Hörenswerte Britische Symphonien des 20. Jahrhunderts

  • Das zweite Konzert für Orchester entstand 1979. Inspiration war wiederum eine Reise und zwar nach Nordafrika. Holloway war fasziniert vom Licht und Klang der nordafrikanischen Städte mit der Polyphonie von Alltagsgeräuschen. Dementsprechend ist sein Konzert licht und transparent orchestriert und eine Unzahl von gestimmten und ungestimmten Schlaginstrumenten finden Eingang. Wiederum gibt es keine durchgehende melodische Entwicklung, sondern ein irisierendes und flimmerndes Gewebe aus zahlreichen kurzen tonalen Melodiefetzen und einer Unmenge an orchestralen Effekten. Da klingen kurze Themen aus spätromantischen Werken an, es gibt viele Ivesianische Überlagerungen und Messiaenische Klangballungen. Das ganze ist äußerst kurzweilig und m.E. eine faszinierende Art, Klänge zu organisieren.
    Das Konzert ist dem Freund, Komponisten und Dirigenten Oliver Knussen gewidmet (dessen Musik mich - soweit ich sie kenne - z.B. überhaupt nicht anspricht), der hier auch das BBC SO (mit Assistant Conductor Stefan Ashbury) dirigiert. Einziger Wermutstropfen, die kurze Spielzeit von 34 min.


  • Hallo Lutgra,


    Du wartest in den letzten zwei Beiträgen mit Konzerten für Orchester auf - gut und interssant.
    Deshalb möchte ich auf ein ganz exqusites britisches KfO aufmerksam machen, dass sich in der megapreiswerten Box "The British Symphonic Collection" befindet, die ich in Beitrag 9 bereit vorgestellt hatte:
    Edward Gregson - Konzert für Orchester (1998)
    Es spielt das Lverpool PO/ Douglas Bostock in TOP-Form und in TOP-Klangtechnik.
    Ich sage nur:
    :thumbup: Voll gieniessbare moderne britische Avantgarde des 20.Jhd. Hörfreude für jeden Klassikfreund und kein avantgardistischer ungeniessbarer Rausschmeisser.


    Leider gibt die 10CD-Box keine INFO´s über Edward Gregson. Aber für den Hammer-Preis (1€/pro CD) kann man das verschmerzen und sich anderweitig informieren.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • William Wordsworth (1908-1988) ist unter den englischen Symphonikern einer der unbekanntesten. Der Nachkomme des berühmten romantischen Dichters gleichen Namens hat zwischen 1944 und 1986 acht Symphonien komponiert, von denen bisher nur zwei eingespielt wurden, und zwar auf dem legendären Lyrita-Label.


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    Die viersätzige zweite Symphonie ist mit 44 min die längste und wenn die als Maßstab für das gesamte symphonische Schaffen steht, dann wird es dringend Zeit, die anderen auch aufzunehmen. 1947/48 geschrieben und dem Lehrer Donald Tovey gewidmet ist es ein typisches Stück seiner Zeit, düster, pessimistisch, mit einigen sehr starken und ausdrucksvollen Momenten. Vaughan Williams, Britten, Schostakowitsch und Prokofieff haben um die Zeit herum ähnliche Musik komponiert.


    Das London Philharmonic Orchestra unter Nicholas Braithwaite setzt die Partitur optimal um und Lyrita zeichnete dies hervorragend auf: 10/10.


    Eine veritable Entdeckung

  • Wow, die dritte Symphonie ist fast noch besser. Dreisätzig, 26 min, mit einem wunderbaren Andante espressivo in der Mitte, das die Hälfte der Symphonie einnimmt und mit langgezogenen Holzbläsersoli an vergleichbaren Passagen bei DSCH (den Wordsworth bei einem Besuch in der Sowjetunion kennenlernte) erinnert, dazu mysteriöse Celesta-Girlanden und ein "Zitat" aus Bartoks Herzog Blaubart, das ist vom Feinsten. UA 1953 durch Sir John Barbirolli, der diese Symphonie im ersten Jahr alleine achtmal dirigierte.


