Auf den Spuren von Beethoven? - Franz Schubert: Sinfonie Nr. 9 C-Dur, D 944 "Die Große"

  • Zitat

    P.S. Warum hört man eigentlich die Neunte so selten im Konzert? Haben die Dirigenten heute Angst davor?

    Warum hast Du diesen Eindruck, lieber Willi? Die nächste Gelegenheit in der Nähe dürfte am 22. und 23.02.2013 in der Kölner Philharmonie sein, Andris Nelsons dirigiert das WDR Sinfonieorchester Köln. Direkt anschauen/-hören kannst Du Dir das Konzert vom 12.02.2011 in der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker mit Simon Rattle. Am 28.04.2012 war sie im Rahmen des Brahms-Festivals an der Musikhochschule Lübeck unter Jens Georg Bachmann zu hören. Das Studio Orchester Ulmer Musikfreunde e. V. spielte sie in Ulm am 20.11.2011 unter Wilhelm F. Walz. Am 17. und 18. Juni 2012 hättest Du sie im Kieler Schloss mit den Kieler Philharmonikern unter Georg Fritzsch hören können - soweit einfach mal zusammen geschrieben, was mir auf erste Anfrage unter den Google kam. Für mich klingt das nicht nach selten und auch nicht nach Angst.

  • Dazu hier die Spielzeiten:


    Goodman:16:25-14:54-14:01-15:56 (61:16);
    Celiebidache: 15:34-16:32-10:18-13:05 (55:32);
    Harnoncourt: 15:50-13:56-14:06-14:31 (58:13);


    Bei Goodman und Harnoncourt bin ich mir eigentlich sicher, dass sie alle Wiederholungsvorschriften beachtet haben, bei Celi denke ich, dass er zumindest im Scherzo gekürzt hat, denn die Neunte entstand 1994, als er schon die langsamen Tempi dirigierte.


    Lieber Willi,


    Celibidache dürfte nur die wenigsten von Schuberts Wiederholungen beachtet haben, denn schneller als Harnoncourt, bei dem die Satzlänge im ersten Satz zum Beispiel für die Beachtung der Wiederholung spricht, wird er kaum gewesen sein. Gleiches gilt für das Scherzo und das Finale.


    Wahrlich "himmlische Längen" kann man bei Colin Davis hören, der ebenfalls alle Wiederholungen beachtet und auf eine Gesamtspielzeit von knappen 62 Minuten kommt: 16'44'', 13'54'', 15'00'' und 16'05''.


    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    P.S. Warum hört man eigentlich die Neunte so selten im Konzert? Haben die Dirigenten heute Angst davor?

    Vielen Dank für den Tipp, lieber Ullrich. Da werde ich mich gewiss um eine Karte bemühen, zumal ich von Andris Nelsons seit seinem Konzert am 14. 3. 2012 in Essen (Wagner: Vorspiel und Isoldes Liebestod, Strauss: Tod und Verklärung, Sibelius: 2. Sinfonie) mehr als angetan bin. Ich hatte einfach den Eindruck, weil die Neunte bei den Programmen in Essen in den letzten Jahren einfach nicht dabei war und sie mir auch sonst nicht untergekommen war.

    Zitat

    Norbert: Lieber Willi, Celibidache dürfte dürfte nur die wenigsten von Schuberts Wiederholungen beachtet haben....

    Lieber Norbert, schönen Dank für den Hinweis auf Davis, der ja auch eine höchst spannende Interpretation der GA Beethoven mit einem durchwegs moderaten Tempo vorgelegt hat. Davis liegt ziemlich genau auf em Niveau Goodmans, zwei Briten halt; im Ganzen sind sie nur 27 Sekunden auseinander, im Kopfsatz und im Finale nur wenige Sekunden. Wie ist Davis denn interpretatorisch?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Norbert, schönen Dank für den Hinweis auf Davis, der ja auch eine höchst spannende Interpretation der GA Beethoven mit einem durchwegs moderaten Tempo vorgelegt hat. Davis liegt ziemlich genau auf em Niveau Goodmans, zwei Briten halt; im Ganzen sind sie nur 27 Sekunden auseinander, im Kopfsatz und im Finale nur wenige Sekunden. Wie ist Davis denn interpretatorisch?


    Lieber Willi,


    ich hatte mich seinerzeit zur Gesamtaufnahme geäußert.


    Entsprechendes gilt auch zur Aufnahme der 9. Des Weiteren fiel mir auf, wie "farbig" die 9. bei Davis klingt. Er läßt sich adäquate Zeit, um alle Höhepunkte liebevoll zu beleuchten, animiert das Orchester zu wunderbarem Spiel und interpretiert das Werk insgesamt mit großer Ernsthaftigkeit, aber auch der gebotenen Leichtigkeit.


