Die Beliebtheit dieses Stückes kann ich nicht nachvollziehen...

  • Also einigen wir uns darauf, daß ich den Zugang zu einem Werk eher in seiner Sinnlichkeit und Schönheit beurteile, während Du offensichtlich ein realistischer Analytiker bist (typisch deutsch eben).


    Einigen wir uns lieber darauf, dass wir über zwei verschiedene Dinge reden....



    Mit den besten Grüßen vom Alsergrund!


  • Einigen wir uns lieber darauf, dass wir über zwei verschiedene Dinge reden....


    Mit den besten Grüßen vom Alsergrund!


    Upps! da habe ich mich aber ganz schön geirrt. Als ich vor Jahrzehnten noch in der Schwarzspanierstraße wohnte, wollte ein Bekannter Genaueres wissen. Deshalb sagte ich ihm, das ist in dem Gebäudekomplex (Heiligenkreuzerhof), in dem Beethoven starb. Entgeistert sah er mich an und meinte dann trocken: "Aber hoffentlich nicht daran!"


    Herzliche Grüße aus der Jacquingasse im 3.Bezirk.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Deshalb sagte ich ihm, in dem Gebäudekomplex, in dem Beethoven starb. Entgeistert sah er mich an und meinte dann trocken: "Aber hoffentlich nicht daran!"


    Jenes Gebäude* wurde bereits abgerissen - die gammeligen Gebäude der medizinischen Institute leider noch nicht.... ;)



    *Nachtrag: nicht der Hof, wo du gewohnt hast, sondern das ursprüngliche Gebäude (laut Wikipedia 1903).

  • Bezüglich h-Moll Messe: Selbst wenn Du recht hast, und eine hochemotionale Arie nicht in den Messkontext passt, ändert das nichts daran, dass diese Einschränkungen halt die Qualität der Musik beeinflussen.


    Nein, warum denn? Es sind andere Anforderungen als bei einer Passion und andere Affekte (oder nicht so affektgeladene Inhalte), die ausgedrückt werden. Genauso könnte ich umgekehrt behaupten, die Messe böte weit mehr Freiheiten, weil sie nicht an die dramatische Struktur einer Passionserzählung gekoppelt ist. Man kann "Lasset uns den nicht zerteilen" schlecht als Solo-Arie behandeln, aber "Quoniam tu solus sanctus" könnte man als Arie, Chor, Ensemble vertonen. In einer Passion fehlen aufgrund des traurig-besinnlichen Charakters weitestgehend "jubelnde" Stücke, Trompeten und Pauken werden ausgespart usw. Das macht eine Messe doch weder besser noch schlechter als eine Passion, sondern anders. Und eine weniger emotionales Stück wie "Domine Deus" ist per se doch ebensowenig schlechter als eine Passionsarie wie ein brillant-konzertanter Chor wie das "Gloria in excelsis" besser als "Wir setzen und mit Tränen nieder".
    In der Messe kann Bach ein dutzend nicht choralgebundene Chöre ganz unterschiedlichen Charakters schreiben, während in einer Passion nur für ca. zwei nicht handlungsbezogene umfangreiche Chöre Platz ist. Es gibt in keiner der Passionen und meines Wissens kaum einer Kantate Pendants zu Stücken wie dem ersten Kyrie, dem Credo usw.


    Ich habe außerdem auch nicht den Eindruck, dass die Messe über die Matthäuspassion gestellt wird. Ich weiß nicht, ob sie in entsprechend dominierten Ländern wie Österreich vielleicht einen gewissen Bonus genießt. In protestantischen Gebieten Deutschlands sind Weihnachtsoratorium und Passionen meinem Eindruck nach deutlich präsenter. Zwar vielleicht auch, weil die Messe vielen Laienkantoreien erst recht zu schwierig ist, aber sicher auch, weil die anderen Stücke besser ins Kirchenjahr passen. Umgekehrt hat das allerdings auch zur Folge, dass eine Aufführung der h-moll-Messe eher als etwas besonderes gesehen wird, weil es seltener vorkommt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • In einer Passion fehlen aufgrund des traurig-besinnlichen Charakters weitestgehend "jubelnde" Stücke, Trompeten und Pauken werden ausgespart usw. Das macht eine Messe doch weder besser noch schlechter als eine Passion, sondern anders. Und eine weniger emotionales Stück wie "Domine Deus" ist per se doch ebensowenig schlechter als eine Passionsarie wie ein brillant-konzertanter Chor wie das "Gloria in excelsis" besser als "Wir setzen und mit Tränen nieder".


    Stimmt schon, ich sage auch nicht, dass die Matthäuspassion das Opus summum ist. Dieses gibt es bei Bach nämlich nicht. Eine Kantate wie "Mit Fried und Freud fahr ich dahin" oder "Ich will den Kreuzstab gerne tragen" steht den Großwerken qualitativ in nichts nach. Es gibt noch andere, welche wenig bekannt sind. Es gibt aber zahlreiche Kantaten, die Trübsal und Freude in einem Werk vereinen, z.B "Ich hatte viel Bekümmernis" und in denen Bach eine breite Bandbreite an Stilen verwendet. Ich verhehle nicht, dass ich diese Kantate viel öfter höre als die Passionen.

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  • Ich frage mich, ob man bei diesem "herrlichen" Thread nicht in die Gefahrenzone kommt, die Rolle des berühmten Hundes einzunehmen, der den Mond anbellt.
    Mozarts Nr. 40 g-moll, Beethovens Nr. 9, Ravels Bolero, Mozart A-Dur Klarinettenkonzert.......wer wäre ich, wenn ich mir anmasse (habe kein sz auf dem iPad) Unverständnis für die Berühmtheit dieser fantastischen Meisterwerke zu äussern? Wenn ich das nicht nachvollziehen kann, dann meine ich schon, dass das Problem bei mir, und nicht beim Meisterwerk liegt.
    Nicht alles ist relativ in dieser Welt, nicht alles ist "einfach nur Geschmacksache" und damit irgendwie alles gleich gut oder gleich schlecht. Die Qualität dieser Musik ist nachweisbar und eindeutig auch hörbar, fühlbar. Ansonsten wären ja auch alle Interpretationen gleich gut oder gleich schlecht und wir bräuchten uns hier nicht die Mühe machen, über sie zu diskutieren.


    Und nun zu den Bachwerken.
    Ich kann nicht auf alle Aussagen eingehen, aber ich möchte selbst folgendes formulieren:


    Die h-moll-Messe ist ein fantastisch reifes UND hochemotionales Werk. "Domine Deus" kann für mein Dafürhalten auch sehr emotional klingen, wenn man es nur richtig macht. Am besten finde ich für diese Arie mit Abstand die Aufnahme Gustav Leonhardts. Ich kann nur empfehlen, in diese Aufnahme hineinzuhören. Johannes hat recht wenn er sagt, dass man Stücke mit unterschiedlichen Affekten nicht miteinander im Sinne von "besser" oder "schlechter" vergleichen könne.
    Ungewöhnlich und sehr effektvoll finde ich beim "Domine Deus" übrigens auch die atacca-Überleitung zum Qui tollis, welches ja auch eine Parodie von "Schauet doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sei". Bach wollte hier Zusammenhänge schaffen, und das ihm m.E. auch sehr gut gelungen.


    Durch die Parodien mancher Kantatensätze hat Bach meinem Empfinden diese an sich schon hervorragenden Sätze teilweise noch veredelt, sie auf eine höhere Stufe gebracht, z.B. auch beim "Patrem Omnipotentem", bei dem der Chor zu "Gott wie Dein Name so ist auch Dein Ruhm" zugrundliegt.


    Das "Sanctus" ist ohnehin völlig unerreicht. Es gibt m.E. in der gesamten Messenliteratur irgendein Sanctus, was an dieses auch nur ein bisschen heranreicht. Man sieht geradezu, wie sich die Ältesten im Thronraum das "Heilig Heilig" donnern zurufen, und der Weihrauch steigt in Form von aufgehenden Triolenfiguren auf.


    Ich könnte so weitermachen: Ein gleichgutes Kyrie eleison oder Christe eleison kenne ich nicht, ein mehr im wahrsten Sinne des Wortes be"geist"tertes "Cum sancto spirito" auch nicht.....usw, usw.
    Dieses Werk wird uns überleben, und ich lebe seit Jahrzehnten mit dieser Musik, ohne dass sie sich für mich abnutzt. Es ist ein reifes Konzentrat Bachscher Kompositionskunst. In guten Interpretationen (wie z.B. Leonhardt, van Veldhoven, Suzuki, Herreweghe) kann man das m.E. auch schön nachvollziehen.
    Wie man sich da langweilen kann, kann ich nicht nachvollziehen.


    Die Matthäus-Passion ist für mich nach jahrzehntelangem Abwägen tatsächlich das fantastische Werk der Musikgeschichte. Diese Musik ist in so vieler Hinsicht geradezu ein Wunder. Wir haben an der Hochschule im Frühjahr nur einen Choralsatz daraus einmal satztechnisch analysiert, und ich habe mir die Mühe gemacht, die von Bach getroffenen satztechnischen Massnahmen im Zusammenhang mit der Textbedeutung zu betrachten. Was wir herausfanden ist eine derartige Fülle von Gedanken, von Ausdruckswillen und Ideen! Bachs Beherrschung aller der verschiedensten Kompositionstechniken kann man nur als wahrhaft meisterlich bezeichnen. Als jemand, der sich schon viel mit Bach beschäftigt hat, war ich dennoch sehr überwältigt. Unglaublich, was hier entstand....


    Wenn man die Rezitativkunst Bachs bei der Matthäuspassion mit Rezitativen aus dem Kantatenwerk vergleicht, so kann es bei den Kantaten schon einmal Stücke geben, die nicht an diese selbst für Bach ausserordentliche Qualität heranreichen. Natürlich ist die von mir ebenfalls heissgeliebte Kreuzstabskantate ebenfalls allerhöchste Qualität. Das was den Ausnahmerang der Matthäuspassion selbst gegenüber solchen Werken ausmacht, wird wohl der zusammenhängende dramatische Ablauf, der Gesamtumfang und die enorme Ausdrucksdichte sein. Einen irgendwie ein bisschen schwächeren Satz gibt es in der Matthäuspassion einfach nicht. Die selbst für Bach enorm hohe Qualität wird von Anfang bis zum Ende durchgeführt.
    Bach selbst hat den Rang dieses Werkes für spätere Generationen wohl erkannt oder erahnt und hat die Partitur noch einmal in schöner Schrift (mit verschiedenen Farben) "für die Nachwelt" aufgeschrieben, was für einen Barockkomponisten mehr als ungewöhnlich war.
    Dieses Werk gehört für alle Zeiten hoch auf den Sockel und sonst nichts.


    Wenig nachvollziehen kann ich die Begeisterung vieler Leute für die romantische Belcanto-Oper. Dennoch möchte ich mir hier nicht anmassen, da irgendetwas zu relativieren. Das Problem liegt hier sicher bei mir, und ganz alleine bei mir.
    Der Grund, dass ich diese Musik einfach nicht mögen kann, ist wohl mein Unverständnis für diese südeuropäische Ausdrucksart, denn Wagners Opern aus jener Zeit liebe ich ja sehr, auch übrigens den "Lohengrin".
    Barock aus Italien finde ich wunderbar, aber bei dieser Belcanto-Musik drücke ich nach ein paar Minuten immer auf "off", wenn es denn im Autoradio auf dem Klassiksender kommt. Das ist meine Form von Banausentum.


    Vielleicht kommt da ja noch ein Offenbarungserlebnis....irgendwann.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Und ich frage mich, ob hier nicht die Intoleranz seitens Glockenton auf die Spitze getrieben wird? Bescheidener formulieren als "ich kann nicht verstehen, weshalb etwas so beliebt ist" kann man wohl nicht. Diese autoritäre Verweigerungshaltung, die anderen das Recht abspricht, eine eigene Meinung zu äußern, finde ich im höchsten Maße entbehrlich! Glockentons Erfahrungen in seinen Seminaren sind gut und schön, aber - um seiner Argumentation zu folgen - wer ist denn schon Glockenton bitte im Vergleich zu Schumann, der die Johannespassion vor die Matthäuspassion stellte, oder Tschaikowski, der überhaupt der Meinung war, Bach wäre völlig überschätzt? Also den Ball bitte schön flachhalten! Ich möchte noch anfügen, dass es diese aggressive Art ist, nämlich anderen ihre Meinung zu verbieten und überall Tabuzonen zu errichten, die viele prinzipiell Interessierte von der klassischen Musik fernhält.

  • Da in diesem Thread ja auch schon Strawinskis "Sacre" angeführt wurde, möchte ich mich gerne noch dazu äußern. Dieses Werk gehört zu meinen Lieblingswerken und ich besitze zahlreiche Aufnahmen davon - aber ich kann durchaus verstehen, wenn einen diese Musik nicht anspricht. Strawinski macht es hier dem Hörer nicht leicht. (Als Begleitung zu einem Ballett mag das anders sein, aber ohne den optischen Reiz ist das Klangerlebniss allein nicht eben sehr eingängig.) Hier habe ich es also mit einem Werk zu tun, das ich sehr schätze, dessen Popularität mich aber dennoch erstaunt und (positiv) überrascht.


    Obwohl harmonischer als Strawinskis Musik, tue ich mir aber bei den Symphonien Bruckners schwer. Trotz mehrerer Anläufe - gerade bei der dritten Symphonie - erschließt sich mir die Beliebtheit dieser Werke nicht. Irgendwer hat mal gesagt, dass Bruckner eine schöne Symphonie geschrieben habe - und zwar neunmal. Das triffts so ungefähr. Dennoch komme ich nicht auf die Idee, Bruckner sein kompositorisches Können abzusprechen. Nur mich spricht es eben nicht an.

  • Ich möchte noch anfügen, dass es diese aggressive Art ist, nämlich anderen ihre Meinung zu verbieten und überall Tabuzonen zu errichten, die viele prinzipiell Interessierte von der klassischen Musik fernhält

    Irgendwie kann ich Deiner Argumentation nicht folgen.


    Glockenton hat klar Position bezogen für Barock-Musik im Allgemeinen und Bach, bes. die Matthäus-Passion im Besonderen. Er hat auch seine Sicht darauf gezeigt und zu verstehen gegeben, warum er gerade diese Musik so liebt. Ich gehöre eher zu denen, die mit religiösen Werken nicht klarkommen, weil ich überhaupt keine Bindung zu irgendeiner Religion habe. Wenn mir die Oratorien oder Bach´schen Kirchenwerke nicht gefallen, ist das mein persönlicher, vielleicht schlechter Geschmack, denn ich weiß, daß Millionen diese Musik mögen, schätzen und immer wieder hören oder gar selbst musizieren.


    Glockenton mag persönlich Belcanto-Opern nicht. das hat er gesagt, aber wo soll das aggressiv sein? Ich mag Belcanto, aber ich verlange auch nicht, daß das jedem gefällt. Das wäre missionieren, und das gibt es glücklicherweise zumindest in der Musik nicht (mehr).


    Cartman schlägt in das Horn von Eduard Hanslick, der Bruckner unterstellt hat, eine Sinfonie neun mal geschreiben zu haben. Er teilt dazu seine persönliche Meinung mit. Akzeptiert! Ich mag Bruckner, und er hat seinen unverkennbaren Stil. Das ständige Auf und Ab hat schon etwas von Wiederkehr. Ich möchte aber nicht Eintönigkeit sagen. Die Melodik der 4., die Dramatik der 7. und 8. uva machen Bruckner zu einem meiner Lieblinge. Und sicher bin ich mir darin, daß es genauso viele Befürworter der Brucknerschen Melodik geben mag wie Gegner. Übrigens mag ich die reilgiösen Werke Bruckners auch nicht.


    Und das ist doch gut so! Wie langweilig wäre die Welt, wenn alle den gleichen Geschmack hätten. Nur Toleranz sollten wir haben, die Meinung anderer zu akzeptieren. Das soll nicht daran hindern gegenteilige Meinungen auch zu vertreten. Dazu ist dieser Thread besonders geeignet.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.




  • Lies doch einfach noch mal den ersten Absatz seines Beitrags:


    Zitat

    Ich frage mich, ob man bei diesem "herrlichen" Thread nicht in die Gefahrenzone kommt, die Rolle des berühmten Hundes einzunehmen, der den Mond anbellt.
    Mozarts Nr. 40 g-moll, Beethovens Nr. 9, Ravels Bolero, Mozart A-Dur Klarinettenkonzert.......wer wäre ich, wenn ich mir anmasse (habe kein sz auf dem iPad) Unverständnis für die Berühmtheit dieser fantastischen Meisterwerke zu äussern? Wenn ich das nicht nachvollziehen kann, dann meine ich schon, dass das Problem bei mir, und nicht beim Meisterwerk liegt.
    Nicht alles ist relativ in dieser Welt, nicht alles ist "einfach nur Geschmacksache" und damit irgendwie alles gleich gut oder gleich schlecht. Die Qualität dieser Musik ist nachweisbar und eindeutig auch hörbar, fühlbar. Ansonsten wären ja auch alle Interpretationen gleich gut oder gleich schlecht und wir bräuchten uns hier nicht die Mühe machen, über sie zu diskutieren.

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  • Felix hat den thread nicht als billige Polemik gegen berühmte Meisterwerke gestartet. Wie man das hier hereinlesen kann, ist mir auch schleierhaft. Im Falle der h-moll-Messe ist z.B. die Frage, ob es sich hier überhaupt um ein einziges Werk handelt, seit Jahrzehnten durchaus umstritten. (Ich habe nicht die >100 Beiträge im entsprechenden thread durchgesehen, ob das hier im Forum auch schon einmal diskutiert wurde.) Und dass ein Werk außerordentlich kunstvoll, komplex und raffiniert ist, bedeutet doch nicht, dass man sich nicht darüber wundern kann, dass es so populär ist!


    In einem anderen thread haben wir mal die relative Popularität unterschiedlicher Werke Bachs angesprochen. Ich vermute hier immer noch, dass die ungewöhnlich hohe Anzahl von Einspielungen der Violine/Cello-Solosuiten und der Kunst der Fuge eher darauf zurückgeht, dass Musiker diese Musik gerne spielen/aufnehmen, als darauf, dass sie bei den Hörern so beliebt ist. Ich selbst habe oben die Goldbergvariationen genannt. Obwohl die vermutlich etwas zugänglicher sind, wundert mich im Grunde bei all diesen Werken die hohe Popularität (sofern sie denn besteht)., da ich sie für schwierige und teils sperrige Stücke halte.
    Dass ein Stück sehr gut ist, ist eben keine ausreichende Erklärung für seine Popularität, denn viele sehr gute Stücke sind nicht allzu populär.


    Schließlich glaube ich, dass man oft mehr über ein Stück verstehen kann, wenn man mit einer kritischen Meinung konfrontiert wird, als wenn man alle berühmten Meisterwerke sakrosankt und jenseits jeglicher Kritik hält. Auch Fehlurteile beleuchten interessante Aspekte.
    (Warum scheint vielen die Zauberflöte ein albernes Märchen (nur stört es manche nicht), aber kein Geringerer als Goethe fand die Handlung interessant genug, eine Fortsetzung zu skizzieren...)
    Natürlich weiß ich, dass der Bolero ein brillantes Experiment und eine Meisterleistung der Instrumentation ist. Dennoch kann ich eine Viertelstunde lang beinahe dasselbe nicht besonders interessant (vgl. mit anderen Werken Ravels) finden und mich darüber wundern, dass das Stück so populär ist (viel populärer als La Valse, Rhapsodie Espagnole u.a.)

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  • Ein genauer Vergleich der letzten Postings 66 und 67 könnte ggf. zur Klärung der Frage beitragen, welcher von den beiden Beiträgen sich tatsächlich eines agressiveren Sprachgebrauchs befleissigt, aber wie man das jeweils empfindet, ist sicherlich auch schon wieder -so wie alles in dieser Welt- sehr relativ/subjektiv.


    Wofür benutzt man überhaupt noch im Zusammenhang mit Musik den in sich schon intoleranten Ausdruck "Qualität"? Ist denn nicht alles relativ, gerade in diesem Genre? Kann es denn da ein Gut oder Schlecht geben?
    Warum soll man denn überhaupt der einen Musik mehr oder weniger Qualität zugestehen? Mit dieser arroganten und Unfrieden heraufbeschwörenden Haltung sollte doch `mal irgendwann Schluss sein!
    Der gesellschaftliche Konsens der da besagt: "Keine Toleranz den Intoleranten" muss endlich auch auf dieses Themengebiet ausgeweitet werden. Da darf es keine Tabus geben!
    Wir wollen doch schliesslich niemanden von der klassischen Musik abstossen!


    Wenn man einen "kontroversiellen Thread" startet, wird man wohl auch jeden Grund haben , die abweichende Haltungen der Andersdenkenden als " höchst entbehrlich" zu bezeichnen, vor allem, wenn sie sich keineswegs mit Tschaikowsky vergleichen können. Selbstverständlich möchte ich diese Haltung hiermit in aller Form und schön brav "mit flachem Ball" tolerieren und ihr meinen grossen Respekt zollen.
    Und jetzt fahre ich zum Üben - bloss nicht weiter stören :-)



    Gruss
    Glockenton

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  • Aber, aber... Sei doch froh, lieber Felix, dass sich Glockenton mit so viel Sachverstand und persönlicher Leidenschaft zu Deinem Thema geäußert hat. Was erwartest Du denn? Ich wäre froh an Deiner Stelle. Seine Beiträge habe ich mit größtem Interesse gelesen. Zündeln geht anders. Ein bisschen Polemik bringt die Debatte nur voran.


    Dir und Glockenton mein Gruß
    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Selbst wenn wir die Objektivität an erster Stelle setzen: Der Thread hat eine negative Intention. Es ist die Hinterfragung einer Eigenschaft, die im Grunde leicht zu durchschauen ist, sich anhand von Verkaufszahlen z. B. objektiv belegen lässt, subjektiv aber beurteilt werden soll.


    Hier liegt Sprengstoff und ich kann Glockenton gut verstehen.


    Grüße Thomas

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  • n einem anderen thread haben wir mal die relative Popularität unterschiedlicher Werke Bachs angesprochen. Ich vermute hier immer noch, dass die ungewöhnlich hohe Anzahl von Einspielungen der Violine/Cello-Solosuiten und der Kunst der Fuge eher darauf zurückgeht, dass Musiker diese Musik gerne spielen/aufnehmen, als darauf, dass sie bei den Hörern so beliebt ist. Ich selbst habe oben die Goldbergvariationen genannt. Obwohl die vermutlich etwas zugänglicher sind, wundert mich im Grunde bei all diesen Werken die hohe Popularität (sofern sie denn besteht)., da ich sie für schwierige und teils sperrige Stücke halte.
    Dass ein Stück sehr gut ist, ist eben keine ausreichende Erklärung für seine Popularität, denn viele sehr gute Stücke sind nicht allzu populär.


    Im Falle der Kunst der Fuge und und der Violinsoli könnte Deine Einschätzung stimmen. Erstere ist doch recht hermetisch (wenn auch nicht so trocken wie oft behauptet wird - man denke nur an den fetzigen Contrapunctus IX) und die Sologeige ist recht scharf im Klang. Die Cellosuiten allerdings mögen auch nicht jedermanns Sache sein (siehe Cartman in diesem Thread), sind aber wesentlich zugänglicher. Schon von ihrer technischen Schwierigkeit lassen sie sich mit den Violinsoli kaum vergleichen (außer die sechste Suite, die auch technisch wirklich sehr anspruchsvoll ist). Ich kenne mehrere Leute - witzigerweise meistens Frauen - die mit klassischer Musik wenig am Hut haben, denen aber gerade die Cellosuiten sehr gut gefallen. Das Cello ist auch ein Instrument, das mit seinem sonoren Klang vielen Hörern entgegenkommt. Die Goldbergvariationen kommen ebenfalls auch bei Leuten sehr gut an, die sonst wenig Klassik hören. Bachs klare und unaufdringliche Kunst, die manchem Musikliebhaber kühl vorkommt, ist eben auch eine Brücke für Menschen, die sonst andere Musik hören. Zudem bestechen die Goldbergvariationen - im Gegensatz zu den Variationen über "Vom Himmel hoch, da komm ich her" für Orgel - auch durch Ausgelassenheit und "Groove". Von den hochkomplexen Stücken der Spätphase sind sie sicherlich die zugänglichsten - und wohl auch unmittelbar eingängiger als die Partiten, von der ersten abgesehen.

  • O Freunde, nicht diese Töne...


    kommt doch bitte wieder zum Thema zurück. Es ist gefragt nach Stücken, deren Beliebtheit man nicht nachvollziehen kann. Und der eine nennt das eine Stück, der andere ein anderes. Und was dem einen gefällt, gefällt dem anderen nicht. Das muss doch normal sein.


    Muss man so aufeinander losgehen? Wer als Besucher diese dritte Seite in diesem Thread liest, muss sich doch mit Schaudern abwenden und sich fragen wo er denn eigentlich ist.
    Im übrigen halte ich den Beitrag von Glockenton inhaltlich und sprachlich für sehr fundiert. Und wer irgendwelche Autoritäten dafür braucht, die Johannes-Passion über die Matthäus-Passion zu stellen, wird trotz dieser Autorität wahrscheinlich in der Minderheit bleiben. Aber auch darum geht es IMO in diesem Thread nicht.



    Zitat von 'Thomas Sternberg

    Selbst wenn wir die Objektivität an erster Stelle setzen: Der Thread hat eine negative Intention

    Wenn mir ein Thread vom Thema her nicht zusagt, halte ich meinen Schnabel.


    Es wäre schön, wenn es hier wieder sachlich und mit gegenseitigem Respekt voreinander weitergehen könnte.


    :hello:


    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Ok, bevor das hier ewig weiterschwelt und den Thread kippt noch einige erklärende Worte zu meinem Zornausbruch auf Glockentons ersten Beitrag. Im ersten Absatz bezeichnet er die Teilnehmer in diesem Thread als "Hunde, die den Mond anbellen" (also als Ignoranten), weil sie die Popularität einiger Werke nicht nachvollziehen können. Diese Werke sind für Glockenton sakrosankt, keiner darf über sie ein in irgendeiner Weise urteilen, denn wer ist man schon? Im weiteren Verlauf seines Beitrags erklärt er dann ausführlich, weshalb ER schon über diese Werke urteilen kann und zum Schluss kommen darf, dass die Matthäuspassion das "fantastische Werk" aller Zeiten sei - also etwa im Gegensatz zur Johannespassion. Das finde ich schon eher provokant, weshalb ich es mir nicht verbeissen konnte zu erwähnen, dass "bellende Hunde" wie Robert Schumann zu einem anderen Urteil gekommen sind. Ich halte es überhaupt für verfehlt, sich auf musikwissenschafliche Bildung berufend, das eigene Geschmacksurteil absolut zu setzen - egal wer das tut. Schumann und Joseph II. haben bezüglich der Priorität der beiden Passionen eben eine andere Empfindung als Meister Glockenton (und meine Wenigkeit, sei in diesem Zusammenhang erwähnt).

  • Ich persönlich kann auch nicht nachvollziehen, warum der "Sacre" von Strawinsky so beliebt ist, aber ich finde es interessant, wenn ein Anderer anderer Meinung ist und seine Meinung auch erläutert. Die Stellungnahme Glockentons zur Barockmusik habe ich keineswegs als agressiv empfunden und wo in seinem Beitrag Intoleranz und autoritäre Verweigerungshaltung liegen soll bzw. an welcher Stelle er anderen das Recht abspricht, eine eigene Meinung zu äußern, kann ich ebenfalls absolut nicht nachvollziehen. Wenn er selbst keine Beziehung zur Belcanto-Oper hat, ist das ebenfalls seine persönliche Einstellung, die jeder sicherlich gerne widerlegen kann. Aber muss es gleich wieder zu Zänkereien kommen. Wenn ich hier erkläre, dass ich die Beliebtheit einer bestimmten Musik nicht nachvollziehen kann, muss ich auch bereit sein, anzuhören, dass ein Anderer das ganz anders sieht. Oder sollen hier nur Antipathien gegen bestimmte Stücke geschildert werden, ohne dass sachlich begründete Gegenstimmen - wie Glockenton meiner Meinung nach eine abgegeben hat - zugelassen sind? Ich muss hier timmiju Recht geben, dass solche Empfindlichkeiten bei einem Besucher höchstens Schaudern bewirken.


    LIebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich persönlich kann auch nicht nachvollziehen, warum der "Sacre" von Strawinsky so beliebt ist, aber ich finde es interessant, wenn ein Anderer anderer Meinung ist und seine Meinung auch erläutert. Die Stellungnahme Glockentons zur Barockmusik habe ich keineswegs als agressiv empfunden und wo in seinem Beitrag Intoleranz und autoritäre Verweigerungshaltung liegen soll bzw. an welcher Stelle er anderen das Recht abspricht, eine eigene Meinung zu äußern, kann ich ebenfalls absolut nicht nachvollziehen.

    Irgendwie finde ich es schon bestürzend, dass eine Viertelstunde nach meinem letzten Beitrag wieder einer kommt, der alles ignoriert, was ich gechrieben habe, aber offensichtlich spreche ich in Rätseln. Nicht die Stllungnahme zur Barockmusik oder gar zum Belcanto (mir persönlich völlig blunzn/wurscht/schnuppe) hat mich verärgert, sondern der erste Absatz. Offensichlich werde ich um eine Textexegese nicht herumkommen. Ich zitiere also den ersten Paragraphen des werten Glockenton:



    Zitat

    Ich frage mich, ob man bei diesem "herrlichen" Thread nicht in die Gefahrenzone kommt, die Rolle des berühmten Hundes einzunehmen, der den Mond anbellt. Mozarts Nr. 40 g-moll, Beethovens Nr. 9, Ravels Bolero, Mozart A-Dur Klarinettenkonzert.......wer wäre ich, wenn ich mir anmasse (habe kein sz auf dem iPad) Unverständnis für die Berühmtheit dieser fantastischen Meisterwerke zu äussern? Wenn ich das nicht nachvollziehen kann, dann meine ich schon, dass das Problem bei mir, und nicht beim Meisterwerk liegt.
    Nicht alles ist relativ in dieser Welt, nicht alles ist "einfach nur Geschmacksache" und damit irgendwie alles gleich gut oder gleich schlecht. Die Qualität dieser Musik ist nachweisbar und eindeutig auch hörbar, fühlbar. Ansonsten wären ja auch alle Interpretationen gleich gut oder gleich schlecht und wir bräuchten uns hier nicht die Mühe machen, über sie zu diskutieren.

    Hervorgehoben sind die Passagen, in denen Glockenton erstens jene beleidigt, die hier mitmachen (Hunde, die den Mond anbellen) und zweitens diesen das Recht abspricht überhaupt "Unverständnis für die Berühmtheit dieser fantastischen Meisterwerke zu äußern", denn "wer wäre ich...". Ist jetzt alles klar oder brauch ma's noch po russkij, in English oder en francais?

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  • Dennoch kann ich eine Viertelstunde lang beinahe dasselbe nicht besonders interessant (vgl. mit anderen Werken Ravels) finden und mich darüber wundern, dass das Stück so populär ist (viel populärer als La Valse, Rhapsodie Espagnole u.a.)


    Ich kann die Popularität sehr gut verstehen. Die Musik hat einfach einen ungeheuren Sog, der mitreißt und einen in ihren Bann schlägt. Ein Phaszinosum. Wo in der klassischen Musik wird sonst schon Extase ausgedrückt? Und das ist wohl auch ein Urbedürfnis des Menschen. Ich kenne kein anderes Musikwerk, das dies in ähnlich elementarer Weise befriedigt. In dieser Hinsicht ist der Bolero einzig. ich langweilige mich da keine Sekunde. Gerade Celibidache, der eben nicht schon nach 12 Minuten fertig ist, sondern die 18 Minuten sich Zeit nimmt, die Ida Rubinstein bei Ravel bestellt hat, finde ich am spannendsten. Ich kann, seitdem ich sie kenne, schnellere Versionen nur schwer ertragen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • ehhh, Felix, ich empfehle, abzurüsten!


    Glockentons Beitrag ist weder beleidigend noch aggressiv, er ist ein wenig leidenschaftlich, aber das ist ja nun kein Vergehen per se.


    Ich finde den Thread sehr gut, zeigt er doch einmal mehr, von welchen Personen ich Tips annehmen sollte und von welchen nicht. Daß sich der eine oder andere bei der mellow-yellow-Beurteilung seiner Lieblinge auf den Schlips getreten fühlt, ist doch nur verständlich, geht es doch mal nicht nur um Lobhudeleien, sondern sehr konkret um das Verteilen von "Watschen", was nun nicht jedermann mit Gleichmut toleriert.


    Daß sich nun gleich die beiden profiliertesten Vertreter der Barock-Fraktion so über Petitessen an die Gurgel kriegen, finde ich allerdings bedauerlich.


  • Langsam frage ich mich, ob ich den Thread nicht besser in "Die Beliebtheit Glockentons Beitrag kann ich nicht nachvollziehen..." umbenennen sollte..... ;)?(

  • Den Interessanten Thread habe ich gerade erst entdeckt und hätte jetzt viel zu tun, wenn ich die hier als "nicht beliebt" genannten Werke widerlegen wollte - es wären u.a. die von Brahms, Beethoven, Strawinsky, Ravel. Aber das wären ohnehin nur Worte, die meinen Geschmack dazu wiederspiegeln - ggf. zu einem späteren Zeitpunkt ;) und jetzt nicht mehr zu später Stunde.


    :!: Ich erwarte von dem Thread aber eigendlich genau das - nämlich auf die als nicht beliebt genannten Werke einzugehen und Gründe zu nennen, warum die Werke dennoch für den Einem oder Anderen so interessant sein können. :huh: Jedenfalls ist das wichtiger und friedlicher, als als hier "heisse Diskussionenen" über den Sinn des Threads anzufangen. :) Also lieber zurück zum Thema -->



    Mir fällt auch ein Werk ein, bei dem ich die Beliebtheit nicht nachvollziehen kann:
    Oliver Messiaen - Turangalila-Sinfonie.
    Dies ist bei mir aber eindeutig dem Soloinstrument Ondes Martenot geschuldet, dessen Sound ich einfach fürchterlich finde. Und andauernd tönt dieses "gefiepse" in der Sinfonie rum. Ich habe die Sinfonie auch mal LIVE in der Beethovenhalle ertragen müssen und war froh als das Ende erreicht war.
    :?: Wie geht es Euch dabei ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Ich habe in diesem Thread bisher nur interessiert mitgelesen und mich nicht beteiligt. Nun will ich es aber doch tun und zwar mit absoluter Zustimmung zur Meinung von m- mueller:

    Messiaen ist beliebt?? Bei wem? Ich kenne von ihm nur kollossalen Schrott.

    Unser Organist spielte eine Zeitlang ein Stück von Messiaen zur Präsentation unserer "Sonnenorgel". Ich gebe zu, ich kenne nur dieses Stück, aber das hat mir gereicht, so das ich auf weiteres gerne verzichte.
    Für mich war das jedesmal Folter für Ohren und Seele, wenn ich ihm dabei registrierte.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY


    PS.: Mir fällt gerade ein, ich glaube, das Stück hieß "Himmelfahrt".

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Über das Unverständnis, was Ravels großartigen "Bolero" angeht (über
    anderes rede ich jetzt nicht), muß ich mich doch sehr wundern. Das Stück war eine Auftragskomposition der Tänzerin Ida Rubinstein. Zu dieser Musik wurde also getanzt - ein Tanz, der sich steigert in Extase und Rausch. Genau dazu dienen die Wiederholungen, die eine hypnotisierende Wirkung haben sollen. Streicht man sie weg, dann verliert diese Musik schlicht ihren Sinn. Zudem ist Ravels Orchestrierung von äußerster Rafinesse - dasselbe wird immer wieder anders beleuchtet mit einer kontinuierlichen dynamischen Steigerung. Das ist schlicht meisterhaft.
    Es gibt auch Leute, die sich über die endlosen angeblich öden Sequenzen bei Bruckner aufregen. Auch die haben nicht verstanden, daß ihr Sinn die dynamische Verdichtung ist.


    Schöne Grüße
    Holge

    Diesem Urteil von Dr. Kaletha über RAVEL's "Boléro" kann ich mich nur anschließen. Man darf hier nicht vergessen, daß es sich hier eigentlich um ein Ballet handelt. Aber auch so - und auch wenn RAVEL selbst diese Komposition als primär unmusikalisch bezeichnete - kann man sich dem unerbittlichen Lauf, den dieses Stück bei stets gleich bleibenden Boléro-Rhythmus und den Streicher-Pizzicati nimmt, kaum entziehen. Dem auftaktlosen Rhythmus-Ostinato werden zwei Melodien hinzugeführt, die sich so lange abwechseln, bis nach 18 Wiederholungen des Ostinatos ein Achtelschlag des Orchesters den Boléro abrupt beschließt.


    Diese quasi endlose spanisch-arabisch getönte Melodie wird gespeist und ständig verdichtet durch ständige Wiederholung und eine äußerst raffinierte Steigerung der Dynamik und der Klangfarbe. Eine weitere Verarbeitung der Melodie findet praktisch nicht statt. Trotz Anwendung vermeintlich einfachster Mittel hat RAVEL hiermit ein singuläres Meisterwerk von fast hypnotischer Wirkung geschaffen, und nicht umsonst wurde es auch trotz einer ganzen Reihe weiterer großartiger Kompositionen zu seinem bekanntesten und beliebtesten Werk, das in unzähligen Einspielungen vorliegt. Sicher ist diese Musik nicht nach jedermann's Geschmack. Es ist eben genau eines jener Werke, an dem sich die Geister scheiden, das niemanden gleichgültig läßt und meist entweder Pro oder Contra generiert. Ganz gewiß kommt es auch auf die Interpretation dieses außergewöhnlichen Werkes an, die es entweder zu einem Kunstwerk oder einem billigen Gassenhauer werden lassen kann. Eine Einspielung, die die hier so wichtige dynamische Differenzierung im Orchester mitbringt und die entscheidenden Steigerungen organisch vollzieht, ist z. B. die DGG- Aufnahme von 1986 durch CLAUDIO ABBADO und dem LONDON SYMPHONY ORCHESTRA.


    Viele Grüße
    wok

  • J.S. Bach – Cellosuiten Gähn…!

    Ist jemals spannendere Musik komponiert worden? ;)
    Allerdings - und da bin ich entschieden gegenteiliger Meinung zu FM - ist es sauschwer, diese Musik wirklich zum Leben und zum Klingen zu bringen. Aber wofür hat man denn Pau Casals, Heinrich Schiff und noch ein paar andere Konsorten?



    Maurice Ravel - Bolero Eine einfallslose Abfolge des ewig gleichen Gedudels, das in einem dissonanten Crash endet. Nichts für meine Ohren.

    Wie ohnehin schon von anderen Schreibern bemerkt ist dieses "Gedudel" gar nicht so einfallslos und schon gar nicht "ewig gleich". Da sollte wenigstens einmal genau hingehört werden....



    Richard Strauss – Elektra Ich habe dieser Oper mehrere Chancen gegeben, mir zu gefallen. Sie wollte nicht. Hysterie in Reinform.

    Aber darum geht es doch! Das ist doch die Essenz dieses Stücks oder von mir aus auch des Pudels Kern. Und sie ist niergendwo vergleichbar dargestellt worden!



    Richard Strauss – Die schweigsame Frau Radau mit radebrechendem „Gesang“. Zugegeben – ich habe das Werk nie auf der Bühne gesehen; da mag es seinen Reiz haben. Aber als rein akustisches Erlebnis (CD) ist es eher zum Davonlaufen.

    Und jetzt wundere ich mich, wie du zu der Meinung kommst, dass dieses Werk so erstaunlich beliebt sei. Außer einem erlauchten Kreis von Musikkennern in den Gegenden um München und Wien herum ist das Werk doch praktisch unbekannt, selten sonstwo auf der Bühne zu erleben und mit Sicherheit keines der populäreren Stücke von Strauss (am ehesten ist es noch aus der Geschichte bekannt, da sich Strauss, dem man heute gerne und fälschlicherweise allzu große Nähe zum Nazi-Pack vorwirft, gerade mit diesem Stück ernsthaft mit den braunen Machthabern anlegte, was ihn umgehend zur inoffiziellen persona non grata machte).



    Beethovens Sinfonien.
    Ich empfinde sie durchaus als verwirrend und kompliziert und verstehe nicht, dass das nicht nur für fortgeschrittene Hörer interessant ist.

    Du übersiehst vielleicht, dass das Wichtigste bei Beethoven seine unübertroffene Kraft und die generell positive Ausstrahlung der Musik ist. Das wirkt unmittelbar auf die Massen und überstrahlt die nicht aufdringliche Komplexität dieser Musik. Im Gegenteil, von Rock'n Roll bis zu Heavy Metal versuchen heute große Teile der Popmusik, jenem fernen Idol auf ihre Art nachzueifern - ob bewusst oder unbewusst. Beethoven ist in der Grundstimmung seiner Symphonien durchaus massentauglich und seine Komplexität lässt diese Musik auch nach dem ersten Kennenlernen ungebrochen interessant bleiben. Das gilt auch noch für den Fidelio. Der Rest, also besonders Klaviersonaten, Streichquartette und andere Kammermusik ist ohnehin fast nur etwas für Kenner und meines Erachtens wesentlich weniger bekannt als vorgegeben wird - da gibt es zwar einzelne sehr bekannte Werke, aber Musikfreunde, die z.B. alle Streichquartette einigermaßen gut kennen, sind schon recht dünn gesät...



    - Die Frau ohne Schatten. Diese Oper enthält so viel Geheimnisse, sowohl in der Handlung, im Text und auch in der Musik, daß ich mir eine CD damit auf eine einsame Insel mitnehmen würde.

    Es ging aber um Die schweigsame Frau! :D


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Eine Einspielung, die die hier so wichtige dynamische Differenzierung im Orchester mitbringt und die entscheidenden Steigerungen organisch vollzieht, ist z. B. die DGG- Aufnahme von 1986 durch CLAUDIO ABBADO und dem LONDON SYMPHONY ORCHESTRA.

    Lieber Wok,


    diese Aufnahme habe ich auch immer besonders geschätzt! Auch aufnahmetechnisch ist sie referenzwürdig mit ihrer nahezu grenzenlosen, verzerrungsfreien Dynamikspanne. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Auch über Strawinskys Sacre sollte man doch noch ein Wort verlieren. Die Popularität gerade dieses Stücks kann man wie ich finde sehr gut verstehen. An Dissonanzen haben wir uns längst gewohnt. Was diese Musik so "lebensnah" macht, ist ihr Objektivismus. Der Mensch wird zum Spielball elementarer Naturkräfte und übermenschlicher Mächte. Das ist doch genau die Erfahrung unserer Zeit: die Abdankung des autonom sich wähnenden, handelnden Subjekts. Das hat der Mensch des 20. Jhd. leidvoll erlebt durch den Totalitarismus, zwei Weltkriege, die Wirtschaftskrisen - heute ist es die Krise des Euros und der Banken - auch wieder eine Erfahrung, daß der Mensch sein Schicksal nicht in der Hand hat. Gerade junge Leute finden diese Musik attraktiv und die subjektiv-innerliche der traditionellen Klassik eher befremdlich sentinmental.


    Schöne Grüße
    Holger

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