    Ja, jetzt möchte ich schon die anderen sechs noch kennenlernen, auf Chandos/Hyperion, an die Arbeit. :thumbsup:

  • Ein weiterer - noch lebender - englischer Komponist, der mehr Beachtung verdient hätte, ist der 1927 geborenen John Joubert. Mehr über ihn findet man auf seiner Website. http://www.johnjoubert.org.uk/

    Joubert hat zwei Symphonien geschrieben, die erste stammt von 1955, die zweite von 1970. Tonale Musik, die zahlreiche Einflüsse aufweist (Stravinsky, Hindemith, Walton, Schostakowitsch). Die ersten drei Sätze sind tragisch-düster ("Age of Anxiety"), der vierte eher verhalten optimistisch. Zahlreich starke Momente, begegnet praktisch allen im angelsächsischen Bereich um diese Zeit entstandenen Symphonien auf Ohrenhöhe.


    Vernon Handley dirigiert gewohnt umsichtig und überzeugend das LPO, Lyrita galt immer als audiophiles Label.


    Einziges Manko: 31 min Spielzeit


    Weitere Einspielungen von Jouberts Werken stehen auf der Liste:

  • Der englische Komponist Kenneth Leighton (* 2. Oktober 1929 in Wakefield; † 24. August 1988 in Edinburgh) war ein englischer Komponist und Hochschullehrer. Er studierte in den Nachkriegsjahren in Oxford Altphilologie und Komposition und machte 1951 einen Studienaufenthalt bei Goffredo Petrassi in Rom. danach unterrichtete er an vielen Musikschulen und Colleges und wurde 1970 Reid Professor of Music an der Universität Edinburgh, eine Postion die er bis zu seinem frühen Tode innehatte. Er trat als Pianist sowie als Dirigent eigener Werke in Erscheinung, einige wurden hier im Forum bereits erwähnt.


    Erst mir 34 schrieb Leighton seine erste Symphonie, nachdem mehrere Versuche vorher nicht zum Ziel geführt hatten. Insofern ist es nicht überraschend, dass ihm mit der 1. gleich ein großer Wurf gelang, die Komposition wurde 1965 in Triest ausgezeichnet. Anfang der 60er Jahre begann in England die Rezeption der Musik von Schostakowitsch und wenn ich mich recht erinnere wurde 1962 seine 8. Symphonie dort zum ersten Mal durch Mravinsky aufgeführt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Leighton bei der Aufführung dabei und stark beeindruckt war. Denn was er zwei Jahre später als seine 1. Symphonie vorlegt ist derart von der Klangwelt des Russen durchtränkt wie ich es selten erlebt habe. Und wie er sich diesen Stil einverleibt und was er daraus macht, ist wirklich eindrucksvoll. Dies ist kein Plagiat sondern eine erstklassige Symphonie in verwandtem Geiste. Der erste Satz entwickelt aus flirrenden Streichklängen a la Tapiola ein symphonisches Allegro, das in seinen Steigerungen den Kopfsätzen der 8. und 10. Symphonie von DSCH nur unwesentlich nachsteht. Das Scherzo kann mit vergleichbaren Sätzen von DSCH durchaus mithalten und das abschliessende Adagio ruft auch Mahlers großartige Sätze auf. Das alles ist mit großer Meisterschaft komponiert und berührt auch die Seele.



    Martyn Brabbins und das BBC National Orchestra leisten hier Außergewöhnliches und Chandos zeichnet in bester Manie auf. Ein echter Fund.

  • Deshalb möchte ich auf ein ganz exqusites britisches KfO aufmerksam machen, dass sich in der megapreiswerten Box "The British Symphonic Collection" befindet, die ich in Beitrag 9 bereit vorgestellt hatte:
    Edward Gregson - Konzert für Orchester (1998)
    Es spielt das Lverpool PO/ Douglas Bostock in TOP-Form und in TOP-Klangtechnik.
    Ich sage nur:
    Voll gieniessbare moderne britische Avantgarde des 20.Jhd. Hörfreude für jeden Klassikfreund und kein avantgardistischer ungeniessbarer Rausschmeisser.


    Ja, hätte ich mal gleich auf Dich gehört, lieber teleton, nun ist wieder ein Jahr vergangen und ich lerne erst jetzt diesen Komponisten kennen, aber lieber spät als nie. :jubel: Dabei habe ich das von Dir so gelobte CfO noch gar nicht gehört, sondern erst einmal den Dream Song für Orchester und das Hornkonzert. Da für beide Stücke das von Dir zum CfO geschriebene auch zutrifft, muß es sich hier um einen Komponisten handeln, der nicht nur eine Eintagsfliege produziert hat, sondern der es offensichlich auch kann.
    Das ruft mal wieder die Frage auf den Plan, wieso es auf den britischen Inseln (und nicht nur dort) in den letzten Jahrzehnten so viele Komponisten gab und gibt, die anhörbares Zeug schreiben und bei uns hier nicht. :(


