Valery Gergiev - ein russischer Dirigent

  • Großer Gott, bis du DER Markus Schirmer? Ich wusste nicht, dass hier solche großartigen Künstler unterwegs sind! :jubel: Heil dir und vielen Dank für dieses informative Statement!

  • Vielerorts im Forum bereits erwähnt wurde die neue Aufnahme der Walküre unter Gergiev. Die Besetzung lässt aufhorchen: Kampe, Kaufmann, Pape, Stemme und Petrenko.


    Ich konnte bereits reinhören. Erster Eindruck allerdings zwiespältig. Kaufmann als Siegmund an sich sehr gut, aber ich hatte grad kurz davor Jon Vickers gehört — da fehlt dann doch noch etwas zum Bestmöglichen. René Pape singt den Wotan sehr wortdeutlich und eigentlich tadellos, aber die Anteilnahme ist höchstens mittelmäßig. Er wirkt seltsam unbeteiligt. Die Damen habe ich mir im Detail nicht gegönnt. Petrenko als Hunding ist solide. Die Orchesterleistung ist bestimmt auch als überdurchschnittlich zu bezeichnen, aber gerade bei dieser Oper gibt es einfach zuviel Konkurrenz. Gegen die Leinsdorf-Aufnahme sieht auch das Dirigat alt aus. Und wer einmal den Wotan-Abschied, dirigiert von Knappertsbusch mit den Wienern und George London, gehört hat, wird hier auch allenfalls ein "gut" geben können.


    Aber was meint ihr dazu, die ihr die Aufnahme auch kennt?


    Liebe Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph II,


    nach dem ersten Durchhören der Aufnahme vor ein paar Tagen kann ich Deinen gemischten Eindruck nicht bestätigen.


    Im Gegenteil, ich halte diese "Walküre" für sehr gut besetzt und dirigiert und für die beste Wagner-Aufnahme seit Bychkows "Lohengrin" aus 2008 (gäbe es letztere Aufnahme nicht, hätte ich geschrieben "seit Jahrzehnten").


    Gergiev bevorzugt langsamere Tempi (ca. 1/2 Stunde langsamer als Karl Böhm) und schwelgt in dunkleren, satten Klangfarben. Abgesehen von Wotans Abschied (zu langsam) bin ich von der Orchesterleistung sehr beeindruckt, ebenso wie vom Gesang und der Gestaltung der Hauptpersonen.


    Ein besonderes Plus geht (zu meiner größten Überraschung) an Jonas Kaufmann. Er singt mit spürbarer Leidenschaft und fast "vollkommen frei". Von seinem für mich unangenehmen Hang, stimmlich zu forcieren bzw. pressen ist hier so gut wie nichts zu hören. Im Siegmund scheint er "seine Rolle" gefunden zu haben.
    Anja Kampe steht ihm an Intensität und Gestaltungsfreude in nichts nach. Der 1. Akt gehört für mich zu den herausragenden der Schallplattengeschichte (wenngleich es sich hier um SACDs handelt).


    Ich werde mir die Aufnahme demnächst noch einmal intensiv zu Gemüte führen und dann im entsprechenden Thread ausführlicher berichten...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Waleri Abissalowitsch Gergijew (* 2. Mai 1953 in Moskau) ist ein russischer Dirigent und Intendant in Sankt Petersburg.
    Er stammt aus einer Familie aus der damaligen Nordossetischen Sozialistischen Sowjetrepublik, der heutigen Kaukasus-Republik Nordossetien.



    Alles Gute zum Geburtstag!


    :jubel::jubel:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Gepflogenheit der Sowjetzeit wieder aufgenommen und u.a. den Dirigenten Valery Gergiev einige Persönlichkeiten des Lande zum «Helden der Arbeit» ernannt.
    Die Auszeichnung besteht aus einer sternförmigen Gold-Medaille, die 15,25 Gramm wiegt, und einer seidenen Russland-Flagge. Dazu kommt noch der Anspruch auf eine Bronzebüste in seiner Heimatstadt.
    Gergiev, der heute seinen 60. Geburtstag feiert, ist ein enger Freund Putins. Damit besetzt er im russischen Musikleben eine machtvolle Position.
    Die Auszeichnung «Held der Arbeit» geht auf Stalin zurück, der damit besonders staatstreue Genossen belohnte.

