Das Lied entstand am 23. Oktober 1815. Es gehört in die Reihe der Wilhelm Meister-Vertonungen. Ein Zweivierteltakt liegt ihm zugrunde, die Tonart ist A-Dur, und die Vortragsanweisung lautet „Mässig“. Der Form nach handelt es sich um ein variiertes Strophenlied: Die erste und die zweite Strophe sind identisch, die dritte weicht in ihrer Faktur von ihnen ab. Identisch ist bei den beiden ersten Strophen auch der Refrain, den Schubert textlich stark ausweitet. Er lautet hier: „Dahin, dahin / dahin möchte ich mit dir, o mein Geliebter (Beschützer) ziehn / dahin, dahin, dahin / dahin möchte ich mit dir o mein Geliebter (Beschützer) ziehn / dahin, dahin, dahin.“ Die dritte Fassung des Refrains weist wiederum kleine Modifikationen in der Faktur auf.
Ein derart massiver Eingriff in den lyrischen Text in Gestalt von geradezu exzessiver Wiederholung ist ungewöhnlich für Schuberts Liedkomposition. Offensichtlich hat er in dem als tiefinnerlichen Wunsch und als nachdrücklich geäußerte Bitte artikulierten „Dahin“ das lyrische Zentrum des Gedichts gesehen und sein Lied von daher komponiert. Immerhin konnte er von Goethe ja wissen, dass Mignon das „Kennst du es wohl?“ „geheimnisvoll und bedenklich“ aussprach, die Schlussverse aber „bald bittend, dringend, hurtig und vielversprechend“. Genau dieses will auch der Refrain in Schuberts musikalischer Faktur zum Ausdruck bringen. Und ganz in der Logik des im Grunde ja szenischen Ansatzes dieser Komposition liegt es auch, dass die melodische Linie der Singstimme in arioser Weise weit phrasiert angelegt ist.
Zwar liegt auf den ersten vier Versen je eine Melodiezeile, und in ihre Abfolge ist sogar noch jeweils eine Achtelpause eingeschoben. Dennoch empfindet man diese Versgruppe als melodische Einheit, auf die dann nach einer dreitaktigen Pause der Singstimme das melodisch isolierte und dadurch in seinem Fragecharakter akzentuierte „Kennst du es wohl?“ folgt. Vor dem Einsatz der Singstimme wird hier ein sechsstimmiger arpeggierter Akkord angeschlagen, der den ganzen Takt über gehalten wird und im Zusammenhang mit einer harmonischen Rückung in einen weiteren Akkord mündet. Die melodische Linie macht bei diesen Worten einen ausdrucksstarken Quartfall, dem eine bogenförmige Aufwärtsbewegung mit anschließender Dehnung (Fermate) folgt. „Geheimnisvoll und bedenklich“ (im Sinne von nachdenklich) klingt das sehr wohl. Und vor allem wirkt es eindringlich, und man empfindet es wie eine Öffnung eines musikalischen Portals für den expressiven Refrain.
Dass man die vier Melodiezeilen trotz ihrer Trennung durch Pausen als musikalische Einheit empfindet, das hat wesentlich damit zu tun, dass sie melodisch ineinandergreifen und so strukturiert sind, dass sie jeweils wie die Fortführung der vorangehenden Zeile wirken. So setzt zum Beispiel die zweite Melodiezeile („Im dunklen Laub…“) mit einem auftaktigen Sextsprung auf genau dem gleichen Ton an wie die erste. Die dritte macht zweimal dieselbe Abwärtsbewegung und endet dabei jeweils auf dem Ton, mit dem die zweite ausklang. Und die vierte schließlich setzt auf dem Ton an, mit dem die dritte endete. Das sind die gleichsam strukturellen Ursachen dafür, dass man die Melodie des Liedes als ausgeprägt kantabel und arios empfindet.
Unterstützt wird dieser klangliche Eindruck durch den Klaviersatz. Ist er bei den ersten beiden Versen zunächst noch vorwiegend akkordisch angelegt, so geht er nach einer harmonischen Rückung am Ende des zweiten Verses in eine Abfolge von triolischen Arpeggien im Diskant über, die das Klangbild bis zu den Frage „Kennst du es wohl?“ stark prägen und auch die dreitaktige Pause ausfüllen, bevor die Singstimme sie in dieser markanten Weise deklamiert.
Beim Refrain treten an die Stelle der triolischen Arpeggien sich rasch auf und ab bewegende Sechzehntel, denen in rhythmisch akzentuierter Weise akkordische Achtel im Bass zugeordnet sind. Auf diese Weise wird der drängend-eindringliche Charakter der melodischen Linie der Singstimme in markanter Weise intensiviert. Eine Steigerung dieses Effekts erreicht Schubert dadurch, dass er bis zu der Wiederholung der Worte „Dahin möcht ich mit dir…“ diese rasche Abfolge von Sechzehnteln in sich mehrfach wiederholender Aufwärtsbewegung anlegt. Dann aber, wenn der Geliebte („Beschützer“, „Vater“) angesprochen wird, voll zieht sich das Auf und Ab der Sechzehntel auf nur einer tonalen Ebene, und damit wird das klanglich Drängende aus der melodischen Linie ein wenig zurückgenommen und der Charakter von Wunsch und Bitte tritt stärker in den Vordergrund.
Bei den letzten Wiederholungen des „Dahin“ steigert sich dieser Quartsprung, mit dem das Wort deklamiert wird, vom Forte ins Fortissimo, und die Dreiergruppen von Sechzehnteln bewegen sich nun in einem größeren tonalen Intervall wieder auf und ab und verstärken so den Eindruck des unruhigen Drängens, den die Vokallinie hier macht. Sie steigert diesen am Ende ja noch dadurch, dass sie bei den beiden letzten „Dahin“ den Quartsprung zunächst in eine lange Dehnung auf einem hohen „e“ münden lässt und von da aus noch höher zu einem zweigestrichenen „a“ bei der Silbe „-hin“ steigt, das sie mehr als einen Takt lang hält,
Das ist in der Tat ein Lied von einer für Schubert ungewöhnlich großen ariosen Emphase. Man kann darüber streiten, ob es in dieser musikalischen Faktur der literarischen Gestalt der Mignon angemessen ist. Aber Schubert hat dieses ihr Lied eben so gelesen.
(Das Gedicht und der Kommentar dazu finden sich am Ende der vorangehenden Seite)