Konzertbesuche und Bewertung


  • Heute spielte das Brentano String Quartet in der Stuttgarter Liederhalle. Dies amerikanische Streichquartett ist hierzulande noch nicht wirklich bekannt, obwohl es schon seit 1992 existiert, mehrere Wettbewerbe gewonnen hat und seit diesem Jahr als Nachfolger des Tokyo String Quartet Quartet-in-Residence in Yale ist. Am ehesten bekannt ist es bei uns für den Soundtrack zum Film A Late Quartet/Saiten des Lebens, der die Geschichte eines fiktiven New Yorker Quartetts erzählt. Sehenswerter Film übrigens.


    Heute nun also hier in Stuttgart, möglicherweise zum ersten Mal, auch ich bin dem Quartett bisher nicht begegnet.


    Das Konzert begann gleich mit einem der schönsten Quartette der klassischen Periode, nämlich Mozarts KV 575. Schon nach wenigen Takten wurden die Vorzüge des Quartetts deutlich: absolute Gleichwertigkeit der vier Stimmen und schlanker, vibratoarmer Klang, für Mozart genau das Richtige. Perfektion im Zusammenspiel als Selbstverständlichkeit, ein guter Start.


    Danach Schostakowitschs 11. Streichquartett, eines seiner bekanntesten. Auch hier die gleichen Vorzüge, allerdings fehlte ein wenig die Tragik, die russische Quartette wie Borodin in dieser Musik finden. Nichtsdestotrotz eine ausgewogene Darstellung.


    Nach der Pause dann das Streichquartett von Edward Elgar. Das bekommt man in Deutschland auf der Bühne selten zu hören. Dieses 1918 komponierte Werk ist rückwärts gewandt und klingt ziemlich nach Brahms. Lediglich der dritte Satz zeigt originelle Züge, aber auch die weit von der musikalischen Entwicklung dieser Jahre entfernt.Das Werk ist trotzdem hörenswert und die Darbietung durch die Brentanos war tadellos.


    Insgesamt also ein guter Abend, aber irgend etwas fehlte dann doch. Bei Quartetten wie Artemis, Belcea oder Ebene passiert irgendwie mehr, wird mehr Risiko gefahren und das teilt sich auch als Spannung dem Zuhörer mit, der dann vorne auf der Stuhlkante sitzt. Das fehlte heute. Meckern auf hohen Niveau!

  • Gestern im Berliner Konzerthaus, ein russisches Programm mit einem russischen Dirigenten, das ist doch schon vielversprechend:
    Modest Mussorgsky: Eine Nacht auf dem kahlen Berge, sinfonische Dichtung
    Dmitri Schostakowitsch: Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 Es-Dur op. 107
    Peter Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36
    Konzerthausorchester Berlin
    Tanja Tetzlaff, Violoncello
    Dirigent: Dmitrij Kitajenko

    Es begann mit einem furiosen Hexenritt, nicht einfach, hier immer die klangliche Perfektion in den Instrumentengruppen herzustellen, was aber sehr überzeugend gelang. Danach das Cellokonzert, was ich das erste Mal hören konnte. Unglaublich, was die Solistin hier leisten muss, sie sägte regelrecht ihr Instrument, im langsamen Satz kam viel ertragenes Leid herüber, gefolgt von der Kadenz. Erst gezupfte Fragezeichen, dann zunehmend sonorer werdender Ton bis zum Wutausbruch, der ins Finale überleitet. Das geriet ebenfalls ganz faszinierend mit überbordender Virtuosität und Vitalität. Riesenbeifall für eine grandiose Leistung. Anschließend das Hauptwerk, in dem sich Tschaikowskys erlebtes privates Schicksal widerspiegelt. Kitajenko beginnt das Werk mit ganz ruhigen Bewegungen und lässt die Musik sich behutsam entwickeln, am Schluss des ersten Satzes mit einer großen Emphase, bei der die Streicher auf der Stuhlkante sitzen. Es ist ein spannungsvolles Auf und Ab mit stets effektvoll herausgespielten Steigerungen. Das Orchester präsentierte sich in Hochform, immer wieder war auch zu beobachten, wie der Dirigent mit Blicken und Gesten auf die Solospieler eingeht. (Die Aufstellung in dieser Sitzordnung, Geigen links, Bratschen Mitte, Celli/Bässe rechts, mir gefiel das). Eine hoch emotionale Interpretation, die das Publikum zu Recht begeisterte. Kitajenko ist hier kein Unbekannter, seit 2012/13 Erster Gastdirigent und dem Konzerthausorchester seit den 1980er Jahren verbunden. Unter seiner Leitung ist das Werk ist wie andere Tschaikowsky-Sinfonien im vergangenen Jahr mit dem Gürzenich-Orchester Köln auf CD eingespielt worden.


    Mit besten Grüßen aus Berlin
    :hello:
    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Hallo,


    gestern hörte ich im Rahmen des "8. Internationalen JazzArtFestivals" in Schwäbisch Hall "Nik Bärtsch's Ronin"


    Im Jazz-Forum und dort im Thread "Der schönste Klang nach der Stille - Das Label ECM" habe ich 2 Beiträge gepostet; aus dem Beitrag Nr. 23 stelle ich nun über YouTube die Module Nr. 52 und 47 ein.


    https://www.youtube.com/watch?v=nLWUasaDH-k
    https://www.youtube.com/watch?v=wXQ9j05WpZU


    Auch gestern wieder der deutlich zu hörende Verweis auf Minimalmusik, was bei mir die Erinnerung an Simeon ten Holt wachruft.


    Ganz neu und so noch nie gehört: Wenn über ca. 7 Takte in einer Endlosschleife über mehrere Minuten das Ausgangstempo über accelerando und ritardando wieder zum Ausgangstempo zurück kehrt - initiiert vom Schlagzeuger - eine beachtliche Bandleistung.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Heute Abend war für mich die erste Gelegenheit, dass Artemis Quartett mit neuer erster Geigerin live zu erleben. Ich war im Vorfeld etwas skeptisch bezüglich des Programms. Gleich zwei Streichquartette von Brahms und dazwischen "nur" ein Kurtag erschien mir doch eine etwas einseitige Auswahl. Nun, ich muss zugeben, sie haben zumindest alles getan, um mich von diesem Konzept zu überzeugen. Es ging los mit Brahms op. 67, dass ich nicht so schlecht finde wie Felix und dass sie m.E. sehr schön gespielt haben. Ich hatte es lange nicht gehört, insofern fehlen mir aktuelle Vergleiche. Dann der Kurtag, das Officium breve in memorian Andrea Szervansky, eine Komposition aus 15 kurzen Sätzen a la Webern, die immer wieder fasziniert. Ein Stück, dass man besser ohne Publikum hört, denn hier stört jeder unterdrückte Huster und jedes Gerutsche auf dem Stuhl. Nach der Pause dann Brahms op. 51.1, dass ich innerhalb einer Woche jetzt zum vierten Mal gehört habe und ja, sie spielen es phantastisch. Völlig anders als Casals, aber nicht minder faszinierend. Und sie haben etwas geschafft, was selbst den Casalianern nicht gelungen ist, sie haben den drögen dritten Satz so gespielt, dass er nicht mehr dröge war. Vor allem durch Zurücknahme der Dynamik, ganz leise, fast getupft. Um dann im vierten Satz alle Zurückhaltung zu verlieren und auf volles Risiko zu gehen, das kam an beim Publikum. Keine Zugabe, die Autogrammstunde habe ich mir gespart.
    Ja, zusammenfassend kann man sagen, dass die Chemie zwischen den "alten Herren" und der Neuen stimmt. Ich kann keinen Abfall gegenüber früheren Zeiten feststellen und freue mich auf hoffentlich viele weitere Jahre mit diesem Spitzenquartett.

  • Gestern hatte ich ein für mich eher ungewöhnliches Konzerterlebnis. Der Kulturverein Leipzig etabliert gerade eine Reihe zu Architektur und Musik: d. h. an ausgewählten Orten werden mehrfach im Jahr Konzerte gegeben. Ein kleiner Vortrag zur Architektur des Gebäudes, gepaart mit einem musikalischen Programm von ca. 60-80 Minuten. Eine schöne Idee, wie ich finde.
    Gestern fand das Konzert im großen Ballsaal des ehemaligen Hotel de Pologne statt. Der im Neobarock gehaltene Saal wurde jüngst aufwendig restauriert und ist ein weiteres Schmuckstück in der Leipziger Innenstadt geworden. Ich gebe gern zu, daß mich insbesondere die Möglichkeit gereizt hat, mir den Saal einmal anzusehen. In diesem Saal werden zukünftig ebenfalls weitere Konzerte abgehalten (Klavierabend mit Ragna Schirmer, Liederabende etc.). Daß ich gestern ein für mich neues Repertoire kennenlernen durfte, war also eher ein Zufall.
    Es spielte die Camerata Bachiensis, ein jungen Ensemble, das 2011 gegründet wurde und sich auf das Spiel auf historischen Instrumenten (bzw. deren Kopien) spezialisiert hat. Sie waren im Jahr 2013 unter anderem 1. Preisträger des 7. Internationalen Telemann-Wettbewerbs, Magdeburg 2013 und des 1. Internationalen Premio Selífa Wettbewerbs, San Ginesio, Italien, 2013.


