Musik des 20./21. Jahrhunderts - gerade gehört - kurz kommentiert

  • Auf Wunsch einiger Mitglieder richte ich diesen "Was höre ich - Thread" ein, welcher sich vom allgemeinen in zwei wichtigen Punkten unterscheiden soll.
    1) Wie schon der Name sagt - sollen hier ausschliesslich Hörerlebnisse von Musik des 20. Jahrhunderts gepostet werden, und ich glaube Lutgra - der den Namen des Threads vorschlug - richtig verstanden zu haben, wenn hier eher Avantgarde als "Klassische Moderne" erwünscht sind
    2) Ein weiterer Unterschied ist, daß ein Kurzkommentar als obligatorisch angesehen wird. Dieser sollte indes auch nicht zu ausführlich sein, denn manche hier erwähnten Komponisten bzw ihre Werke werden vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt über einen eigenen Thread verfügen. Es ist geplant in solchen Fällen - über Antrag des jeweiligen Threadstarters - durch die Moderation hier einen entsprechenden Link auf den Spezialthreads zu setzen. Sollte hier ein Eintrag erfolgen, wo schon ein entsprechender Speziallink existiert, so kann der Bertragsschreibe sofort selbst auf diesen verlinken....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • und ich glaube Lutgra - der den Namen des Threads vorschlug - richtig verstanden zu haben, wenn hier eher Avantgarde als "Klassische Moderne" erwünscht sind


    Also, das habe ich so nicht gemeint. Ich habe das Gefühl, dass für reine Avantgarde der Interessentenkreis hier im Forum doch sehr überschaubar ist. Wohingegen für zeitgenössische aber "noch gut hörbare" Musik mir der potentielle Hörerkreis größer erscheint, aber vielleicht irre ich mich da auch. Zur reinen Avantgarde kann ich auch nur bei Streichquartetten etwas beitragen, denn anderes höre ich in diesem Bereich überhaupt nicht. Und für Streichquartette gibt es ja schon einen geeigneten Thread.

  • Nein, auf Avantgarde möchte ich das auch nicht eingeschränkt sehen. Rein die zeitliche Einschränkung reicht und ist unkompliziert zu handhaben. Und den obligatorischen Kommentar finde ich gut.
    So oft bin ich ja beim Hören nicht im 20./21. Jhd unterwegs, aber jetzt kriege ich richtig Lust, in den nächsten Tagen hier mal was beizutragen.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Gut - dann soll es so sein wie ihr es seht.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • na, da trage ich doch auch gerne etwas bei unter dieser Prämisse. Ich darf die Gelegenheit schamlos nutzen, um eine weitere Lanze für Manuel de Falla zu brechen:


    Manuel de Falls Konzert für Cembalo und fünf Instrumente ist eines seiner kühnsten und wegweisenden Werke. Es entstand 1923 - 26. Wer hätte wohl gedacht, dass ausgerechnet ein Cembalo hier Verwendung findet, um eine progressive Musik zu schaffen, die Altes aufnimmt und bis an die Grenzen gewohnter Tonalität führt? Hier hört man bereits die eigenwillige, charakteristische Tonsprache, die auch bei de Fallas letztem, unvollendetem Werk "Atlántida" zu vernehmen ist. Man findet kühne Harmonien, stark rhythmisch-perkussive Elemente, Schroffes, Sprödes, aber auch immer wieder aufblitzend, herrlich Melodisches und Gesangliches.


    Ein kostengünstiger Einstieg ist diese Naxos-CD




    Eine schöne Aufnahme auf youtube höre ich zum Vergleich:


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  • In den letzten 2 Wochen beschäftige ich mich erstmals mit den Weinberg - Sinfonien.


    Zunächst habe ich alle verfügbaren Sinfonien (die Aufnahmen mit den Dirigenten Fedossejew, Kondraschin, Chmura u.a.) downgeloadet um mir ein grobes Bild zu machen. Ich war einerseits positiv überrascht; andererseits hätte ich mir bei einigen Sinfonien hier und da mehr Emotion und Kurzweiligkeit gewünscht.