    Der Dream Song von 2010 ist ein fünfsätziges Stück Musik über Musik. Es wurde nämlich als ein Stück komponiert, das mit Mahlers 6ter zusammen aufgeführt werden kann. Es benutzt auch Zitate aus der Mahler-Symphonie, verarbeitet die aber so grundsätzlich anders, dass ein völlig eigenes Stück entsteht, das auch nicht im Entferntesten nach Mahler klingt. Sehr interessant. Das Hornkonzert ist ein frühes Werk von 1971, das seinerzeit für Horn und Brass Band komponiert wurde und hier auf Wunsch des Solisten in 2013 eine Adaptation an das normale Orchester erfuhr. Schönes Werk.

    Ich sehe, dass Chandos schon eine ganze Reihe von Gregson CDs produziert hat, da gibt es wieder was für die nächste Bestellliste. :rolleyes:

  • Das ruft mal wieder die Frage auf den Plan, wieso es auf den britischen Inseln (und nicht nur dort) in den letzten Jahrzehnten so viele Komponisten gab und gibt, die anhörbares Zeug schreiben und bei uns hier nicht.

    Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann.
    Ich poste mal ein paar Österreicher:

    Kurt Schwertsik (*1935)
    z.B. Track 1

    Ivan Eröd (*1936)
    z.B. Track 1

    Werner Pirchner (*1940)
    z.B. Track 10

    Heinz Karl Gruber (*1943)
    z.B. Track 3

    Paul Hertel (*1953)
    z.B. Track 5

    Gerhard Schedl (*1957)
    z.B. Track 6

    Johanna Doderer (*1969)
    z.B. Track 1

  • Patric Stanford (1939-2014) war ein englischer Komponist, der vor einem Jahr 75-jährig verstarb. Sein Output umfasst u.a. 5 Symphonien, die erste von 1972 ist das erste Werk von ihm, das ich gehört habe. Die Symphonie entwickelte sich aus einer Trauermusik für den großen englischen Dirigenten John Barbirolli, den der Komponist seit seiner Kindheit bewunderte und während dieser auch kennengelernt hatte. Das 33-minütige viersätzige Werk klingt ähnlich wie viele britische Symphonien, eine gemässigt moderne Tonsprache mit Bezügen zu Mahler, Sibelius und Bartok, vielleicht so "modern" wie dessen Konzert für Orchester. Es fehlt eindeutig ein Personalstil und Originalität, aber man kann das Stück gut hören. Die Interpretation durch ausgewiesene Kräfte und die Tonqualität lassen keine Wünsche offen.

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  • Musik des englischen Komponisten Richard Rodney Bennett hat vermutlich jeder Tamino schon einmal gehört, wenn vielleicht auch unbewusst nämlich im Kino. Er war einer der erfolgreichsten Filmmusikkomponisten, die Musik zu "Mord im Orientexpress" und "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" sind nur zwei Beispiele aus seinem umfangreichen Schaffen.


    Die "Diversions" von 1990 ist eine knapp 20-minütige Orchesterfantasie, die so wenig britisch klingt, dass man nie auf einen Komponisten von der Insel käme. Das Stück ist Amerika pur, Copland trifft Piston mit der Hilfe von Gershwin und Bernstein und Empfehlungen von Korngold und Williams. Mit dem Stück könnte man einem Unwissenden erklären, wie amerikanische Musik klingt. Ein echter Fetzer mit eingängigen Melodien und toller Orchestrierung.


    James de Preist, einer der wenigen farbigen Dirigenten, dirigiert schwungvoll das Monte Carlo Philharmonische Orchester. Schade nur dass die CD derzeit vergriffen ist und nur zu deutlich überhöhten Preisen angeboten wird; ich habe sie vor wenigen Tagen für € 7 beim Plattenhändler gefunden.