    Es ist, wegen der langen Spielzeiten des Andante con motos und des Scherzos, keine Aufnahme "für jeden Tag", aber -sowohl was die 9. als auch die Gesamtaufnahme angeht- eine faszinierende, großartige Alternative.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Lieber Norbert,


    ich habe mir schon so etwas gedacht, denn wer bei Beethoven gut ist, kann ja eigentlich bei Schubert nicht schlecht sein, und darum werde ich mich mal bemühen zu schaun, was zu haben ist. Da du ja schon vor einigen Jahren die Gesamtaufnahme erworben hast, ist sie (bei JPC) wohl nicht mehr zu haben. Aber die Neunte gibt es ja noch. Schönen Dank noch mal für dein untrügliches Urteil.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Lieber Willi,


    Amazon berichtet mir, daß ich am 25. April 2008 die GA gekauft habe.


    Sie ist dort über den Marktplatz nicht gerade günstig erhältlich...



    Es stimmt schon. Davis dirigiert Schubert ähnlich wie Beethoven: Keine "Rekordjagd", aber liebevolle Detailarbeit und "Aufwertung der kleinen Sinfonien".

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Na ja, vielleicht kommt sie ja demnächst in einer günstigen Neuauflage in Sparausstattung heraus wie etliche andere, es kommt ja hauptsächlich auf die Musik an. Also warte ich noch zu und erwerbe erst mal die Neunte nächste Woche, wenn ich aus Lübeck wieder da bin, wo es unter Zubin Mehta eine andere Neunte geben wird, nämlich die von Dvorak nebst der Achten von Beethoven und dem Caproccio espagnol von Rimsky-Korsakoff, und das alles mit dem Israel Philharmonic. Ich bin schon ganz gespannt. Nachdem ich Mehta noch nie live erlebt habe, bekomme ich ihn nun zweimal in einem dreiviertel Jahr zu sehen, nämlich im März noch in Essen mit den Wiener Philharmonikern und Bruckners Achter.


    Liebe Grüße in die Nähe von Hamburg


    Willi :)

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  • Ich habe jetzt endlich die Aufnahme von Bernstein mit dem Concertgebouw gehört. Ja! ER fängt ja recht verhalten an, fast kommt es mir langsam vor und ich wollte schon enttäuscht sein. Zum Glück habe ich damit ein wenig gewartet und das hat sich gelohnt. Zunehmend fiel mir auf, wie hart er Akzente setzte, da durften die Pauken schon mal ordnetlich zuschlagen. Auch waren die Einsätze richtig hart, das war ein echter Attack, das war gut. Und es kam auch immer mehr Tempo und Lautstärke kam. Beim letzten Satz drehte er dann richtig auf und die Musiker durften jetzt mal richig in den Melodiebögen schwelgen. Herrlich! Leider kann ich meine Karajanaufnahme ja nicht mehr zum Vergleich hören. Wäre interessant. Aber Lenny hat ma wieder gezeigt, was er kann. Und das ist ja auch das richtige STück für so einen lebensfrohen Bengel.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Ich habe es gar nicht gewußt! Ich habe noch eine Aufnahme dieses Stückes: Auch Concertgebouw aber mit Nikolaus Hanoncourt. Auch nicht schlecht (aber das gibt es vielleicht auch gar nicht). Er springt beherzter ins Becken als Lenny, kriegt dann aber auch im Laufe des Werkes keinen zusätzlichen Schwung. Trotzdem ist das Ende dann sehr kraftvoll und mitreissend.


    Jetzt habe ich im Zuge meiner Nachkäufe und Suchaktionen das Stück relativ oft gehört und erinnere mich, dass hier im Thema immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass es traurige, schmerzhafte Momente in den Symphonie gäbe. Tut mir leid, krieg ich nicht mit. Für mcih ist es von Anfang bis Ende die pure Lebensbejahung, eine einzige Lobpreisung der Welt und des Lebens. Die Kraft des Umarmenwollens all der Schönheit dieser Welt empfinde ich. Der englische Ausdruck "lust for life" erscheint mir recht passend. Ganz besonders die Pauken scheinen mir die überschäumende Freude immer wieder herausbrechen zu lassen. Das Weitschwingende, das immer wieder mitreisst: wie in heller Freude durch eine Blumenwiese zu taumeln und sich der Farben zu erfreuen.


    Nä, wat is dat schönn!