    Ich habe mir 3 NAXOS-CD´s der Sinfonien Nr.6, 12 und 19 mit dem St.Petersburg SO / Vladimir Lande gekauft. Die Aufnahmen sind interpreratorisch und klangtechnisch wirklich grosse Klasse - volle Empfehlung dieser Naxos-Neuerscheinungen mit Aufnahmen von 2010-2012 .


    *** Heute habe ich meinen bisherigen Favoriten der Weinberg-Sinfonien - die Sinfonie Nr.12 in der Naxos-Aufnahme gehört. Man kann mit der Aufnahme wirklich zufrieden sein.
    8o Das fundmentale Anfangsthema der Sinfonie, gleich zu Beginn, hat sich bei mir wie ein Ohrwurm eingebrannt. Zunächst war es die Maxim Schostakowitsch - Aufnahme, die noch etwas ungestümer, härter und dramatischer wirkt; klingt russischer. Dafür ist Lande (Naxos) klangtechnisch besser !
    Auch die Chmura-Aufnahme ist TOP ! ;) Ja, gerade mit Weinberg angefangen und schon 3 Aufnahmen ausgetestet, weil mit die 12te wirklich liegt !


    Die The golden Key - Ballett-Suite (1954/55) ist ebenfalls hörenswert.



    NAXOS, 2012, DDD




    :thumbsup: Freut mich, dass dieser Thread nun doch nach einiger Überlegungszeit an den Start gegangen ist !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Auch wenn Uri Caine ein Jazz-Musiker ist, möchte ich hier sein Album "Urlicht" vorstellen, weil er sich darin ausschließlich mit Gustav Mahler befasst und die jiddisch-hebräischen Wurzeln dieser Musik bloßlegt.
    Seit 1997, dem Erscheinungsjahr, steht diese Aufnahme nun bei mir im Regal und jetzt erst habe ich mich dazu aufgerafft, den alten Schock des ersten Hörens und das daraus resultierende Vorurteil zu überwinden und mir die Scheibe noch einmal intensiver und abgeklärter anzuhören.
    Und mit Verlaub, ich bin beeindruckt: da summt's und brummt's, da quietscht's und kreischt's, da rumpelt's und scheppert's in allen erdenklichen Schräglagen und trotzdem passt es, trotzdem ist es durchkomponierte präzise wiedergegebene Musik, die einem aus dem kultivierten Wien der Jahrhundertwende in deutlich wildere, exotischere Gefilde mitreißt.



    Weralso Lust hat, Mahler mal ganz anders und doch wohlvertraut zu hören, der soll sich diese Scheibe zulegen, zumal sie auf dem Marktplatz schon für unter einem Euro zu haben ist.


    John Doe
    :thumbup:

  • Die neue GA der Malcolm Arnold - Sinfonien mit Hickox und Gamba überzeugt auf ganzer Line. Die audiophile Klangqualität mit allen orchestralen Details und damit einhergehender natürlicher Orchesterabbildung verursacht einfach Hörspass pur:



    Chandos, 1994 - 2001, DDD


    Wenn man den Vergleich mit der NAXOS-GA unter Penny nicht hätte, würde man gar nicht so krass wahrnehmen, was einem bisher entgangen ist. Nichts gegen diese GA mit Penny (NAxos,DDD), die auch gut ist ... aber eben nur gut. Erst der Vergleich zeigt, wie qualitativ unterschiedlich die 9 Sinfonien bei Naxos auch aufnahmetechnisch geraten sind. Die recht komplexen Sinfonoien Nr.8 und 9 kligenbei NAXOS recht mulmig mit eingeschränktem Orchesterpanorama und in den Klang integrierten Pauken. Das "Paukenfest" ist bei den ersten 4 Sinfonien mit detailreichem Feuer viel angemessener (sogar sehr imposant) gelungen als bei den Letzten. Irgendwie kein Wunder, das auch bei Hintergrundwissen über die Neute der zündende Funke für diese gar nicht wirklich überspringen könnte !


    Man höre die eindeutig "schwierigeren" Sinfonien Nr. 7 - 9 in den kongenialen Einspileungen mit Rumon Gamba (gem.obiger Abb). Da wird kein Detail verschluckt oder verschleiert.
    Hickox ist bei den Sinfonien Nr.1 - 6 ebenfalls ein fabelhafter Sachwalter, der auch mit dem LSO den eindeutig besseren Orchesterapparat zur Verfügung hat, als Penny mit seinen Irändern. Unterstützt wird er von ebenso audiophiler Klagtechnik, wei Gamba mit dem BBC PO.
    :angel: Das Fazit ist - Hörspass pur !



    *** Heut habe ich die tolle Sinfonie Nr.5 (1961) mit Hickox und dessen TOP-Aufnahme genossen; sowie die Sinfonie Nr.7 (1973) und Nr. 8 (1979), die bei Gamba eindeutig durch ihre Details nicht so eindimensional wirken.
    Bei der Sinfonie Nr.7 (mit Penny auf Naxos) kommt der Anfang einem undurchsichtigen Orchestergewusel gleich; bei Gamba werden dem Hörer gleich die Strukuren deutlich gemacht, das Interesse für das Werk geschärft, die Spannung entsprechend gesteigert.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Heute höre ich Schallplatten. z.B. Bartoks 1. Klavierkonzert, kein Stück zum Nebenbeihören, immer wieder eine Herausforderung. Aber von diesen Interpreten lässt man sich gerne herausfordern. Meine Lieblingsaufnahme neben der von Anda und Fricsay.

  • Meine Lieblingsaufnahme neben der von Anda und Fricsay.


    Meine ist diese mit Pollini/Abbado neben Ashkenazy/Solti auch ... aber mit Anda/Fricsay bin ich nie warm geworden.
    Das lag aber wohl daran, dass mein Erstkontakt in früher Jugend auf der DG-Doppel_LP mit Anda/Fricsay wenig erfolgreich war.
    Erst das Klavierkonzert für 2 Klaviere, Schlagzeug und Orchester mit Gold/Fizdale/Bernstein (SONY) hatte bei mir den Bartok-Durchbruch erreicht.


    Die Pollini - Aufnahme ist ja auch wirklich unglaublich genial und von unerbittlicher Härte gekennzeichet. Überrasschend dass Abbado (von dem ich das so gar nicht erwartet hätte) da sogar voll mitzieht. Die AndaFricsay - LP´s habe ich immer noch - die klingen dagegen "klassisch"; um es mit einem Wort auf den Punkt zu bringen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Weil sich heute zum 70. mal der Fall von Berlin jährt, Schostakowitschs Filmmusik zu dem sowjetischen Propagandafilm "Der Fall von Berlin"



    Die Musik zu diesem Film ist gleichsam eine Mischung aus 8. Sinfonie, dem Lied von den Wäldern und der frühen Schaffensperiode Schostakowitschs, die in einer wunderbaren Parodie auf einen deutschen Marsch zum Ausdruck kommt.


    Auch wenn der Film ein klassischer Propagandeschinken ist, der mehr als großzügig mit der historischen Wahrheit umgeht, verdient die Musik dazu eigentlich mehr Aufmerksamkeit, als ihr im Moment zu Teil wird.


    John Doe

  • Meine ist diese mit Pollini/Abbado neben Ashkenazy/Solti auch ... aber mit Anda/Fricsay bin ich nie warm geworden.


    Pollini und Ashkenazy stehen bei mir auch ganz oben, lieber Wolfgang. Die Anda Aufnahme ist natürlich auch top, würde ich doch sagen. Ich muß sie direkt nochmals hören! Das - klassizistische - 3. Konzert mit dem wunderbaren Andante religioso ist mit Ashkenazy/Solti ein Traum. Eine ideale Aufnahme! :hello:


    Schöne Grüße zum Sonntag
    Holger

  • Kommentieren werde ich hier jetzt nicht, außer, lieber John Doe, dass ich "Urlicht" von Uri Caine sofort bestellt habe. Ich habe es früher oft gehört, dann ist es aus meinem Plattenschrank und meinem Gedächtnis verschwunden. Danke für den Tipp!

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Eigentlich ist es gemein von mir, dies hier zu empfehlen, was man gar nicht bekommen kann, nämlich 2 Stücke des kanadischen Komponisten Murray S. Schafer.


    "Epitaph for Moonlight" gibt es bei Amazon, aber nur die Notenausgabe. Ein verrücktes Stück, mit graphischen Ausführungszeichen und ein paar Noten. Das Stück lässt viel Raum für freie Entfaltung. In einem meiner früheren Chöre haben wir das aufgeführt, und zwar im berühmten Gasometer in Oberhausen, ein 100 m hohes Gebäude mit 45 sec. Nachhall. Ich habe eine Kopie dieser Aufnahme, ansonsten gibt es das nirgends. Allerdings sind die Noten bei Amazon erhältlich (ein Tipp für Dirigenten, die mal was Verrücktes aufführen wollen).


    Das zweite Stück ist "Tristan and Iseuld" in einer englischen Übersetzung, geschrieben auf ein Jubiläum der King´s Singers zu irgendeinem Jubiläum; erstmals aufgeführt in der Universität von Ann Arbor (Mich.). Es besticht durch seine Einfachheit. Besonders schön ist die Imitation der Wellen des Meeres. Die King´s Singers haben das in Köln aufgeführt bei einem Konzert, das der WDR mitgeschnitten hat. Das Verrückte: ich bin einer der wenigen, die davon noch eine Kopie haben. Der WDR hat keine Kopie mehr (ich habe nachgefragt, weil die Qualität meiner Aufnahme nicht so gut ist), im Handel ist es auch nicht. Vielleicht hat es einer von euch.

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Der finnische Komponist Aare Merikanto schrieb seine dritte Symphonie 1952/53 also 35 Jahre nach seiner 2. Das dreisätzige knapp 20-minütige Werk könnte man dem Neoklassizismus zuordnen, es ist ein gelungener Versuch nordisches Flair mit französicher Clarte zu verbinden. Das Werk macht nicht viel Aufhebens um sich, aber ich denke, bei größerer Vertrautheit gewinnt es vermutlich noch. Die erste Symphonie von 1916 fand ich beim ersten Hördurchgang eher etwas unreif und langatmig, aber das werde ich noch einmal überprüfen. Die Aufnahmen sind klanglich vorbildlich. Die CD gibt es beim Werbepartner gerade zum halben Preis.

  • Miloslav Kabelac (1908-1979) war ein tschechischer Komponist, von dem man wohl sagen muss, dass er zu den vergessenen Komponisten des 20. Jahrhunderts gehört. Zu Lebzeiten zumindest in seinem Heimatland bekannt und anerkannt, hat sich dieser Ruhm wohl kaum über die Landesgrenzen hinaus ausgebreitet. Die wenigen Aufnahmen, die existieren, sind ausschließlich auf tschechischen Labeln erschienen.
    Mystery of Time ist 1953-57 komponiert worden und wurde durch Karel Ancerl und die Tschechische Philharmonie am 23.10.1957 uraufgeführt. Die vorliegende Aufnahme entstand drei Jahre später und ist deshalb - gottlob - schon in Stereo. Mystery of Time ist eine 25-minütige Passacaglia für großes Orchester und macht ordentlich Eindruck. Es wird über einen sich beschleunigenden und später wieder verlangsamenden Puls ein klanglicher Bogen gespannt, der von leise zu sehr laut zurück zu leise führt. Der Anfang erinnert entfernt an die Toteninsel von Rachmaninoff, die lautesten Stellen in der Mitte verwenden klangliche Mittel, die denen von Khatchathurian und Schostakowitsch vergleichbar sind. Ein massiver Einsatz von Schlagwerk lässt auch Assoziationen zur Musik von Silvestre Revueltas zu. Das ganze Stück entfaltet einen ziemlichen Sog, die Spannung steigert sich erheblich um zum Ende hin wieder abzuebben. Auch die Filmusik ist da nicht weit weg, allerdings Filmmusik, die später entstand, z.B. für mysteriöse Psychothriller. Starkes Stück, perfekt interpretiert. Die tschechische Aufnahmetechnik um 1960 musste sich vor der westlichen Konkurrenz nicht verstecken.


    Acht Symphonien gibt es vom Komponisten, wo sind sie ?

  • Schade, dass der Thread so wenig Anklang findet ... am 05.Mai der letzte Beitrag ...


    :P Egal, ich finde diesen Interessanter als die Tamino-Bildershow "Heute gehört" :P



    Heute war ich "geplättet", als ich die Segerstam-Aufnahme der Sibelius- Sinfonie Nr.7 (ONDINE) gehört habe. :hail: Was dieser grosse Meisterdirigent an Gefühl einbringt ist der Wahnsinn. Das entspricht den hochemotionalen Bernstein-Aufnahmen dieses Spätwerkes, wobei Bernstein insbesondere bei der DG-Aufnahme mit den WPO sehr lang auswalzend wird.
    Segerstam mit angemessenen 21:04 liegt mir da noch mehr, ohne an Emotion im Vergleich einzubüssen. Der Hammer !


    Danach noch Finlandia in einer packenden Segerstam-Int in der zum Schluss noch unerwartet ein Chor hinzukommt. Bisher kannte ich diese Version mit Chor gar nicht. Er erreicht zwar nicht den Ashkenazy-Hammer (dort ohne Chor), aber sehr sehr angemessen gut .


    8o Ich freue mich jedenfalls heute einmal mehr diese Sibelius-Sinfonien-GA mit Segerstam zu haben, die mir auch heute wieder zeigt, dass diese GA mit dem Helsinki PO auf ONDINE, der Brillant-GA (früher Chandos), die so einige Kritikpunkte (auch klanglich) einstecken muss, eindeutig vorzuziehen ist. Es gibt Hörer, die das anders sehen - 8-) ich nicht !



    ONDINE, 1996-2004, DDD



    :angel: Das sind die Werke wo die Zeit nie zu schade ist, sich damit zu beschäftigen ... Gegenbeispiele haben wir auch bei Tamino zu genüge (wo mir meine wertvolle Zeit zu schade wäre ! ). :untertauch:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Romeo und Julia gehört zu den bekanntesten Werken von Prokofiew und wird, je nach Neigung des Dirigenten die Modernismen der mehr oder weniger betonend, als romantische Tragödie interpretiert mit dem Risiko, dass dieses Zwei-Stunden-Werk in eine wunderschöne, kultivierte Langeweile abzugleiten droht.
    Roschdestwenski ist in seiner 59er Aufnahme nun die Sache radikal anders angegangen. Bei ihm ist Romeo und Julia eine rabenschwarze Kommödie, in der die spätfeudale, frühkapitalistische Gesellschaft gnadenlos vorgeführt wird. Gerade in den repräsentativen Prunkszenen treibt er die Musik bis an den Rand der Karikatur, der Parodie, ohne dabei die herben, an die Grenze der Tonalität gehenden Stellen der Partitur überzubetonen.