    [Quelle: Codex Flores]


    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • ..wird heute in St. Petersburg eröffnet:



    Die neue Bühne des Mariinski Theaters.
    Die Baukosten betrugen eine halbe Milliarde Euro.
    Im Mariinski II, wie es offiziell heißt, werden 1.000 neue Beschäftigte Arbeit finden, darunter 70 neue Orchestermusiker.
    Der Hauptsaal bietet Platz für 2.000 Zuschauer. Das Mariinski Theater in St. Petersburg gilt neben dem Bolschoi in Moskau als das bedeutendste Staatstheater in Russland.
    Es wird seit 25 Jahren von dem Dirigenten Waleri Gergijew geleitet, der 2015 zusätzlich noch Chef der Münchner Philharmoniker werden soll.
    Gergijew übernimmt nun auch noch die neue Opern- und Ballettbühne in St. Petersburg. Der heutigeTag der Eröffnung ist zugleich sein 60. Geburtstag.

    (Quelle: WDR)

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Er heißt nicht Pontius Pilatus
    19.12.2013 · Von 2015 an soll der russische Dirigent Valery Gergiev die Münchner Philharmoniker leiten. Jetzt kommt es in der Stadt zu Protesten gegen ihn, weil er das Homosexuellen-Gesetz seines Freund Putin verteidigt.


    Der ganze Artikel hier abrufbar: http://www.faz.net/aktuell/feu…ius-pilatus-12717555.html

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    – Luís de Camões

  • Tja - wieder mal gilt es, zwischen dem Musiker und dem Menschen zu unterscheiden, oder?


    Mal unabhängig davon, wie Gergiev seinen Kommentar zu dem umstrittenen Gesetz wirklich gemeint hat: Wenn er tatsächlich ein "Putin-Freund" ist, reicht mir das schon, um ihm mehr als kritisch gegenüber zu stehen.


    Das sollte aber das Urteil über ihn als Musiker eigentlich nicht beeinflussen. Gleichwohl muss ich feststellen, dass er einer der bedeutenden Dirigenten ist, von dem ich bislang keine einzige Aufnahme habe...

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Ich finde es richtig und notwendig, dass Gergiev auch in Deutschland auf Proteste stößt und erfährt, dass hier Minderheiten, wozu auch Homosexuelle gehören, verfassungsrechtlich geschützt sind. Sollte er sich nicht ganz eindeutig von diesem obskuren Gesetz Putins distanzieren, dann gehört er nicht vom deutschen Steuerzahlern bezahlt. Und so gut finde ich ihn nun auch wieder nicht, als dass München nicht auch auf ihn verzichten könnte.


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Und so gut finde ich ihn nun auch wieder nicht, als dass München nicht auch auf ihn verzichten könnte.


    Zumal München dereinst meinte, aus kleinlichen Motiven auf Thielemann verzichten zu können...

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)


  • Der russische Dirigent Gergiev unterstützt Putin und die Annexion der Krim. Ist er als künftiger Chef der Münchner Philharmoniker tragbar? Im Stadtrat gibt es Zweifel.


    [...]


    Petrenko ist Russe und musste jüngst auf einer Pressekonferenz natürlich auch eine Frage zur Krim-Krise beantworten. Er sagte, was die hiesige Öffentlichkeit von ihm erwartete: Es sei "alles andere als normal", was dort passiere; er hoffe auf eine "politische Lösung, die die Souveränität der Ukraine nicht antastet".


    Petrenkos künftigem Münchner Kollegen Valery Gergiev, dem designierten Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, wäre solch ein Satz wohl nicht über die Lippen gekommen. Er lässt sich lieber von Putin Orden an die Brust heften – und unterschrieb vor einer Woche einen Unterstützer-Appell für Putins aggressives Vorgehen auf der Krim. Auf der Liste der patriotisch gesinnten Künstler findet man auch den bekannten Bratschisten Juri Baschmet. Anna Netrebko ist nicht darunter.