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • dass hier im Thema immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass es traurige, schmerzhafte Momente in den Symphonie gäbe. Tut mir leid, krieg ich nicht mit. Für mcih ist es von Anfang bis Ende die pure Lebensbejahung, eine einzige Lobpreisung der Welt und des Lebens. Die Kraft des Umarmenwollens all der Schönheit dieser Welt empfinde ich.


    Geht mir genauso, lieber Klaus, und das mit dem Umarmenwollen all der Schönheit dieser Welt hast du wunderbar formuliert und damit genau meine Empfindung getroffen, die ich gegenüber dieser Sinfonie habe.
    Für mich klingt sie nach Leben überhaupt.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Schön zu lesen, dass ich nicht allein empfinde. Und mir kommt jetzt noch einmal die Überschrift in den Sinn. Denn diese allumfassende Freude ist ja genau das, was Beethoven m.E. in seiner 9. eben auch der Welt mitteilen wollte. Und genau diese beiden WErke stehen für mich über allem, weil sie genau dies schaffen: Die Freude darzustellen. Bei Beethoven denke ich, dass er es als Sehnender tat, als jemand, der von dieser großen Freude wusste, sich aber doch meist ausgeschlossen fühlte. der jedoch als Sehnender, als Ahnender diese Freude ganz besonders wertschätzen konnte. Wie das bei Schubert war, kann uns vielleicht Helmut Hofmann ein bisschen näherbringen.
    Gerade läuft der 3. Satz und selten war die Bezeichnung treffender: Allegro vivace - fröhlich lebendig!


    Beethoven hat erkannt, dass Schiller hier auch im Bunde ist als einer, der Worte fand für Vieles, dem wir nur ausgeliefert sind. Und seine Metapher von den Flügeln sehe ich bei Schubert in Töne übersetzt. Und es sind Adlerflügel und nicht die eines Spatzen!


    Und noch etwas, das Helmut bestimmt weiß: War Schubert eigentlich gläubig? Mir persönlich erscheint hier eher eine heidnische, ursprüngliche Verehrung Raum zu greifen. Ich kann nicht anders beim Hören, als an die Natur und ihre Gewalt und unbeherrschbare Schönheit zu denken.


    Jetzt ist es der 4. SAtz und ich erlebe die Trunkenheit, die das Glück verursachen kann und die sich mitteilen will und muss. Die herausgeschrieen werden muss, damit irgendein Gleichgesinnter es vernähme.
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Dei "traurigen, schmerzhaften Momente", ihr beiden, beziehen sich wohl auf den zweiten Satz, dessen Gefühlsspektrum je nach Interpretation zwischen "leichter Melancholie" und "schmerzhafter Trauer" angesiedelt sein kann. Jedenfalls empfinde ich so bei verschiedenen meiner doch recht zahlreichen Einspielungen der Neunten. Ansonsten gebe ich euch Recht, dass das Meiste doch eine sehr positive, lebensbejahrende Ausstrahlung hat, und das ist um so erstaunlicher, weil Schubert dieses grandiose Werk ja gegen Ende seines Lebens komponierte, als er schon sehr lange krank war. Dann noch so etwas Lebensbejahendes zu komponieren, ist kaum noch zu begreifen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Ich verweise nochmal auf mein posting #241; die "Katastrophe" im 2. Satz ist eine der brutalsten und düstersten Passagen vor Mahler. Dass das keine "Lebenslust" ist, sondern mindestens auf einen düsteren Hintergrund verweist, wenn nicht gar einen Großteil der "Fröhlichkeit" der Ecksätze als bloß scheinbar entlarvt, finde ich sehr plausibel. Zumal ich bei den Ecksätzen von Beginn an einen Aspekt der Rastlosigkeit und Brutalität immer mitgehört habe. Diese Sätze strafen doch das Klischee vom "Melodiker" Schubert beinahe Lügen; die einzige Melodie ist die der Einleitung. Die Hauptmotive sind beinahe rein rhythmisch bestimmt und so primitiv wie es nur geht (viel elementarer als zB das vermutliche Vorbild, Beethovens 7.). Gerade das Finale hat für mich etwas monomanisch rasendes, was ich nicht als bloß fröhliche Ausgelassenheit deuten kann. Anders als das "Volkfest" im Finale von Schumanns 1. oder das "Revolutionsmarsch"-Finale von Beethoven 7. Es kommt sozusagen nicht vom Fleck, wie ein Kreisel. Und gegen Ende die Steigerung der vier Anfangsnoten des Seitenthemas ist ziemlich brutal. Gewiss kann man das alles auch als überschäumende Energie deuten, aber ich sehe es, wie angedeutet, eher etwas anders. Eindeutig ist das selbstverständlich nicht, so ist Musik normalerweise nicht beschaffen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Gerade das Finale hat für mich etwas monomanisch rasendes, was ich nicht als bloß fröhliche Ausgelassenheit deuten kann. Anders als das "Volkfest" im Finale von Schumanns 1. oder das "Revolutionsmarsch"-Finale von Beethoven 7. Es kommt sozusagen nicht vom Fleck, wie ein Kreisel. Und gegen Ende die Steigerung der vier Anfangsnoten des Seitenthemas ist ziemlich brutal. Gewiss kann man das alles auch als überschäumende Energie deuten,


    Interessante Ansicht...aber von fröhlicher Ausgelassenheit hat ja auch niemand gesprochen. Die Assoziation mit dem Kreisel finde ich sehr schlüssig, bedeutet mir vor allem aber, dass die überschäumende Freude/Energie aufsteigt, aber und da hast du Recht, nicht herauskonnte aus dem Medium, es brodelt, aber das Gefühl der Freude, den Taumel würde ich fast sagen, wird man nicht los, es ist eine Art von Freude, die leicht hysterisch wird, man ist so übervoll von Leben und Freude, dass es beinah "wehtut", dieses Gefühl frisst innerlich auf...durchaus denkenswerte Perspektive.


    Das ist es vielleicht auch, was sie unterscheidet von Beethovens Jubelchor der 9....der ja versöhnlich, idealistisch und utopisch ist, bei Schubert finde ich das alles viel erregter, persönlicher und realistischer... bei Beethoven wird gehofft und angestrebt, im Kern von Schuberts Freude liegt die Gewissheit, dass diese nur ein glückseliger Moment sein kann, dass es allumfassende Freude nur ein Trugbild ist und schon die Schatten in sich selbst trägt

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  • Meine neueste Erwerbung.


    Aber so richtig begeistert bin ich nicht. Irgendwie kommt Günter Wand hier einfach nicht in die Gänge. Das ist alles so behäbig, so zurückgenommen. Es fehlt mir der Schwung, das Jubelnde. Manches finde ich regelrecht bäuerlich. Wo bleibt da das himmelhoch Jubelnde?


    Nein, schade, war kein wirklich guter Kauf.
    Das können andere besser.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Lieber Klaus,


    ich glaube, dass kaum ein Dirigent die Neunte Schubert besser interpretieren kann als Günter Wand. Ich kenne zwar nicht die Aufnahme mit dem DSO Berlin, aber die GA mit dem Sinfonieorchester des WDR, die Aufnahme vom Schleswig-Holstein-Musikfestival, die Aufnahme mit den Münchener Philharmonikern und diese hier:



    sie sind allesamt referenzfähig, aber das ist (nicht nur) meine Meinung.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich kenne die Aufnahme mit dem DSO Berlin und würde sie ebenfalls eher unter die TOP-Favoriten einreihen. Aber natürlich will ich Klaus nicht bevormunden.


    Mein absoluter "All-time-favourite" bleibt aber Knappertsbusch mit den Wiener Philharmonikern. Da kommt nicht mal Furtwängler ganz ran.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das hätte mich auch sehr gewundert, lieber Joeseph. Ich habe mal bei Amazon in die MP3-Ausgabe hereingehört. Knappertsbusch nimmt die Neunte ja ziemlich rasch. Schade, dass es sie nicht in Stereo gibt, sonst würde ich sie mir wohl anschaffen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es lohnt sich immer wieder, seine einst verkündeten Meinungen zu überprüfen und auch neue Aufnahmen kennenzulernen. Bei mir ist es so, dass mich mir neue Sichtweisen immer interessieren und ich mich auch gerne überzeugen lasse, allerdings dann schon im Vergleich zu den bekannten Aufnahmen. In vieler der in diesem Thread geposteten CDs habe ich also hineingehört, auch in meine eigenen.


    Mein momentanes Ergebnis: Diesmal nichts Neues unter der Sonne, d.h. der in Willis Beitrag 225 geposteten Empfehlung muss ich mich nach wie vor anschliessen.


    Die Interpretation Karl Böhms mit den Berliner Philharmonikern



    bleibt musikalisch gesehen einfach die Referenz auf CD, tontechnisch zwar stereo und gut anhörbar, jedoch leider schon etwas betagt. Ob dieser herzerwärmenden und zauberhaften Interpretation, bei der für mich alles passt (nicht nur das Emotionale, auch das Orchesterhandwerkliche, z.B. dass man auch im Scherzo jede Note sauber hören kann, alle in jeder Hinsicht "zusammen" sind...), bin ich jedoch willig, darüber hinwegzuhören.



