Musik für das "letzte Stündlein"

  • Zu Beginn
    Johann Sebastian Bach (1685-1750): Partita für Violine solo Nr. 1 h-Moll, BWV 1002, Sarabande


    In der Mitte
    Robert Schumann (1810-1856): "Der Dichter spricht" aus Kinderszenen op. 15


    Am Schluss
    Keith Jarrett (*1945): "The Köln Concert", Zugabe (ohne Applaus ;) ); Dieser kurze Teil ist nicht auf allen Editionen enthalten.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Man möchte sich ja doch würdig von denen, die da kommen verabschieden, und plant das im Vorfeld.


    Vielleicht bin ich noch zu weit davon entfernt (so hoffe ich jedenfalls), um mir schon konkrete Gedanken dazu zu machen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Und da blebt auch ... nichts dem Zufall überlassen, sondern alles war testamentarisch genau festgelegt.


    "Von der Wiege bis zur Bahre -
    Formulare, Formulare!"


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Bei der Beerdigung meiner Tante wurde der Karfreitagszauber aus Parsifal auf einer großen Kirchenorgel gespielt. Trotz des nicht so schönen Anlasses hatte ich doch Gänsehaut. Ich würde mir La Bohme mit Pavarotti als Rodolfo wünschen. Nur fürchte ich das diese Oper den hoffentlich zahlreich Anwesenden zu lange sein wird :) .


  • "Von der Wiege bis zur Bahre -
    Formulare, Formulare!"


    zweiterbass

    Ich finde es toll, wenn Leute über ihren Tod hinausdenken können. Und wen jemand wie der Betreffende seit Jahren schwer krank ist und nach 9 Chemos weiß, dass es ganz schnell vorbei sein kann, finde ich es großartig, wenn man dann eine solche Rede schreibt, um sich von allen zu verabschieden, die dann auf die Schnelle nicht mehr vorbeikommen können.


    Ich kenne aber auch viele andere im Freundes- und Familienkreis, die schon Jahre vor ihrem Tod wussten und wünschten, was auf ihrer Beerdigung gespielt werden bzw. erklingen soll.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Insgeheim habe ich über diese Fragestellung auch schon gelegentlich nachgedacht, obwohl ich es nicht wollte.


    Bei meiner Beerdigung würde ich mit die ersten beiden Sätze aus Beethovens Streichquartett op. 127 wünschen. Da steckt viel von mir drin.


    Wenn ich das Glück haben sollte, mir für mein letztes Stündlein Musik zu wünschen zu können, wäre dies das Klarinettenquintett von Max Reger.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Die Klassikverwurstungsindustrie denkt an alles. Neben Puccini al dente, Opera for lovers und wie diese Machwerke sonst noch heißen, gibt es auch:



    Ein Angebot für den ersten Teil meiner Fragestellung (also zB "classics for departure") habe ich noch nicht gefunden ;) .


    Ich selbst bin mir über einen Musikwunsch für die letzte Zeit auf Erden noch nicht klar.
    Für die Trauerfeier: "An der Schönen Blauen Donau". Das ist heiter (aber nicht lustig) und hat - wenn es gut gespielt ist - auch eine gewissse Melancholie. Niemand versteht vom Tod so viel wie der Wiener. Und warum soll man die Hinterblieben mit düsterer Trauermusik quälen?

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Eine der wunderbarsten Kompositionen, die ich zu diesem Thema je gehört habe ist das fünfteilige Werk "Vor dem Einschlafen" der in Estland lebenden ukrainischen Komponistin Galina Grigorjeva. Es ist von dem Estonian Philharmonic Chamber Choir noch unter Hillier in Baltic Voices 2 zu finden. Das allein ist es schon wert, sich die CD zuzulegen.


    Gruß Heiko

    Heiko Schröder
    Ahrensburg


    "Wer sich im Ton vergreift, sucht nur in den glücklichsten Fällen nach neuen Harmonien."

  • Ein Freund von mir, der wusste, dass er an einer unheilbaren Krankheit sterben musste, wünschte sich für seine Beerdigung Louis Armstrongs New Orleans Function, ein Dixie-Stück, das in den ersten zwei Dritteln wie eine Trauermusik sehr getragen daherkommt, anschließend aber fetzig ausklingt.


    Wie mir berichtet wurde, hat man seinen Wunsch erfüllt. Ich konnte wegen eines Auslandsaufenthaltes leider nicht selbst dabei sein.



    Liebe Grüße


    Portator

  • Dieses Stück (New Orleans Function) gab es in meinem Leben 2x. Als Schüler haben wir "Unsere kleine Stadt" von Thornton Wilder aufgeführt (ich spielte damals Simon Stimson, den stets betrunkenen Organisten, obwohl ich von Alkohol keine Ahnung hatte!). Der dritte Akt spielt auf dem Friedhof, wo die Toten sitzen und auf die im Kindbett gestorbene Emily warten - eine herzzerreißende Szene. Damals wie später, als ich als Lehrer das Stück noch einmal inszeniert habe, haben wir New Orleans Function gespielt - etwas Passenderes kann man sich nicht vorstellen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

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  • Ich hörte von einer Trauerfeier, die Freunde eines Verstorbenen, der keine Familienangehörigen mehr hatte, ausgerichtet wurde und der die Trauerhalle mit Freddys "Junge, komm bald wieder" verließ...


    :untertauch:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Wäre ich gläubig, würde ich auf meiner Beisetzung die folgenden Stücke spielen lassen:


    - Palestrina: Sicut Cervus, Cambridge Singers
    http://www.youtube.com/watch?v=0yd5EE0hAB8


    - Duruflé: Ubi caritas, Cambridge Singers
    https://www.youtube.com/watch?v=457nVpxJDkA


    - Rheinberger: Abendlied, Cambridge Singers
    https://www.youtube.com/watch?v=TGc__HGwdxk


    würdige und schöne Musik, nicht zu lang, passende Texte.


    Aber für Agnostiker finde ich doch eher eine Auswahl instrumentaler Stücke passend, jetzt gerade (wie unverändert seit ungefähr den letzten 40 Jahren) würde ich wählen.:


    - Gipsy Kings: Inspiration
    https://www.youtube.com/watch?v=VcOvqpOWCwM


    - und abschließend Bach-Siloti: Präludium h-moll, Weissenberg
    https://www.youtube.com/watch?v=KgsnDi_Ojag (in einer vom Tempo der Weissenbergschen Langsamkeit ähnlichen Interpretation)


    In der Sterbestunde selbst komme ich vermutlich ganz gut ohne Musik aus.

  • Schöne Frage! :)


    Ich würde mir wünschen:


    An Chorälen:
    - Wer nur den lieben Gott lässt walten (einige Strophen, mit der Melodie aus dem katholischen Gotteslob)
    - Komm, o Tod, du Schlafes Bruder
    - O Welt, ich muss dich lassen
    - Befiehl du deine Wege


    - Psalm 130: Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir


    - Musikalische Exequien (zu lange für eine Beerdigung, daher nur Teil 3 "Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren")
    - I know that my redeemer liveth


    Instrumental:
    - Fuge g-Moll BWV 1000/1001
    - Chaconne d-Moll BWV 1004

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  • Hallo!


    Was ist das, die Stille als Kunstform?


    Irgendjemand hat doch auch mal gesagt, in einem unbehauenen Stein befinde sich die Summer aller Kunstwerke, die man daraus fertigen könnte.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo!


    Meine Stücke wären nicht besonders religiös.





    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo!


    Was ist das, die Stille als Kunstform?

    Hab davon keinen genauen Schimmer. Stille scheint mir allerdings oft so was wie Basis in Mucke zu bilden. Darauf haben ganz unterschiedliche Temperamente wie z.B. Nono oder Cage - und z.Zt. Mark Andre - reagiert.. aber auch in manchen Momenten in z.B. Mozart- Beethoven- und anderer Mucke der sog. Tradition ..


    Bin nun überhaupt kein Fan von Cages 4:33.
    Ich, meinesteils, zieh mir von ihm ungleich sehr viel lieber z.B. Atlas eclipticalis, Klavierkonzert, Etudes australes, Freeman-Etudes rein.
    Es scheint jedoch Anlass zur Annahme zu geben, dass Cages 4:33 die Mucke bildet, die wir uns letztlich alle irgendwann mal „reinziehn“ müssen .. gleichviel ob es einen passt oder nicht ...

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  • Zu Janaceks Beerdigung spielte man die letzte Szene des "Schlauen Füchslein", eine Apotheose von Werden und Vergehen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Das letzte Stündlein ist nicht bei der Trauerfeier, sondern das kurze Zeitfenster, innerhalb dessen der Mensch sein Leben aushaucht.



    Hier habe ich schon einmal als passiver Teilnnehmer


    Mozart KV 488 Satz 2


    gehört.




    Nebenbei: die Asche wird meines Wissens auch im Friedwald in einer Urne beigesetzt

  • Diese Thread wurde im Juni 2014 ins Leben gerufen und der letzte geschriebene Beitrag zu diesem Sachverhalt stammt vom Januar 2018. Das Thema Tod ist in diesen Tagen allgegenwärtig und es besteht gerade jetzt ein triftiger Grund ihn fortzusetzen.
    Heute vor einem Jahr starb in einem Regensburger Krankenhaus einer der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit. Seine wohl bekanntesten Werke sind die fünf kurz nach seinem Tode auf Tonträgern veröffentlichten Sinfonien, von denen die Fünfte fast exakt zum Thread-Thema passt, das Stück ist auf der CD mit einer Spieldauer von genau 61:00 ausgewiesen, ein YouTube- Beitrag (es handelt sich hier allerdings um einen Rundfunk-Mitschnitt) hat die Dauer von 59:21. Der Titel der Fünften von Heinz Winbeck lautet: »Jetzt und in der Stunde des Todes«


    Diese Musik wurde von einem überaus sensiblen und bescheidenen Musiker geschaffen, der jedoch mit seinen relativ wenigen Werken bei Freunden sinfonischer Musik große Anerkennung fand.