  • Der englische Komponist Lennox Berkeley (1903-1989) ist in Deutschland bisher wenig bekannt. 1903 geboren ist er zwei Jahre älter als William Alwyn, 10 Jahre älter als Britten und 18 Jahre älter als Robert Simpson und Malcolm Arnold. Seine 4. Symphonie schrieb er 1977, da war Britten schon tot. Das Werk ist durchaus vergleichbar mit den Symphonien der genannten, wobei Lennox nicht so aggressiv schreibt wie Arnold und Simpson und wohl nicht die melodischen Einfälle eines Britten hatte. Nichtsdestotrotz ist seine dreisätzige 4. Symphonie ein sehr hörenswertes Werk, tonal, sogar mit gelegentlichen kurzen Ausflügen in die Spätromantik, aber doch auch zeitgemäß, es sei denn man legt Darmstädter und Donaueschinger Maßstäbe an. Zur Komponisten-Laufbahn animiert hat Lennox übrigens kein geringer als Ravel, der Nadia Boulanger als Lehrerin empfahl. Sohn Michael (1948 -) ist auch Komponist geworden und teilt sich mit dem Vater diese und mindestens 5 weitere CDs. Einige gibt es gerade günstig beim Werbepartner aus Georgsmarienhütte, darunter die mit der 4.


  • Die erste Symphonie des walisischen Komponisten William Mathias (1934-1992) entstand 1965, also zur Blütezeit der seriellen Musik. Davon nimmt Mathias aber - zum Glück - keinerlei Kenntnis, sondern schreibt seinen Erstling in einem Stil in der Nachfolge von William Walton und Arnold Bax. Vier ansprechende und prägnante Sätze in 30 min, das war schon das gesunde Rezept für die 3. Symphonie. Die Einspielung wird vom Komponisten dirigiert. Kleiner Wermutstropfen ist die nicht gerade audiophile Nimbus-Aufnahmen von 1990, aber ich habe schon gesehen, dass es eine zweite Einspielung auf Lyrita gibt.


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  • Sie haben es wieder getan, Dutton und sein Hausdirigent Martin Yates und zwei absolut hörenswerte britische Symphonien der Vergessenheit entrissen. Im Falle von Gardner auch rechtzeitig zum 100. Geburtstag des Komponisten, der übermorgen ansteht. Beide Symphonien sind viersätzig und jeweils etwas über 30 min lang. Die Symphonie von Gardner ist die lyrischere, ich würde sie in der Nachfolge von Sibelius und Nielsen einordnen. Veale's 2. Symphonie ist dramatischer und lässt auch durchblicken, dass der Komponist Filmusik geschrieben hat, einige Passagen könnten durchaus einem Thriller unterlegt sein. Beides sind hervorragend gemachte Werke, mit zündenden musikalischen Einfällen, völlig tonal und das war eben auch ihr Problem: als sie komponiert wurden, galt das als reaktionäre Todsünde, deshalb verschwanden sie sofort im Orkus der Musikgeschichte. Um hoffentlich jetzt nachhaltig aus diesem zurückzukehren.

  • Der englische Komponist gehörte - wie anderweitig schon ausgeführt - nach dem Krieg zu den großen Hoffnungen des britischen Musiklebens, seine Werke wurden aufgeführt, mit Preisen ausgezeichnet und die ersten beiden Symphonien auch eingespielt. Durch einen Umzug nach Kalifornien Mitte der 60er Jahre zerschnitt Fricker aber offensichtlich alle Bande zur britischen Musikwelt und wurde langsam aber sicher vergessen. Zu Anlass seines 60. Geburtstages gab es noch ein 7-teilies Radiofestival, dei dem u.a. auch die ersten vier Symphonien aufgeführt wurden. Die privaten Mitschnitte dieser Radiokonzerte hat Lyrita jetzt als Doppel-CD herausgebracht. Die vier Symphonien entstanden zwischen 1949 und 1966 (rev.1978) und zeigen einen echten Symphoniker, dessen Musiksprache sich von gedämpft optimistisch zu zunehmend pessimistisch und düster weiterentwickelt. Die symphonischen Strukturen werden zwar weitgehend beibehalten, aber die Tonsprache wird dissonanter und zunehmend atonaler. Am ausgeprägtesten ist dies bei der einsätzigen 37 Minuten langen 4. Symphonie, eine Art Requiem für den Komponisten und Frickers Lehrer Matyas Seiber. Die Tonsprache dieses Werkes erinnert entfernt an Hartmann und den späten Weinberg.
    Das sind vier interessante und originelle Werke, die sich aber nicht sofort beim ersten Hören erschliessen. Meinem ersten Durchgang werden sich noch weitere anschließen müssen, um die Musik genauer zu erfassen.
    Dass sich das lohnt, daran habe ich aber keinen Zweifel. Eine wichtige Neuveröffentlichung.