    [...]


    Link zum ganzen Artikel: http://www.zeit.de/kultur/musi…i-gergijew-muenchen-putin


    Mein persönlicher Kommentar dazu: Man mag zu Gergiev stehen, wie man will. Wenn er sich in der Krim-Frage hinter Putin stellt (womit er im übrigen zu den etwa 70 % aller Russen gehört, die dies laut Umfragen tun), dann ist das erstmal seine private Meinung. Ich hielte es für ein grenzwertiges Zeichen, würde man seinen Vertragsabschluss deswegen rückgängig machen. Man kann doch nicht auf der einen Seite die sicherlich diskutable Meinungsfreiheit in der Russländischen Föderation anprangern, sie dann aber in der BRD ebenfalls nicht zulassen. Gergievs Meinung ist legitim, auch wenn man sie nicht teilt. Das hält die Demokratie schon aus. Ohne jetzt groß auf die generelle politische Situation eingehen zu wollen, ist mein Eindruck, dass die westliche Berichterstattung auch im Allgemeinen derzeit sehr einseitig verläuft und geradezu herausfordert, sie zu hinterfragen, was offenkundig auch geschieht, wie man in den Kommentarbereichen der Online-Ausgaben durchaus seriöser Zeitungen (FAZ, Süddeutsche, Die Zeit, Die Welt, Der Spiegel usw.) verfolgen kann. Die in Beitrag 157 bereits angesprochene Unterstützung Gergievs für das neue Gesetz der russischen Staatsduma gegen "homosexuelle Propaganda" ist sicherlich fragwürdig, allerdings dünkt mir auch hier, dass im Westen (absichtlich?) ungenau darüber berichtet wird (Homosexualität an sich ist in Russland nicht verboten), dass die Wahrnehmung in Russland selbst bei Betroffenen tlw. ganz anders ist (ein sehr lesenswerter Artikel, ebenfalls aus der "Zeit", hier) und dass die viel drastischere Situation in Indien oder Uganda etwa kaum thematisiert wird. Man könnte wirklich meinen, der Kalte Krieg sei nie zu Ende gegangen.

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • (Homosexualität an sich ist in Russland nicht verboten)

    Naja, wenn man seine homosexuelle Einstellung öffentlich zeigt, dann ist das homosexuelle "Propagada", die mit Gefängnis bestraft werden kann.



    Man könnte wirklich meinen, der Kalte Krieg sei nie zu Ende gegangen.

    Das ist wohl auch so, ja, leider.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Im Deutschlandfunk höre ich soeben, dass die Ukrainische Gemeinde in München, die nicht klein sein soll, deutliche Proteste gegen den designierten Chef der Philharmoniker - auch bei Konzerten - angekündigt hat. Auch im Stadtrat gibt es Stimmen, die Gergiev für völlig untragbar halten, weil er ja die Stadt künstlerisch nach außen repräsentiere. Aus London wird gemeldet, dass dort anstehende Konzerte des LSO boykottiert werden sollen. Angeblich würden gekaufte Karten in großen Stückzahlen zurück gegeben.


    Man wird sehen. Ob München das durchsteht, muss sich zeigen. Die Bayern sind ja hart im Nehmen. Und man muss Gergiev wirklich seine Meinung lassen, die er gewöhnlich nicht für sich behält. Auch wenn sie nicht gefällt. Lohnt es sich? Ich halte Gergiev schon immer für überschätzt. Jene von ihm geleiteten Konzerte, die ich besuchte, haben mich nicht bewegt. Auch an Opernaufführungen habe ich nicht die geringste emotionale Erinnerung. Sein Wagner, den ich nur von der CD kenne, erreicht mich nicht. Außerdem tanzt er auf zu vielen Hochzeiten. Das macht mir Dirigenten immer suspekt. Wie will er das alles schaffen? Wenn er am Ende doch in München antritt, dann dürfte er geleichzeitig Chef von drei großen Institutionen sein: Bolschoi, LSO und eben München. Oder habe ich mich verzählt?


    Joseph II. hat Recht: Man könnte tatsächlich den Eindruck gewissen, als sei der Kalte Krieg nie zu Ende gewesen. Ich beobachte eine gewisse Lust bei Medien, darunter ARD und ZDF, und bestimmten Leuten in der deutschen Politik, sich in der Verteufelung Putins überbieten zu müssen. Jetzt wissen plötzlich alle, wie gefährlich der Mann ist. Das ist schlicht töricht und absolut unhistorisch. Wer sich mit Russland beschäftigt hat, der ist überhaupt nicht überrascht. Es wird ein sehr vergilbtes altes Feindbild hervorgezerrt. Und was die Homosexualität anbetrifft, so hat es auch im alten Europa sehr, sehr lange gedauert, bis die Schreckparagraphen und die Verfolgung abgeschafft wurden. Der Weg war und ist sehr lang und schmerzenreich.


    Gergiev selbst interessiert mich dabei in zunehmendem Maße am allerwenigsten.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es wird halt oft unter den Tisch fallen lassen, dass zB die Rechtsaußen-Parteien (wie "Swoboda"), die jetzt mit westlicher Unterstützung/Duldung an der neuen Regierung der Ukraine beteiligt sind, eher noch brutalere Ansichten zur Homosexualität vertreten.
    Dass die momentane Chose irgendwas mit Menschenrechten oder Freiheit zu tun hat, glaube hoffentlich kein Mensch mehr. Die gesamte Nato-Ost-Erweiterung ist seit Jahren eine Provokation, von der man anscheinend erwartet hatte, dass Russland das auf Dauer stillschweigend hinnehmen würde. Das war naiv.


    Ebenso naiv scheint es mir zu erwarten, dass sich ein langjähriger "Weggefährte" wie Gergiev von Putin und dessen Politik distanziert. Abgesehen davon, bin ich auch der Ansicht, dass der nicht auf noch einer Hochzeit tanzen muss. Ich fand das schon vor Jahren bei Barenboim, Levine u.a. übertrieben, einen Posten in den USA und zwei in Europa zu halten (oder so ähnlich). Als ob es nicht genügend Dirigenten gäbe...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Man mag zu Gergiev stehen, wie man will. Wenn er sich in der Krim-Frage hinter Putin stellt (womit er im übrigen zu den etwa 70 % aller Russen gehört, die dies laut Umfragen tun), dann ist das erstmal seine private Meinung. Ich hielte es für ein grenzwertiges Zeichen, würde man seinen Vertragsabschluss deswegen rückgängig machen. Man kann doch nicht auf der einen Seite die sicherlich diskutable Meinungsfreiheit in der Russländischen Föderation anprangern, sie dann aber in der BRD ebenfalls nicht zulassen. Gergievs Meinung ist legitim, auch wenn man sie nicht teilt. Das hält die Demokratie schon aus.


    Sicher darf auch ein Künstler eine eigene (politische) Meinung haben. Aber wenn man insbesondere als berühmter Künstler im Rampenlicht steht und darob auch weiß, sollte man sich vielleicht auch mal diplomatisch verhalten; vulgo: Schnauze halten! - Wie verhält es sich denn mit dem (hypothetischen) ukrainisch-stämmigen Orchestermitglied der Münchner Philharmoniker? Der hat sicherlich auch eine eigene Meinung zu diesem Thema. Allerdings spielt er unter Umständen mit seiner Zukunft, wenn er sie laut äußert und sie vielleicht eine andere ist, als die seines zukünftigen Chefs und wie heißt es doch? "Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo die Freiheit des Anderen anfängt".

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich will hier keine eigene politische Position in Sachen russische Innenpolitik bzw. Krimkonflikt beziehen, obwohl ich auf Grund vieler Freunde und Familienangehörigen in der UA recht "nahe" am Geschehen bin. Das gehört nicht in dieses Forum. Das voraus meine ich: Zur Meinungsfreiheit gehört, dass alle Beteiligten die jeweils andere Meinung aushalten. Das betrifft Herrn Gergiev einerseits ebenso, wie andererseits diejenigen, die nun nach seinem Kopf rufen, weil ihnen seine Meinung nicht passt. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass gerade viele tatsächliche oder vermeintliche Minderheiten jedweder Art einerseits lautstark Toleranz für ihre Lebensweise, Ansichten reklamieren, andererseits aber ggü. abweichenden Meinungen ausgesprochen agressiv reagieren und diese am liebsten ganz mundtot machen wollen. "Altachtundsechziger", die noch in den 60er 70er Jahren über die sog. "Berufsverbote" jammerten, fordern nun eben solche für Leute, die - wie zB Gergiev - "politisch nicht korrekte" Meinungen vertreten. Auch die Meinungsfreiheit (anderer) und die Freiheit der Kunst haben Verfassungsrang.
    Neben einigen Aufnahmen russischer Opern schätze ich (mit Einschränkung der problematischen Bestzung im Rheingold) die von G. bisher vorgelegten Wagner interpretationen sehr. Ich gebe zu, dass natürlich der sehr breite, teils bombastische Klang aber Geschmackssache ist.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Grundsätzlich interessiert mich die politische oder religiöse Einstellung eines Musikers nicht, sondern nur seine Leistung als Interpret. Allerdings ist ein Generalmusikdirektor oder Chefdirigent nicht nur Privatperson, sondern Repräsentant einer Institution. Da muß es einen gewissen Grundkonsens der Beteiligten in der öffentlichen Darstellung geben. Es kann deshalb gut sein, daß ein Orchester aus diesem Grund einen solchen Chef als untragbar empfindet. Darüber sollte er sich eigentlich im Klaren sein, wenn er sich so öffentlich exponiert.


    Putins Handeln ist fatal und wirft die Politik zurück in scheinbar längst überwundenes Großmachtdenken. Im Budapester Abkommen hat Putins Rußland die territoriale Unantastbarkeit der Ukraine vertraglich garantiert. Das ist also ein ziemlich zynischer, glatter Bruch des Völkerrechts. Ich wundere mich immer wieder über die Art der Diskussion, als ob die Nachbarn von Rußland keine souveränen Staaten wären, sondern nur Vasallen und Satelliten wie einst gegenüber der Sowjetunion und über ihre Zukunft nicht selbst entscheiden dürften, sondern statt dessen dem Diktat aus Moskau folgen müßten, was dann der Westen als legitimen hegemonialen Anspruch obendrein noch zu respektieren hätte. Zum Glück und Segen für die Welt sind die baltischen Staaten und Polen inzwischen in der Nato. Sonst würde Putin auch da die russischsprachige Bevölkerung aufwiegeln und morgen einmaschieren. Diese pompöse Inszenierung gestern im Kreml war ja wirklich operettenhaft lächerlich - so was gibt es in der Welt sonst nur noch in Nordkorea, meinte meine Frau, die aus einem ehemals sozialistischen Land stammt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Im Budapester Abkommen hat Putins Rußland die territoriale Unantastbarkeit der Ukraine vertraglich garantiert.


    Richtig ist: Russland, USA und Großbritannien garantierten der Ukraine die Unantastbarkeit ihres Gebietes.
    Davon abgesehen, hat Chruschtschow die vormals russische Krim vor 60 Jahren an die Ukraine geschenkt, Geschenke kann man jederzeit zurückfordern. Die russische Bevölkerung der Krim hat Chruschtschow jedenfalls nicht befragt.
    Janukowitsch, der gewählte Präsident der Ukraine (er wurde nicht abgewählt), hat Putin um Hilfe gebeten.
    Die autonome vom Volk gewählte Krimregierung hat die Krim für Unabhängig erklärt. Die Bevölkerung der Krim hat für den Anschluss an Russland abgestimmt und Russland hat die Krim aufgenommen. Das Verfassungsgericht Russlands hat die Rechtslage für juristisch einwandfrei befunden.
    Für mich ist wichtig, daß der Wille der auf der Krim lebenden Bevölkerung durchgesetzt wurde. Diesen Willen hat Putin respektiert. Warum sollte sich Gergiev von Putin distanzieren?


    In den 50.Jahren hat die Bevölkerung des Saargebietes darüber abgestimmt hatte, ob sie bei Frankreich verbleiben oder zu Deutschland gehören wollte. Seitdem ist das Saarland wieder deutsch.
    Die Bevölkerung in Ostpreußen und Schlesien ist nie befragt worden, ob sie zu Polen oder Deutschland gehören will.
    Wie steht es mit Südtirol? Die dortige Bevölkerung konnte nicht darüber abstimmen, ob sie zu Italien oder Österreich gehören will.
    Was ist mit Nordirland? Wollen die Menschen dort zum Vereinigten Königreich gehören oder sich mit der Republik Irland vereinigen?
    Über die völkerrechtswidrige Besetzung vom nördlichen Teils Zyperns durch die Türkei regt sich kaum noch jemand auf.

    mfG
    Michael

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Jetzt griff auch die "Süddeutsche" den Fall auf: http://www.sueddeutsche.de/mue…ussische-schule-1.1917815


    Zitat

    Einer Stadt, die stolzgeschwellt ihre Philharmoniker als "Das Orchester der Stadt" bewirbt. In dieser Logik wäre es deshalb schön, wenn auch der Orchesterchef ein Mann wäre, der für ihre (westlichen) Werte stünde. Gergiev ist das dezidiert nicht.

    Wieso sollte Gergiev als Russe denn bitte für "westliche Werte" stehen? Andersrum würde die Absurdität dieser Annahme jedem gleich ersichtlich. Das zeigt aber sehr schön, wie wenig "der Westen" über die russische Mentalität weiß.



    Zitat

    Wird sich die Stadt einen Putin-Freund leisten wollen?

    Was soll diese Frage eigentlich? Man setze mal "Obama" statt "Putin" ein. Da würde sich die Frage nicht mal stellen, obwohl US-amerikanische Drohnen in irgendwelchen Ländern wider jedes Recht ohne ordentliche Gerichtsverfahren sog. Feinde eliminieren.



    Zitat

    Gergiev ist nicht Putin, sondern nur dessen Fan, und bisher hat er allein Lippenbekenntnisse und Ergebenheitsadressen von sich gegeben.

    Woher weiß der Autor das? Vielleicht ist es Herrn Gergievs wirkliche Überzeugung.



    Zitat

    Wenn die Stadt Gergiev deshalb schasst, würde sie die Meinungsfreiheit beschädigen.

    D'accord.



    Zitat

    Die Stadt wird es also, so schwer es auch fällt, aushalten müssen und auch können, dass Gergiev eine für viele im Westen unverständliche Haltung vertritt.

    Die neuesten Meinungsumfragen in Deutschland zeigen ein deutlich anderes Bild (vgl. repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer).

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    – Luís de Camões

  • Richtig ist: Russland, USA und Großbritannien garantierten der Ukraine die Unantastbarkeit ihres Gebietes.
    Davon abgesehen, hat Chruschtschow die vormals russische Krim vor 60 Jahren an die Ukraine geschenkt, Geschenke kann man jederzeit zurückfordern. Die russische Bevölkerung der Krim hat Chruschtschow jedenfalls nicht befragt.

    Solche "Geschenke" gibt es im völkerrechtlichen Sinne nicht. Die Ukraine war damals Teil der Sowjetunion und gar kein eigenständiger Staat so wenig wie Rußland. Fakt ist, daß Rußland nach dem Zerfall der Sowjetunion die Ukraine in ihren Grenzen einschließlich der Krim mehrfach völkerrechtlich verbindlich anerkannt hat. Für die Krim hat Rußland für die Nutzung ihrer Flottenstützpunkte u.a. einen Pachtvertrag für 30 Jahre vereinbart. Das Fatale am Handeln Rußlands ist der Verlust der Berechenbarkeit. Wie sollen in Zukunft Verträge mit Rußland ausgehandelt werden, wenn sich Rußland an seine vertraglichen Vereinbarungen nicht hält? Dieser Vertrauensverlust ist verheerend für die internationale Diplomatie.



    Janukowitsch, der gewählte Präsident der Ukraine (er wurde nicht abgewählt), hat Putin um Hilfe gebeten.
    Die autonome vom Volk gewählte Krimregierung hat die Krim für Unabhängig erklärt. Die Bevölkerung der Krim hat für den Anschluss an Russland abgestimmt und Russland hat die Krim aufgenommen. Das Verfassungsgericht Russlands hat die Rechtslage für juristisch einwandfrei befunden.
    Für mich ist wichtig,daß der Wille der auf der Krim lebenden Bevölkerung durchgesetzt wurde. Diesen Willen hat Putin respektiert. Warum sollte sich Gergiev von Putin distanzieren?

    So sieht das die russische Propaganda. Mit welchem Recht mischt sich Rußland hier in die inneren Angelegehneiten der Ukraine ein? Janukowitsch wurde nicht zuletzt von den Abgeordneten seiner eigenen Partei abgesetzt. Die Ukraine ist ein souveräner Staat und kein Vasall Rußlands. Rußland hat weder polizeiliche noch militärische Hoheit über das ukrainische Staatsgebiet - völlig egal, was dort passiert. Wenn Janukowitsch die Russen darum bittet, militärisch einzugreifen, dann ist das schlicht Hochverrat. Das russische Verfassungsgericht ist für die Ukraine nicht zuständig - so wenig wie das deutsche darüber befinden kann, was in der französischen Normandie passiert. Die Volksabstimmung in der Krim ist eine Farce. Der selbsternannte Präsident der Krim erhielt bei der letzten Wahl dort 3 % (!) der Stimmen. Wer ist überhaupt zur Wahl gegangen? Was ist mit den 300000 Krim-Tartaren, die für die Ukraine sind? Eine Wahl ohne Legitimation (nach ukrainischem Recht ist die verfassungswidrig), ohne internationale Beobachter, die stattfindet unter Waffen, wo natürlich diejenigen, die sich durch das Militär bedroht fühlen, gar nicht erst hingehen. Bevor Rußland seine Proganda-Offensive gestartet hat, hat dort niemand das Bedürfnis verspürt, zu Rußland gehören zu wollen. Die Menschen sind nur leider dumm - fallen immer wieder herein auf Propaganda (wie damals die Sudentendeutschen auf die NS-Prüaganda ebenso). Ich bin mir sicher, nach 5 Jahren werden die meisten Bewohner der Krim - gerade auch die Russen - diesen Schritt ziemlich bereuen. In der Ukraine hatten sie nämlich weit mehr Freiheiten, als sie es im autokratisch regierten Rußland haben werden.



    Wie steht es mit Südtirol? Die dortige Bevölkerung konnte nicht darüber abstimmen, ob sie zu Italien oder Österreich gehören will.

    Ein schönes Beispiel. Genau deswegen darf Österreich auch nicht einfach die Südtiroler aufwiegeln, in Südtirol einmarschieren, eine Volksabstimmung unter eigener Aufsicht seiner Waffen veranstalten und die Abspaltung Südtirols von Italien verkünden. Diese Zeit, wo auf diese Weise Grenzkorrekturen in Europa vorgenommen wurden, sollte eigentlich der Geschichte angehören.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Die politische, völkerrechtliche und moralische Bewertung der Ereignisse auf der Krim sollte m.E. hier nicht Gegenstand der Betrachtungen sein. Es geht ausschließlich darum, ob sich Herr Gergiev mit seiner Unterstützung von Putin als künftiger Chef der MP disqualifiziert hat.


    In den oben zitierten Artikel der SZ fand ich folgenden Satz sehr bemerkenswert:


    "Zumal der Posten des Philharmoniker-Chefs eben nicht nur ein künstlerischer Posten, sondern auch ein politischer ist."


    Diese Aussage finde ich schon ziemlich krass.

  • Ja, gemäß den Forenregeln sollten wir hier icht über Politik diskutieren und darüber, ob der Westen oder Putin im Recht sind, sondern höchstens über Gergiev und bestenfalls über ihn als Künstler, als Dirigenten!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Der SZ-Artikel beinhaltet ja einige gewöhnungsbedürftige Aussagen. Die Presse vermischt allgemein gerne Kultur mit Politik, so dass eine strikte Trennung zuweilen schwierig erscheint, auch im Rahmen dieses Forums, will man angemessen darauf reagieren.