  • Nachdem ich mich von Dir ans Grab von Heinz Winbeck habe führen lassen, hörte ich mir die 5. Sinfonie aus der oben abgebildeten Edition, auf die Du Dich auch hast bezogen, an. Sehr ergreifend, wie eine Zwiesprache mit dem Jenseits, hörbar von Bruckners Neunter inspieriert. Danke, lieber hart, für diese Erinnerung.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Mahlers "Urlicht".


    Gerne die ganze zweite Sinfonie, aber die wäre zu lang.


    Ach, eigentlich hätte ich schon gerne alle fünf Sätze! :D


    Notfalls nur den 4. UND 5.!

    Als ich im vorletzten Jahr einen engsten Familienangehörigen verloren habe, ist es (von mir so ausgesucht) zum Auszug des Sarges aus der Kapelle am Ende der Trauerfeier doch ein anderen Mahler-Sinfonie-Satz geworden: der Finalsatz, also 6. Satz, aus der 3. Sinfonie von Mahler mit dem ursprünglichen Titel "Was mir die Liebe erzählt".


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Ich könnte mir den Schlusschoral aus Bachs Matthäus-Passion vorstellen, alternativ auch seinen Actus tragicus.

    Wird aber nichts draus, denn wenn es mich in diesen Tagen treffen sollte, wird es wohl auf eine Beerdigung wie weiland bei Mozart 1791 hinauslaufen. Wenn mir noch längere Zeit vergönnt ist und das oder auch irgendwelche anderen Viren gerade mal Pause machen, wird es auch nichts aus meinen Wünschen werden, denn die Konzert-Kosten übertreffen meine Lebens- und Sterbegeldversicherungen. Allerdings könnte man eine Stereo-Anlage hinstellen und die enstprechende Musik abspielen, dafür müsste aber jede Rede unterbleiben. Letzteres wäre der Idealfall...


    ;(

    .


    MUSIKWANDERER

  • Hm, diese vier, in Dauerschleife


    Johann Sebastian Bach, Sarabande aus der 1. Partita h-Moll BWV 1002



    Charlie Haden, Silence



    Robert Schumann, Der Dichter spricht, aus Kinderszenen op. 15



    Keith Jarrett, Zugabe, aus Köln Konzert


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Vor dem Haus des sterbenden Haydns legte man Stroh aus um den Straßenlärm zu dämpfen. Musik würde mich wahrscheinlich stören.

    Das war damals üblich und wird auch am Beginn der "Buddenbrooks" von Thomas Mann beschrieben. Wer schon am Lager von Sterbenden saß, wird bestätigen können, dass da keine Platten aufgelegt werden. Ich habe den Thread immer so verstanden, dass es um Musik geht, die dem Ende des Lebens Ausdruck zu verleihen sucht und Hinterbliebenen Trost gibt. Alles andere ist Projektion, die aber ihre Berechtigung hat.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zeitweise hörte man auf Beerdigungen ständig "Time to say goodbye", aber ich habe auch schon auf weltlicheren Beerdigungen den „Actus tragicus“ gehört.

    Lieber Misha,


    als Liebhaber klassischer Musik haben wir für die letzte Musik sicher andere Gedanken als "normale" Menschen. Im Erzgebirge bis weit nach Thüringen hinein ist das Lied "S ìst Feíerohmd" (es ist Feierabend) das wohl mit weitem Abstand am häufigsten gespielte Lied, obwohl es eigentlich keinen Zusammenhang zum Tod hat, sondern das glückliche Ende eines gefährlichen Arbeitstages der Bergleute beschreibt.


    De Sonn steigt hinnern Wald drübn nei,

    Besaamt de Wolken rut,

    A jeder legt sei Warkzeig hi

    Un schwenkt zem Gruß sann Hut.


    's is Feieromd, 's is Feieromd,

    Es Togwerk is vollbracht,

    's gieht alles seiner Haamit zu,

    Ganz sachte schleicht de Nacht.



    Un übern Wald a Vögela

    Fliegt noch sann Nastel zu,

    Von Dörfel drübn a Glöckel klingt,

    Dos mahnt: Legt eich zur Ruh!


    's is Feieromd, 's is Feieromd,

    Es Togwerk is vollbracht,

    's gieht alles seiner Haamit zu,

    Ganz sachte schleicht de Nacht.



    Do zieht's wie Frieden durch die Brust,

    Es klingt als wie a Lied,

    Aus längst vergangne Zeiten

    Rauscht's gar haamlich durchs Gemüt:


    's is Feieromd, 's is Feieromd,

    Es Togwerk is vollbracht,

    's gieht alles seiner Haamit zu,

    Ganz sachte schleicht de Nacht.



    Gar mannichs Herz hot ausgeschlogn,

    Vorbei is Sorg un Müh,

    Un übern Wald ganz sachte zieht

    A Rauschen drüber hi:


    's is Feieromd, 's is Feieromd,

    Es Togwerk is vollbracht,

    's gieht alles seiner Haamit zu,

    Ganz sachte schleicht de Nacht.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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