    Das Programm:
    1) Georg Philipp Telemann: Quartett C-Dur (aus Quatrième Livre de Quatours, Paris 1752) TWV 43: C1
    für Flöte Violine, Viola und Basso continuo


    2) Carl Philipp Emanuel Bach: Quartett D-Dur Wq 94 - H 538
    für Flöte Violine, Viola und Hammerflügel


    3) Georg Philipp Telemann: Quartett G-Dur TWV 43: G12
    für Traversflöte, zwei Violinen und Basso continuo


    4) Johann Melchior Molter (1681–1765): Sonata a quattro F-Dur MWV 9.20
    für Oboe, Violine, Viola und Basso continuo


    5) Johann Gottlieb Janisch (1708–1763): Quartett g-Moll
    für Oboe, Violine, Viola und Basso continuo


    Ich muß sagen, daß mir Barockmusik immer ein wenig fremd bleiben wird, das soll aber die Leistung der Musiker keineswegs schmälern. Allerdings empfand ich den Klang in den erstens drei Stücken als zu unausgewogen. Das Cembalo war deutlich zu laut, die Flöte sehr leise, was schade war, weil sie einen zauberhaften Ton hatte. Auch die Violine war nach meinem Empfinden zu forciert. Nach der Pause haben mir sowohl die Stücke als auch das Zusammenspiel besser gefallen. Der Klang war insgesamt ausgeglichener, das Zusammenspiel präziser, vor allem bildete die Oboe ein schönes Gegengewicht zu den Streichern, der Klang der Violine war ausbalancierter. Besonders gut gefallen hat mir der Traversflötist/ Oboist, der insbesondere im zweiten Teil einen zauberhaften Ton besaß. Die Cembalistin war hochvirtuos mit spielender Leichtigkeit aber eben leider im ersten teil zu laut. Der zweite Teil des Konzerts hat mir gut gefallen. Vielleicht wird es ja eines Tages mit mir und der Musik des Barock noch etwas, ich versuche es in kleinen Portionen weiter. Die nächste Gelegenheit wird das Bachfest sein, an dem sie erneut auftreten.
    Mit bestem Sonntagsgruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Zum Ausklang der Konzertsaison gab es heute Abend:

    Trio Skride - Müller-Schott - de Maistre




    Ibert Trio für Violine, Violoncello und Harfe
    Ravel Sonate für Violine und Violoncello C-Dur "À la memoire de Claude Debussy"
    Fauré Impromptu für Harfe solo Des-Dur op. 86
    Renié Trio für Violine, Violoncello und Harfe


    Die ungewöhnliche Zusammensetzung dieser Formation dreier inzwischen schon ziemlich bekannter Solisten und das ausgefallene Programm ließ einen interessanten Abend erwarten. Und man wurde nicht enttäuscht. Die Harfe ist nicht gerade mein Lieblingsinstrument, aber was Xavier de Maistre darauf veranstaltet, ist schon ziemlich eindrucksvoll.
    Der Ibert war ein guter Einstieg und im letzten Satz konnten sich die drei schon ganz gut austoben. Das setzte sich dann im Ravel fort, dem einzigen Stück, das ich überhaupt schon kannte. Und mir fiel auf, wie genial zukunftsweisend diese Komposition ist, das ist postmoderne Musik pur, hätte auch fürs Kronos Quartett geschrieben sein können. Baiba Skride (die ich zum ersten Mal live erlebt und niemals von ihren Coverfotos her wiedererkannt hätte) und Daniel Müller-Schott gingen bei diesem Stück in die Vollen. Großer Applaus.
    Nach der Pause dann ein wunderbares Impromptu von Faure für Harfe solo. Offensichtlich gab es im Publikum einen Feind des Harfenisten, denn irgendwann knallte ein Knallfrosch oder ähnliches. ?( Habe ich noch nie im Konzertsaal erlebt. Den Solisten ließ es unbeeindruckt und für die tolle Darbietung Riesenapplaus. Zum Schluss dann Henriette Renie - kennt hier sicher jeder - mit einem weiteren Trio für diese exotische Zusammensetzung. Henriette hat ihren Brahms sehr intensiv studiert und verinnerlicht, aber eigentlich ein sehr gutes Stück. Mir fiel auch auf, dass die Harfe zu den Streicher eigentlich viel besser passt als das Klavier. Da gibt es ja immer Balanceprobleme. Mit der Harfe nicht. Trotzdem, nach der Zugabe (wieder Ibert) hatte zumindest ich das Gefühl, an Harfe reicht es vorerst.

  • Gestern Abend habe ich einen sehr schönen Liederabend erlebt. Es sang um 19.30 Uhr im Konzerttheater Coesfeld
    Maximilian Kramer, Bassbariton, begleitet von
    Frank-Thomas Mitschke, Klavier;
    Vor der Pause gelangten sieben Balladen Carl Loewes zum Vortrag:


    - Heinrich der Vogler op. 56,
    - Die wandelnde Glocke op. 20,
    - Der alte König op. 116,
    - Prinz Eugen op. 92,
    - Die nächtliche Heerschau op. 23,
    - Graf Eberstein op. 9,
    - Die Uhr op. 123;

    Kramer und Mitschke haben sicher mit Bedacht diese Auswahl der Schumannschen Dichterliebe op. 48 vorausgeschickt, zumal der ganze Abend unter dem Motto stand:
    "Im wunderschönen Monat Mai".
    Bevor es also in die seelischen Abgründe der "Dichterliebe" ging, gab es doch durchaus in den ausgewählten Balladen Humorvolles zu beschmunzeln, auch wenn das wie ein Widerspruch aussehen mag. Bis auf "Die wandelnde Glocke" und "Der alte König" kannte ich sie auch alle aus meiner frühen Jugend, denn mein langjähriger Musik- und Klassenlehrer Karl Schweers war in seinen jüngeren Jahren auch ein ausgezeichneter Liedbegleiter und hat uns (mir) viele Balladen Loewes und viel aus dem Liedgut Schuberts, Schumanns, Mozarts, Beethovens' und Brahms' nahegebracht.


    Maximilian Kramer bestach durch ein warmes Timbre, eine ausgezeichnete Artikulation und ließ seine -Stimme durchaus auch mal dramatisch aufblitzen. Dabei stand der Ausdruck natürlich an erster Stelle, der durch entsprechende Gestik und Mimik je nach der Situation dramatisch oder humorvoll untermalt wurde.
    Als ein Beispiel seien nur die letzten drei Zeilen aus der letzten Strophe genannt:


    "Der Trompeter tät den Schnurrbart streichen
    Und sich auf die Seite schleichen
    Zu der Marketenderin",


    wobei das Wort "Schnurrbart" auch von Hermann Prey nicht besser hätte ausgedrückt werden können.
    War bereits die einleitende bekannte Ballade "Heinrich der Vogler" sehr gut beim Publikum angekommen, was auch den begeisternd vorgetragenen deklamatorischen Stellen zu verdanken war, so wussten Kramer und Mischke, der mehr als ein purer Begleiter war, sondern dem "Bechstein" alle Stimmungsschattierungen entlockte und auch die solistischen Stellen souverän gestaltete, auch in den weiteren Balladen voll zu überzeugen.
    Klug gewählt war auch "Die Uhr" als letztes Stück vor der Pause, nicht nur äußerlich, sondern auch inhaltlich, zeigte Ihr Inhalt doch durchaus schon in die Richtung dessen, was nach der Pause folgen sollte.


    So war denn die Dichterliebe der eigentliche Höhepunkt des Abends, auch wenn sich hier leider zeigte, dass im Publikum nicht nur erfahrene Liederabendbesucher saßen, denn der Vortrag wurde, bis auf die nahezu attacca gesungenen ersten drei Lieder mehrere Male von Beifall unterbrochen, so dass sich die Künstler immer wieder sammeln mussten, was Maximilian Kramer aber meist mit einem Lächeln quittierte.


    So war die Dichterliebe op. 48 gestern Abend ein Ereignis, in dem sich ein Höhepunkt an den anderen reihte, wobei meiner persönlichen Favoriten die Nr. 4 "Wenn ich in deine Augen seh", die Nr. 6 "Im Rhein, im heiligen Strome", Nr. 7 "Ich grolle nicht", Nr. 8 "Und wüßten's die Blumen, die kleinen", Nr. 9 "Das ist ein Flöten und Geigen", Nr. 10 "Hör ich das Liedchen klingen" und vor allem die Nr. 13 "Ich hab im Traum geweinet", das mir wie immer sehr ans Herz gegangen ist.
    Natürlich steigerte es sich in den letzten beiden Nummern noch in seiner dramatisch-tragischen Aussage und wurde von Sänger und Pianist adäquat wiedergegeben.
    Nach dem reichen Schlussbeifall gab das Duo noch eine Zugabe mit den Worten Kramers: "Damit der Abend nicht gänzlich in Tristesse versinkt, nun als Zugabe:
    "Frühlingsglaube" (D.686) von Franz Schubert";


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Da ja nun Mitternacht vorbei ist, darf ich auch von meinem Konzertbesuch vom 30. Mai 2014 im Gewandhaus berichten :)
    Auf dem Programm stand
    Johannes Brahms 2. Serenade A-Dur op. 16
    Wolfgang Amadeus Mozart, Ouvertüre zu Idomeneo KV 366
    Wolfgang Amadeus Mozart, Klavierkonzert in B-Dur KV595


    Nach berufsbedingt längerer Konzertabstinenz habe ich mich auf den gestrigen Abend ganz besonders gefreut. Für mich war die 2. Serenade von Brahms eine Premiere im Konzertsaal (dort scheint mir das Werk auch eher seltener aufgeführt zu werden). Überhaupt habe ich dieses Werk bisher nur selten gehört. Für eine kleine Orchesterbesetzung konzipiert herrscht ein warmer Grundton (auf Violinen hat Brahms in der Besetzung verzichtet). Das einführende Allegro moderato gefiel mir durch eine ungewohnte Süße und die leise verklingende Coda. Das folgende Scherzo ist mit seinem galoppierenden Rhythmus eingängig, doch nimmt es mich nicht so recht mit. Das Adagio ist dagegen ein wahrer Traum, zu dem Clara Schumann bemerkte: „Es ist wunderbar schön!" Und ja, das ist es. Auf das Quasi Menuetto, dem ich wiederum weniger abgewinnen kann, folgt das abschließende Rondo des von Brahms liebevoll genannten "zärtlichen Stücks". Chailly hat diese Zärtlichkeit in den langsamen Passagen wunderbar herausgearbeitet, auch wenn er sicher nicht zu den langsameren Interpreten gehören dürfte (ca. 29 Minuten Länge), unterbrochen durch die flott vorgetragenen schnellen Abschnitte. Daß ich mit diesem Stück immer noch nicht warm werden kann, ist sicher nicht ihm anzulasten.
    Die Ouvertüre des Idomeneo präsentierte er mit einem kräftigen, flotten Zugriff: ein kraftvoller (mitunter etwas zu kraftvoller) Mozart, bei dem mich für kurze Zeit Bedenken ergriffen, wie er mit einem solchen Zugriff dem Klavierkonzert Herr werde wollte. Aber diese Bedenken weilten nur bis zu den ersten Takten des Klavierkonzerts. Den lyrischen Beginn legte er so zart (aber nicht verzärtelt) und mit einem Maß an hintergründiger Schwermut hin, daß es ein wahrer Genuß war. Ab diesem Zeitpunkt konnte nichts mehr schiefgehen. Denn der Solist war Radu Lupu: als er mit seinem Klavierspiel einsetzte war vermutlich jedem klar, daß er einem besonderen Abend beiwohnen würde. Lupu, der auf einem ganz einfachen Stuhl, keinem Klavierhocker, saß, ist ein Meister des unaufgeregten, feinen Anschlags. Dies teilt er natürlich mit Ausnahmenpianisten, aber gestern traf er in allen Sätzen, im besonderen jedoch im zweiten Satz, einen unvergleichlichen Ton, der sich nicht nur durch Leichtigkeit auszeichnete. Er besaß in jeder Nuance eine hintergründig-zurückgenommene, im zweiten Satz jedoch dominierende Schwermut im Wechselspiel zwischen Klavier und Orchester, die über die Schattierungen der Töne geradezu erschütternde Züge gewann. Aufgefangen wurde man durch den letzten Satz, den Lupu in vollkommen unverkrampft virtuos-leichtem Spiel (vor allem in der Kadenz, allerdings mit einigen leicht unpräzisen Läufen) gestaltete. Dort blitzte an wenigen Stellen eine gewisse Sehnsucht auf, doch vermittelte er insgesamt eine große Zuversicht. Die Begeisterung zu dieser Leistung wollte schier keine Grenzen kennen, die Zugabe (der langsame Satz aus Mozarts C-Dur-Sonate KV 545) wurde mit stehenden Ovationen in einer Lautstärke bedacht, die ich so nicht im Gewandhaus erlebt habe: allerdings erlebt man auch nur selten ein solches Stück in dieser klanglichen Perfektion. Das war ein Abend voller Klavierpoesie in wunderbarem Einklang mit dem Orchester.


    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Eigentlich sollte Lorin Maazel sein Comeback bei den Berliner Philharmonikern geben. Leider sagte er krankheitshalber ab und es kam als "Ersatz" Semyon Bychkov, mit folgendem Programm:
    Richard Strauss: Don Quixote op. 35
    Franz Schubert: Sinfonie Nr. 9 C-Dur "Große"

    Bychkov dirigerte mit präziser Zeichensetzung und verstand es, die Feinheiten in der Strauss'schen Partitur gut herauszuarbeiten. Ganz hervorragend die beiden Protagonisten, der Solist Bruno Delepelaire am Cello und ihm gegenüber Solo-Bratscher Maté Szücs. Wunderschön die Dialoge der beiden, gut dargestellte Kontraste, aber nie überhöht und dazu ein anmutig leichter Orchesterklang, reich an Klangfarben, da war auch der Schalk herauszuhören. Musik zum Genießen, das Auge beeindruckte die kräftig angekurbelte Windmaschine im Orchester. Die Solobläser konnten sich alle in Hochform präsentieren. Bychkov bedankte sich bei ihnen, dem Konzertmeister und dem Cellisten herzlich, vergaß dabei leider den Bratscher, der sich erst beim zweiten Vorhang erheben durfte.
    Nun Franz Schubert, den konnte Bychkov auswendig und wie! Das Orchester wurde etwas verschlankt, was dem Ganzen aber nicht abträglich war. Sehr vital gleich der erste Satz, mit einer fließenden Leichtigkeit und Transparenz. Beeindruckend im zweiten Satz die dissonante Schärfe bei den Celli, die ich so selten gehört habe, wunderschön dann das Scherzo, in dem das Trio noch hervorragte. Und mit der gleichen Konsequenz ging es ins Finale, das sich wie die ganze Sinfonie schon mit überzeugender Natürlichkeit und Präzision entwickelte. Ein sehr gelungener Konzertabend!
    :hello:
    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • 2. Jubiläumskonzert der Cooperativa Neue Musik
    Sonntag 15 Juni 2014. Ev.-Reformierte Süsterkirche, Bielefeld
    Karlheinz Stockhausen: Stimmung für sechs Vokalisten, 1968


    Belcanto-Ensemble – Dietburg Spohr


    http://www.belcanto-spohr.de/index.php?lang=deutsch


    Claudia Gollmer, Alt
    Edith Murasowa, Sopran
    Gertha Park, Sopran
    Rica Rauch, Alt
    Martina Scharstein, Sopran
    Dietburg Spohr, Mezzosopran und Leitung



    Zu ihrem 25jährigen Bestehen engagierte die Bielefelder Cooperativa Neue Musik nun schon zum dritten Mal das Belcanto-Ensemble für eine Aufführung von Stockhausens Stimmung für sechs Vokalisten – wieder einmal stellte die reformierte Gemeinde ihre Süsterkirche in der Stadtmitte für die Aufführung zur Verfügung, ein Engagement für die Neue Musik in der Stadt schon seit Jahren, was eine lobende Erwähnung wahrlich verdient. Mich hat dieser Konzerttermin besonders gefreut, denn die Aufführung von Stimmung insbesondere mit dem Belcanto-Ensemble hat ihre Vorgeschichte, die „Stimmungs-Affäre“, von der ich durch Stockhausen selbst erfuhr, mit dem ich damals rege korrespondierte. Das Belcanto-Ensemble hatte das Stück am 25.11.1997 im Wiener Konzerthaus aufgeführt – aber nicht in der von Stockhausen vorgesehenen Besetzung mit Frauen- und Männerstimmen. Dies erregte zunächst Stockhausens heftigen Widerspruch. Im nachhinein hat ihn aber wohl die Standfestigkeit der emanzipierten Damen beeindruckt und es kam zu einer sehr freundlichen persönlichen Begegnung, wie mir Dietburg Spohr im Gespräch nach dem Konzert berichtete. Stockhausens „Einwand“ war u.a., dass die Liebe eine Sache ausschließlich zwischen Männern und Frauen sei... :D Frau Spohr ist bei ihrer Fassung nur für Frauenstimmen geblieben und die wunderbare Bielefelder Aufführung gibt ihr Recht: Vor allem klanglich ist diese Zusammensetzung nur mit Frauenstimmen von erlesener Schönheit! Stockhausens Stimmung dauert immerhin 70 Minuten – die Zeit wird einem aber keine Sekunde lang. Für Sänger ist diese Musik eine Herausforderung – nicht nur die für Europäer ungewohnte, traditionell in Asien praktizierte Technik des Obertonsingens müssen sie lernen, sondern das ständige Fluktuieren um einen Ton herum fordert allerhöchste Konzentration. Tongebung und das Zusammenspiel der Stimmen gelingen dem Belcanto-Ensemble perfekt. Man kann sich so ganz der Musik hingeben – die Ausführenden verschwinden gleichsam in ihrem Gesang. Das Gefühl, dass die Musik „vorgetragen“ wird, geht verloren – sie geschieht einfach. Ein größeres Kompliment kann man dem Ensemble eigentlich nicht machen. Es gab intensiven, sehr herzlichen und lang anhaltenden Beifall – der eine sehr menschlich-humoristische Note hatte, weil der Schluss der Aufführung durch die Kirchenglocken gleichsam eingeläutet wurde.


    Das Belcanto-Ensemble pflegt ein Repertoire, das sich weit spannt von Neuer Musik zu Alter Musik – Dietburg Spohr leitet die Kelkheimer Tage Alte Musik. Die neueste CD, erschienen bei ECM, ist eine Aufnahme des ORDO VITRUTUM von Hildegard von Bingen:



    Die ausführliche Vorstellung von Aufführung und Musik findet sich im Thread "Wer hat Angst vor Neuer Musik", Beitrag 218


    Schöne Grüße
    Holger

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Wieder ist in Berlin Young Euro Classic angesagt, das laut Veranstalter Festival der besten Jugendorchester der Welt. Sei es wie es sei, ich bin da schon gerne jedes Jahr dabei und sehr oft voller Begeisterung wieder nach Hause gegangen. Üblicherweise gastiert das Festival im Berliner Konzerthaus, das steht in diesem Sommer nun nicht zur Verfügung, alldieweil dort der Bühnenboden erneuert werden muss. So hat man sich aufgeteilt, etwas findet jetzt in der Philharmonie statt, etwas mehr dann im August im Admiralspalast, der ja eine gute Tradition als Konzertspielstätte des damaligen Berliner Sinfonie-Orchesters bis zur Konzerthauseröffnung aufzuweisen hat. Jetzt war das All-Russian Youth Orchestra zu Gast mit einem, wen wundert es, rein russischem Programm.
    Modest Mussorgsky: Vorspiel zur Oper "Chowanschtschina"
    Alexander Tschaikowsky: "Etüden in schlichten Farben"- Konzert Nr. 2 für Viola und Orchester mit Solo-Klavier op. 53
    Peter Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64
    Solist und Dirigent: Yuri Baschmet
    Dirigent (zu2): Claudio Vandelli

    Zu Beginn die übliche Festivalfanfare, ganz unüblich aber nur von den Streichern vorgetragen, wo eigentlich Trompete und Horn gefragt sind. Danach als nächste Pflichtübung die Begrüßung durch eine prominente Persönlichkeit, diesmal war es der aus dem Berliner "Tatort" bekannte Boris Aljinovic. Er musste natürlich auf die zurzeit vorhandene politische Lage Bezug nehmen, was er sehr behutsam tat. Aber Russland ist uns doch nicht fremd, was wäre Europa ohne die russische Kultur von Tolstoi, Dostojewskij, Puschkin, Gogol oder Schostakowitsch, Borodin, Tschaikowsky, so der Tenor seiner Ausführungen, in die er ein langes Zitat von Jewtuschenko einflocht. Dann begann das Programm.
    Im Vorspiel erlebte man dann den Sonnenaufgang über der Moskwa mit leichten Wellenbewegungen der Streicher, Vogelrufe der Oboe und eine sehnsüchtige Klarinette mit hübschem Solo.
    Nun Alexander Tschaikowsky. Geboren 1946, eigentlich Pianist, aber eben auch Komponist, mit dem berühmten Namensvetter besteht keine Verwandtschaft. Das Stück in vier Sätzen beginnt mit leisen Tremoli, gebrochenen Dreiklängen vermischt mit Tutti-Dissonanzen, dann übergehend zu einer expressiven Steigerung, die dann wieder abebbt und im Legato den Satz beendet. Heftig dann der 2. Satz mit aggressiver Motorik, immer angetrieben von der Solo-Bratsche, die sich mit dem Klavier duelliert. Der dritte Satz ist ein kurzes, etwas doppeldeutiges Intermezzo, bis dann es dann zum geballten Finale kommt. Hier kann der Solist alle Mögliichkeiten, die das Instrument bietet, auskosten, dabei wird ein kleiner Ausflug in den Jazz unternommen, bis es mit marschartigen Rhythmen zum effektvollen Schluss kommt. Ein recht ansprechendes Werk mit vielleicht einer Prise Schostakowitsch. Bashmet zeigte sich als meisterhafter Vollblutbratschist, der spielerisch beeindruckte.
    Für das Hauptwerk dann Bashmet wieder als Dirigent. Die fatal-düstere Einleitung wurde relativ zügig angegangen, danach nahm das Schicksal seinen Lauf, das ging alles mit viel Emphase und Leidenschaft einher, wobei Bashmet viel Körpereinsatz zeigen musste, um alles zusammenzuhalten. Wunderschön dann das Hornsolo im 2. Satz gemeinsam im Duett mit der wieder überzeugenden Klarinette. Etwas bedächtiger geriet der Walzer, bis dann sehr mitreißend und packend das Finale erreicht wurde. Hier gelang es gut, den Reichtum der musikalischen Empfindungen und die ernergievolle Explosivkraft herauszuarbeiten gegenüber dick aufgetragenem Freudentaumel, keine leichte Aufgabe für jeden stilbewussten Dirigenten, das wurde hier sehr gut gelöst.
    Das Orchester wurde 2012 von Yuri Bashmet gegründet, hatte seinen letzten großen Auftritt bei der offiziellen Abschlussfeier der Olympischen Spiele von Sotschi. Bei den Streichern ist die Weiblichkeit in der großen Überzahl, was bei den Bläsern und dem Schlagwerk sich dann ausgewogener darstellte. Es sind etwa 80 Orchestermitglieder im Alter von - man staune- 9 bis 21 Jahren. Und in der Tat, stellte der Dirigent zum Schlussapplaus seine 4 kleinen Geigenmädchen, einen blutjungen Cellisten und den ebenso sehr jungen 3. Trompeter dem Publikum vor. Die haben tatsächlich das gesamte Programm gemeistert, alle Achtung! Natürlich gab es großen Beifall und Bravos, worauf als Zugabe noch einmal die Coda aus der 5. Sinfonie gespielt wurde. Das war in der Tat kein alltäglicher Konzertabend.


    Mit besten Grüßen
    :hello:
    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Hallo,


    in einer kleinen Dorfkirche (mit mächtigem Turm, der 4 Glocken wegen)

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hirschlach

    habe ich gestern das Erlanger Baryton-Trio

    http://de.wikipedia.org/wiki/Baryton


    gehört mit 3 Trios von Haydn und 1 Trio von A. L. Tomasini, Schüler von Haydn und ebenfalls „Angestellter“ auf Esterhazy.


    Die in der Rückseite des Griffbrettes gespannten, stimmbaren Metallseiten (die zu greifenden Saiten auf dem Griffbrett sind Darmsaiten) habe ich wie folgt klingend gehört:
    1. Je länger und lauter einzelneTöne auf der Darmbesaitung erklingen, umso stärker kommen die Metallsaiten zum mitschwingen ohne dass diese mit dem Daumen der linken Hand gezupft werden.
    2. Zu Passagen von Viola und Cello wird dazu der „Generalbass“ gezupft; sind dies kurze, einfache Phrasen wird/kann die Darmbesaitung auch mitgespielt werden.
    3. Einfache Melodiephrasen in Viola und/oder Cello/Gambe werden mit dem Daumen mit gezupft ohne Griffe auf der Darmbesaitung.
    4. Bei lang ausgehaltenen gestrichenen Tönen, auch auf allen 3 Instrumenten, wird mit dem Daumen der dazu passende Akkord gezupft.


    Durch die Darmbesaitung hat das Baryton (im Unterschied zu dem Bariton) einen warmen, weichen, volltönenden Klang. Wenn wie bei oben 1. die Metallsaiten mitschwingen, bekommt das Baryton einen ganz leicht näselnden Klang, wobei die Metallsaiten nicht einzeln ausgemacht werden können. Bei 2.- 4. sind die gezupften Metallsaiten deutlich hörbar, in Abhängigkeit von der Stärke des Zupfens. Da nach dem Stimmen des Barytons sich die Darmsaiten schneller verändern können als die Metallsaiten, kann es zu ganz leichten Klangunreinheiten kommen.


    Das Konzert fand anlässlich des Kirchweihfestes statt, zu dem die Feuerwehr ein kleines Bierzelt aufgestellt hatte, in dem, bis auf die Getränke, ein kostenloser, reich bestückter Imbiss angeboten wurde. Mehrmals wurde geäußert, dass es ein wunderschönes Konzert war, bei dem man mit geschlossenen Augen davon schweben konnte – welcher Meinung ich mich voll anschloss.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Gestern war ein Tag, an den ich sicher noch lange zurückdenken werde. Nicht nur wg. dem furios-kuriosen 7:1 gegen Brasilien sondern auch wg. des Konzertes von Martha Argerich und Friends bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, das in weiser Voraussicht schon um 19:00 begann.
    Martha Argerich hatte ich erst einmal live erlebt und das war vor ziemlich genau 30 Jahren in der Hamburger Musikhalle, damals ein Soloabend. Die macht sie ja aber nicht mehr gerne und so hatte sie Lylia Zilberstein, deren beiden Söhne das Duo Gerzenberg und die junge Japanerin Akane Sakei mitgebracht.



    Das Konzert begann mit einer ziemlich flotten Darbietung der Mozart-Sonate durch Arg & Zil, die schon einmal sehr schön auf einen besonderen Abend einstimmte. Danach ein Kuriosum, die 1. Symphonie von Mendelssohn in einer Bearbeitung von Busoni für 8 Hände an zwei Flügeln. Ob das dem frühen Werk wirklich gerecht wird, kann man mit Recht und Fug bezweifeln, aber es war schon eine sehr interessante Variante, dargeboten von Familie Zilberstein plus der Japanerin.



    Nach der Pause dann wieder die beiden Damen mit dem selten zu hörenden Schumannwerk, bearbeitet für 2 Klaviere von Debussy. Das Duo Gerzenbach präsentierte dann eine sehr lichte und klangschöne Darbietung des märchenhaften Ravelwerkes. Und dann der Höhepunkt, Rachmaninoffs Suite für 2 Klavier Nr. 1, bei der Martha und Lylia dann ihre Pranken noch einmal richtig ausfuhren. Tumultartiger Beifall war die Folge. Ich hatte das Glück in der 3. Reihe vorne rechts zu sitzen und somit beim letzten Stück direkt vor Martha.



    Drei Zugaben in unterschiedlicher Zusammensetzung, u.a. ein Auszug aus Stravinsky Le Sacre für 2 Klavier mit Martha und Akane rundeten den Abend ab und liessen das bevorstehende Fußballspiel vergessen. Die erste Halbzeit deshalb auch am Autoradio verfolgt, auch mal wieder eine interessante Erfahrung.



    WOLFGANG AMADEUS MOZART Sonate D-Dur für Klavier zu vier Händen KV 381
    FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 11
    ROBERT SCHUMANN Sechs kanonische Studien für Pedalflügel op. 56
    MAURICE RAVEL Ma mère l’oye
    SERGEI RACHMANINOW Fantaisie-Tableaux. Suite Nr. 1 für zwei Klaviere op. 5

  • Hallo,


    wer kennt die Abteikirche in Neresheim? (Gombert kennt sie sicher) Für alle anderen stelle ich diesen Link ein. (Ich kann nur empfehlen, alle Bilder anzusehen.)


    http://de.wikipedia.org/wiki/Abtei_Neresheim


    Zu den Orgeln 2 kleine Ergänzungen: Es gibt inzwischen eine 2. Chororgel (die auch in dem Heft „Die Orgelwerke der Abteikirche Neresheim“ + noch nicht erwähnt ist) und ein Orgelpositiv Bj. 1730.


    Am 21.07. gab es ein Konzert unter der programmatischen Überschrift



    RAUMdialogKLÄNGE


    Bevor ich von dem Konzert berichte einige (gekürzte) Zitate aus + :
    „…Einer der wichtigsten Faktoren der Konzertgestaltung ist zweifelsohne der Kirchenraum… 83 m Länge und 32 m Höhe…“
    „…Festlich darf die Musik sein, aber auch schlicht und auf ein Minimum reduziert…Der Raum schwingt mit, wenn die Musik erklingt, die ihm genehm ist, und es rächt sich bitter, wenn gegen die 6-8 sec. Nachhall musiziert wird …und die Schallreflexionen tun ein Übriges für Musiker und Hörer...Manche Musiker/innen, welche die Akustik in ihre Interpretation einfließen lassen, bringen höchste künstlerische Leistungen auf einem kleinen Soloinstrument zustande (z.B. Flöte, Positiv oder je ein Instrument aus der Geigenfamilie) zur atemlosen Faszination der Zuhörer...“ ++
    „…Bei der Auswahl der Werke für Konzertaufführungen sind deren Besetzung und Kompositionstechnik zu berücksichtigen…Polyphone Klangstrukturen dürfen nicht zu einem amorphen Klangbrei verkommen…kleine Ensembles sind geeignet, große sinf. Werke mit entspr. Orchestern und Chören dagegen nicht…“
    „…Bei der Auswahl der Konzertmusiker ist sicher zu stellen, dass sie die Akustik der Kirche bewältigen können…besonders Organisten lernen schon Monate vor dem Konzert Kirche und Orgel kennen und machen sich dann Tage vor dem Konzert endgültig vertraut…“
    „… Mit der Aufstellung einzelner Musiker oder –gruppen an verschiedenen Standorten innerhalb der Kirche, werden unterschiedliche Klänge (und deren Eindrücke auf den Hörer) erzeugt. Der Orgelbauer Holzhay hat bei der Dimension und Disposition der Orgel den Kirchenraum und seine Akustik optimal berücksichtigt, sodass Orgelwerke mit großer Dynamik und solche mit intimer Registrierung gleichermaßen gut den Kirchenraum füllen…“
    „… An den Kirchenraum mit seiner speziellen Akustik haben sich nicht nur die Ausführenden anzupassen, sondern auch die Hörer, die durch die Perfektion der Musikindustrie verlernt haben können, bei der Musik auch den Raum mitzuhören…“



    Die Ausführenden am 21.07:
    Sebastian Küchler-Blessing, Orgel
    Franziska Hölscher und Byol Kang, Violinen
    Wen Xiao Zheng, Viola
    Clara Pouvreau, Cello



    J.S. Bach, Sinfonia zur Ratswahlkantate (BWV 29), bearb. f. Orgel Dupre/Küchler-Blessing -
    auf der großen Orgel über dem Westportal, mit entspr. Registrierung der Beweis, dass die Orgel den Kirchenraum mit festlichem Klang sehr gut füllen kann ohne das Gehör des Hörers zu „strapazieren“.


    J.S. Bach, Auswahl aus den zweistimmigen Inventionen (BWV 772-786) für Viola und Cello – gut mind. 30 m Richtung Altar von den Hörern entfernt - ++ ohne zum Klangbrei zu werden - entstanden kurzzeitig Akkordverbindungen, die das Harmonikgefüge von Bach deswegen nicht sprengen, weil sie immer sehr kurzfristig von der Bachschen Harmonik wieder eingeholt werden.


    J.S. Bach, Partita E-Dur (BWV 1006), Preludio, Solovioline – seitlich, mittig des Kirchenraumes rechts* – ein kleines „Wunder“, wie 1 Violine den Kirchraum ausfüllt.


    G.F. Händel, Orgelkonzert „Kuckuck und Nachtigall, incl. Orgel ad libitum (HWV 295) – alle Ausführenden um das Orgelpositiv, am Beginn des Kirchen“schiffes“ rechts stehend**; die Instrumente exakt zu hören, die Solostellen des Orgelpositivs (und nicht nur die) - einfach „zauberhaft“.


    I. Strawinsky, Elegie für Viola solo (1944) - seitlich zur Mitte vor dem Orgelpostiv – wie *.


    H.I.F. Biber. Passacaglia g-Moll für Solovioline - wie *.


    J.S. Bach, Auswahl aus der Suite Nr. 6 D-Dur für Cello (BWV 1012) - ** gegenüber links.


    Eugene Ysaye (1858-1931), Sonate Nr. 27, 2 Obsession, für Solovioline– auf ½ Höhe der Orgelempore, aber mittig Kirchen“schiff“ rechts.


    J.S. Bach, KdF (BWV 1080), Contrapunctus XIX, 4-stimmige Fuge, (letztes Werk mit offenem Schluss) - Streichquartett im Quadrat stehend (Seitenlänge ca. 6 m) links vom Positiv - ein Muster an Durchhörbarkeit, das langsame Tempo ist der Akustik geschuldet.


    W.A. Mozart, Fantasie f-Moll für eine Orgelwalze KV 608
    https://www.youtube.com/watch?v=qqKGg4F1Gg4
    Leider keine Einspielung auf der Orgel des Abteikirche


    Das war kein Konzert für Analytik – aber ein Erlebnis 1. Klasse für „Klangfanatiker“ (und Musik ist nun mal zuerst Klang).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Vor ausverkauften Hause fand gestern Abend in der Hamburger Musikhalle (Laeisz-Halle) ein Konzert des Schleswig-Holstein-Musikfestivals statt.


    Die wie gewohnt von Paavo Järvi dirigierte Deutsche Kammerphilharmonie Bremen war, da es sich um ein rein romantisches Programm handelte, natürlich verstärkt und trat mit 19 Bläsern (9 Holz, 10 Blech), 32 Streichern und Stefan Rapp an den Pauken an.
    Da das Orchester schon in der Normalbesetzung eine gehörige Dynamik entfaltet, nahm diese natürlich hier noch stark zu, wie sich schon in der einleitenden Hebriden-Ouvertüre op. 26 von Felix Mendelssohn offenbarte, in der Mendelssohn offenbar Naturerlebnisse beim Besuch der Fingals-Höhle verarbeitete.


    Dass Wasser in verschiedenen Formen und Stärken auftreten kann, ist schon öfter in Musikstücken "beschrieben" worden. Am bekanntesten dürfte wohl "Die Moldau" von Smetana sein, in der quasi alle Erscheinungsformen und Kräfte des Wassers geschildert werden, der zweite Satz in Beethovens sechster Sinfonie "Szene am Bach" zählt dazu, Schuberts "Forelle", Debussys "La Mer", aus den im Moment im Klavierforum besprochenen "Années de pèleringae" die Stücke "Au lac de Wallenstadt", "Au bord d'une source" (1. Jahr) und "Jeu d'eaux de villa d'este" (3. Jahr), Ravels "Jeux d'eau" oder Händels "Wassermusik".


    Die vielfältigen Erscheinungsformen des Wassers, vom sanften Wiegen und Spiegeln des Lichts bis zum Tosen der Wellen (z. B. in der Fingalshöhle) brachte das höchst inspirierte Orchester unter einem höchst inspirierten Dirigenten sehr eindrucksvoll zur Geltung. Järvi dirigiert ja bekanntlich sehr extrovertiert, dynamische Steigerungen dirigierte er mit dem ganzen, von Energie angespannten Körper. Den gelegentlichen Strecksprung auf dem Podium (auch bei der Ersten Brahms) hat er wohl von einem seiner letzten Lehrer, Leonard Bernstein, abgeschaut.
    War das Publikum nach der Ouvertüre noch nicht ganz auf Betriebstemperatur, sprich noch typisch "hanseatisch", so änderte sich dies nach dem zweiten Stück schlagartig.
    Als Zweites stand nämlich nochmal Mendelssohn auf dem Programm, sein Violinkonzert e-moll op. 64, das hier sicher nicht besonders vorgestellt zu werden braucht. Warum so viel Mendelssohn an einem Abend, ist leicht zu erklären: Mendelssohn ist dieses Jahr zentraler Punkt des Festivals, und es werden (und wurden) eine Vielzahl seiner Werke aufgeführt, u. a. alle Sinfonien, die Oratorien Paulus und Elias, Klavierkonzerte und Kammermusik.
    Das Violinkonzert spielte Julia Fischer, die ich schon zum zweiten Mal live mit diesem Stück erleben durfte, zuletzt vor zwei Jahren mit den St. Petersburger Philharmonikern unter Temirkanov in Essen.
    aber auch Paavo Järvi habe ich zum zweiten Mal live mit dem Stück erlebt, zuletzt ebenfalls beim SHMF vor einigen Jahren in Kiel. Damals spielte Hillary Hahn.
    Das Violinkonzert wurde von allen Beteiligten mit großer Freude und Konzentration auf ein sehr hohes Niveau gehoben. Das honorierte auch das Publikum, das nun, gar nicht mehr "hanseatisch kühl", in spontanen Jubel ausbrach. Julia Fischer gefiel mir auch noch ein wenig besser als zwei Jahre zuvor, wo sie schon auf einem hohen Niveau gespielt hatte. Aber die gestrige Vorstellung war schon grandios.


    Nach der Pause hatte Järvi mit seinem Orchester das Podium mit Brahms' Erster wieder für sich allein, und wer glaubte, nach dem furiosen Violinkonzert sei eine Steigerung nicht mehr möglich, sah sich getäuscht. Schon in der hochdramatischen Einleitung mit den unerbittlichen, am Ende stark crescendierenden Pauken wurde das klar.
    Dabei hatte ich anfangs insgeheim befürchtet, dass die doch starke Bläserfraktion die Streicher in den großen Steigerungen zudecken könnten, doch dem war nicht so. Die Streicher der Bremer können sehr dynamisch zu Werke gehen und taten dies an den entsprechenden Stellen auch.
    Und, um unseren lieben Liebestraum zu beruhigen, Järvi und sein Orchester saßen diesmal nicht im TGV. Sie spielten die Sinfonie in ganz normalem Tempo (gut 47 Minuten), aber mit hoher Spielkultur, einer überragenden Dynamik und dennoch transparent. So konnte ich an einer Stelle, ich meine, es wäre im 3. Satz gewesen, aus dem Tutti gut das Fagott mit verfolgen. Ebenso wie bei Mendelssohn stellte das Orchester nicht nur seine Fähigkeiten, die dramatischen Züge der Partitur adäquat zu gestalten, unter Beweis, sondern auch die lyrischen Passagen, namentlich die beiden Binnensätze und weite Teile des Finales-


    Fazit: Järvi und sein Orchester können nicht nur Beethoven, Mendelssohn und Schumann, sie können auch Brahms. Davon werde ich mich das nächste Mal in genau 4 Monaten in Köln überzeugen können, wenn die Erste Beethoven, das Duett-Concertino für Klarinette und Fagott von Strauss und die Vierte Brahms auf dem Programm stehen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zum Ausklang der Konzertsaison gab es gestern abend in der Stuttgarter Liederhalle ein Konzert mit Leif Ove Andsnes als Solisten im 3. Klavierkonzert von Beethoven. Andsnes beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit diesem Komponisten und hat auch schon zwei CDs mit vier der Konzerten auf den Markt gebracht, die überwiegend positiv aufgenommen wurden. Dementsprechend waren die Erwartungen hoch und wurden auch nicht enttäuscht. Andsnes Beethoven-Spiel ist brilliant und klar und technisch ohne Tadel. Er gewinnt dem oft gehörten Stück auch einige interessante neue Nuancen ab, spezielle in den Kadenzen und im zweiten Satz. Begleitet wurde die Darbietung von einem Orchester, dessen unter Norrington entstandener "Stuttgarter Sound" weitestgehend verschwunden war und durch einen eher breitwandigen nicht immer sehr differenzierten Klang ersetzt wurde. Dies geht mit Sicherheit auf das Konto des neuen Dirigenten. Zu Andsnes Spiel hätte sicher ein etwas "moderneres" Klangbild gepasst.
    Trotzdem großer Beifall, als Zugabe der letzte Satz der Appassionata.


    Nach der Pause dann die selten komplett zu hörende Ballettmusik zu Daphnis et Chloe von Maurice Ravel. Das Stück kenne ich durch Aufnahmen von Monteux, Munch, Boulez, Martinon und Dutoit ziemlich gut, habe es aber noch nie live gehört. Und Deneve konnte sich mit seiner Darbietung in die Reihe großer Vorgänger mühelos einreihen. Das Stück ist hochvirtuos, vergleichbar mit Stravinsky's Petrouchka, nur doppelt so lang und erfordert von Orchester, Chor, Dirigent und Hörer eine Stunde volle Konzentration. Es war schon bewundernswert mit welcher Perfektion hier über die gesamte Strecke agiert wurde, ich nehme an, parallel fand oder findet eine CD-Einspielung statt. Neben dem wirklich brilliant aufspielenden Orchester kam natürlich auch das weltberühmte SWR Vokalensemble voll zum Zuge. Ein echter Hammer war das zum Saisonende, die Programmvorschau für die nächste Saison sieht auch sehr vielversprechend aus, so dass ich wohl wieder etwas öfter zum RSO gehen werde. :jubel:

  • Hallo,


    wer kennt Wolframs-Eschenbach und das dortige Münster? (verwunderlich, wenn Gombert keine Kenntnis hätte.) Für alle Anderen stelle ich diesen Link ein.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Wolframs-Eschenbach


    Im Rahmen der Konzertreihe „Fränkischer Sommer“ gab es am 25.07. ein Konzert „Romantik Pur“ zu hören.
    Ausführende: M. Heeschen, Sopran – M. van Eldik, Alt – A. Post, Tenor – J. Orlishausen, Bass – R. Kaufmann, Klavier - Kammerchor der Uni Erlangen-Nürnberg – Leitung J.C. Tölle (der zugleich Intendant der Konzertreihe ist – und mir schleierhaft ist, warum er dieses Konzert in diesem Kirchenraum aufführen ließ?).


    Vor der Pause:
    R. Schumann, gem. Chor:
    Im Walde („Es zog eine Hochzeit den Berg entlang…Eichendorff) op. 75,2 **
    Die Fremden, Fr. Rückert, nach Kinderszenen op. 15,1, arr. V.S. Andreas
    Zigeunerleben, E. Geibel, op. 29,3


    R. Schumann, Frauenchor:
    Rosmarien (aus „Des Knaben WunderhornW“), op. 91.7
    Der Wassermann. J. Kerner, op. 91,9
    In Meeres Mitten, Fr. Rückert, op. 91,2


    An die Sterne, Fr. Rückert, op. 141, 1 – 8-stimmiger Doppelchor
    Gute Nacht , Fr. Rückert, op. 59,4, gem. Chor


    G. Mahler, Ich bin der Welt abhanden gekommen, Fr. Rückert, für 16 Stimmen, arr. C. Gottwald ***


    **Hier wurde eine 2. Strophe gesungen, die es im Kunstlied nicht gibt:
    „Der Bräutigam küsste die blase Braut,
    die Mutter sprach leis‘, „Nicht klagen!“
    Fort schmettert das Horn durch die Schluchten laut,
    es war ein lustiges Jagen!“
    Ich kenne das Schumann‘sche Kunstlied gut – weswegen mir der Chorsatz nicht zusagte und die 2. Strophe zerstört das "geheimnisvolle" Kunstlied.
    ***Auch hier erreicht das Chorarrangement nicht das Mahler'sche Original ; lag es am Arrangement oder bin ich so auf das Original fixiert?


    Nach der Pause:
    R. Schumann, Oratorium „Der Rose Pilgerfahrt“, op. 112, Text Moritz Horn (überarbeitet von R. Schumann). Es kam die Originalfassung für Klavier zur Aufführung, die der Fassung für (großen) Chor und Orchester, allein schon wegen der besseren Durchhörbarkeit (und wegen der märchenhaften Intimität), vorzuziehen sinnvoll erscheint.


    Um den Inhalt der „Story“ erfassen zu können, ist der Text unverzichtbar:
    http://www.recmusic.org/lieder…xts.html?SongCycleId=1165
    Abgesehen von der Unlogik der „Handlung“, kann ich den Text nur aushalten, wenn ich mir den damals üblichen (?) Gefühlsüberschwang vor Augen führe und jeden Versuch unterlasse, einen heutigen Bezug herzustellen.



    Schumanns Musik ist „Romantik pur“ und unter diesem Gesichtspunkt „ein Leckerbissen“. Bei sehr guter Textverständlichkeit aller Ausführenden waren die dem romantischen Inhalt geschuldete Interpretation und die musikalische Ausführung einwandfrei; besonderes Lob dem intonationsrein singenden und stimmlich sehr gut aufgestellten Chor.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber zweiterbass,


    da haben wir ja zufällig am gleichen Tag ein Konzert "Romantik Pur" erlebt, nur einige hundert Kilometer auseinander. Aus dem Programm, das du erlebt hast, kenne ich "Der Rose Pilgerahrt" mit Frühbeck den Burgos und natürlich Mahlers "Ich bin der Welt abhanden gekommen". Übrigens, wenn du so auf das Lied fixiert bist, hast du diese Box?:

    Wenn ja, weißt du, wovon ich spreche, wenn nein, kann ich sie dir sehr empfehlen. Außer den diversen Mahlerschen Werken mit Spitzenkünstlern, z. B. den "Liedern eines fahrenden Gesellen" aus dem Jahre 1952 mit Fischer-Dieskau und Furtwängler sind auf CD 16 allein 7 Versionen dieses schönen Liedes enthalten: Dame Janet Baker mit Sir John Barbirolli, Christa Ludwig mit Gerald Moore, Christa Ludwig mit Otto Klemperer, Dietrich Fischer-Dieskau mit Daniel Barenboim, Thomas Allen mit Jeffrey Tate, Brigitte Fassbaender mit Irvin Gage und Katarina Kanréus mit Roger Vignoles, außerdem vorher noch im Fünferblock der Rückert-Lieder Thomas Hampson mit Wolfram Rieger.


    Nun, mein Konzerterlebnis "Romantik Pur" (Posting Nr. 1005) fand in Hamburg statt:


    Mendelssohn: "Die Hebriden", Konzert-Ouvertüre op. 26,
    Mendelssohn: Violinkonzert e-moll op. 64,
    Brahms: 1. Symphonie c-moll op. 68;


    Mitwirkende: siehe oben!


    Offtopic: Nachdem meine Tochter die Folgen ihres schweren Fahrradsturzes aus dem März überwunden hat, hat sie sich heute für die Challenge Roth 2015 angemeldet (12. Juli 2015).


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • da haben wir ja zufällig am gleichen Tag ein Konzert "Romantik Pur" erlebt, nur einige hundert Kilometer auseinander. Aus dem Programm, das du erlebt hast, kenne ich "Der Rose Pilgerahrt" mit Frühbeck den Burgos und natürlich Mahlers "Ich bin der Welt abhanden gekommen". Übrigens, wenn du so auf das Lied fixiert bist, hast du diese Box?:

    Lieber William B.A.
    nachdem mein Konzert weit überwiegend ein Chorkonzert war, unterstelle ich mal, dass es noch mehr romantisch war. Deine Aufnahme "Der Rose Pilgerfahrt" ist die Orchesterfassung.
    Ich habe von Mahler die DG Complete Edition.



    Offtopic: Nachdem meine Tochter die Folgen ihres schweren Fahrradsturzes aus dem März überwunden hat, hat sie sich heute für die Challenge Roth 2015 angemeldet (12. Juli 2015).

    Auch "Offtopic": Ich lade Dich und Deine Tochter erneut zu einem Tagesausflug in die frk. Schweiz ein - E-Mail-Adresse? (wer hilft? Alfred?).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Heute Abend wurde das 23. Gitarrensymposium Iserlohn mit einem richtig guten Konzert eröffnet.


    Der 14-jährige Chinese Junhong Kuang spielte BWV 998 und 5 Capriccen eines Komponisten namens Legnani. Kuang hatte auch das letztjährige Symposium eröffnet, war mir da aber noch als "zu technisch" aufgefallen - dieses Jahr spielte er schon wesentlich musikalischer und offenbar weniger verkrampft. 998 kam wirklich gut, sehr flüssig und mit den richtigen Akzenten, die Stücke Legnanis kannte ich vorher nicht - guter Durchschnitt.


    Dann kam der wunderbare Pavel Steidl aus Tschechien, ein technisch extrem versierter Gitarrist, der sein großes Können zum Teil für Klamauk auf höchstem Niveau (Gestik, Mimik, Grifftechnik) verwendete und so eine akustisch und optisch sehr ansprechende Leistung ablieferte. Im Wesentlichen wurden tschechische Komponisten gespielt, auch hier war jedes Stück für mich neu. Steidl wurde völlig zu Recht mit Standing Ovations verabschiedet.


    Nach der Pause kam dann das Duo Bandini Chiachiaretta, das bereits zweimal in Iserlohn aufgetreten ist und mir jedesmal ganz ausgezeichnet gefallen hat. Bandini ist auch einer von den Weltklassegitarristen und Chiachiaretta kann mit jedem argentinischen Meister auf dem Bandoneon mithalten. Die beiden bilden zu zweit bereits einen kompletten Klangkörper, der eigentlich einer Ergänzung nicht bedarf, und sie eigentlich auch nicht vertragen kann, ohne das spezifische Klangbild einzubüßen; zumindest dachte ich das bisher. Heute wurden die beiden aber von den Cerrato Brothers ergänzt, einem Geiger und einem Violinisten, und diese vier haben eine sehr anspruchsvolle und begeisternde Mixtur aus Sätzen aus Vivaldis 4 Jahreszeiten und argentinischem Tango von Piazzolla geboten, präzise und mitreißend. Als Da Capo gab es noch eine hinreißende Version von Libertango. Ebenfalls Standing Ovations.


    Ich habe selten einen Konzertabend mit verschiedenen Künstlern erlebt, bei dem ich nicht das Geringste zu meckern hatte.


    Spaß machte auch der stellvertrende Bürgermeister, der so brav und politisch korrekt in seiner Ansprache zur Eröffnung von den Bürgerinnen und Bürgern, den Zuhörerinnen und Zuhörern und den Dozentinnen und Dozenten sprach, daß ich mich gewundert habe, daß er nicht das Iserlohnerinnen-und-Iserlohner-Gitarrensymposium eröffnet hat.


    Auch die nächsten Abende versprechen hohe Qualität, am Dienstag kommt z.B. u.a. das weltbeste Gitarrenquartett, das LAGQ (Los Angeles Guitar Quartet), und am Freitag der beste Gitarrist unserer Zeit, Jorge Caballero.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich bin vorhin ein einem Kozert aus Köln zurückgekehrt, dem ersten in meinem diesjährigen Klavierabo. Pierre-Laurent Aimard gab den Inhalt dieser Doppel-CD zum Besten:

    Leider war das Auditorium nur gut zur Hälfte gefüllt, was m. E. eher an Bach liegen dürfte als an Aimard, denn dieser ist auch Professor an der Kölner Musikhochschule, und eine ältere Dame sagte beim Verlassen des Konzertes: "Nie wieder Bach", sie sagte nicht "Nie wieder Aimard". Das verstehe ich irgendwie nicht, denn ich habe im Laufe der Zeit doch eine Reihe von Bach-Konzerten erlebt, allerdings mehr Vokalwerke als Instrumentalkonzerte, allerdings nun schon zum zweiten Male das WT, das erste Mal von Schiff.
    Als ich vor Jahren das WO von Bach in Köln erlebte, war das Auditorium auch nicht ganz gefüllt, im Gegensatz zu Essen, da war aber auch Herreweghe aufgeboten, aber in beiden Konzerten, jedoch in einem Abstand von mehreren Jahren, gab es den gleichen Evangelisten, Christoph Prégardien. Allerdings muss das vor Jahrzehnten noch anders gewesen sein, als Günter Wand noch jedes Jahr an Karfreitag die Matthäuspassion aufführte und vor dem Konzert immer den damaligen Oberhirten von Köln, Joseph Kardinal Frings persönlich an seien Platz führte.
    Aimard hat seine Sache nach meiner Ansicht (ich bin in Bachs Klavierwerken nicht so bewandert wie bei Beethovn, Mozart und Schubert) ausgezeichnet gemacht, allerdings hatte ich mit einer Unart seines äußeren Erscheinungsbildes zu kämpfen, dass mich doch manchmal in meiner Konzentration gestört hat: er machte fasst immerfort mit geschlossenem Mund Kaubewegungen, und, was das Seltsame war, im Rhythmus der Präludien bzw. Fugen.
    Weiter konnte ich an Positivem feststellen, dass mich die Arbeit mit den Beethoven-Sonaten, aber auch die Kenntnis von tonartgleichen Werken anderer Komponisten (z. B. die Es-dur-Sonaten von Beethoven: Nr. 4, 13 und 26, die 5. Symphonie von Tschaikowsky (e-moll), die f-moll-Sonaten von Beethoven (Nr. 1, 23), die A-dur- und As-dur-Sonate von Beethoven (Nr. 28 und 31), die B-dur-Sonaten von Beethoven und Schubert), um nur einige Werke zu nennen, im Erkennen der Tonarten schon vorangebracht hat.
    Alles in allem waren das gut zwei Stunden ausgezeichneten Bach-Musizierens, und da die meisten Zuhörer nicht nur Aimard, sondern auch Bach-Anhänger waren (außer der erwähnten Dame), war denn auch verdienter anhaltender Beifall der Lohn für Aimards Mühen, der nach dem Konzert auch erschöpft war.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    vor vielen Jahren hörte ich mal das WTK 1 im Palais Wittgenstein in Düsseldorf von einem Kölner Professor (Namen habe ich leider vergessen). Mein Lehrer F.-J- B. meinte nur, dass sei eine bewundernswerte Gedächtnisleistung, diesen Zyklus auswendig (!) aufzuführen. Das sollten die Hörer eigentlich zu schätzen wissen! Aimard hätte ich auch sehr gerne gehört! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Hallo,


    zwei Orgelkonzerte auf sehr unterschiedlichen Orgeln:


    13.09. Klosterkirche St. Michel, Neunkirchen am Brand (nördl. von Nürnberg, an der Grenze zwischen Mittel- und Oberfranken).


    KMD Roman Emilius, Regensburg, spielte:
    J. S. Bach – Präludium Es-Dur BWV 552, 1 und Choralpartita BWV 767
    M. Reger – Toccata d-Moll op. 59,5- Pastorale op. 59,2- Scherzo op. 65,10- Fuge op. 59,6
    W. A. Mozart – Sechs Deutsche Tänze, KV 509
    J. S. Bach – Toccata, BWV 565- Choralpartita BWV 654- Fuge BWV 552,2


    Zur Orgel diesen Link
    http://www.orgelbau-klais.com/…/Neunkirchen-am-Brand.pdf
    Durch die Verschiedenartigkeit der Orgelwerke konnte die geglückte Rekonstruktion überzeugend demonstriert werden.





    21.09. Pfarrkirche St. Johannes, Kitzingen
    Zur Orgel diesen Link
    http://de.wikipedia.org/wiki/St._Johannes_(Kitzingen)


    Stiftsorganist Matthias Giesen, St. Florian(Linz), spielte:
    J. S. Bach – Phantasie und Fuge BWV 542, Choralbearbeitung BWV 684
    J. G. Albrechtsberger – Praeludia I, III, IV aus Praeludia vel themata
    R. Schumann – Vier Skizzen für Pedalflügel op. 56
    G. Ligeti – Ricercare (Ommagio a Giralomo Frescobaldi)
    F. Liszt – Phantasie und Fuge über B-A-C-H (Orgeltranskription durch den Organisten)
    Zugabe: Improvisation über das Thema des 1. Satzes der 6. Bruckner-Symphonie.


    Aufgrund der Disposition ist diese Orgel für romantische Orgelwerke sehr geeignet. Schumann und Liszt haben mich sehr angesprochen, Ligeti war für mich überraschend gut zu hören – die Krönung des Konzerts war jedoch die Improvisation als Zugabe; ich war hellauf begeistert und so bewegt, dass ich den Organisten beglückwünscht habe. (Leider gibt es die Improvisation nat. nicht auf CD.)


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Am Freitag in der Köln Philharmonie, WDR Synfonieorchester.
    Zuerst der Sturm von Sibelius. Schön, nett. All die fleißigen Schlagzeuger. Da ging es ordenttlich rum, da gabs was auf die Ohren. Ein schöner Einstieg, vor allem, wenn man in letzter Minute reingehastet gekommen ist.


    Dann das "Trio concerto" von Rihm. Hab ich ja an anderer Stelle schon was zu geschrieben. Die Zeit schien stillzustehen.


    Dann der Höhepunkt nach der Pause: die 5. von Sibelius. Sarastre scheint ja Sibelius zu mögen. Und Achtung scheint er vor ihm zu haben, so genau, wie er es nimmt. Das klingt alles sehr exakt, sehr rational. Umso schöner, dass es ihn im Laufe der Musik dann doch einfach mitreisst und es immer wilder und emotionaler zugeht. Am Schluss daher eine echte Explosion.


    Das war schön.


    (Danach dann eine völlig verstopfte Autobahn....)

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Gestern im Konzert:


    Robert Schumann: Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61
    Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73
    Berliner Philharmoniker
    Dirigent: Sir Simon Rattle


    Das Musikfest Berlin ist zu Ende und als Höhepunkt sollte der Schumann-Brahms-Zyklus der Philharmoniker dienen, jeweils an einem Abend eine Schumann- und eine Brahms-Sinfonie. Also vier Konzerte. Das Musikfest ist nun vorbei aber jedes Konzert hat noch eine Wiederholung und so war ich nun bei den beiden zweiten Sinfonien. Ich geb zu, kein Fan von Sir Simon zu sein und habe zuvor die Kritiken im Berliner "Tagesspiegel" lesen können, die so ziemlich einen Verriss darstellten. Davon wollte ich mich frei machen und gab mich ganz unvoreingenommen den beiden schönen Stücken hin. Und siehe da- was für eine Überraschung. Was da im Schumann zu hören war, abgesehen vom ungenauen Bläsereinsatz zum Beginn, das ließ sich allemal gut an. In der Streicherbesetzung etwas übersichtlicher, was dem Werk sehr zugute kommt, besonders in den irre schnellen Streicherpassagen im 2. Satz, die so gut durchhörbar waren. Rattle dirigiert sehr akribisch, gibt präzise jeden Einsatz, verliert sich aber nicht wie sonst manchmal in den Details sondern hat sehr wohl das Ganze gut im Griff. Wunderbar der langsame Satz, das war schon ein musikalischer Hochgenuss zum dahinschmelzen. Das Finale gestaltete sich dann schon recht pompös, so dass man fast glauben könnte, schon beim Brahms angelangt zu sein. Aber mir gefiel es komplett so. Nun im zweiten Teil ganz großes Orchester mit acht Kontrabässen. Mir gefällt Brahms' Zweite einfach und da wurde auch nichts falsch gemacht. Die Streicher legten einen herrlichen Klangteppich hin, unterstützt von den vortrefflichen Holzbläsern (Albrecht Mayer!), Horn (Stefan Dohr!) und auch Trompeten, Posaunen/Tuba. Schön fein gezeichnet das Allegretto grazioso und überwältigend der strahlende Schluss mit herrlich schmetternden Trompeten. Der Paukist, den ich noch nicht kannte, hatte auch einen guten Tag.
    Und Rattle hat mir tatsächlich gefallen.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Heute nachmittag war das Henschel Quartett wieder im Stuttgarter Neuen Schloss zu Gast mit dem 4. Teil ihrer Beethoven Totale.
    Es standen die Werke op. 18.4, op. 74 (Harfenquartett) und op. 132 auf dem Programm. Die Besucherzahl hatte sicher noch Luft nach oben, das Wetter war halt zu gut, außerdem läuft seit Freitag der Wasen und es scheint für die Einheimischen Pflicht zu sein, mit Lederhos' und Dirndl dem Aufruf zum Massensaufen im Bierzelt Folge zu leisten.




    Nun, die dort zu Haufe hinströmten, hätten vermutlich den Weg ins Konzert auch unter anderen Umständen nicht gefunden. Die ca. 200, die ihn fanden, erlebten zwei Stunden prall gefüllt mit Beethovens Genie. Und das Quartett wußte zu begeistern. Schon aus dem problematischen 18.4 haben sie mehr heraus geholt als viele und beim Harfenquartett lauschte man nur noch inbrünstig der Musik und vergaß fast die Interpreten. Nach der Pause dann das Opus magum 132 mit dem Heiligen Dankgesang, der für mich das größte ist, was Beethoven komponiert hat. Und sowohl die Musiker als auch das Publikum waren von dieser ätherischen Musik hingerissen. Da fällt es dann schwer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren. Intensiver Beifall und glücklicherweise keine Zugabe, denn was will man hiernach noch spielen. Am 23.11. geht es weiter.

  • Ich bin kurz vor ein Uhr von einem Konzert zurückgekehrt, dessen Programm ich in meiner Erinnerung zum ersten Mal überhaupt live erleben durfte.
    In der Kölner Philharmonie gaben Jukka Pekka Saraste, sein WDR-Sinfonieorchester, der NDR-Chor und der WDR-Chor sowie Hanna-Elisabeth Müller, Sopran und André Schuen, Bariton, Brahms "Deutsches Requiem" op. 45. Das WDR-Orchester kenne ich aus zahlreichen Konzerten, einige davon auch unter Saraste, mehr noch unter Bychkov, und zwei werden in dieser Saison noch dazukommen. Beide Chöre kenne ich auch von ihrem Zusammenwirken in Mahlers Zweiter in Lübeck unter Nagano und in Köln unter Bychkov. Nur die Solisten kannte ich noch nicht.
    Um es gleich vorweg zu nehmen, es war ein tolles Konzert. Die beiden Chöre gehören ja zu den besten, die in Deutschland zu hören sind, und auch das Orchester gehört zu den besten in Deutschland, wovon auch die bisherigen Chefdirigenten Christoph von Dohnany, Zdenek Macal, Hiroshi Wakasugi, Gary Bertini, Hans Vonk und Semyon Bychkov ein beredtes Zeugnis ablegen, sowie Gastdirigenten wie Fritz Busch, Erich Kleiber, Otto Klemperer, Karl Böhm, Herbert von Karajan, Lorin Maazel, Claudio Abbado, Sir André Previn, Zubin Mehta, Sir Georg und Günter Wand, der ja in den Siebziger Jahren mit dem Orchester die beiden heute noch referenzwürdigen Zyklen der Bruckner- und Schubert-Symphonien aufgenommen hatte.
    Ein kritischer Leser wie dr.pingel wird längs abwinken, weil er schon ahnt, was jetzt kommt: die Chöre, 25 Choristen aus Hamburg und 47 aus Köln, 77 Orchester-Mitglieder, also mit Dirigenten 150 Köpfe, alles viel zu groß und natürlich viel zu spät komponiert, mindestens 250 Jahre zu spät. Für die Musikfreunde, die dennoch da waren, oder die, die das Konzert heute, am 3. Oktober in Essen erleben werden und morgen nochmals in Köln, war es ( und wird es sein) genau die richtige Besetzung, eine stimmgewaltige, und, wie wir gleich im ersten Satz "Selig sind, die da Leid tragen" (F-dur), (Matthäus, Kap. 5, Vers 4) und "Die mit Tränen säen" (Psalm 126, Vers 5 bis 6) mit Freude erfahren durften, mit einem berückenden, klar verständlichen Piano Pianissimo ausgestattet waren, oder, wie die beiden hochdramatischen Sätze Nr. II "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras" (b-moll, Ges-dur, b-moll, B-dur) und Nr. VI "Denn wir haben keine bleibende Statt" (c-moll, fis-moll, c-moll, C-dur) unter Beweis stellten, auch am anderen Ende der dynamischen Skala mühelos mit dem schlagkräftigen, aber in den lyrischen Passagen auch mit einem wunderbar samtenen Klang ausgestatteten Orchester mithalten konnten.
    Diese Benennung der Satzfolge führt mich zu einer anderen Betrachtung, nämlich dem Aufbau des Requiems, der pyramidenförmig ist. Am Anfang und am Ende stehen die beiden trostreichen Selig-Sätze, wobei sich im Grunde beide um den Trost der Lebenden drehen, im ersten Satz um den Trost der trauernden unterbliebenen und im siebten Satz um den Trost der bis jetzt noch Lebenden, die sterben werden "von un an". Dann stehen an Nummer II und VI die beiden dramatischen Sätze, deren herrliche Steigerungen keinen Vergleich mit dem Verdi-Requiem zu scheuen brauchen, was den dramatischen Impetus und die Klangballungen betrifft. In der dritten Stufe finden wir die beiden Solosätze, Nummer III "Herr lehre doch mich" (d-moll, D-dur) (Bariton-Solo mit Chor) und Nummer V "Ihr habt nun Traurigkeit" (G-dur), den Brahms nachgeliefert hat (Sopran-Solo mit Chor). In der Mitte schließlich steht der Satz Nr. IV, der lyrische Chorsatz "Wie lieblich sind deine Wohnungen" (Eds-dur). Alle Texte hat Brahms der Luther-Bibel entnommen. Ihm war es wichtig, dass die Texte miteinander in Zusammenhang standen und humane Botschaften vermittelten, und dass im Vordergrund der tröstende Charakter der Texte stand und nicht etwa die Schrecknisse der lateinischen Requiem-Texte, zuoberst des apokalyptischen Dies irae im Verdi-Requiem, aber auch in dem Requiem Mozarts, dass in der musikalischen Umsetzung der Texte der Sequenz denen Verdis in nichts nachstand. Auch und gerade in den extatischen Steigerungen z. B. des sechsten Satzes wird überdeutlich, dass Brahms' Deutsches Requiem keine Totenmesse wie das Lateinische Requiem ist, sondern ein Stück, dass den Hinterbliebenen Trost spenden soll.
    Alle diese Facetten kamen im perfekten Zusammenwirken der beiden Chöre mit dem Orchester, aber auch den beiden Solisten, Hanna-Elisabeth Müller mit ihrer engelsgleichen Sopranstimme und dem fundierten, zuweilen energisch zupackenden und klangschönen Bariton André Schuens zum Tragen.
    Alle wurden in wunderbarer Weise von Jukka Pekka Saraste zusammengehalten und an den entsprechenden Stellen durch mitreißendes Dirigat zu den großen dynamischen und musikalischen Höhepunkten geführt. Das war ein erfüllender und ergreifender Musikgenuss.
    Dass Konzert wurde live im WDR übertragen und wird, aufgezeichnet durch sieben Kameras, am Mittwoch, dem 8. Oktober, auf 3Sat um 20.15 gezeigt. Vielleicht kann mich ja der eine oder andere, der sich dieses Konzert ansehen will, unter dem Publikum entdecken. Ich sitze in der achten Reieh ungefähr in der Mitte, nur durch drei Plätze von der mittleren, auf die Chorempore und das Orchester gerichteten Kamera entfernt und trage ein kräftig rot gemustertes Hemd. Ich werde am Mittwoch mal schauen, ob ich mich selbst entedecke, denn ich konnte sehen, welche Kamera in meine Richtung "schaute".


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Vielen Dank für Deinen lesenswerten Konzertbericht, lieber Willi - vor allem auch: Dank für den Hinweis auf die TV-Ausstrahlung dieses Konzertes; tatsächlich habe ich beim Durchforsten meiner Hörfunk- und TV-Zeitschrift dieses Ereignis vollkommen übersehen...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich muss mich korrgieren: das o. a. Konzert wird nicht am 8. Oktober 2014, sondern am 8. November 2014 auf 3sat gezeigt. Da haben mich doch in tiefer nacht meine trüben Augen getrogen.


    Liebe Grüße


    Willi :hail:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Vielen Dank für Deine Korrektur - ich habe also nichts übersehen.


    Aber tröste Dich, lieber Willi, wenigstens das Jahr stimmt :untertauch:


    --- oder ? :baeh01:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose