Zur Kopfhörerstereophonie

  • Hallo,


    normale Kopfhörer funktionieren im Prinzip kaum. Dies liegt an der Außenohr-Übertragungsfunktion (HRTF), die die Trommelfellsignalspektren (Amplitudenfrequenzgang auf dem Trommelfell) mitbestimmt.
    Außerdem sind Lautsprecher-Aufnahmen grundsätzlich nicht zu Kopfhörern kompatibel, der Schall-Einfallswinkel ist ein anderer (30° bei Lautsprechern, 90° bei herkömmlichen Kopfhörern, das führt zu sehr verschiedenen Trommelfell-Signalspektren) und es gibt bei Lautsprechern ein Übersprechen zwischen den Kanälen (Jedes Ohr hört beide LS, bei Kopfhörern hört jedes Ohr nur einen Kanal), was dazu führt, daß man mehr Pegel- bzw. Laufzeitdifferenzen benötigt, um eine Phantomschallquelle bei Lautsprecherstereophonie auf der Stereobasis gleich weit auszulenken, wie bei der Kopfhörerstereophonie.
    Eine Kompatibilität kann durch eine Lautsprechersimulation für Kopfhörer hergestellt werden, die das Übersprechen zwischen den Kanälen und den Einfluß der Außenohr-Übertragungsfunktion simuliert, wie beim AKG BAP 1000. Leider simuliert dieser auch eine überflüssige Raumreflexion.


    Welche Arten der Kopfhörer-Stereophonie können denn funktionieren:


    1. Die Kunstkopf-Mikrofon-Aufnahme zusammen mit in-ear-Kopfhörern. Der Kunstkopf hat eine "durchschnittliche" HRTF und der in-ear-Hörer bringt das Signal näherungsweise direkt ans Trommelfell. Ein Nachteil ist allerdings, daß die Köpfe sehr verschieden sind und damit die Trommelfell-Signalspektren. Besitzer eines BAP 1000 kennen den dramatischen Einfluß verschiedener HRTF´s. Das Kunstkopfmikrofon ist also ein Kompromiß. Besser sind in-ear-Mikrofone, die man am eigenen Kopf verwendet, so nutzt man die eigene HRTF. So könnte man Konzerte aufnehmen, hat aber oft keinen akustisch optimalen Platz.


    2. Das Kugelflächenmikrofon mit einem AKG K 1000. Das Kugelflächenmikrofon ist ein kopfgroßer Ball, in den im Winkel von 180° Mikrofone eingelassen sind.


    http://www.schoeps.de/de/products/kfm6


    Es hat daher eine "reduzierte" HRTF (ohne Ohrmuschel und Gehörgang). Verwendet man einen ganz aufgeklappten AKG K 1000, dann erzeugt dieser in Verbindung mit den eigenen Ohren (Ohrmuschel und Gehörgang) den zweiten Teil der HRTF - und dieser Teil ist die eigene HRTF!


    http://www.headfonia.com/wp-co…/2012/01/akg_k1000_04.jpg
    Besser als ein Kugelflächenmikrofon wäre ein kopfähnliches, oval geformtes Mikrofon mit Oberkörper-Ansatz, weil auch dies zur HRTF beiträgt.


    Wer sich überzeugen möchte und einen AKG K 1000 besitzt, kann diese CD, die mit einem Kugelflächenmikrofon aufgenommen wurden, anhören:


    http://www.tacet.de/...ion.php&bestnr=00120


    Nach meiner Erinnerung nimmt auch das Label "Raumklang" mit Kugelflächenmikronen auf, die für die Lautsprecherstereophonie aufgrund frequenzabhängier Pegeldifferenzen nicht optimal sind (schlimm klingt es aber nicht), jedoch optimal für eine AKG K1000-Kopfhörerstereophonie. Wenn man sich dafür interessiert, sollte man dort nach Kugelflächenmikrofon-Aufnahmen fragen.


    Zur Vervollkommung der Kopfhörer-Stereophonie ist natürlich immer ein Headtracking-System wie der EMT Phönix wünschenswert, damit sich die Simulationsebene bei Kopfbewegungen nicht mitbewegt.


    http://www.emt-studiotechnik.de/Phoenix%20E.htm


    So sieht eine hörphysiologisch richtige Kopfhörerstereophonie dann aus (in zwei Varianten).


    Ich würde mir wünschen, daß man zukünftig zwei CD´s bekommt, eine für Lautsprecher-Stereophonie und eine für Kopfhörer-Stereophonie (eigentlich benötig man sogar zwei CD´s, eine mit einem Kugelflächenmikrofon aufgenommene und eine mit einem Kunstkopfmikrofon aufgenommene). Leider gibt es derzeit den AKG K1000 nicht, er sollte wieder hergestellt werden.



    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Wieder ein sehr interessanter Beitrag. Ich hörte selbst einmal einen K1000 und fand das sehr faszinierend. Durch sein offenes Prinzip kann er jedoch nicht tiefe Bässe gut wiedergeben. Es ist schon so, dass er im aufgeklappten Zustand sich dem Ideal des Kopflautsprechers annähert. Dennoch sind doch sich andere Faktoren als die Abstrahlung klangentscheidend, z.B. die Qualität der verbauten Schallwandler an sich. Da hat es in den letzten Jahren schon Fortschritte bei allem Prinzipien gegeben, also elektrostatisch, dynamisch oder magnetostatisch.


    Auch ich wünschte mir, dass man bei einer Klassikproduktion gleich auch eine Kunstkopfaufnahme hinzubekäme. Diese In-Ear-Mikros kenne ich auch, allerdings kann man ja kaum zu jedem Konzert oder zu jeder Klassikproduktion die einen interessiert hinfahren, um die am idealen Hörplatz mit seiner eigenen HRTF aufzunehmen....


    Zudem gebe ich bei der gewohnt eher etwas undiplomatischen Formulierung, dass Kopfhörer normalerweise "nicht funktionieren" zu bedenken, dass das missverstanden werden kann. Man kann ja schon mit einem LCD-X, einem HD800, einem K812 oder einem PM1 sehr schön Stereomusik hören, und diese dann auch künstlerisch sowie klanglich beurteilen (wenn es das ist, was Du mit "ästhetisch beurteilen" meinst)
    Klar, wenn man das Ideal der perfekten räumlichen/klanglichen Reproduktion als Prämisse hernimmt, dann stimmt das schon. Es gibt allerdings auch Leute, die durch konzentriertes Hören mit geschlossenen Augen die IKL (im Kopf Lokalisation) überwinden und eine normale Stereoaufnahme schon mit realistischer Bühnenanmutung empfinden. Vielleicht kommt ja irgendwann der (bezahlbare) Durchbruch bei Kopflautsprechern, der dann die ganzen Boxen und Abhörräume überflüssig macht. Selbst eine Ortung von hinten etc. scheint mir beim Kopfhören nicht unmöglich zu sein. Jedenfalls habe ich das einmal bei einem Hörspiel in Kunstkopfstereofonie mit dem Jecklin Float Kopfhörer so erleben können.


    Wenn AKG nach dem K812 etwas Neues herausbringt, dann wäre so ein K1000 mit neuen
    Ideen und Techniken schon toll. Einen Gebrauchten zu kaufen soll sich eher nicht lohnen, weil es mit Reparaturen schlecht aussehen soll. Außerdem hat der K1000 einen schlechten Wirkungsgrad, stellt also hohe Ansprüche an den Verstärker.


    Eine ähnliche, wenn auch nicht gleiche Idee hatte man ja beim Stax Sigma.
    Die Frage, ob ohrfreie oder ohrumschliessende Konstruktionen natürlicher klingen, wird diskutiert. Die Meinung geht oft zur gänzlich freien Konstruktion, allerdings hat man dann wieder die Sache mit der Basswiedergabe.....


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zudem gebe ich bei der gewohnt eher etwas undiplomatischen Formulierung, dass Kopfhörer normalerweise "nicht funktionieren" zu bedenken, dass das missverstanden werden kann. Man kann ja schon mit einem LCD-X, einem HD800, einem K812 oder einem PM1 sehr schön Stereomusik hören, und diese dann auch künstlerisch sowie klanglich beurteilen (wenn es das ist, was Du mit "ästhetisch beurteilen" meinst)


    Lieber Glockenton,


    meine Formulierung ist nicht undiplomatisch, sie ist wahr. Aufgrund der HRTF funktionieren normale Kopfhörer grundsätzlich nicht. Und Lautpsrecheraufnahmen sind nicht kompatibel zu Kopfhörern, da der Schall-Einfallwinkel ein anderer ist (andere Trommelfellsignalspektren) und Lautsprecher-Stereophonie das Übersprechen zwischen den Kanälen kennt, Kopfhörer-Stereophonie nicht. Man kann einen Simulator verwenden, wie den BAP 1000, der macht Lautsprecher-Aufnahmen kompatibel zu Kopfhörern.


    Das ist ähnlich undiplomatisch wie: Homöopathie funktioniert nicht, weil die Medikamente fast keinen Wirkstoff oder keinen Wirkstoff enthalten ("potenziert" sind) und der Zusammenhang zwischen Krankheit und Wirkung des Wirkstoffes nicht bekannt ist. In der Theorie soll ein Wirkstoff verwendet werden, der die Krankheit auslöst, also eine Art Gift. (Erregung in der Öffentlichkeit....Homöopathie ist doch die sanfte, gute Medizin.....dabei ist sie in Wahrheit nur ein Verbrechen). Wahr muß eben wahr sein.


    Als Naturwissenschaftler hat man dieses Problem mit der uninformierten Öffentlichkeit und es ist eine große Last.


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Homöopathie funktioniert nicht


    Homöopathie funktioniert natürlich doch: über Einbildungskraft, den berühmten Placeboeffekt und die Selbstheilungskräfte des Körpers. :D


    Man sollte allerdings wissen, mit welchen Erkrankungen man NICHT zu Homöopathen geht.


    In Stuttgart gibt es sogar einen homöopathischen Tierarzt. Da hätte ich allerdings auch Zweifel, dass das funktioniert.

  • Zudem gebe ich bei der gewohnt eher etwas undiplomatischen Formulierung, dass Kopfhörer normalerweise "nicht funktionieren" zu bedenken, dass das missverstanden werden kann. Man kann ja schon mit einem LCD-X, einem HD800, einem K812 oder einem PM1 sehr schön Stereomusik hören, und diese dann auch künstlerisch sowie klanglich beurteilen (wenn es das ist, was Du mit "ästhetisch beurteilen" meinst)


    Hallo,


    die ästhetische Beurteilung einer Tonaufnahme mit normalen Kopfhörern ist absolut unmöglich. Das geht theoretisch nicht, wie ich dargelegt habe und Theorie und Praxis sind nach meiner Erfahrung in bester Übereinstimmung.


    Ich habe auch schon Stax Lambda Signature, Sennheiser HD 600, Sennheiser HD 580, Sennheiser HD25, Grado SR 125 und einige andere gehört, darunter AKG K271 und K271DF


    Und ich habe auch einen AKG K 1000 mit dem HRTF und Übersprech-Simulator BAP 1000, der leider auch eine überflüssige Raumreflexion simuliert.


    Die Diffusfeld-Entzerrung (AKG K271 DF) funktioniert auch nicht, sie stellt keine Kompatibilität zur Lautsprecherstereophonie her und kann es auch nicht - ein falscher Ansatz!


    ---> Die Schlußfolgerung aus meinen subjektive Hörtests ist, daß normale Kopfhörer einfach absolut ungeeignet zur ästhetischen Beurteilung einer Lautsprecher-Stereophonie Aufnahme sind.


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Bei aller unbestrittenen Sachkompetenz musst Du, lieber AH einräumen, dass Deine Aussagen für jemanden, der nicht in der Grundlagenforschung der Aufnahme und Wiedergabe von Tonkonserven zu Hause ist, mitunter absurd wirken können. Das versuche ich einmal darzustellen:


    Ich habe hier einmal die Wikipedia-Erklärunge des Ästhetik-Begriffes verlinkt.
    Vielleicht definierst Du erst einmal, was Du unter "ästhetischer Beurteilung" verstehst.


    Ich habe hier also gelernt, und mir wurde bewiesen, dass meine Kopfhörer "nicht funktionieren". Wenn ich mir also etwa eine Bachkantate mit Masaaki Suzuki über meinen AKG K812, dem Violectric V200 von der SACD-Stereospur anhöre, dann geht es demnach nicht, dass ich die Tonaufnahme überhaupt "ästhetisch beurteilen" kann, denn


    die ästhetische Beurteilung einer Tonaufnahme mit normalen Kopfhörern ist absolut unmöglich.


    Dazu drei Dinge:


    1.
    Meine Kopfhörer "funktionieren" alle einwandfrei, d.h. aus beiden Kanälen ist ein Musiksignal klar und eindeutig wahrnehmbar. Die vormals eingespielten Melodien, Harmonien und Rhythmen sind eindeutig wiedererkennbar. Auch die Klangfarbe eines Orgel ist von der einer Posaune meinen Eindruck nach sehr gut unterscheidbar. Auch alle meine Freunde und meine Frau hören das so. Ja, es ist meiner Definition nach tatsächlich Musik, auf die ästhetische Kriterien angewendet werden können, was man da aus den Ohrmuscheln der Kopfhörer wahrnehmen kann.


    2.
    Der Unterschied, ob eine Klassik-Aufnahme technisch gelungen (natürlich, klar und durchsichtig....uvm.) oder misslungen ist (dicht, verschwommen, schrill...uvm.) ist auch hier, ja besonders hier wahrnehmbar, was u.a. an den hochwertigen Breitbandtreibern (dynamisch, magnetostatisch, elektrostatisch) und den im Vergleich nicht störenden Raumeinflüssen liegt, auch unter den Bedingungen der Einschränkungen der typischen Kopfhörerwiedergabe. Welche Lautsprecher reichen tonal und von der Klarheit und Auflösung her an die von mir genannten Hörer wie HD800, K812, LCD-X, oder auch Stax SR009 heran und kosten gleichzeitig genauso "wenig" wie die genannten KHs? Wieviel Aufwand (finanziell und baulich) muss man auch für diese Lautsprecher wie Geithain etc. hinsichtlich des Abhöraums betreiben, damit die ersten Violinen dann auch tatsächlich wie richtige Violinen klingen?
    Ist es eigentlich zielführend, von Freifeldvorführungen bei Lautsprecherwiedergaben auszugehen, wenn es doch bekannterweise solche Phänomene wie Regen, Schnee, Wind, Kälte, Störgeräusche, andere sich gestört fühlende Menschen....etc. in der Realität gibt? G.Nubert sprach einmal davon, dass man einen seiner Lautsprecher am Baukran draußen aufhängen und mit einem Mikro bei idealen Außenbedingungen aufnehmen müsste. Wenn man dann die Aufnahme mit der originalen Musikaufnahme vergliche, gäbe es so gut wie keine hörbaren Unterschiede. Meinem Eindruck nach ist es in der Praxis jedoch so, dass die meisten ihre Musik lieber im eigenen Haus, statt vom Baukran her, auf einer gegenüberstehenden Leiter sitzend zu hören. Gerade im Winter empfinde ich das jedenfalls als weitaus angenehmer.


    3.
    Ich habe schon viel Tonaufnahmen über Kopfhörer gehört und nehme für mich in aller Bescheidenheit in Anspruch, zu einer künstlerischen Beurteilung der gehörten Stereo-Tonaufnahmen im Stande gewesen zu sein. Manchmal hörte ich auch selbst erstellte Aufnahmen, z.B. als Pianist oder Organist. Wenn ich die Tonkunst soeben noch selbst produziert habe, dann soll ich zwei Minuten später plötzlich nicht mehr in der Lage sein, über Kopfhörer meine eigene Musik künstlerisch/ästhetisch beurteilen zu können, wenn sie denn in Stereo z.B. mit ORTF aufgenommen wurde und ich es mir über einen guten Kopfhörer anhöre?
    Dann kann Masaaki Suzuki seine eigenen Bachaufnahmen auf dem untenstehenden Bild wohl auch nicht beurteilen und wäre stattdessen besser nach Hause gegangen:



    Ich habe auch schon Stax Lambda Signature, Sennheiser HD 600, Sennheiser HD 580, Sennheiser HD25, Grado SR 125 und einige andere gehört, darunter AKG K271 und K271DF

    Ich empfehle einmal die von mir genannten neueren Spitzenmodelle der KH-Produzenten anzuhören.



    Die Schlußfolgerung aus meinen subjektive Hörtests ist, daß normale Kopfhörer einfach absolut ungeeignet zur ästhetischen Beurteilung einer Lautsprecher-Stereophonie Aufnahme sind.

    Nun kommen wir der Sache schon näher. Erstens ist hier von von subjektiven Hörtests die Rede (es wird also nicht nur wissenschaftlich-theoretisch gesprochen, sondern es wird zugegeben, dass es so etwas wie eine subjektive Wahrnehmung geben kann...) und zweites wird endlich eine Prämisse genannt, nämlich dass Aufnahmen vorausgesetzt werden, die für die Wiedergabe mit Lautsprechern produziert wurden (wie es bei den meisten der Fall ist).


    Die in Deinen Beiträgen aufgeführten Gründe für die Inkompatibilität von für Lautsprecherstereophonie erstellten Aufnahmen mit der Kopfhörerwiedergabe sind zwar zweifellos richtig, und ich verstehe sie auch.
    Dennoch ist die vorangestellte Behauptung, die gleichzeitig auch ein Fazit ist, eben nur dann richtig, wenn man eine theoretisch idealisierte Lautsprecherwiedergabe mit all den beschriebenen Bedingungen und Eigenschaften auch über Kopfhörer erzielen will. Wenn man aber mit der Kopfhörerwiedergabe (strenge Kanaltrennung, 90 Grad-Winkel...) rechnet und damit einstweilen leben kann, dann "funktionieren" eben normale Stereoaufnahmen durchaus auch über Kopfhörer. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn man in der Lage ist, sich die IKL abzutrainieren, was durchaus möglich ist.
    Der einzige Wachstumsmarkt im Hifibereich war in den letzten Jahren die Kopfhörersparte. Da sind billige Dinger für`s Handy miteingeschlossen, aber eben auch die von mir genannten teuren High-End-Kopfhörer, die alle einen enormen Aufschwung und auch klangliche Verbesserungen erlebten. Wenn da gar nichts funktionieren würde, dann fragt es sich, wieso Sennheiser, AKG &Co in den letzten Jahren überhaupt mehr als einen einzigen Kopfhörer verkaufen konnten.
    Und ja, ich maße mir an, auch ohne theoretischen Unterbau beurteilen und hören zu können, dass ein HD800 objektiv in einer anderen Liga als ein HD650 oder ein K701 spielt. Ich kenne in nationalen und internationalen Foren niemanden, der nach einem einfachen und kurzen Vergleichstest ernsthaft bezweifeln würde, dass man mit Spitzenmodellen bei vielen Klangparametern eine gegenüber den älteren Modellen verbesserte Wiedergabequalität in vielen Aspekten bekommt. Wenn dem nicht so wäre und es so etwas nicht gäbe, dann wäre es von Sennheiser schlicht und ergreifend idiotisch gewesen, nach dem HD414



    überhaupt noch neue Modelle entwickelt zu haben.
    Wenn ich AH nacheinander den HD414 und dann den HD800 mit normalen Stereoaufnahmen demonstrierte, würde er dann sagen, dass beide absolut und gleichermaßen zur ästhetischen Beurteilung einer Musikaufnahme ungeeignet seien und eventuell vorhandene Klangunterschiede ohnehin rein subjektiv und deswegen als irrelevant anzusehen wären? Dann wäre es ja dasselbe, ob man sich einen Spitzenkopfhörer aufsetzt oder sich zwei Telefonhörer an die Ohren hält, durch die man die Musiksignale links und rechts einer Stereoaufnahme leitet.



    Wenn man sehr kompromisslose Formulierungen mit geradezu absoluten Wahrheitsanspruch verwendet (wissenschaftlich-theoretische Erkenntnisse erlangen schon den Status von Naturgesetzen), dann muss man aus meiner Sicht auch ebenso scharf die Prämissen formulieren, unter welchen jene Aussagen tatsächlich gültig sind.
    Wenn ich die Aussage" Kopfhörer funktionieren im Prinzip kaum" einfach so als abstrakte und allgemeingültige Wahrheit ohne irgendwelche Prämissen ansähe, dann müsste ich konsequent sein und meine KH-Flaggschiffe in den Müll werfen, weil sie ja nicht funktionieren. Ich werde es jedoch nicht tun.
    Mir ist übrigens schon aufgefallen, dass eine Solovioline (Mozart, Violinkonzerte, Julia Fischer, Pentatone) bei der Kopfhörerwiedergabe von der Klangtextur her natürlicher tönte, als es bei Lautsprecher-Stereophonie in der Phantommitte der Fall war, obwohl die Aufnahme wohl nicht mit einer Jecklin-Scheibe gemacht wurde. Nun kann das sicher auch an den Lautsprechern liegen, am Raum etc. . Besser wurde es bei mir, wenn ich dieselbe Aufnahme statt in SACD-Stereo in SACD-5.1 abspielte, also ein Center und die andere LS beteiligt waren. Tonal kam es dann an den für mich natürlicheren Eindruck über Kopfhörer heran. Über die Stereoabmischung klingt es spitzer, dünner, rauher....irgendwie auch technischer.


    Zudem muss man auch erwähnen, dass die heutigen guten ohrumschließenden Hörer auf das Thema HRTF wenigstens im Durchschnitt alle vorbereitet sind, d.h. entzerrt. Die Aussage, dass man damit keine gute Klangqualität erzielen könne, möchte ich doch wenigstens relativieren.



    Als Naturwissenschaftler hat man dieses Problem mit der uninformierten Öffentlichkeit und es ist eine große Last.

    Wenn man denn an die Öffentlichkeit mit seinen Informationen geht, dann muss man ertragen wollen, dass Leute auf die geposteten Beiträge reagieren, eben auch Leute, die einen anderen Blickwinkel haben, über weniger Hintergrundwissen verfügen, usw. ...


    Ich finde auch, dass man die verschiedenen Ebenen bei der Herangehensweise an das Thema Hifi - und hier Kopfhörerstereophonie- klar unterscheiden muss.
    Einerseits kann man über idealisierte Vorstellungen in der Theorie und für zukünftige Entwicklungen sprechen (so ähnlich wie das Beispiel mit den am Baukran im Freifeld aufgehängten Lautsprechern) und andererseits muss man auch sehen, was man hier und heute als Klassikhörer praktisch umsetzen kann und welche Kompromisse man ggf. eingehen muss oder will.


    Einen K1000 kann man am Markt -wenn überhaupt- dann nur noch gebraucht bekommen, das BAP-Teil ist ja nicht der Weisheit letzter Schluss, und das Problemfeld mit Ersatzteilen, Reparaturen etc. gibt es ja auch noch. Zudem sind die Wandler an sich heute gegenüber dem alten K1000 (lt. Aussage von Kopfhörerfanatikern, die alles besitzen und es vergleichen können) klanglich besser geworden. Der K1000 mag von der Ortung und seiner Eigenschaft als Kopflautsprecher eine Pioniertat gewesen sein, doch perfekt (im Sinne von nicht mehr zu verbessern) war er auch nicht. Das Einzige, was ich jetzt tun kann, ist mir öffentlich zu wünschen, dass das Know-How und das verdiente Geld aus den Billig-Kopfhörern irgendwann einmal zusammenkommen, damit ein Modell entwickelt wird, dass ähnlich wie ein K1000 als Kopflautsprecher fungiert und die neuesten Entwicklungen bei den Schallwandlersystemen für Kopfhörer miteinbezieht, und auch bei der Basswiedergabe überzeugen kann.


    Leider ist es nun einmal so, dass die DG, EMI, Harmonia Mundi, Sony Classic, und wie sie alle heißen mögen, ihre Aufnahmen eben nicht mit einem Neumann Kunstkopf produzierten und produzieren. Selbst 2L, die ja auch nicht mit den A-Künstlern wie Thielemann etc. zusammenarbeiten können, bieten die Kunstkopfoption nicht an. Das bedaure ich sehr (auch die puristische One-Point-Geschichten sind ja nicht weit verbreitet), aber das Einzige, was ich tun kann, um das zu ändern ist wohl, dass ich hier den welterschütternden Satz poste, dass ich mir das wünschen würde. Man kann sich jedoch ausmalen, welche dramatischen Änderungen daraufhin folgen werden.
    Zudem sollte man auch erwähnen, dass es immer wieder Aussagen von Leuten gibt, die die IKL auch beim Hören mit Kunstkopfaufnahmen nicht verlieren.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich habe hier einmal die Wikipedia-Erklärunge des Ästhetik-Begriffes verlinkt.
    Vielleicht definierst Du erst einmal, was Du unter "ästhetischer Beurteilung" verstehst.


    Ich habe hier also gelernt, und mir wurde bewiesen, dass meine Kopfhörer "nicht funktionieren". Wenn ich mir also etwa eine Bachkantate mit Masaaki Suzuki über meinen AKG K812, dem Violectric V200 von der SACD-Stereospur anhöre, dann geht es demnach nicht, dass ich die Tonaufnahme überhaupt "ästhetisch beurteilen" kann, denn


    Hallo,


    ästhetische Beurteilung einer Tonaufnahme heißt, daß man Phantomschallquellen-Auslenkung auf der Stereo-Basis, Phantomschallquellen-Größe, Tiefenstaffelung, Klangfarbenneutralität und Transparenz richtig beurteilen kann.


    Phantomschallquellenauslenkung auf der Stereobasis (z.B. 25 % nach links ausgelenkt) ist mit Kopfhörern ohne Übersprechsimulation unmöglich.


    Phantomschallquellenausdehnnung (z.B. 10 % der Stereobasis) ist bei Kopfhörern sehr stark eingeschränkt.


    Tiefenstaffelung ist mit Kopfhörern nur schwer möglich.


    Klangfarbenneutralität ist bei Kopfhörern nicht oder kaum möglich, aufgrund der Trommelfellsignalspektren (Amplitudenfrequenzgang auf dem Trommelfell), das liegt an der HRTF


    Phasigkeit ist mit Kopfhörern eingeschränkt zu beurteilen.


    Transparenz kann man mit Kopfhörern beurteilen.


    Halligkeit kann man mit Kopfhörern beurteilen.


    Fünf der sieben wichtigsten Paramter einer Stereoaufnahme sind mit Kopfhörern also nicht oder eingeschränkt zu beurteilen.


    Die ästhetische Beurteilung einer Tonaufnahme geht nach klar definierten technischen Begriffen. Dafür gibt es klar definierte und allgemeinverständliche Fachausdrücke. Benutzt man diese, kann man das Klangbild einer Tonaufnahme allgemeinverständlich beschreiben.


    natürlich, klar und durchsichtig....uvm.) oder misslungen ist (dicht, verschwommen, schrill...uvm.


    Hier bist Du vermutlich auf die Lachsprache hereingefallen, die von der Lachpresse verbreitet wird. Schrill ?, verschwommen?, dicht?, natürlich? das gibt es alles nicht. Klar und durchsichtig bezeichnet man als transparent.
    Das ist genauso, wie die "knochenlose Tonmolluske" von Eduard Hanslick oder sein "traumverwirrter Katzenjammerstil" über Bruckner. Man kann diese Ausdrücke nicht deuten, da sie nicht definiert sind.


    Liebe Grüße


    Andreas


    P.S. Das geht z.B. auch in der Weinansprache. Ich beschreibe mal einen Wein:


    Geruch: Rote Früchte, vegetabile Noten (Methoxypyrazine)


    Geschmack: Geringe Bitterkeit, milde Säure, leicht süßlich


    Mundgefühl: Deutlich brennend, merkbar adstringierend, mittlere Mundfülle


    Subjektives ästetisches Urteil: Deutlich lagerbedürftiger (die Polyphenole müssen noch mit den Anthocyanen polymeriesieren, dann lassen Adstringenz und Bitterkeit nach) Rotwein mit sortentypischem Bukett. Arteigen und Reintönig.


    Robert Parker schreibt anders (Hanslick-Stil):


    Schwurmbellls sdlskdks sldkflskdposkl lsdflsdfjmlöslö mdsflksjdfjmnsklödf sdlöfös löskdfklösfmj ölsd,fmösld mjqamlöskdmf lösdf sföü+ö-ö. 95 Punkte.



    Ich will noch aufklären:


    Geruch beschreibt den nasalen und retronasalen Geruch (aus dem Rachenraum)


    Geschmack ist der Geschmack


    Mundgefühl ist ein oral trigeminaler Reiz (Gesichtsnerv), hier vor allem bei Wein relevant: Adstringenz (rauhes Mundgefühl durch eine Eiweiß-Gerbstoff-Reaktion), Brennen (Alkohol) und Mundfülle

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Hallo,


    danke für die begriffliche Erläuterung. Es schafft eine Basis beim Versuch einer Kommunikation.


    Hier bist Du vermutlich auf die Lachsprache hereingefallen, die von der Lachpresse verbreitet wird.

    Es freut mich, wenn ich etwas zu Deiner Erheiterung beitragen konnte.
    Es war einfach so, dass ich einen Höreindruck hatte, und in meiner ungebildeten Naivität mir anmaßte, diesen in der mir zur Verfügung stehenden deutschen Sprache "irgendwie" in Worte zu fassen. Kampfbegriffe gegenüber der Presse möchte ich aber gerade in heutigen Zeiten eher nicht verwenden. Meine Sicht auf die verschiedenen Magazine ist da etwas differenzierter. Es kann sein, dass der Informationsgehalt von einem Artikel auf den nächsten sehr schwankt. Grundsätzlich finde ich allerdings Beschreibungen von Klangeindrücken schon sehr interesssant, jedenfalls dann, wenn ein richtiger Klassikfreund schreibt und mit guten, klassischen Aufnahmen testete. Leider ist das bei Zeitschriften, die sich an das breite Publikum mit typischer Hifi-Musik (also Kari Bremnes, Diana Krall, Mark Knopfler.....bis zu Techno und AC/DC und noch mehr heavy....) selten der Fall. Die Klassikplatte wird im Nebensatz erwähnt - leider oft mit sehr geringer Aussagekraft.



    Klar und durchsichtig bezeichnet man als transparent.

    Aha. Wieder etwas hinzugelernt. Vielen Dank. Den Begriff habe ich in der Audiopresse auch schon gesehen...


    Dieser Dialog erinnert mich übrigens an meine erste Physikstunde im "gymnasialen Zweig der Höheren Handelsschule".
    Der Lehrer, im weißen Wissenschaftlerkittel (und mit dicker Hornbrille, die er immer auf-und absetzte, wie die Wissenschaftler in der Alpezin-Forte-Werbung) auftretend, erklärte uns eine Stunde lang, dass wir erst einmal lernen müßten, miteinander zu kommunizieren.
    So einfach auf deutsch zu reden, das ginge da überhaupt nicht. Echte Wissenschaftler sprächen eine eigene Sprache, ohne die jedwede Art von sachlicher Kommunikation völlig sinnlos, ja sogar lachhaft sei. Ohne den korrekten Gebrauch der Fachsprache und der wissenschaftlichen Denkweise sei ein konstruktiver Dialog innerhalb des Klassenverbundes zumindestens in der Physikstunde absolut unmöglich.
    Was kam dann später? Auch nichts anderes als F=ma usw.
    Nun ja....wir waren alle sehr beeindruckt bis eingeschüchtert. Heute, als Erwachsener, würde ich die Situation gerne noch einmal nacherleben, weil ich es (bzw. ihn) jetzt immer noch so amüsant finde....Vielleicht lebt er nicht mehr..


    Ich versuche einmal in meiner hoffnungslosen Lachsprache auf die genannten Punkte einzugehen:



    Phantomschallquellenauslenkung auf der Stereobasis (z.B. 25 % nach links ausgelenkt) ist mit Kopfhörern ohne Übersprechsimulation unmöglich.

    Natürlich richtig, wenn es um die exakten 25% Panning gehen soll (ich benutze einmal ganz frech meine Mischpult/Cubase-Sprache).
    Allerdings hörst Du auch mit dem Kopfhörer, ob ein Signal mehr von links oder rechts kommt, ja ich meine sogar, dass Du es aufgrund der fehlenden Übersprechung deutlicher oder "dramatischer" wahrnimmst, als es mit Lautsprechern möglich wäre. Irgendjemand sprach in diesem Zusammenhang einmal von "übertriebenen Stereoeffekten". Das kann man auch als Vorteil empfinden, weil auf diese Weise die Phantomschallquellen klarer als Einzelereignisse wahrgenommen werden können. Wenn man ganz genau herausfinden will, wo genau positioniert sich ein bestimmtes kleines Geräusch auf der Aufnahme befindet, dann kann ein hochauflösender Kopfhörer sehr hilfreich sein. Nicht umsonst wird der AKG K812pro auch und gerade an Studios verkauft. Die mischen zwar mit Studioabhören ab, aber man verwendet zur Gegenkontrolle eben auch gerne zwischendurch einen Kopfhörer, der dann möglichst neutral klingen soll, was nach Aussagen vieler Menschen mit dem K812 besonders gelungen sein soll. Ich höre das auch so.
    Zudem habe ich einmal eine Übersprechsimulation (Crossfeed) hören können, und empfand es als grobe Beeinträchtigung des Klangbildes. Die gedachte bzw. empfundene Räumlichkeit der Aufnahme ist da für mich zusammengebrochen. Ich habe allerdings auch kaum Probleme mit der IKL.



    Phantomschallquellenausdehnnung (z.B. 10 % der Stereobasis) ist bei Kopfhörern sehr stark eingeschränkt.

    Ich höre es so, dass ein Instrument, welches klanglich einen größeren Platz auf der virtuellen Bühne einnimmt, bei einem guten Kopfhörer so auch dargestellt wird.
    Wenn es um die gesamte Breite der Stereobühne geht, so ist es natürlich so, dass man z.B. bei einer Wagner-Orchesteraufnahme von der Lautsprecherwiedergabe kommend beim Wechsel auf den Kopfhörer erst einmal eine "Verkleinerung" der Gesamtdarstellung empfindet. Das ändert sich jedoch, wenn das Gehirn die Kopfhörerbedingungen erst einmal adaptiert hat. Auch dann kann eine Bühne breit und nahezu realistisch wirken. Mir hilft es dabei auch, wenn ich z.B. Musikfilme sehe, also die Orchestermusiker über den Bildschirm sichtbar werden. Irgendwann vergesse ich dann, dass ich ja eigentlich nur mit einem Kopfhörer höre und die Musik nur zwischen meinen Ohren stattfindet. Und das ist auch gut so. Allerdings glaube ich nicht, dass Du diesen Aspekt gemeint hast.



    Tiefenstaffelung ist mit Kopfhörern nur schwer möglich.

    Stimmt, aber nicht unmöglich. Es hängt von der Vorstellungskraft ab, von der Fähigkeit, die IKL (Im-Kopf-Lokalisation) zu überwinden. Wenn man sich mit geschlossenen Augen ein Bild von dem spielenden Ensemble macht, dann kann selbst das gehen. Ich gebe aber zu, dass es mit einem Lautsprecherpaar einfacher ist, die Hörner hinter den Streichern aus der Tiefe des Raums zu hören. Doch kurz vor Neujahr hörte ich einen Audeze-LCD-X zur Probe und kann mich gut an eine Stelle erinnern, bei denen die Hörner tatsächlich hinter den Streichern zu sitzen schienen. Das Hören mit Kopfhörern ist ebenso Kopfkino, als wenn einem die Oma eine gute Geschichte vorliest. Und, um Dich noch mehr mit der Lachsprache zu ärgern: Die Hörner wurden vom LCD-X mit glühenden Klangfarben erdig und vollmundig dargestellt, hatten etwas greifbar Konkretes und Körperliches, als wenn man sie bald begreifen könnte bzw. ihre Resonanzen körperlich spüren hätte können. Mir jedenfalls, der ich ja oft mit echten (auch Orchester-)instrumenten zu tun habe, kam die Echtheitsanmutung so gut wie noch nie gehört vor.... :baeh01:



    Klangfarbenneutralität ist bei Kopfhörern nicht oder kaum möglich, aufgrund der Trommelfellsignalspektren (Amplitudenfrequenzgang auf dem Trommelfell), das liegt an der HRTF

    Streng genommen auch sehr richtig. Weniger streng genommen muss man aber hinzufügen, dass die KHs dementsprechend entzerrt werden (sie haben also dann keinen linealglatten Frequenzgang) um das wieder auszugleichen. Bei den von mir genannten KHs ist das nicht nur meinem Eindruck nach sehr gut gelungen. Ebenso klingen sie so, dass man den Eindruck hat, dass sie vom Bass bis zu den Höhen in der Balance sind, also jeder Frequenzbereich korrekt und bruchlos dargestellt wird. Die Bruchlosigkeit hat m.E. auch damit etwas zu tun, dass sie breitbandig arbeiten können und nicht auf Frequenzweichen und mehrere "Chassis" etc. angewiesen sind. Man hat - wenn ich mich jetzt richtig erinnere- in den USA mit wissenschaftlich -empirischen Methoden eine Standard- oder Modellkurve für eine als natürlich empfundenen Frequenzgang entwickelt, die sozusagen eine Durchschnitts-HRTF durch viele Versuche ermittelte und zugrundelegte. Ich müßte im Netz länger suchen, um das zu finden.



    Phasigkeit ist mit Kopfhörern eingeschränkt zu beurteilen.

    Sicherlich stimmt das, aber ich hoffe ja immer, dass mir Aufnahmen unterkommen, die nicht phasig klingen. Falls das doch der Fall ist, dann kann ich es ja nicht ändern, es sei denn, ich bin derjenige, der die Aufnahmen selbst herstellt. Meistens ist das aber nicht der Fall. Wenn es über Kopfhörer weniger phasig klingt.....ist das dann nicht umso besser?



    Transparenz kann man mit Kopfhörern beurteilen.

    Ja! Und wie! Hier haben wir einen enorm wichtigen Punkt, der sehr für höchstwertige Kopfhörersysteme spricht. Genau diese Transparenz können nämlich nur wirklich gute und meistens enorm teure Lautsprecher unter sehr guten Bedingungen annähernd darstellen, wenn überhaupt.



    Halligkeit kann man mit Kopfhörern beurteilen.

    Auch: Ja! Und wie!


    Das Schöne beim KH-Hören ist doch, dass man sich gegenüber der reinen Stereodarbietung über Lautsprecher viel mehr in den Aufnahmeraum versetzt fühlt, sozusagen wenigstens dort akustisch hingebeamt wurde. Das sehe ich als Vorteil an. Bei den Lautsprechern muss man da schon einen nicht geringen Aufwand mit 5 oder 7 Lautsprechern plus Kanälen machen, um ein ähnliches Gefühl zu erzeugen. Neuerdings ist man bei Sennheiser/Neumann auf die Idee gekommen, vorne mit 4 Lautsprechern und Kanälen zu arbeiten. Sie nennen es 3D-Sound und arbeiten da gerne mit ihren KH120.
    Diese plastischen Tiefen-und Höhenwirkungen wird man beim Kopfhörer nicht erreichen. Allerdings kann man schon ein sehr gutes Gefühl des Eingehülltseins erzielen. Mir ist das besonders beim Vergleich K812/HD800 auf den LCD-X aufgefallen. Bei ihm ging der gefühlte Klangraum in der Vertikalen, also nach oben und unten beim Umsetzen von den Kontrahenten auf und man fühlte sich sehr angenehm eingehüllt.....und das auch "nur" mit Stereoaufnahmen. Auch hier tut es mir wieder leid, wenn meine Ausdrucksweise unwissenschaftlich ist. Aber genau so habe ich es empfunden.


    Mein theoretisches Fazit:


    Wenn Aufnahmen mit AB- oder ORTF, Kugelmikro usw. so hergestellt wurden, dass sie für die Wiedergabe mit Lautsprechern vorgesehen sind, dann ist eine theoretische korrekte Wiedergabe dann auch nur über entsprechend sehr hochwertige Lautsprecher in einem aufwändig den Freifeldbedingungen angenähertem Abhörraum erzielbar. Man muss hier allerdings auch bedenken, dass in einem Studio durchaus auch gewisse Reflexionen vorhanden waren (alleine schon das Mischpult), auch manchmal gewollte, die mit Diffusoren herbeigeführt wurden.


    Wenn Aufnahmen im Kunstkopfverfahren hergestellt wurden, dann sind sie nur korrekt mit einem guten Kopfhörer darstellbar.


    Mein praktisches Fazit:


    "Normale" Stereoaufnahmen klingen über Kopfhörer anders, als sie eigentlich gemeint waren. Es hat Vorteile (keine Raumeinflüsse, hohe Transparenz, noch bezahlbarer Preis, bei Spitzenhörern ein sehr natürliches, engagierendes und umhüllendes Klangbild, sehr genaue, schon übergenau separierte Darstellung im Stereopanorama (für mich nicht unbedingt ein Nachteil), hohe Impulstreue und "Schnelligkeit", bruchlose Klanglichkeit durch Breitband-Schallwandler, offeneres, luftiges Gefühl bei KHs mit offener Bauweise.


    Die Nachteile sind zunächst eine IKL (die überwunden werden kann), wenig Tiefenstaffelung, nicht der Aufnahme unbedingt entsprechend und von der Vorstellungskraft abhängig und dann die Sache mit der HRTF, die einen angepassten/entzerrten Frequenzgang erfordert, der natürlich einer gewissen Subjektivität Tür und Tor öffnet. Durch Auswahl eines entsprechenden Produktes kann man da gegensteuern, bzw. auch seinen Geschmack miteinbeziehen.
    Dann höre ich es so, dass Dynamiksprünge bei Lautsprechern dramatischer und echter wirken, als bei Kopfhörern.
    Zudem werden Tiefbässe bei großen Standlautsprechern oder auch Subwoofern spürbar, was ein Kopfhörer nicht bieten kann. Allerdings soll es ja da auch solche Vibrationsdinger geben.... ^^


    Also: unter nicht streng wissenschaftlichen Voraussetzungen funktionieren sehr gute Kopfhörer sogar sehr, auch mit Stereoaufnahmen. Es wäre besser, wenn es die gesamten Kataloge der Klassikfirmen auch mit Kunstkopfversionen gäbe, aber das ist eben nicht so. Wenn man sich auf ihre Prämissen einlässt, dann kann man mit ihnen ganz wunderbar klassische Musik hören und auch - mehr oder weniger- sie klanglich/aufnahmetechnisch beurteilen.


    Vor allem finde ich, dass man nicht vergessen sollte, dass es beim Thema Audio/Hifi etc. vor allem darum geht, die Illusion, das Gefühl des Dabeiseins bei einer guten Musikdarbietung herzustellen. Es kann nie darum gehen, genau den Originalklang zu erzeugen, jedenfalls nicht in den Dimensionen.
    Ein Wagner-Orchester fände in meinem Hörraum einfach nicht genug Platz, selbst mit einem Streichquartett wäre es schon eng...
    Zudem soll man ja nicht den mehr oder weniger trockenen Abhörraum hören, sondern sich so fühlen, als wäre man im Aufnahmeraum.
    Bei reinen Stereoaufnahmen sehe ich da Kopfhörer gegenüber zwei Lautsprechern im Stereodreieck sogar im Vorteil. Bei Surround-Mischungen relativiert sich das wieder.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Also: unter nicht streng wissenschaftlichen Voraussetzungen funktionieren sehr gute Kopfhörer sogar sehr, auch mit Stereoaufnahmen.


    Hallo,


    damit hat der Wissenschaftler jetzt ein Problem. Ich habe geschrieben, warum es nicht geht und Du behauptest das Gegenteil. Hier kann man nicht weiter diskutieren.


    Vor allem finde ich, dass man nicht vergessen sollte, dass es beim Thema Audio/Hifi etc. vor allem darum geht, die Illusion, das Gefühl des Dabeiseins bei einer guten Musikdarbietung herzustellen.


    Nein, ein altes Hai-Enten-Mißverständnis :) Stell Dir vor, Du sollst wissenschaftlich Verkehrslärm beurteilen (wie lästig der ist). Da braucht man etwas neutrales, zuverlässiges.


    Neutrale Hörbedingungen sind die Voraussetzung zur ästhetischen Beurteilung einer Tonaufnahme.


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • (Glockenton: ) Vor allem finde ich, dass man nicht vergessen sollte, dass es beim Thema Audio/Hifi etc. vor allem darum geht, die Illusion, das Gefühl des Dabeiseins bei einer guten Musikdarbietung herzustellen.


    (AH: ) Nein, ein altes Hai-Enten-Mißverständnis Stell Dir vor, Du sollst wissenschaftlich Verkehrslärm beurteilen (wie lästig der ist). Da braucht man etwas neutrales, zuverlässiges.


    Wieviel Prozent der Menschen kaufen sich ihre Anlage wohl aus einem wissenschaftlichen Interesse heraus? Sie wollen Musik hören, und das möglichst gut.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



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  • Also: unter nicht streng wissenschaftlichen Voraussetzungen funktionieren sehr gute Kopfhörer sogar sehr, auch mit Stereoaufnahmen.


    Hallo,


    damit hat der Wissenschaftler jetzt ein Problem. Ich habe geschrieben, warum es nicht geht und Du behauptest das Gegenteil.

    Das ist dann wohl ganz schön frech von mir. Aber wenn Du einmal auf meine schwarze Hervorhebung achtest: "Unter nicht streng wissenschaftlichen Voraussetzungen" steht da, was unter anderem bedeutet: in der Praxis des wirklichen Lebens.


    Zudem habe ich die Gründe, die mich zu diesem Fazit führen ausführlich dargelegt. Du ignorierst, wahrscheinlich weil ich nicht wie ein Lehrbuch der Chemie oder so etwas spreche. Vielleicht habe ich in einigen Jahren ja gelernt, adäquat zu kommunizieren.



    Hier kann man nicht weiter diskutieren.

    Nee, so geht das wahrscheinlich nicht, siehe oben.



    Neutrale Hörbedingungen sind die Voraussetzung zur ästhetischen Beurteilung einer Tonaufnahme.

    Ja, stimmt schon, nur dass ich eben keinen kenne, der diese mal eben so herstellen kann. Vielleicht sollten wir doch auf den Sommer warten, Stromleitungen verlegen und einige Geithains bei schönen Wetter, auf abgesperrtem Freifeld an Baukränen aufhängen.
    Dann hätten wir sie endlich, die Voraussetzungen zur ästhetischen Beurteilung von Tonaufnahmen. :jubel:
    Oder wir richten uns alle solche nahezu schalltoten Messräume ein:


    Warum auch nicht, da bekommt man doch richtig Lust, sich so eine Tonaufnahme aufzulegen.
    Dann nur noch mal juste ein paar absolut neutrale Lautsprecher um die Ecke besorgen oder selbst bauen, mit denen man die Phantomschallquellen-Auslenkung auf der Stereo-Basis, Phantomschallquellen-Größe, Tiefenstaffelung, Klangfarbenneutralität und Transparenz richtig beurteilen kann, und schon geht es los mit dem Spaß der ästhetischen Beurteilung von Tonaufnahmen! ^^


    Oder vielleicht etwas kompromissbehafteter so, was den Einbau der Lautsprecher und die Gestaltung der vorderen Wand betrifft:



    Der beschwerte Lautsprechereinbau etc. ist ja schon ok, aber dann die Verfärbungen durch das Mischpult und das Parkett.....so ganz neutrale Hörbedingungen sind das ja wohl noch nicht. Wie wollen die bloß überhaupt ihre Tonaufnahmen da beurteilen? :no:


    Falls irgendeiner diese Voraussetzungen der neutralen Hörbedingungn nicht erfüllt, muss ich ihm leider mitteilen, dass die Voraussetzungen zur ästhetischen Beurteilung von Tonaufnahmen beim nicht erfüllt sind. Es wäre doch nur konsequent, unter diesen Vorzeichen die CDs abzustoßen. :pfeif:



    Oder muss man im realen Leben ggf. doch Kompromisse eingehen?
    Wenn man das beim Thema Lautsprecher offensichtlich so gut wie immer tut, warum sollen dann in der Praxis, also unter nicht streng theoretischen Bedingungen Kopfhörer (bis auf den überall für jeden erhältlichen K1000, den man ja eigentlich als Grundausstattung eines ernsthaften Musikhörers voraussetzen sollte, wenn er doch nur ein BAP hätte, das keine Raumreflexionen simuliert) nicht dennoch zum Musikhören mit Stereoaufnahmen funktionieren können? Immerhin haben sie den großen Vorteil, der vernachlässigbaren Raumeinflüsse.
    Die anderen Gründe, weshalb man durchaus klassische Musik über Kopfhörer mit hoher Transparenz uvm (unter anderem auch Freude an der Musik) hören kann, habe ich oben aufgeführt. Es macht in der Tat keinen Sinn, das zu wiederholen.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)