    Die Aufnahme selbst ist eine 59er mono, wobei man das nach den ersten paar Minuten schon nicht mehr merkt. Sie ist "glänzt" nicht so wie neuere, sondern kommt "matt" daher, intensiv und grell, wobei das hervorragend zu Roschdeswenskis Ansatz passt.
    Ob dieser Ansatz der richtige ist? Ich meine ja, da Romeo und Julia das Werk eines sowjetischen Komponisten und ganz im Stil des sozialistischen Realismus komponiert ist.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

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  • Zitat

    Schade, dass der Thread so wenig Anklang findet ... am 05.Mai der letzte Beitrag ...


    Wenn ich die derzeitige allgemeine Beteiligung am Forenbetrieb UND das weitgehende allgemein Desinteresse an zeitgenössischer MusiK ins Kalkül ziehe ist der Thread sogar ausgesprochen gut frequentiert - und auch gut kommentiert.


    Auch ich möchte hier meinen Beitrag leisten. Der heute von mir hier vorgestellte Komponist ist - forentechnisch gesehen - ein schwieriger Fall. Man findet keinen Eintrag in irgenwelchen Musiklexika oder Konzertführern, und die existierende Website ist weder in deutscher noch in englischer Sprache verfügbar......


    Traut man der Website, so wurden bisher von diesem 1929 geborenen Komponisten Komponisten drei CD veröffentlicht. Eine einzige ist derzeit bei jpc im Programm, und zwar bei Brilliant Classics erschienen. Nach einem abgebrochen Jus-Studium studierte er Komposition. Seine erste Sinfonie schrieb er , als er noch nicht siebenundzwanzig Jahre alt war. Das Werk war tonal geschrieben unter Verwendung verschiedenster Stilelemente. Seine Werke blieben lange Zeit weitgehend erfolglos, waren sie klassisch tonal, dem Jazz oder der Avantgarde verbunden.


    Ich finde indes, daß das was sich auf der vorgestellten CD an Musik befindet durchwegs interessant und angenehm zu hören ist, man kann das 20 Jahrhundert heraushören, gelegentlich auch Einflüsse des Jazz (Klavierkonzert Nr 2) teilweise eher Gershwin als Bartok (der als zeitweise Vorbild fungierte) nahe - aber durchaus hörenswert.
    Über den "künstlerischen Wert" will und kann ich kein Urteil abgeben - ich fand die CD indes als guten Kauf....



    http://www.eriklotichius.be/

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie bereits an anderer Stelle angekündigt werde ich hier (und im 4 Jahreszeiten-Thread) einige Zeilen über die Sinfonie Nr 1"Thea Seasons" des britischen Komponisten Patric Stanford (1939-2014) schreiben. Man mag sich fragen, wieso ein erklärter Gegener der zeitgenössischen Musik solch eine CD kauft - und dann auch noch darüber schreibt. Ganz einfach - es ist die Neugier des "Hobby Historikers" Und eigentlich Neugier überghaupt.
    Zuert einmal die gute Nachricht: Standfords Erstlingswerk (das eigentlich keines ist, den es gingen einige Versuche voraus, die indes vernichtet wurden - die hier veröffentlichte Sinfonie war die erste, die Standford selbst als für würdig befand, den Titel Sinfonien Nr 1 zu tragen - dazu gibt es einige Zeilen von ihm selbst im der CD beigelegten Folder - Booklet kann man das beim besten Willen nicht nennen) ist zumindest INTERESSANT. Es muß einem nicht gefallen, aber man kann es durchaus interessiert hören, wobei einerseits der kollagenhafte Stil auffällt, der bei vielen englichen Komponisten des 20. Jahrhunderts zu finden ist. Es gibt etliche interessante Klangeffekte, Simmungen etc. Ob ich das als Musik einordenen möchte, das weiß ich nicht - und warum das Werk "The Seasons" heisst, erschliesst sich mir ebensowenig - ebenso wie beim Violinkonzert von Philipp Glass, der das gleiche Threm behandelt. Der Frühling naht beispielsweise ziemlich ungestüm....
    vielleicht findet sich ein weiteres Tamino Mitglied, welches hierzu ein paar Zeilen verlieren will....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine Sonderangebotsaktion unseres Werbepartners hat mich dazu verleitet, es mal wieder mit Hans Werner Henze zu probieren. Mit seinen ersten sechs Symphonien bin ich nie warmgeworden und auch die 7te unter Simon Rattle habe ich zwar vor geschätzt 20 Jahren in die Sammlung aufgenommen, aber seitdem nie wieder gehört. Nun also die 8te. Und nach 30 min die gleiche Ratlosigkeit. Was soll das bitte sein? Amorphe Tonmassen dringen auf einen ein, keine nachvollziehbare Entwicklung, keine Höhepunkte. Eine Mittsommernachtstraum-Symphonie soll das sein, die drei Sätze beziehen sich auf konkrete Geschehnisse des Shakespeare`schen Geniestreiches. Ich höre davon...nichts. Das war wohl mein letzter Versuch. Zurück zu Mendelssohn und Britten.


  • Mit seinen ersten sechs Symphonien bin ich nie warmgeworden und auch die 7te unter Simon Rattle habe ich zwar vor geschätzt 20 Jahren in die Sammlung aufgenommen, aber seitdem nie wieder gehört.


    Genau so geht und ging es mir auch, Lutgra.
    Da kann ich nur >Danke für Deinen Beitrag< sagen, denn dann brauche ich gar keine Zeit mehr zu verschwenden mir die Achte auch noch anzutun ... 8-) das Thema Henze-Sinfonien hat sich für mich auch erledigt !



    Wie schön das man auf zahlreiche lohnende moderne Komponisten zurückgreifen kann.
    Genau wie Du auch abschliessend schreibst zum Beispiel zu Britten ... und wenn ich an seine Sinfonia da Reqiuem denke, dann ist das ein TOP-Beispiel eines der grössten Werke des 20.Jhd, die ganz auf meiner Linie liegen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Mir geht es da mit Henze etwas anders. Ich schätze diesen Komponisten sehr. Auch die 8. Sinfonie, die ja etwas gemäßigt erscheint, kann ich emotional gut nachvollziehen. Wenngleich ich so spontan (wenn überhaupt) keine Aufbauanalyse betreiben kann, habe ich zumindest den Eindruck von gestalterischen Zusammenhängen. Aber davon abgesehen klingt die Musik für mich elegant oder einfach ...schön.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Jetzt hat es mich doch interessiert und ich habe die oben von lutgra verlinkte CD - die sich schon einiger Zeit in meinem Besitz befindet - auf den Teller gelegt.


    In der Tat! Das ist doch einfach schöne und auch abwechslungsreiche Musik - bei aller eher sanft vermittelten Dissonanz in einer durchwegs spätromantischen Orchesterbehandlung. Der Mittelsatz könnte stellenweise beinahe von Ravel stammen. Postmodern von mir aus, aber gewiss nicht mehr avantgardistisch ist diese Musik. Sie zeigt eine ähnlich klare Linie dieses Komponisten von (auch politisch) aufrührerischer Moderne in den Sechzigern hin zu einer individuellen Neuromantik, auch wenn diese nicht ganz so new-agig klingt wie der späte Rautavaara.


    Mein Lieblingswerk von Henze ist das Violinkonzert La Vitalino Raddoppiato.


    Die ersten sechs Sinfonien habe ich jetzt nicht so positiv (von vermutlich jeweils einmaligem Hören) in Erinnerung, zumindest nicht durchwegs, aber es wird eine neue Chance geben!


    Also, da ist Pettersson deutlich schwerer zu hören! :P


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ja, interessant, dass man das so unterschiedlich hört. Ich habe die Symphonie heute morgen ein zweites Mal gehört und binim Prinzip mit der gleichen Erkenntnis herausgekommen. Es sind ja auch nicht die Dissonanzen, die mich stören, die finde ich bei vielen anderen Komponisten, die ich schätze auch (z.B. Kalevi Aho oder Allan Pettersson). Bei einem im Prinzip lobenden Review habe ich folgenden Satz gefunden:


    "You'll sometimes hear a mealy-mouthed criticism of Henze's work that he wrote too much, that he couldn't stop himself overloading his orchestral textures with too much detail, with too great a density of line and activity. But listening now to works that I thought in the past were over-written or overwrought, I hear now instead a riot of colour and imagination. There is always a line to follow in Henze's music, a golden thread of lyricism and narrative that leads you through all of his pieces no matter how densely packed they might seem on the surface."


    Vielleicht stört mich das und dass ich zumindest in dieser Symphonie "a line to follow" nicht gefunden habe. Das war auch mein Problem mit seinen 5 Streichquartetten, mit denen ich im Vergleich zu den viel extremeren von Lachenmann und Ferneyhough nichts anfangen kann. Und dass sie vom Arditti Quartett schlecht dargestellt wurden, mag ich eigentlich nicht glauben.


    Ein Komponist mit dem ich bezüglich seiner Symphonik ähnliche Probleme habe, ist Peter Maxwell Davies. Hört Euch bei Gelegenheit mal die drei modernen amerikanischen Symphonien an, über die ich kürzlich berichtet habe: Rochberg 2, Sessions 3 oder die von Irving Fine. Die sind auch in einem zeitgenössischen Idiom geschrieben, aber m.E. von einem ganz anderen Kaliber. Von Weinberg 17 und 20 ganz zu schweigen.

  • Die ersten sechs Sinfonien habe ich jetzt nicht so positiv (von vermutlich jeweils einmaligem Hören) in Erinnerung, zumindest nicht durchwegs, aber es wird eine neue Chance geben!


    Hallo WolfgangZ,


    wenn man Deinen und ggf Uwe´s Beitrag liest, suggeriert dies fast ein schlechtes Gewissen, sich nicht weiter mit den Henze-Sinfonien befassen zu wollen.
    8-) Aber das ist nicht so. Die DG-Sinfonien-Box (mit Nr.1-6) - gibt es nebenbei jetzt superbillig als Brillant-Übernahme. ;( Diese DG-Box gehört zum Langweiligsten, was mir je als CD-Software vorgelegen hatte ...
    Ich glaube nicht, dass Du in dieser Hinsicht auch noch einmal unbedingt neue Erkenntnisse erlangen wirst ... :D;) etwas Anderslautendes würde ich Dir nicht so recht abkaufen.



    * Mein Lieblingsstück von Henze sind die TRISTAN-Preludes für Klavier, Tonbänder und Orchester (1973).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • So, inzwischen habe ich auch den Rest der CD gehört, das heisst die dreisätzige Suite aus der Oper "Die Bassariden" sowie die die "Nachtstücke und Arien". Und das ist natürlich eine ganz andere Klangsphäre und Liga, in denen diese beiden starken Stücke spielen. Da höre ich auch bei den Bassariden den Post-Ravel und bei den Nachstücken lässt Henze die Spätromantik a la Gurrelieder und Lyrischer Symphonie noch einmal aufleben. Das ist mit Abstand das Beste, was ich bisher von diesem Komponisten gehört habe. Er kann es also. Da diese Stücke zusammen fast 50 min ergeben, ist die CD also nach wie vor ein Superschnäppchen und wird in die Sammlung eingereiht.


    Mit den Nachtstücken hat er ja wohl bei der UA 1957 in Donaueschingen einen veritablen Eklat provoziert. Vermutlich hat alles andere, was an dem Wochenende dort gegeben wurde, in den restlichen Konzertsälen der Welt ebenfalls einen solchen hervorgerufen. :D


    Die Tatsache, dass Boulez, Nono und Stockhausen schon nach wenigen Takten den Konzertsaal verliessen, spricht nicht gerade für ihre Toleranz. Immerhin hat gerade Boulez dann später mit dem Dirigieren von genau so einer Musik (wenn auch nicht von Henze) seine Karriere gemacht. :hahahaha:

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