    Der Klang der aus dem Radio mitgeschnittenen Stereoaufnahmen von 1980 ist recht gut, an ein, zwei Stellen war das Band leicht beschädigt, aber solange es keine neuen Einspielungen gibt, kann (und muss) man damit sicher gut leben.


  • Wieder wird der Thread erweitert. Die abgebildete CD enthält 2 der vier von Robert Still (1910-1971) komponierten Sinfonien, nämlich die Nr 3 von 1960 und die einsätzige Nr 4 von 1964.
    Derzeit bin ich dabei in die Sinfonie Nr 3 hineinzuhören. Es ist für mich Musik, die weder wehtut noch. daß sie mich begeistert. Aus meiner Sicht typisches Patchwork, wo der Komponist, zwar zahlreiche Ideen hardwerklich geschickt verarbeitet, aber eigentlich nichtsa zusammenpasst. Hier ist Still IMO in goter Gesellschaft mit zahlreichen Zeitgenossen seines Landes. Es fehlt die geschlossene Einheit, der große Bogen, die zündenen Idd, die das Ganze zusammenhält.
    Wäre ich Bosgaft, eine Eigenschaft die mir indes nicht gegeben ist, dann schribe ich frei nach Shakespeade: Viel Lärm um nichts :untertauch::baeh01::stumm:


    mfg aus Wien
    Alfred


    Nur zur Info: Auf der geleichen CD bfindet sich auch noch die Sinfonie Nr 2 von Humphrey Searle (1915-1982), die ich abe (noch?) nicht gehört habe
    Alle Aufnahmen dieser Lyritiy Aufnahme stammen aus den Jahren 1966/1971/1975


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der englische Komponist gehörte - wie anderweitig schon ausgeführt - nach dem Krieg zu den großen Hoffnungen des britischen Musiklebens, seine Werke wurden aufgeführt, mit Preisen ausgezeichnet und die ersten beiden Symphonien auch eingespielt. Durch einen Umzug nach Kalifornien Mitte der 60er Jahre zerschnitt Fricker aber offensichtlich alle Bande zur britischen Musikwelt und wurde langsam aber sicher vergessen. Zu Anlass seines 60. Geburtstages gab es noch ein 7-teilies Radiofestival, dei dem u.a. auch die ersten vier Symphonien aufgeführt wurden. Die privaten Mitschnitte dieser Radiokonzerte hat Lyrita jetzt als Doppel-CD herausgebracht. Die vier Symphonien entstanden zwischen 1949 und 1966 (rev.1978) und zeigen einen echten Symphoniker, dessen Musiksprache sich von gedämpft optimistisch zu zunehmend pessimistisch und düster weiterentwickelt. Die symphonischen Strukturen werden zwar weitgehend beibehalten, aber die Tonsprache wird dissonanter und zunehmend atonaler. Am ausgeprägtesten ist dies bei der einsätzigen 37 Minuten langen 4. Symphonie, eine Art Requiem für den Komponisten und Frickers Lehrer Matyas Seiber. Die Tonsprache dieses Werkes erinnert entfernt an Hartmann und den späten Weinberg.
    Das sind vier interessante und originelle Werke, die sich aber nicht sofort beim ersten Hören erschliessen. Meinem ersten Durchgang werden sich noch weitere anschließen müssen, um die Musik genauer zu erfassen.
    Dass sich das lohnt, daran habe ich aber keinen Zweifel. Eine wichtige Neuveröffentlichung.


    Der Klang der aus dem Radio mitgeschnittenen Stereoaufnahmen von 1980 ist recht gut, an ein, zwei Stellen war das Band leicht beschädigt, aber solange es keine neuen Einspielungen gibt, kann (und muss) man damit sicher gut leben.


    Mittlerweile ist bei Lyrita auch die Symphonie Nr. 5 auf CD erschienen. Es handelt sich um den Mitschnitt der Weltpremiere 1976 in der Londoner Royal Festival Hall unter Colin Davis, anders als bei den ersten vier Symphonien unverständlicherweise nur in Mono erhalten. Das andere Werk, "The Vision of the Judgement", ist in einer Stereoaufnahme von 1980 unter Sir Charles Groves inkludiert.



    Ich kenne das Schaffen Frickers bisher nur peripher, könnte mir aber gut vorstellen, dass seine schroffe, teils apokalyptische aber nicht atonale Tonsprache etwas für teleton wäre. Für meine Begriffe ist das aber auch für Anhänger der Spätromantik durchaus noch gut anhörbar.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões