Anton Bruckner - Die Messen und Motetten

  • klingsor schrieb in einem anderen Thread:


    Zitat

    ... ja, leider, ich kann mit herreweghe auch kaum etwas anfangen, lasse mich auch über die lobreden immer mal wieder 'reinlegen' ... ich habe fast keine gute aufnahme von ihm. auch den hochgelobten bruckner (messe nr. 3) finde ich stinklangweilig und ein klangbrei ist es noch dazu. das wars jetzt erstmal mit ihm ...


    Und da dachte ich mir: Heureka, dieses Statement passt doch auch wunderbar hier her :D


    Nun kann man über Herreweghe sicherlich geteilter Ansicht sein- und nicht alle Aufnahme sind "Referenz"- aber bei welchem Musiker gibt es das schon?


    In dem speziellen Fall erlaube ich mir anderer Ansicht zu sein :D


    Gehört habe ich die Messe des öfteren und ich fand das Klangbild ausgesprochen transparent bis in die Nebenstimmen- und ausgesprochen differenziert was die Dynamik angeht. Am Chor fand ich auch nichts auszusetzen, aber dazu kann vielleicht "Chorknabe" etwas sagen. Thomas hat die CD ja ebenfalls gehört wie ich weiß :D


    Und was die Langeweile angeht: Gerade wenn ich an Stellen wie das "Crucifixus" denke fand ich die ausgesprochen dramatisch. Auch bei den Solisten konnte ich jetzt keinen ausgesprochenen "Schwachpunkt" ausmachen.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:



    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Nach gut 5 Jahren möchte ich den Thread wieder anstoßen und hier eine Aufnahme posten, die ich gestern Nachmittag erhalten habe. Aus dieser DVD habe ich das Te Deum gehört und gesehen:



    Anton Bruckner: Te Deum
    Wiener Philharmoniker,
    Wiener Singverein,
    Anna Tomowa-Sintow, Sopran,
    Agnes Baltsa, Mezzo-Sopran,
    David Rendall, Tenor
    José van Dam, Bass-Bariton
    Dirigent: Herbert von Karajan
    AD: Mai 1978
    Spielzeiten: Te Deum: 6:50- Te ergo quaesumus: 2:49- Aeterna fac: 1:47- Salvum fac: 7:01- In te, Domine, speravi: 7:39 -- 26:12 min.;


    Herbert von Karajan dirigierte das unvergleichliche Te Deum 1978 im Musikverein in einer Zeit, als er und das Orchester sich wieder einander annäherten. Der Wiener Musikverein war zu Karajans Zeiten sicherlich einer der besten Chöre der Welt, und immer, wenn er mit Karajan zusammen auftrat, kam etwas ganz Besonderes heraus, so auch hier. Natürlich war er hier in größtmöglicher Besetzung angetreten, sang natürlich auswendig. In keinem der Konzerte, die ich mit dem Musikverein gehört und gesehen habe, hatten die Damen und Herren Noten in der Hand. Auch das Solistenquartett, von dem ich 75% schon durch viele Auftritte kannte, tat sein Übriges. Nur David Rendall, den Tenor, kannte ich noch nicht. Aber nachdem ich vor einigen Jahren das Te Deum unter Barenboim gehört und gesehen habe und Klaus Florian Voigt die Tenorpartie sang, möchte ich lapidar sagen, dass Rendall ihn zu damaliger Zeit glatt an die Wand gesungen hätte. Da war kein bisschen Stemmen und Hochwuchten, da ging die Stimme ganz natürlich nach oben, ohne auch nur einen Moment an Dynamik einzubüßen. Und die anderen drei waren ebenso überzeugend und haben ja lange Jahre mit Karajan zusammengearbeitet. Die Tenorpartie übernahm in späteren Projekten José Carreras.
    Dieses war eine ganz große Aufführung, und morgen werde ich mir den ersten Teil anhören und ansehen: Bruckners Neunte!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi, ich habe mir auf deine Anregung hin diese Aufnahme des Te Deums angehört und teile ganz deine Meinung: das ist einsame Klasse ! Danke für den Tipp !


    Ich habe (offen gestanden) bislang den Zugang zu den Bruckner'schen Messen noch nicht wirklich gefunden. Allerdings sind meine diesbezüglichen Versuche schon lange her... Angeregt durch diesen Thread werde ich es nochmals versuchen.

