Beethoven: Die Sonaten für Violine und Klavier

  • Viele der hier erwähnten Aufnahmen besitze ich (auch die hier oft erwähnte Gesamteinspielung von Ryo Terakado/Boyan Vodenitcharov), und habe viele Aufnahmen dieses Werks oft und viel gehört. Die Gesamteinspielung von Faust/Melnikov eröffnet meiner Meinung nach völlig neue Ansichten auf dieses Werk. Endlich ist Violine & Klavier eine völlig gleichberechtigte Einheit. Die Details die uns Isabelle Faust's stupendes Spiel aufzeigt, hört man staunend, erstmals, einfach atemberaubend (z.B. im Beginn von op.96). Melnikov ist nicht Begleiter, sondern ein gleichwertiger Mitspieler im Duo völlig aufeinander eingestimmter und eingespielter Partner.


    Meiner Meinung nach DIE Referenzaufnahme ...


    Vollste Zustimmung.


    Ich werde mir auf jeden Fall noch die Aufnahmen von Leonidas Kavakos zulegen. Das Können dieses Musikers ist überragend, das Klavier wird zum Mitspieler fast degradiert, es ist aber unglaublich, wie viel Ausdruck Kavakos in sein Spiel legt. Übrigens ersieht man die Dominanz von Kavakos schon auf dem Cover.

  • Ich muss zugeben, dass mir die Violinsonaten Beehovens (außer der 10.) nicht sehr nahe gehen, weshalb ich mich viel zu lang mit der völlig verschleppten Aufnahme von Zukerman/Barenboim zufrieden gegeben habe. Seit Kurzem besitze ich die Aufnahme von Baráti und Würtz und kann sie bedenkenlos empfehlen. Ausgeglichenes, detailreiches Zusammenspiel, flotte Tempi. Der Ton scheint mir, den Soundschnipseln nach zu urteilen, etwas voller als bei Faust zu sein.


  • Gerade der Klang der GA von Faust/Melnikov macht das subtile Zusammenspiel zwischen den Solisten möglich. Er dient dem Alleinstellungsmerkmal des charakteristischen Klangbildes der Violine ebenso wie dem subtilen Spiel des Klaviers.
    Der Klang ist tragender Teil der Originalität der GA und hebt sie gleichzeitig aus der Masse heraus. Außerdem unterstreicht er noch die Besonderheiten der Sonaten im Schaffen Beethoven`s, dieses Leichte, Luftige, Unbeschwerte, was laut Literatur so gar nicht zum Bilde Beethoven`s passen soll.

  • Der Threadtitel ist erst einmal falsch! Die Sonaten mit Violine sind von Mozart und Beethoven "für Pianoforte und Violine" geschrieben, was nicht unwichtig ist, sondern etwas über die dominierende Rolle des Klaviers aussagt.


    Einzigartig finde ich die Aufnahmen von Clara Haskil und Arthur Grumiaux.



    Schöne Grüße
    Holger

  • In Konzerten hat man manchmal den Eindruck, dass Teile des Publikums dem Streicher mehr Applaus geben als dem Tastenspieler. Manche können sich wohl leichter auf eine einzige singende, von Natur aus expressivere Einzelstimme konzentrieren, als auf die vielen Tönen eines Klaviers, welches den Eindruck von Gesanglichkeit nur durch Abstraktion und Täuschung erreichen kann (ein Klavier produziert ja in Wirklichkeit nur eine Folge von Akzenten - ein Nachteil, der bei guten Instrumenten und vor allem mit einem Pianisten, der das kantable Spiel beherrscht, wieder ausgeglichen werden kann)
    Ich frage mich manchmal, ob Beethoven mit dem von Holger genannten Titel etwas gegensteuern wollte, was die Aufmerksamkeit des Publikums anbetrifft.


    In der heutigen öffentlichen Wahrnehmung, etwa der Einspielung Mutters der Sonaten für Violine und Klavier von Brahms, kommt vor allem die Geigerin gut weg. Beim Pianisten fragen sich wohl manche Leute, wie er denn noch hiess, oder wie man den schreibt.
    Von der Komposition her ist es dort jedoch so, dass beide Partien sehr gleichberechtigt sind. Es kommt auch vor, dass die Violine das solierende Klavier begleitet. Musikalisch gibt es m.E. ebenfalls keinen Grund für diese ungerechte Wahrnehmung (jetzt bei Mutter/Orkis)
    Beide spielen wunderbare Kammermusik. Es könnte hier ja auch ein bisschen am Unterschied der optischen Erscheinung liegen...;-)


