch dynamische Bewegungen mehr Struktur hinein.
    So ziehen die ersten drei Teile (Refrain I-Couplet I-Refrain II) vollkommen entspannt-spannend an uns vorüber. So tur das zweite durchführende Couplet einen veritablen dynamischen und stimmungsmäßigen Kontrast auf. Und hier scheint der Kontrast zum pp-legato-Abschnitt noch größer als anderwärts, ebenso wie am ende dieses Einschubs. Auch der abschließende Achtelabstieg mit den eingebundenen Sforzandi ist grandios.
    Und so bilden dann die nächsten drei Abschnitte (Refrain III, Couplet III, Refrain IV) eine ebenso entspannte Themenwiederholung wie eine Reprise. und vor allem: das alles ist purer Gesang! Und die Sechzehnteltriolen im zweiten Teil des vierten Refrains verleihen dem Ganzen einen länglichen Tanzrhythmus. Das vierte Couplet sorgt zwar noch zur für Unruhe, aber die friedvollen lichten Kräfte setzen sich natürlich durch und führen zu einem beseligenden Ende!


    Eine überragend Aufnahme, wieder einmal bei John Lill, der auch bei der ersten sonate schon die Nase vorn hatte!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Paul Lewis, Klavier
    AD: 2007
    Spielzeiten: 7:23-6:05-3:49-7:04 -. 24:21 min.;


    Paul Lewis beginnt nicht zu schnell, etwas langsamer als Gilels und doch deutlich langsamer als Ashkenazy. Er arbeitet rhythmisch sehr präzise und lotet auch dynamisch die Angaben der Partitur voll aus. Er spielt ein großartiges Rallentando.
    Das e-moll-Seitenthema spielt er auch im besten Sinne espressivo und mit einer großartigen Steigerung. Auch die Überleitung und die Motivrückkehr aus dem Hauptthema sind in ihrer Klarheit und Transparenz sowie in ihrem Kontrastreichtum vom Feinsten. Paul Lewis wiederholt selbstverständlich die Exposition, leider nicht Durchführung und Reprise, denn solch eine großartige Aufnahme hätte man gerne ganz gehört.
    Der erste Teil der Durchführung ist ebenfalls dynamisch sehr hochstehend, und die Unisono-Sechzehntel sind lustvoll betont und sehr transparent, sodass man genau feststellt, wann sich ihre musikalische Form ändert.
    Auch der zweite Teil ist exzellent musiziert, die heiklen Sechzehnteltriolen ganz ausgezeichnet, der verschachtelte Rhythmus superb, die Dynamik weiterhin höchst treffend und alles endend in einem großartigen Calando.
    Die Reprise spielt er in Anlehnung an die Exposition, selbstverständlich mit den variierten musikalischen Formen, mit einem abermals ausgezeichneten Ritartando (Rallentando) und einem großartigen Espressivo-Seitenthema. Auch die Hinwendung zu einer hier fast "morendo" gespielten Kurzcoda ist atemberaubend.
    Ein herausragender erster Satz!


    Der zweite Satz dagegen ist mir fast ein wenig schnell, aber es klingt bei ihm nicht hastig, ist also gerade noch tolerabel. Dynamisch hat er hier seinen Spielraum etwas eingegrenzt. Er spielt zwar die Steigerung in der ersten Themenwiederholung, geht aber nicht bis zum Äußersten, wie etwa John Lill. Wenn man so will, ist dies, temporal wie dynamisch ein Gegenentwurf zu seinem Landsmann. Das Moll-Seitenthema ist still melancholisch gespielt und läuft in einer ebenfalls moderaten Steigerung aus.
    Auch die zweiten und dritte Themenwiederholung sind anrührend gespielt, ebenfalls die Oktavwechsel der Themenerweiterung. Wahrhaft kontrastreich trumpft dann der ff-Ausbruch auf, bei dem er wirklich hinlangt.
    Die hohe Oktave kündet dann wieder von seinen großen lyrischen Fähigkeiten (wie bei seinem Mentor), auch die letzte Themenwiederholung ist von hohen lyrischen Graden, auch wenn hier die Begleitsechzehntel temporal wieder grenzwertig sind.


    Ohne auf Einzelheiten eingehen zu müssen: das Scherzo Allegretto spielt Paul Lewis einfach überragend. Tempo, Dynamik, Rhythmus, Ausdruck, alles stimmt. Sogar die Pausen stimmen! Er ist einer der wenigen, die in Takt 31 und 32 eineinhalb Takte Pause machen. Das übt an dieser Stelle eine ungeheure Wirkung aus und macht sie zu einer veritablen Schlüsselstelle, vor allem im Verein mit dem zuvor grandios gespielten Rallentando!