    Umso mehr liebe und schätze ich die Motetten Bruckners. Seine eigene Art der Harmonik bringt ein Strahlen in die Musik, das sich immer wieder noch mehr steigert. Das finde ich genial.
    Und die für mich schönste Aufnahme des Locus iste ist jene:


    http://www.youtube.com/watch?v=HmmUJkanMEE


    Viele Grüße von Bachiania, die gerne noch mehr über Bruckners Chormusik reden würde... :hello::):hello:

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Dann wird es dich, liebe Bachiania, vielleicht nicht wundern, dass das "Locus iste" auch mein Brucknerscher Lieblingssatz ist, den wir in meinem Stammchor neben der Windhaager Messe schon seit vielen Jahren im Repertoire haben und es mich jedes Mal wieder mit tiefer Freude erfüllt, wenn wir es aufführen. Das erstaunt mich selbst um so mehr, dass ich mich so zu diesem Stück hingezogen fühle, obwohl ich schon vor 50 Jahren in meinem ersten Chor das Ave Maria mit aufgeführt habe. Es muss halt nicht immer sieben- oder noch mehrstimmig sein.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S. Vor einigen Jahren konnte ich den Windsbacher Knabenchor, den du hier mit dem Locus iste eingestellt hast, noch in der Essener Philharmonie mit dem Brahms-Requiem bewundern. Karl-Fridrich Behringer dirigierte das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, und Christiane Oelze, Sopran und Marco-Alexander Buhrmester, Bass, sangen die Soli. Der Windsbacher Chor bot seinerzeit eine beeindruckende Leistung.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi, das freut mich sehr! Ich finde das Locus iste deswegen so wunderbar, weil es mit so (scheinbar) einfachen Mitteln, eigentlich nur durch die harmonische Fortschreitung, solch einen tief berührenden Effekt erzielt.
    Es beginnt ganz schlicht. Dann (in estimabile) steigert es sich durch Modulationen in die Höhe. Und darauf (ireprehensibilis est) schreitet das Geschehen wieder stufenweise hinab.
    Beim ausgedehnten "a Deo" steigert er durch Chromatik noch mehr die Spannung, bis der Satz in die Ruhe und Schlichtheit des Anfangs zurück kehrt. Einfach genial!
    Und (ich kann nicht erklären warum) das tiefe f im Bass ganz am Ende jagt mir immer wieder einen wohligen Schauer der Ergriffenheit über den Rücken!


    Übrigens: für mich ist das Locus iste "das Ave Verum Bruckners". Die beiden Sätze sind meinem Empfinden nach geistesverwandt !
    Herzliche Grüße
    Bachiania

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Da hätten wir eine weitere Gemeinsamkeit, liebe Bachiania, das "Ave verum". Am 6. 4. (Passionssonntag) führen wir es in unserer traditionellen kirchenmusikalischen Andacht wieder auf, ich glaube, für mich schon beinahe zum fünfzigsten Mal, und jedes Mal ist es wieder eine große Freude für mich, wie das Locus iste. Beide Sätze bestechen, wie du schon ganz richtig gesagt hast, durch ihre scheinbare Einfachheit, die dennoch aber (vor allem bei Mozart) zu einer großen Schwierigkeit führt, nämlich das Werk mit dem ihm gebührenden Ernst und vor allem Ausdruck auszuführen. Wie sagte schon Alfred Brendel so schön, als er seinen Mentor Edwin Fischer zitierte: "Mozart ist für Amateure zu einfach und für Profis zu schwer". Das mag für die scheinbar einfacheren Werke Bruckners genau so gelten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo,


    ich war vergangenes Wochenende auf einem Bruckner-Chorwochenende (sehr hohes Niveau, ich hatte da schon manches Problem!). Wir haben alle Graduale gesungen und Ave Maria, Locus iste, Vexilla regis, Pange lingua. Mein Favorit war Christus factus est (das ich von früher - über 50 Jahre her - noch sehr gut kannte und konnte).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Willi !


    Über das Ave Verum würde ich gerne mehr sagen, aber nicht hier ... Gibt es dazu einen Thread ?


    Lieber Zweiterbass !


    Das finde ich großartig! Ein ganzes Wochenende mit Bruckner. Da kann man richtig eintauchen in seine Klangsprache !


    Verrate uns doch, warum gerade Christus factus est deine Lieblingsmotette ist ! Ich bin ganz bei dir, auch ich liebe dieses Stück, aber mich würde der Hintergrund interessieren !


    Und: Wie empfindet ein Bass die ganz tiefen Stellen in den Motetten ? Plagt man sich mit der Tiefe ? Wie wirkt der Klang dadurch ? Und wie empfindet ein Bass die sehr hohen Sopranstellen ? (Vorausgesetzt, die Soprane KÖNNEN sie singen... ;) )

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Verrate uns doch, warum gerade Christus factus est deine Lieblingsmotette ist !


    Liebe Bachiania,
    weil es die Motette mit der "aufregendsten", abwechslungsreichsten Harmonik ist.

    Und: Wie empfindet ein Bass die ganz tiefen Stellen in den Motetten ? Plagt man sich mit der Tiefe ? Wie wirkt der Klang dadurch ?


    Plagen - altersbedingt hat mein Tonumfang nachgelassen, es kommt aber auch auf die Tagesform an.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Hallo,


    Anton Bruckner hat die schönsten Motteten geschrieben, die ich kenne. Sie haben das Zeug zum Welthit und sind unbekannt. Eine sehr gute Aufnahme ist die mit Philip Herreweghe und der Chapelle Royal, die auch die e-moll-Messe enthält. Das Kyrie ("Herr erbarme Dich") ist aufgrund seines dissonanten Schreis hoch beeindruckend. Ich war einmal in einem Konzert in der Marktkirche und eine junge Frau sagte über Bruckners Werk "ein richtig geiles Stück Musik". Nicht meine Wortwahl, aber die Messe ist sehr gut und emotional komponiert, vor allem das Kyrie. Leider kann man bei jpc nicht hineinhören, aber bei amazon kann man die CD noch bestellen. Sehr empfehlenswert!
    Einen ähnlichen "Kyrie-Schrei" (Herr, erbarme Dich) gibt es bei Ludwig Böhme, allerdings nicht so dissonant, wie bei Bruckner:


    Ludwig Böhme




    Eine andere CD mit Motteten ist die unter Leitung von Uwe Gronostay. Der niederländische Kammerchor gefällt mir nicht so gut, wie die Chapelle Royal, aber beide artikulieren und phrasieren musikalisch sinnvoll. Hier kann man sich bei jpc ein eigenes Urteil erlauben. "Ave Maria" dürfte sehr populär werden können, ich selbst schätze das "os justi" ganz besonders. Brahms nannte Bruckners Messen "ekelhafte Messvailletäten" - offenbar ein böser Mann gegen Bruckner. Das Kyrie der e-moll Messe von Bruckner ist hoch beeindruckend, Brahms Mottete "Warum ist ein Licht gegeben" (für mich seine beste) kann für mich nicht im geringsten mit Bruckners Motteten mithalten (von Brahms gibt es auch eine sehr gute Aufnahme mit Philip Herreweghe)



    Meine "Musik-Ansprache"


    Ästhetik ist relativ - oder: Über Geschmack kann man nicht streiten


    Zum Umgang mit der Musik-Kritik


    Zur Kopfhörerstereophonie


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Diese Aufnahme darf in der Diskographie von Bruckners F-Moll Messe nicht fehlen.
    Die großen Messen und Oratorien werden gerne von älteren Dirigenten aufgeführt.
    Hier wagt sich der junge Robin Ticciati mit einem exzellenten Ensembe an das Werk. Herausragend der Chor des BR, sehr gute Solisten und natürlich das famose Orchester.
    Empfehlenswert



    VG
    Justin

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Ich liebäugle mit dieser Dokumentation auf DVD. @bigBearBerlin straft in Beitrag 5 die Celibidache-Aufnahme der Messe Nr- 3 f-Moll mit Nichtbeachtung, er erwähnt sie explixit NICHT, weil ihm das Dirigat des "schrulligen" Maestros zu langweilig sei. Das reizt mich, die Aufnahme zu hören.


    Sergiu Celibidache probt mit dem Philharmonischem Chor München und den Münchner Philharmonikern sowie Margaret Price, Doris Soffel, Peter Straka, Matthias Hölle, Hans Sotin als Solistenensemble Anton Bruckners Messe Nr. 3 f-Moll und führt sie in St. Florian auf, wo der Komponisten begraben ist.


    Als Dauer der Dokumentation wird 60 Minuten angegeben. Die Aufführung der Messe dauert auf meinen CDs über eine Stunde. Ich muss annehmen, dass das gesamte Werk auf der DVD nicht enthalten ist.


    Beim Werbepartner gibt es die DVD in zwei Angeboten:



    sowie zusammen mit einer weiteren DVD die Dokumentation über den Trompeter Sergei Nakariakov,

    Dieser Musiker zählt zu meinen Lieblingsmusikern, weil er die Zirkuläratmung meisterhaft beherrscht und sein Instrument mühelos spielt.

    Vergleiche ich die Preise, ist der Kaufentscheid schnell gefällt.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928