    Dass die Violine auch einmal das Clavierinstrument begleitet, das gab es schon bei Bach und seinen Sonaten für Violine und Cembalo. Es wechselt sich mit Passagen ab, bei denen das Tasteninstrument die Violine begleitet. Meistens ist es jedoch ein gleichberechtigter Dialog.
    Die hier besprochenen Sonaten Beethovens sind für ich in dieser Hinsicht nicht viel anders. Es ist ein gleichberechtigtes kammermusikalisch-dialogisches Musizieren auf Augenhöhe mit wechselnden Rollenverteilungen.
    Nicht anders sehe ich es auch für die Sonaten für Cello und Klavier (oder heissen die auch andersherum...;-) ? ) von Beethoven.


    Ich besitze nur die Einspielungen des Duos Kremer/Argerich. Vor langer Zeit habe ich dazu einmal die Noten mitgelesen und fand eigentlich auch bei dieser Form des Hörens, dass hier eine sehr schöne und lebendige Beethoveninterpretation zustande kam.
    Einen Bedarf für eine weitere Einspielung habe ich da noch nicht empfunden, allerdings habe ich mich auch noch nicht sehr intensiv mit diesen Werken befasst.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Wunderbarer Beitrag, Glockenton.
    Ob ich Musik aber immer in einem solchen fast schon globalen Zusammenhang sehen soll, sei für mich dahin gestellt.
    Für mich ist es wichtig, das es Interpretationen gibt, die das technische Vermögen von heute in eine Interpretation von heute einbauen. Ich kann nicht akzeptieren, das eine 0815 Musik herausragend oberflächlich dargestellt wird und so etwas wie eine durchdachte, wohl überlegte Komposition von Beethoven einem Nichts überlassen wird.
    Das zu erkennen, was substanziell für den Fortbestand von zukunftsweisenden Interpretationen notwendig ist, ist wichtig für gute Interpretationen in der Zukunft, unabhängig davon, welcher musikalischer Geschmack vorherrscht.
    Darin bestärkt mich gerade eine Musik wie die von Faust/Melnikov.


    Herzliche Grüße Thomas Sternberg

  • Werter Holger,


    auch wenn dein Einwurf korrekt sein mag, verlagert sich wohl die Spielwiese der Gewichigkeiten in Richtung der Violine.
    Jetzt ist es an dem Hörer, das zu beurteilen. Wenn ich solche Interpretationen von Faust und Kavalkov höre, bin ich dankbar, das die Gewichtung anders liegt.
    was würde dem Hörer eine Dominanz des Klaviers bringen?
    Eine weitere Darstellung der Dominanz dieses Instrumentes im Klangvolumen?
    Ist es nicht von Vorteil, das hier mal ein Instrument dominiert, was sonst nur zur Effekthascherei eingesetzt wird?
    Der Violine wird von Seiten Beethoven`s so viel Freiraum eingeräumt, soll man das wirklich bemängeln?


    Herzliche Grüße Thomas Sternberg

  • Gerade jetzt im Moment höre ich die Sonate F-Dur op.24.
    Es ist unglaublich, was Leonidas Kavakos für einen präzisen, sauberen und ausdrucksstarken Ton aus der Violine zaubert.
    Dabei nichts Aufdringliches, Überbetontes, Theatralisches.
    Warum finde ich keinerlei Hinweise in diesem Forum auf diesen Künstler?
    Und ich muss feststellen, das die Reihe in 3sat schon seit zwei Wochen läuft!
    Jetzt ist es für mich endgültig Zeit, diesem Forum den Rücken zu kehren.
    Auf nimmer wieder sehen, mich braucht auch niemand mehr anschreiben oder sonst was!

  • Durch die Beschäftigung mit den 18 Violinsonaten von Ferdinand Ries wurde ich wieder an jene von Beethoven erinnert und habe mich entschlossen alle 10 in Folge zu hören.

    In der Tat wird auch im Harenberg darauf hingewiesen daß der Titel "Sonaten für Klavier und Violine" lautet - und das aus gutem Grund,. wenngleich sich Beethoven - wie schon Mozart vor ihm - bemüht hat den Violinpart ein wenig aufzuwerten, die Balance also in Richtung "ausgewogen" zu ändern.

    Hier ist der Threadtitel ja - nach einer Intervention von Dr. Holger Kaletha (2013) bereits korrigiert worden - wenngleich zumeist nach "Violinsonaten" gesucht wird.....


    Diesen Sonaten wird üblicherweise nicht jene Bedeutung zuerkannt, wie den meisten anderern Werken Beethovens - wobei dieser Thread hier eher atypisch - weil sehr engagiert - verläuft - oder sagen wir besser "verlief"

    Das meist wurde hier ja schon in der Vergangenheit von Exmitgliedern geschrieben - vieles ist aber derart versteckt, daß es sicher kein Schaden ist, wenn etliches wiederholt wird. Wichtig ist ja in erster Linie, daß das Interesse an den Werken und seinen Aufnahmen lebendig bleibt.

    Zudem haben wir jetzt die Möglichkeit, Aufnahmen nicht nur zu erwähnen, wir können auf sie verlinken, was 2007 noch nicht möglich war, und als es erstmals möglich war, wurde es anfangs nicht genützt, weil es noch kompliziert war.

    Zudem wurden etliche Aufnahmen vom Markt genommen oder umverpackt, einiges ist dazugekommen.

    Meine Absicht ist - nicht eine Gesamtaufnahme pauschal hier vorzustellen, sondern die Sonaten entweder einzeln oder aber pro Opuszahl vorzustellen.

    Und da sind wir schon mitten im Thema, nämlich bei den Sonaten 1-3 op 12 Nr 1-3

    Sie entstanden um 1798 und waren Beethovens Lehrer und Mentor Antonio Salieri gewidmet (Beethoven hatte zudem noch Joseph Haydn und Albrechtsberger als Lehrer)

    Die Reaktionen darauf waren eher gemischt:


    Kritik aus der Allgemeinen musikalischen Zeitung (1799 )von Friedrich Rochlitz (1769-1843) dem Gründer dieser Zeituing


    Zitat

    Rec., der bisher die Klaviersachen des Verfassers nicht kannte, muß, nachdem er sich mit vieler Mühe durch diese ganz eigene, mit seltsamen Schwierigkeiten überladene Sonaten durchgearbeitet hat, gestehen, daß ihm bey dem wirklich fleißigen und angestrengten Spiele derselben zu Muthe war, die einem Menschen, der mit einem genialischen Freunde durch einen anlockenden Wald zu lustwandeln gedachte und durch feindliche Verhaue alle Augenblicke aufgehalten, endlich ermüdet und erschöpft ohne Freude herauskam.

    Es ist unleugbar, Herr von Beethoven geht einen eigenen Gang: aber was ist das für ein bizarrer, mühseliger Gang! Gelehrt, gelehrt und immer fort gelehrt und keine Natur, kein Gesang....


    Ja, wenn man es genau nimmt, so ist auch nur gelehrte Masse da, ohne gute Methode; eine Sträubigkeit, für die man wenig Interesse fühlt; ein Suchen nach seltener Modulation, ein Ekelthun gegen gewöhnliche Verbindung, ein Anhäufen von Schwierigkeit auf Schwierigkeit, dass man alle Geduld und Freude dabey verliert. Schon hat ein anderer Rec. beynahe dasselbe gesagt, und Rec. muß ihm vollkommen beystimmen. -- Unterdeß soll diese Arbeit darum nicht weggeworfen werden. Sie hat ihren Werth und kann insonderheit als eine Schule für bereits geübte Klavierspieler von großem Nutzen seyn. Es giebt immer manche, die das Ueberschwere in der Erfindung und Zusammensetzung, das, was man Widerhaarig nennen konnte, lieben, und wenn sie diese Sonaten mit aller Präcision spielen, so können sie, neben dem angenehmen Selbstgefühl, immer auch Vergnügen an der Sache selbst empfinden. -- Wenn Herr v. B. sich nur mehr selbst verleugnen, und den Gang der Natur einschlagen wollte, so könnte er bey seinem Talente und Fleiße uns sicher recht viel Gutes für sein Instrument liefern, dessen er so außerordentlich mächtig zu seyn scheint."


    Angeblich soll auch Salieri die Sonaten mit Skepsis betrachtet haben. (?)


    37 Jahre später nutzt Robert Schumann diese Kritik um der Konkurrenz eins auszuwischen

    Er schrieb in der von ihm gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik:

    Zitat

    „Ja wohl, im Gang der Natur liegt's und in der Natur der Dinge. Siebenunddreißig Jahre vergingen einstweilen: wie eine Himmelssonnenblume hat sich der Name Beethoven entfaltet, während der Rezensent in einem Dachstübchen zur stumpfen Nessel zusammenschrumpft.“

    Man findet diesen Ansatz zur Bösartigkeit in vielen Schumann Rezensionen - nicht so harmlos gutmütig wie das in unserem Forum üblicherweise der Fall ist....

    Zudem ist er tendenziös und verschweigt, daß 1822 ein durchaus freundliches Treffen zwischeb Rochlitz und Beethoven stattfand....


    Ich hatte von der ersten Minute keine Schwierigkeiten mit dieser Musik - zumindest nicht im hier beschriebnen Sinne. Ich macht vilemehr den Fehler, dae aber anscheinend allgemeiner Natur ist: Ich unterschätzte sie und meinet es sei angenhm zu hörende Musik - wat eines Genies - aber eben hochwertige "Unterhaltungsmusik"

    Dieses Urteil schrumpft mit jedem Mal hören. wo man die Meriten immer deutlicher erkennen kann.

    Gehört habe ich die drei Sonaten in der Aufnahme mit Wilhem Kempff und Yehudi Menuhin

    Ich habe ernstlich daüber nachgedacht inwieweit diese 49 Jahre alte (tontechnisch einwandfreie) Aufnahme noch dem Standard der heutigen zeit enspricht - und hatte vor mir eine modernere Alternative zuzulegen. Da sah ich in diesem Thread eine Empfehlung der Aufnahme mit Klara Würtz und Kristof Barati. Sie kasm mir irgendwie vom Cover her bekannt vor. Nach einigem Suchen fand ich sie bei den bislang ungehörten Aufnahmen - originalversiegelt. Das ist sie im Moment immer noch - aber nicht mehr lange. Sie wird - wie auch Kempff/Menuhin in Zukunft diesen Thread tönend begleiten.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Anschließend an Alfreds lesenswerten Beitrag möchte ich noch auf eine CD-Einspielung hinweisen, die bereits in einem der ersten Beiträge als vergriffen angegeben wurde, was leider immer noch der Fall zu sein scheint; zumindest als Download ist sie hingegen noch bei amazon erhältlich:



    711ftf5O4VL._SS500_.jpg

    https://www.amazon.de/Beethove…ethoven+sonaten+immerseel

    Hier finde ich den Klang insbesondere des Fortepianos geradezu bezwingend, und finde, dass dadurch eine ganz eigene Klangwelt entsteht, die völlig anders ist als bisher gewohnt. Eine etwas gedämpftere, bisweile dumpfe, wolkige Stimmung im Piano, dann wieder kristallin-funkelnd in den lebhaften Momenten. Jos van Immerseel und Jaap Schröder spielen absolut gleichberechtigt und legen eine große Spielfreude, Virtuosität und Sensibilität an den Tag. Auch klanglich ist diese Aufnahme vom Feinsten. Man kann nur hoffen, dass die wieder einmal als CD aufgelegt wird, ich finde, diese Aufnahme hätte einen großen Hörerkreis verdient.

  • Hallo lieber Don_Gaiferos, es gibt sie auch noch als CD, allerdings recht preiswert ;(




    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Lieber Fiesco, danke für den Hinweis, das hatte ich in der Tat übersehen; aber bei 95 Euro müsste ich auch erst nochmals überlegen, ob es denn nicht auch noch andere Einspielungen gibt...^^


    Ich habe übrigens festgestellt, dass sich die Aufnahme mit Arthur Grumiaux und Clara Haskil, die bereits erwähnt wurde, in dieser verdienstvollen Box befindet; 86 CDs für 80 Euro, da kann man nicht meckern.



    Das ist sehr günstig, zumal man wirklich Hochrangiges erhält, u.a. die Klaviersonaten mit Brendel (ich habe die Vorgängerversion dieser Box, gehe aber davon aus, dass die Einspielungen noch dieselben sind).


    Allerdings muss ich sagen, um wieder zum eigentlichen Threadthema zurückzukommen, dass ich die besagte Einspielung mit Haskil und Grumiaux nur mit Einschränkungen empfehlen kann, was der Klangtechnik geschuldet ist. Hier wird zwar hochrangig musiziert, allerdings klingt das Ganze schon etwas dumpf-blechern, und die Geige, die stark in den Vordergrund gerückt ist, hat einen metallisch-schneidenden Klang, der einem regelrecht durch's Trommelfell fräst, und daher nur bei reduzierter Lautstärke erträglich ist. Vielleicht gibt es ja noch andere Auflagen dieser Einspielung, die noch klangtechnisch optimiert worden sind, diese hier jedenfalls ist mit den besagten Einschränkungen behaftet.