    Wenn die Position des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker politisch sein soll, dann erschiene auch die Berufung des Rumänen Sergiu Celibidache 1979 in einem ganz anderen Licht.

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    – Luís de Camões

  • Frau Nebtreko und Herr Horostowsky werden trotz ihrer Einstellung zu Putin weiter in Wien auftreten und von ihren Fans gefeiert werden. Man sollte jetzt nicht den Fehler machen und nur auf Herrn Gergiev rumhacken.. Habe gestern eine sehr interessante Dokumentation über Hitler und seine Idole gesehen wo es um die Rolle von Heinz Rühmann im Nazireich ging. Einen ganz interessanten Satz hat die Schauspielerin Bruni Löbl gesagt: " Man wusste nicht genau was da vor sich geht aber wir wollten nur unseren Beruf weiter ausüben ".


  • Valery Gergiev gibt am Donnerstag, 17. September, sein Antrittskonzert als neuer Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Gergiev und das Orchester der Stadt eröffnen die Spielzeit 2015/16 mit der monumentalen Symphonie Nr. 2 c-Moll, der "Auferstehungssymphonie" von Gustav Mahler. Begleitet wird das Orchester von Anne Schwanewilms, Sopran, und Olga Borodina, Mezzosopran, sowie dem Philharmonischen Chor unter Einstudierung von Andreas Herrmann. Oberbürgermeister Dieter Reiter spricht Grußworte zum neuen Saisonauftakt.


    Das Eröffnungskonzert wird am 17. September vom ZDF/3sat aufgezeichnet und am Samstag, 19. September, 20.15 Uhr in 3sat gesendet. Um 22 Uhr folgt ein aktuelles TV-Porträt über Valery Gergiev. Im Hörfunk ist das Konzertprogramm in der Aufführung am Sonntag, 20. September, um 11 Uhr bei BR Klassik zu erleben.


    Quelle: nachrichten-muenchen.de

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    – Luís de Camões

  • Im aktuellen Spiegel gibt es ein Interview mit Valery Gergiev, das sich erwartungsgemäß weniger mit den musikalischen Plänen des Dirigenten in München befasst, sondern eher mit seinem umstrittenen politischen Verständnis.

  • Am 10., 11. und 12. September 2015 fand das


    Rotterdam Philharmonic Gergiev Festival


    im Zeichen von Sergei Rachmaninov statt.
    Unter dem Thema Rachmaninov wurden von Valery Gergievalle Sinfonien und Klavierkonzerte in drei Tagen dargeboten.


    Interessierte klicken bitte unter


    http://www.radio4.nl/thema/Gergiev%20Festival%202015

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)


  • In einer Woche, am 18. Oktober 2015, wird Valery Gergiev sein letztes Konzert als Chefdirigent des London Symphony Orchestra leiten: Bartók und Strawinsky. Man möchte fast sagen: Bezeichnenderweise nicht in London selbst, sondern in Paris. Acht Jahre lang stand er an der Spitze des heute wohl besten britischen Orchesters als Nachfolger von Sir Colin Davis. Andrew Clements von "The Guardian" stellt ihm in einem kürzlich erschienen Artikel eine ziemlich katastrophale Bilanz aus. Wenige Aufführungen würden in Erinnerung bleiben, Gergiev habe zu wenig geprobt und oft mittelmäßige Ergebnisse erzielt. Überhaupt sei er, der Jetset-Dirigent, offenbar meist nur für die Generalproben und Konzerte überhaupt in England gewesen. Seine fragwürdig enge Beziehung zum Putin-Regime ist da nur mehr das Tüpfelchen auf dem "i". Fazit: Die Londoner Zeit von Gergiev sei keine große Zeit fürs LSO gewesen und auch keine der Glanzzeiten des Dirigenten Valery Gergiev.

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    – Luís de Camões

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