    Auf dem gleichen turmhohen Niveau spielt Lewis auch das Rondo Grazioso. Auch hier lässt er sich Zeit, das Rondo in seiner ganzen graziösen Gestalt zu entfalten. Wieder kommen ihm seine übergroßen lyrischen Fähigkeiten zur Hilfe. Welch ein entspanntes Fließen und Singen! Auch und gerade im ersten Couplet, das der erste Indikator für zu schnelles Tempo sein kann, ist das Tempo genau richtig. Abgesehen davon, offenbart Lewis auch hier die Strukturen richtig. Auch der zweite Refrain setzt diesen beseligenden Gesang fort.
    Zu Beginn des zweiten Couplets setzt Lewis auch ganz organisch den richtigen stimmungsmäßigen und dynamischen Kontrast, als wenn es genau so und nicht anders sein müsste.
    Trotz der harschen Töne unterbricht Paul Lewis aber nicht einen Moment den musikalischen Fluss. Wunderbar ist auch der Kontrast zu Beginn und am Ende des pp-legato-Einschubes ab Takt 80. Ebenso bemerkenswert ist der lange Achtelabstieg ab Takt 95 hin zum reprisenförmigen dritten Refrain, dessen Eröffnung in diesem Tempo sehr spannenden ist. Sie wirkt wie das "Auftauchen" der Sonne aus dem Meer. Das dritte Couplet erweckt wie das erste den temporalen Eindruck des "So, und nicht anders", dem sich der vierte Refrain unverändert anschließt.
    Auch die Sechzehntel-Sextolen geben in der Lesart Lewis' ein wunderbares Bild von Beethovens Humor wieder. Das ist ganz große Klavierkunst!
    Ein letzter großer Kontrast im vierten Couplet, ein unglaublicher Achtelabstieg am Ende desselben, und ein letzter codaähnlicher Refrain schließen eine grandiose Interpretation ab.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Emil Gilels hat hier m. E. eine überragende Interpretation vorgelegt.

    Ja, lieber Willi!


    Beim Wiederhören bin ich beglückt. Die Sonate op. 2 Nr. 2 mit Emil Gilels ist ein Ideal: Klassische Entspanntheit und Gelöstheit, ein glasklares, feinsinniges und „schönes“ Klavierspiel, was die dynamische Spannweite des Flügels voll ausnutzt, ohne je gewaltsam zu wirken. Im Largo gelingt ihm das Kunststück, mit einem leicht marschierenden Tempo die Musik wie einen Bachlauf von selber fließen zu lassen und zugleich den Portato-„Tropfen“ Gewicht zu geben. Ausgefeilter kann man das nicht spielen – aber auch nicht zugleich natürlicher, unaufdringlicher. Das Scherzo federleicht und das Rondo mit Anmut und feinsinniger Zurückhaltung gespielt. Das gehört auf den Olymp – ganz großes Klavierspiel, wo der Meister sein ganze überragende Gestaltungskraft einsetzt und trotzdem demütig hinter der Musik zurücktritt, die er aus sich selbst sprechen lässt. Einmal mehr wird man in seiner Bewunderung für den großen Emil Gilels bestätigt! :)


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger, ich glaube, bei Emil Gilels kann man überhaupt keine zwei Meinungen haben. Was mich freudig überrascht, ist, dass der Landsmann von Paul Lewis, John Lill, ein um das andere Mal solch hervorragende Aufnahmen vorlegt. Nun, es ist besser, als wenn es umgekehrt wäre.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Anne Oland, Klavier
    AD. 2001
    Spielzeiten: 6:54-6:46-3:12-6:38 -- 23:30 min.;


    Anne Oland spielt den Kopfsatz nur unwesentlich schneller als Emil Gilels. Auch sie strahlt in ihrem Vortrag Ruhe aus, beachtet die dynamischen Anweisungen genau und lässt den Hauptsatz in einem zarten Rallentando auslaufen. Ihr Staccato-Legato-Wechselspiel ist vorbildlich.
    Im e-moll-Seitensatz steigert sie kleinschrittig, aber stetig und endet dann bei einem veritablen fortissimo, im letzten Abschnitt auch die dynamischen Kontraste voll auskostend. Auch die Überleitung mit den Sechzehntel-Oktav-Triolen und die Motivrückkehr sind sehr schön ausgeführt.
    Anne Oland wiederholt auch die Exposition. Sie lässt die Musik natürlich fließen.
    Im ersten Teil der Durchführung merkt man sofort, wie viel Vergnügen ihr das bereitet, und sie greift auch beherzt zu, wobei die Begleitung sehr gut zu vernehmen ist.
    Im zweiten Teil der Durchführung hat sie auch die Sechzehntel-Triolen im Griff und endet in seinem schönen Calando.
    Die Reprise lehnt sie auch an die Exposition an, die Veränderungen der musikalischen Formen aber korrekt berücksichtigen. Auch hier beeindruckt wieder ritartando und der Espressivo-Seitensatz und der Übergang in die Kurzcoda und dieselbe.


    Das Largo spielt sie zwar etwas schneller als Gilels und bei weitem als Lill, aber wesentlich langsamer als Lewis und auch langsamer als Gieseking.
    Dynamisch beginnt sie verhalten in einem p/pp und betont auch das erste Sforzando (Takt 6) moderat. In der ersten Themenwiederholung ab Takt 13 spielt sie eine prachtvolle Steigerung, auch ohne bis zum dynamisch Äußersten zu gehen.
    Ihr Moll-Seitenthema strahlt in der dynamischen Beschränkung eine feine, stille Melancholie aus und endet in der Schlusssteigerung in Takt 31 in einem veritablen Fortissimo-piano.
    Die zweite Themenwiederholung ist wie das Thema von vornehmer Zurückhaltung geprägt, jedoch spannungsvoll musiziert.
    Die dritte Themenwiederholung enthält als besonderes Kleinod auch bei ihr die grandios musizierte, die Oktaven wechselnde Themenerweiterung, wiederum dynamisch sehr zurückhaltend. Umso größer ist auch hier der dynamische Kontrast beim kernigen ff-Ausbruch, der in einer atemberaubenden hohen Oktave endet und in eine großartige letzte Themenwiederholung einmündet.


    Im Scherzo Allegretto ist Anne Oland schneller als Paul Lewis und auch etwas schneller als Emil Gilels, aber langsamer als Walter Gieseking. dynamisch ist sie auch hier sehr aufmerksam und nutzt auch den Spielraum nach oben hin aus.
    Ihr Minore ist geprägt von zunehmender Akzentuierung der Sforzandi bis hin zum Fortissimo am Schluss. Anne Oland schließt dann das Scherzo da capo selbstverständlich an.


    Im Rondo Grazioso strahlt sie wieder sehr viel Ruhe und Grazie aus. Das ist friedvolle Stimmung pur, die im ersten expositionsartigen Teil mit den das erste etwas beschleunigte Couplet umgebenden Refrains I und II ausstrahlen, bevor das zweite Couplet mit seinem dramatischen Impetus dazwischenfährt. Dies macht sie auch durch ihr stringentes Spiel ganz deutlich. Auch ihr gelingt die kontrastierend Einbettung des pp-legato-Abschnitts sehr gut. In einem wunderbaren Achtelabstieg leitet sie dann zum reprisenförmigen Teil (Refrain III, Couplet III, Refrain IV) über. Auch hier hebt sie das dritte Couplet temporal wieder etwas an, und im vierten Refrain spielt sie sehr markante Sechzehntel-Sextolen. Im vierten Couplet kommt dann noch etwas Unmut auf, bevor der neuerlich großartige Achtelabstieg zum letzten codaförmigen Refrain überleitet, den sie, abermals dynamisch etwas zurückhaltend, grandios spielt.


    Eine hervorragende Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Was mich freudig überrascht, ist, dass der Landsmann von Paul Lewis, John Lill, ein um das andere Mal solch hervorragende Aufnahmen vorlegt.


    Lill, lieiber Willi, ist so einer der blinden Flecken, die es auch noch bei mir gibt! :D Ich überlege, nächste Woche mir endlich die "Appassionata" mit Josef Bulva vorzunehmen, eine CD, die nun seit fast schon einem halben Jahr ungehört im Regal steht. Ich muß allerdings auch noch einen Vortrag schreiben. Mal sehen! :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

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  • Beethoven, Sonate N>r. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Murray Perahia, Klavier
    AD: April 1994
    Spielzeiten:6:56-6:05-3:09-6:18 -- 22:30 min.;


    Murray Perahia beginnt die Sonate in seiner typischen leichten Spielweise in ähnlichem Tempo wie Emil Gilels. Die Dynamischen Kontraste beachtet er sehr genau und das Staccato-Legato-Wechselspiel geht ihm flüssig von der Hand.
    Das Espressivo-Seitenthema in e-moll steigert er kleinschrittig bis zum veritablen ff-Höhepunkt in den Takten 76 und 78. kontrastiert dann sehr schön nach pp. Auch die nachfolgende Überleitung und die Motivrückkehr sind sehr flüssig und beschwingt gesetzt. Perahia wiederholt selbstverständlich auch die Exposition.
    Im ersten Teil der Durchführung merkt man ihm auch die Lust am Spiel an, und er greift durchaus kraftvoll zu. Im zweiten Teil hört man seinen souveränen Umgang mit den vertrackten oktavierten Sechzehnteltriolen und das flüssige Vorangehen des Themas im sperrigen Rhythmus. Er endet in einem schönen Calando.
    In der forte eröffnenden Reprise orientiert er sich auch an der Exposition. Wiederum spielt er das Espressivo-Seitenthema sehr eindringlich und beendet den Satz in einer schönen pp-Kurzcoda.


    Das Largo nimmt Perahia wesentlich rascher als Gilels. Es ist aber gerade noch tolerabel, bevor der Eindruck von Eile aufkommt. In der ersten Themenwiederholung spielt er eine sehr schöne Steigerung.
    Das Moll-Seitenthema ist von zarter Melancholie gekennzeichnet und endet in einer Steigerung, in der er nicht bis zum Letzten geht. Die zweite Themenwiederholung entspricht im Grunde dem Thema. In der dritten Wiederholung geht er in der Steigerung dann doch bis zum ff, aber organisch und schließt sehr ausdrucksvolle Oktavwechsel der Themenerweiterung an.
    Den ff-Ausbruch spielt er etwas anders als Andere. den Beginn schon in veritablem Fortissimo, geht dann aber in den Sforzandi zunächst zurück und steigert wieder in den Takten 61 bis 63.
    Dann spielt er eine sehr anrührende hohe Oktave . Danach klingen mir allerdings die Sechzehntel in der letzten Themenwiederholung ein wenig zu rasch, was zu Lasten der vorher so anrührenden Stimmung geht.


    Im Scherzo Allegretto trifft er sehr schön den heiteren, entspannten Ton, wenn er auch hier zu den Rascheren gehört. Im Minore betont er sehr deutlich den Dreier-Rhythmus durch die hervorgehobenen Sforzandi und steigert am Schluss sehr konsequent. Danach schließt der das Scherzo da capo an.


    Das Rondo Grazioso kommt Perahias Spielweise natürlich sehr entgegen. Das ist leichtes, graziöses Spiel, nicht zu schnell, rhythmisch sehr schön betont und natürlich in seinem niedrigen dynamischen Level kaum zu verfehlen.
    Nach dem exponierenden Beginn setzt natürlich auch er im zweiten, durchführenden Couplet einen sehr deutlichen rhythmischen und dynamischen Kontrast und im pp-legato-Einschub einen ebenso deutlichen "Kontrast im Kontrast". Auch sein überführender Achtelabstieg hin zum reprisenförmigen Teil (Refrain III, Couplet III, Refrain IV) ist sehr ausdrucksvoll. Dieser wird von einem großartigen Zweiunddreißigstel-Anstieg eröffnet. Perahia lässt auch hier (im dritten Couplet) die Sechzehntel wieder alert fließen. Auch die zweite Hälfte des vierten Refrains mit den schwungvollen Sechzehntel-Sextolen spielt er voller Anmut. Das vierte, noch ein wenig aufmüpfige Couplet wandelt sich schon bald dynamisch und rhythmisch in Richtung des hellen Achtelabstiegs zum finalen, codaartigen Refrains, den er in seinem leichten Spiel adäquat zum Abschluss bringt.


    Eine an sich großartige Aufnahme mit leichten Eintrübungen im Largo!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Alfredo Perl, Klavier
    AD: Juni 1992
    Spielzeiten: 7:17-7:53-3:23-6:57 -- 25:30 min.;


    Alfredo Perl spielt den Kopfsatz etwas langsamer als Emil Gilels, doch mit natürlicher Tongebung und rhythmisch wie dynamisch ganz außergewöhnlich.
    Das Espressivo-Seitenthema in e-moll spielt er in einer langen kleinschrittigen Steigerung, an deren Ende er in den Takten 76 und 78 ein veritables Fortissimo spielt und gleich darauf jeweils ein sehr kontrastreiches p bzw. pp. Auch die Überleitung und die Motivrückkehr aus dem Hauptthema sind vom Feinsten. Alfredo Perl wiederholt natürlich die Exposition.
    Den ersten Teil der Durchführung spielt auch er offenbar lustbetont und die Unisono-Begleitung kraftvoll und mit Brio. Den zweiten Teil spielt er ganz souverän und bindet die heiklen Sechzehntel-Triolen ganz natürlich in den hüpfenden Rhythmus ein. Er schließt in einem zarten Calando.
    Die Reprise spielt er mit den Entsprechungen aus der Exposition, hebt aber auch die Änderungen der musikalischen Figuren deutlich hervor.
    Das expressive Seitenthema spielt er nochmals dynamisch sehr hochstehend und mündet in eine höchst kontrastreiche Kurzcoda.


    Alfredo Perl gehört zu den wenigen, die den Begriff Largo temporal auslegen, ohne das "appassionato" auch nur im Geringsten zu vernachlässigen. So lässt er die beiden rhythmischen Vorschriften tenuto sempre und staccato sempre wunderbar miteinander laufen und konzentriert sich auf die Tiefen des musikalischen Ausdrucks, die er auch auslotet. Er endet die erste Themenwiederholung in einer prachtvollen Steigerung.
    Das Moll-Seitenthema hat in seiner bedächtigen Spielweise eine geradezu insistierende Wirkung, auch durch die hervorgehobenen Begleitakkorde in den Takten 26 bis 30. Auch die zweite Themenwiederholung gestaltet Perl sehr ausdrucksvoll, ebenso wie den ersten Teil der dritten Themenwiederholung ab Takt 44, dem er eine grandiose die Oktaven wechselnde Themenerweiterung folgen lässt.
    Seine Lesart des ff-Ausbruchs ab Takt 58 ist markerschütternd (Streng wie ein Kondukt) und endet in einer atemberaubenden hohen Oktave. der sich eine unglaubliche letzte, codaartige Themenwiederholung anschließt-
    ein überragend gespielter Satz!!


    Auch im Scherzo Allegretto geht es Alfredo Perl darum, das offen zu legen, was ihm an musikalischem Ausdruck innewohnt, und ich finde, das gelingt ihm vortrefflich, wobei er die rhythmischen Feinheiten und auch die dynamische Spannweite vorbildlich auslotet. Auch das Minore spielt er rhythmisch und dynamisch sehr akzentuiert. und lässt es gleichzeitig schön fließen. Er schließt selbstverständlich das Scherzo da capo an.


    Auch im Rondo Grazioso lässt sich Perl die Zeit, die seiner Meinung nach dieser Satz braucht. Das bedeutet für mich, dass ich von Anfang an das Gefühl habe, dass dieses Tempo richtig ist, dass z. B. die Sechzehntel im ersten Couplet zwar schnell sind, aber nicht so schnell klingen, zwar spannend, aber vor allem entspannt. So geht es auch im dritten Abschnitt des Rondos weiter, dem letzten im sog. Expositionsteil.
    Dem stellt er mit dem zweiten Couplet, dem durchführenden, einen veritablen dynamischen Kontrast gegenüber, den er sehr insistierend spielt. Auch gelingt ihm der "Kontrast im Kontrast", der pp-legato-Einschub, ausgezeichnet, ebenso wie der rhythmisch anspruchsvolle Achtel-Abstieg im Übergang zum reprisenförmigen Teil, der mit dem dritten Refrain im Zweiunddreißigstel-Anstieg beginnt. und sich im dritten Couplet und im vierten Refrain fortsetzt, alles ein beseligender Gesang.
    Auch er spielt die Sechzehntelsextolen ab Takt 148 voller Saft und Kraft. Auch er spielt zwar die Themenrückkehr aus dem Durchführungsteil im vierten Couplet noch mit Kraft, macht aber auch im abschließenden Decrescendo-Achtel-Abstieg schon früh deutlich, wohin die Reise geht, nämlich zu einem beseligenden Ende.


    Eine große Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Artur Schnabel, Klavier
    AD: April 1933
    Spielzeiten: 6:32-7:21-3:21-5:44 -- 22:58 min.;


    Artur Schnabel spielt den Kopfsatz rascher als Gilels, Perl und Oppitz. Auch er spielt rhythmisch und dynamisch sehr aufmerksam und endet den Hauptsatz mit einem moderaten Rallentando. Das Espressivo-Seitenthema kommt seiner Spielweise sehr entgegen. Er treibt die Steigerung energisch hoch und produziert so am Ende große dynamische Kontraste.
    Auch Überleitung und Motivrückkehr sind sehr energisch und risikoreich musiziert. Artur Schnabel wiederholt hier auch die Exposition. Bemerkenswert ist am Ende der Exposition das große dynamische Gefälle vom ff in Takt 99 zu einem veritablen ppp in Takt 120.
    Weiter ist mir aufgefallen, dass Schnabel das Staccatospiel mehr betont als mancher andere bisher. In der ersten Hälfte der Durchführung äußert sich das auch fast in einem grimmigen Humor, den sein Spiel annimmt.
    In der zweiten Hälfte spielt er die oktavierten Sechzehnteltriolen so riskant, dass m. E. die mittlere und tiefe in jeder Dreiergruppe verwischen. Da wäre weniger (Tempo) vielleicht mehr gewesen. Das Calando am Ende der Durchführung ist dafür berückend.
    Die Reprise lehnt er an die Exposition an, spielt aber die abweichenden dynamisch hohen Stellen wie gehabt sehr akzentuiert, so auch das abermalige Espressivo-Seitenthema mit den gebrochenen Fortissimoakkorden, und er geht mit Volldampf in die letzte Fortissimo-Steigerung, um gleich darauf in der pp-Kurzcoda zu versinken.
    Ein Satz mit hochriskantem Spiel und dramatischem Impetus!


    So dramatisch er den ersten Satz gestaltete, so ruhig und mit aller Zeit der Welt spielt er das Largo, kaum schneller als Gilels und erheblich langsamer als Oppitz und schließt die erste Themenwiederholung mit einer sehr leidenschaftlichen Steigerung auf einem veritablen ff-Kulminationspunkt in Takt 18 ab.
    Das Moll-Seitenthema spielt er unglaublich und schließt auch hier mit einer großartigen Schlusssteigerung. Auch die zweite Themenwiederholung ist von großer musikalischer Tiefe gekennzeichnet. Hier ist einer am Werke, der die Qualitäten dieser Sonate erkannt hat. In der dritten Themenwiederholung lässt er dem Thema eine atemberaubende Themenerweiterung in den wechselnden Oktaven folgen- ganz große Klavierkunst!
    Auch der ff-Ausbruch klingt ungeheuer authentisch. Als einer der wenigen greift auch er zu einer alternativen Behandlung der Dynamik, indem er den Beginn von Takt 60 etwas zurück nimmt und dann wieder kontinuierlich steigert, wie vor ihm Murray Perahia (in der zeitlichen Abfolge natürlich 61 Jahre nach ihm), und die hohe Oktave ist abermals unglaublich gespielt, ebenso wie die letzte Themenwiederholung.
    Ein überragender Satz!


    Im Scherzo Allegretto nimmt sich Artur Schnabel abermals alle Zeit, um diesen typischen Dreier einzufangen, wobei er wiederum die Staccati wieder etwas hervorhebt, aber auch die kurzen Legatobögen nicht vernachlässigt, auch das Rallentando in Takt 29/30 nicht. Auch die e4rheblich ausgeweitete dynamische Spanne am Ende des Scherzos und am Ende des Minore nimmt er voll in Anspruch. Beim Minore ist zusätzlich zu bemerken, dass er hier natürlich großen Wert auf mitreißendes Legatospiel legt. Er wiederholt natürlich das Scherzo da capo.
    Ein Satz weiterhin auf sehr hohem Niveau!


    Im Rondo Grazioso spielt er schneller als alle seine zum Vergleich hier herangezogenen Kollegen.
    Aber dennoch entspricht er durch seine Spielweise dem Grazioso in vollem Maße, da er nicht den Eindruck von Hast und Eile aufkommen lässt, sondern hier, vor allem in den Sechzehnteln des Couplets, ein virtuoser, alerter Schwung zu Tage tritt. So geschieht hier, im Verein mit dem zweiten Refrain, ein heiterer, friedlicher Expositionsteil.
    Und das zweite, durchführende Couplet spielt er natürlich mit gebührendem dramatischen Impetus. Auch hier ist der Kontrast durch den eingeschobenen pp-legato-Abschnitt durchaus groß, und auch er spielt einen wunderbaren Achtelabstieg am Ende dieses Couplets, um wieder in die friedlichen Gefilde des Themas überzuleiten. Schnabel gelingt es, z. B. im dritten Couplet die graziösen Sechzehntel in eine höhere Sphäre zu rücken.
    Die Sechzehntel-Sextolen ab Takt 148 nehmen nochmal kräftigen Schwung auf, bevor die letzte Eintrübung im vierten Couplet hier doch nochmal stört, aber nach Kurzem in den von Schnabel abschließend noch einmal ganz anrührend gespielten codaartigen letzten Refrain mündet.


    Eine große Interpretation!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Lieber Willi,


    die "Deutschen" werde ich mir nach Deinen schönen Rezensionen zu Gemüte führen - in kurzen Einblicken allerdings nur wohl am Freitag. Mehr Zeit nehmen geht im Moment leider nicht, u.a. wegen des Schreibens eines Vortrags. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    alles ist gut, Ich habe jetzt auch zweit Tage etwas Anderes gemacht (natürlich Singen). Was macht der Vortrag?


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Hallo Willi,


    ich habe einmal versucht, in Deinen Rezensionen hinsichtlich des Schlusses mit den :thumbsup: -Smilies ein geheimes System zu erkennen.
    Gibt es das? Wenn ja, könntest Du es ja einmal erklären...(natürlich nur unter uns) ?
    Oder ist das mehr zufällig? Möglich, dass das eine blöde Frage ist, aber wenn man die Anzahl der Symbole bei Perahia und Alfredo Perl vergleicht, dann fragt man sich schon, ob Dir die Perl-Version um einiges mehr zusagt....


    Gruß :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • alles ist gut, Ich habe jetzt auch zweit Tage etwas Anderes gemacht (natürlich Singen). Was macht der Vortrag?


    Es läuft prima, lieber Willi! Solche Vorträge muß ich immer ein paar Tage vorher fertig haben, sonst werde ich kribbelig. Bis Sonntag will ich das abgeschlossen haben. :D


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Dieter Zechlin, Klavier
    AD: 1966-68
    Spielzeiten: 6:57-6:41-2:48-6:00 -- 22:26 min.;


    Dieter Zechlin spielt den Kopfsatz etwa im Tempo von E.mil Gilels, schneller als Perl und langsamer als Pollini. Er spielt das Staccato nicht so exponiert wie Artur Schnabel, nutzt aber die dynamische Spannweite gemäß der Partitur aus. Das e-moll-Seitenthema spielt er sehr expressiv, wobei die Begleitung deutlich hervortritt. Auch endet er in einem großen dynamischen Kontrast in den Takten 76 und 78.
    Die anschließende Überleitung spielt er in den Oktavtriolen sehr prägnant und ebenfalls die Motivrückkehr mit den entsprechenden dynamischen Kontrasten, in einem deutlichen pp endend. Zechlin wiederholt auch die Exposition.
    Den ersten Teil der Durchführung spielt er sehr akzentuiert, mit hörbarem Vergnügen und entsprechendem Schwung in den gebrochenen Akkorden in der Begleitung.
    Die zweite, mit mehr Legato gespielte Hälfte spielt er flüssig, ohne m. E. bei den Sechzehnteltriolen vor Schwierigkeiten zu stehen. Er endet in einem sehr leisen Calando. In der Reprise lehnt er sich, unter Beachtung der dynamischen Abweichungen, im Wesentlichen an die Exposition an. Er spielt wieder ein schönes, bewegtes Espressivo und geht aus der letzten kräftigen Steigerung sehr weit runter in die "Fade-out"-Kurzcoda.


    Im Largo stimmt er temporal ungefähr mit Pollini überein, er ist Deutlich schneller als Schnabel, und von Perl und vor allem von Korstick und Lill trennt ihn doch Erhebliches. Wieder ist zu bemerken, dass sein Ton runder ist als der Schnabels und er rhythmisch dennoch aufmerksam arbeitet, wie z. B. die drei aufsteigenden portato-Achtel in Takt 8 demonstrieren. Die Steigerung am Ende der ersten Themenwiederholung führt er vor dem Erreichen des ff zurück.
    Sein Moll-Seitenthema ist zart und verhalten gespielt, in stiller Melancholie, mit einer abschließenden Steigerung, die auch nicht bis zum Letzten führt. Sein dynamisch moderates Spiel setzt er in der zweiten und dritten Themenwiederholung fort, wobei ihm berückende Momente in den Oktavwechseln der Themenerweiterung ab Takt 50 gelingen.
    Eindeutig ist auch bei ihm der dynamische Zielpunkt dieses Satzes der ff-Ausbruch, von dem aus er eine sehr anrührende hohe Oktave spielt, die in eine letzte Themenwiederholung von ebenfalls herausragenden Niveau mündet.
    Dieser grandios gespielte Satz gefällt mir noch besser als der Kopfsatz.


    Im Scherzo Allegretto hat er es dafür ziemlich eilig. Ich bin mir nicht im Klaren, ob man das noch als Allegretto bezeichnen kann. Auch seine Spielweise suggeriert diesmal Eile, und dynamisch ist auch zu bemerken, dass er das ff in Takt 17 im Thema und den beiden Wiederholungen nicht spielt, höchstens mf. Er wiederholt das Scherzo da capo, erreicht dabei auch die Fortissimi am Ende.


    Im Finale ist er zeitgleich mit Pollini, aber schneller als Perl und vor allem als Gilels. Er vermeidet aber hier den Eindruck von Hast und Eile, sondern spielt m. E. in der Tat ein leichtfüßiges Grazioso, das auch in den Sechzehnteln des ersten Couplets nicht aus den temporalen Fugen gerät. Auch am Ende des exponierenden Teils, im zweiten Refrain, bleibt dieser spannend entspannte Eindruck erhalten.
    Im zweiten Couplet, dem durchführenden Teil, setzt er einen gehörigen dynamischen Kontrast, auch der "Kontrast im Kontrast" ist bei ihm bemerkenswert, ebenso wie der luzide gespielte Achtel-Übergang zum reprisenförmigen Teil, beginnend mit dem spektakulären Zweiunddreißigstel-Anstieg im dritten Refrain (ab Takt 100). Hier leuchtet das musikalische Geschehen wieder hell und friedvoll, geht in ein helles, kristallines drittes Couplet über, von dort in einen stimmungsgleichen vierten Refrain, in dem er in der zweiten Hälfte agile Sechzehntel-Triolen spielt, alles in dem lichten Grazioso-Gewand. Daran kann auch das letztmalige dramatische Aufbegehren des vierten Couplets nichts mehr ändern, das spätestens mit dem nochmaligen Erreichen des Achtel-Übergangsverspielt hat und wieder hinter das friedliche Licht des abschließenden codaartigen letzten Refrains zurücktritt.


    Dieter Zechlin hat hier abermals eine großartige Interpretation abgeliefert, die mit 30 Sekunden mehr Zeit im Scherzo zu einer herausragenden hätte werden können.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Als dritte Pianistin, von der eine Gesamtaufnahme der Beethoven-Sonaten vorliegt, ist nun Maria Grinberg in meiner Sammlung. Von Tatjana Kinolajewa, gehe ich auch von einer Gesamtaufnahme aus, von der aber zur Zeit mehr als die Hälft nicht lieferbar ist.


    Marija Israilewna Grinberg, (russisch Mария Израилевна Гринберг; wiss. Transliteration Marija Israilevna Grinberg) (* 24. Augustjul./ 6. September 1908greg. in Odessa, Russisches Kaiserreich; † 14. Juli 1978 in Tallinn, Estnische SSR) war eine sowjetische Pianistin und Klavierlehrerin.



    Sie war die Tochter von Srul Grinberg, eines Hebräisch-Lehrers, und Fanja Grinberg (geb. Noskina), die ihr das Klavier¬spielen in jungen Jahren vermittelte. Bis 1925 wurde sie von Dawid Eisberg, einem Schüler von Teodor Leszetycki, unterrichtet. Sie studierte am Moskauer Konservatorium unter der Leitung von Felix Blumenfeld und Konstantin Igumnow. Im Alter von 27 Jahren errang sie den zweiten Platz beim nationalen Landeswettbewerb. Von diesem Moment an wurde Grinberg immer mehr zu einer festen Größe sowjetischer Pianistenkunst.


    Zwei Jahre später, im Jahre 1937, wurden ihr Mann und ihr Vater verhaftet und ermordet. Sie konnte danach nur als Klavierbegleiterin bei einer Amateurgruppe arbeiten. Nachdem Joseph Stalin im Jahre 1953 verstarb durfte Grinberg wieder Klavierkonzerte geben. Man verglich ihren Stil mir dem von Vladimir Horowitz oder Swjatoslaw Richter.


    Im Jahr 1961 bekam sie den Ehrentitel Verdienter Künstler der RSFSR. Neun Jahre später wurde sie im Gnessin-Musikinstitut zur Professorin ernannt. Unter ihren Schülern befanden sich viele neumoderne Pianisten, die sich zu festen Größen in der Moskauer Kunstszene etablierten, darunter Regina Shamvili. Im Jahre 1970 erschien beim sowjetischen Label Melodija ihre Gesamtaufnahme der Klaviersonaten von Beethoven, welche in der Zeitschrift Sowetskaja musyka als „einzigartige kreative Leistung“ gepriesen wurde.


    Maria Grinberg starb am 14. Juli 1978, zehn Wochen vor ihrem 70. Geburtstag. Wladimir Minin, der Institutsleiter von Gnessin weigerte sich, ihr eine gebührende Gedenkfeier aufgrund persönlichem Zwist zu widmen, bis sich der stellvertretende Kulturminister Wladimir Popow einschaltete und Druck ausübte.



    Beethoven. Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Maria Grinberg, Klavier
    AD: 1965
    Spielzeiten: 7:46-6:36-3:14-6:20-- 23:56 min.;


    Als letzte Aufnahme der zweiten Sonate möchte ich nun die Aufnahme von Maria Grinberg besprechen, die nun auch den Weg in meine Sammlung gefunden hat.


    Sie schlägt ein moderateres Tempo an als viele ihrer Mitstreiter, lotet aber die dynamische Spannweite voll aus. Auch das Zusammenspiel von Legato und Staccato ist vorzüglich. Im e-moll-Seitenthema geht sie kleinschrittig an die Steigerung und erreicht in Takt 76 und 78 ein veritables Fortissimo, verbunden mit großen Kontrasten zum anschließenden Pianissimo.
    Auch die anschließende Überleitung und die Motivrückkehr zeugen von großer Natürlichkeit und Klarheit im Spiel sowie von einer ungebrochenen Dynamik. Sie wiederholt selbstverständlich die Exposition.
    Auch im ersten Teil der Durchführung kommt ihre Spielfreude zum Tragen, die Unisono-Sechzehntel in der Begleitung sind voll Saft und Kraft und sehr transparent zu vernehmen. Die eigentliche Sensation dieser Aufnahme ereignet sich in der zweiten Hälfte der Durchführung, in der sie die heiklen Sechzehntel-Triolen ab Takt 180 mit einer Selbstverständlichkeit, Natürlichkeit, Klarheit, Kraft und Virtuosität in das Ohr des Hörers meißelt, wie ich sie noch nicht vernommen habe. Das ist allerhöchste Klavierkunst.. Auch endet sie nach diesen dynamischen Höhen in einem bestrickenden Pianissimo im abschließenden Calando.
    Die Reprise beginnt sie so kraftvoll, wie sie die Durchführung gespielt hat und spielt nochmal das Espressivo mit großer Souveränität, Klarheit und Leidenschaft, mündet nochmals in die kraftvoll gespielten Oktav-Triolen (ab Takt 84 und 307) und endet nach dem letzten Fortissimo-Abstieg dennoch in einer unglaublichen pp-Kurzcoda.
    Bis jetzt sieht es danach aus, dass ich eine der besten Einspielungen dieser Sonate ganz am Schluss "auf meine Ohren" bekommen habe.


    Im Largo ist sie schneller als ihr Landsmann Emil Gilels oder gar als Michael Korstick, aber in keinem Moment kommt der Eindruck von Eile auf. Das ist alles temporal völlig in Ordnung. entscheidend ist, was sie daraus macht. Und hier zeigt sie, dass sie auch lyrisch jederzeit zu den Besten gezählt werden kann. Hier wählt sie ein niedriges dynamisches Grundniveau, das sie durch geschickte dynamische Bewegungen auflockert und in der ersten Themenwiederholung durch eine moderate, aber musikalisch sehr tief reichende Steigerung abschließt.
    Das Moll-Seitenthema gewinnt durch ihre klare, natürliche Spielweise noch an Eindringlichkeit. Das ist keine verhangene Melancholie, sondern hier ist alles klar. Sie endet in einer intensiven, aber nicht zu lauten Steigerung.
    Auch die zweite Themenwiederholung mit ihren Oktavtrillern ist schön zum Niederknien, und in der dritten Themenwiederholung modifiziert sie die Steigerung im Gegensatz zu derjenigen von Takt 16 bis 18, hier in Takt 47 bis 49 in einer sinnstiftenden Weise, indem sie sie dynamisch bis zum ff anhebt und soe einen wunderbaren Kontrast schafft zu den Oktavwechseln der Themenerweiterung ab Takt 50, die sie in einem atemberaubend tiefen musikalischen Ausdruck spielt und tief in den pp-Keller leitet. Dem folgt ein erschütternder ff-Ausbruch, den ich in dieser Härte (nicht zu verwechseln mit Lautstärke), so glaube ich, noch nicht gehört habe. Die nachfolgende hohe Oktave und die letzte codaähnliche Themenwiederholung lässt mich fassungslos zurück: wie kann man nur in diesem eher mittelmäßigen Tempo etwas so spielen, so, als ob man es selbst komponiert hätte? Das ist einfach überragend!!


    Auch das Scherzo Allegretto habe ich kaum je so gehört. Es ist im richtigen Tempo, es ist dynamisch über die ganze Skala verteilt und es ist rhythmisch überragend, vor allem im Minore, das ich noch nicht so fesselnd gehört habe.
    Was ist das doch schön: ich komme nach Hause, nach erquickenden familiären Gesprächen, setze mich an meinen Hörplatz und erlebe dann so eine Aufnahme. Maria Grinberg schließt natürlich das Scherzo da capo an.


    Auch im Rondo Grazioso ergibt sich das gleiche Bild. Ein lichtes, natürlich klares Spiel, eine ausgewogene Dynamik, natürlich das richtige Tempo und eine überragende Rhythmik ergeben eine Exposition (Refrain I, Couplet I, Refrain II), an der man nicht das Geringste auszusetzen hat, im Gegenteil, zu der man mit Günter Wand sagen möchte: "So, und nicht anders".
    Auch das zweite, durchführende Couplet tritt völlig natürlich ohne allzu großes dynamisches Tamtam in das Rund und entfaltet sich in seiner Klarheit vor den Ohren des Hörers. Und ebenso fließend geht es in das kontrastreiche pp-Legato über, das seinerseits wieder genau so organisch in die Themenrückkehr fließt. Auch Maria Grinberg ist in der Lage, einen grandiosen Achtelabstieg zu spielen, der uns in den reprisenförmigen Abschnitt ab dem Refrain III führt. Fast überflüssig zu sagen, dass sie auch diesen Abschnitt überragend spielt. Keinen Moment lässt die Spannung nach, hängt die Rhythmik durch und wird der musikalische Fluss unterbrochen. Auch die Sechzehntelsextolen ab Takt 148 fügen sich nahtlos in das lückenlos herausragende Gesamtbild ein.
    Auch Maria Grinberg spielt das vierte Couplet als das, was es ist, eine kurze Reminiszenz an etwas dunkleren Gedanken- mehr nicht und strebt dann über einen abermals grandiosen achtelabstieg dem letzten, codaförmigen Refrain zu.


    Für mich ist Maria Grinberg hier die neue Referenz.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Für mich ist Maria Grinberg hier die neue Referenz.


    Die muß ich natürlich hören, lieber Willi - wenn ich meine Vortragsverpflichtung hinter mich gebracht habe. Die Tage bekomme ich meinen Kopfhörer, dann kann ich endlich auch zu nachtschlafener Zeit hören! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

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