    Tontechnisch besser ist die Aufnahme Günter Wands mit dem BPO, die ich momentan bei JPC nur als SHM-Japan-Import entdeckte - ich besitze sie als "normale" CD. Musikalisch ist sie für mich meine Nr.2, dicht hinter Böhm, das meiste Andere jedoch klar distanzierend.


    Überhaupt wurde mir wieder deutlich, wie schwach die Aussagekraft der Zeitangaben in Minuten und Sekunden eigentlich ist. Das Scherzo der 9. (da steht "Allegro vicace" und nicht etwa "Presto") wird von Böhm objektiv in einem langsameren Tempo als etwa von Karajan genommen (sowohl DG als auch Emi), dennoch wirkt es erheblich lebendiger, mitreissender, nachvollziehbarer, transparenter und damit subjektiv "schneller" im Sinne eines intensiveren Erlebnisses der Musik, der Auschläge einer innwohnenden Bewegung.


    Hierzu hinkender Vergleich:
    Es ist ja auch ein beträchtlicher Unterschied, ob man ein Formel I-Auto auf dem Nürburgring vorbeirasen sieht (Karajan) und sagt: " Jaja, der rast ja ganz schön" oder ob ein Rennfahrer dich in einem DTM-Fahrzeug mitnimmt (Böhm). Da würde man die Bedeutung des Wortes "Geschwindigkeit" im wahrsten Sinne des Wortes "erfahren".


    Hierzu eine generelle, persönliche Bemerkung:
    Ich wundere mich immer wieder, weshalb kürzere Spielzeiten von Einigen als grundsätzlich vorteilhaft angesehen werden können. Ist es die Hoffnung, dass die Musik bald vorbei ist? Die schnellste Lösung wäre dann, sich die CD erst gar nicht aufzulegen. Oder gar Angst davor, sich zu langweilen, hier z.B. vor den sogenannten "himmlischen Längen"?
    Die Ausformulierung der Phrasen als sinngebende und bewegte Gebilde bestimmt u.a. sehr das Tempo. Die schnellsten Notenwerte sollten klar und verständlich aufgefasst werden können und zwischen den Phrasen muss es, wie beim Sprechen, Luft zum Atmen geben. Ist das nicht der Fall, dann klingt es atemlos. Dann gibt es ja noch viele andere tempobeeinflussende Parameter, die miteinander ausbalanciert werden müssen, z.B. Akustik, ab wann und bis wann ein Puls schwingt, Charakter/Affekt eines Satzes, grosse und kleine Zusammenhänge im Werk und natürlich die Satzbezeichnungen, wobei "Allegro" zunächst einmal "bewegt" und nicht zwangsläufig "schnell" bedeutet, uvm.


    Ich kann den Versuch gut verstehen, mit Hilfe von Spielzeiten vom Subjektiven und Relativen irgendwie wegzukommen und etwas Greifbares, Messbares in der Hand halten zu wollen. Die Aussagekraft der Spielzeiten ist aus meiner Sicht jedoch fast nicht vorhanden (von der Frage der gespielten oder weggelassenen Wiederholungen einmal abgesehen), denn das gefühlte Tempo - und darauf kommt es an- ist m.E. eine völlig andere Sache als die von einer unmenschlichen Uhr gemessene Spielzeit. Der Musiker und der Hörer begeben sich beim Spielen und beim Hören in einen eigenen Raum mit eigenen Gesetzen, der nur von innen heraus wirklich verstanden werden kann.
    Die Zeitmessung ist aber ein technischer, kalter, äusserlicher und damit nicht besonders musikalischer Beschreibungsversuch eines in der Zeit stattfindenden menschlichen Musikerlebens, der wenig geeignete Versuch der Objektivierung eines subjektiven und relativen Phänomens. Wie es klingt, bestimmt meiner Ansicht nach das mehr oder weniger intensive ( "intensiv" kann hier als Synonym zu "schnell" aufgefasst werden) Erlebnis von Musik, nicht wie lang es aus der objektiven Aussensicht einer Uhr gedauert hat.
    Leider ist es ja so, dass die schönsten Stunden wie Minuten verfliegen, während sich in schlechten Momenten sogar Sekunden schon wie eine Ewigkeit anfühlen können. Ähnlich subjektiv wird meiner Meinung nach auch ein klassischer Satz aus einer Symphonie entweder als "schneller" oder "langsamer" aufgefasst.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Hallo Glockenton,


    Deine "persönliche Bemerkung" :jubel:
    so ähnlich hat sich u.a. auch Celibidache geäußert.


    VG
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Da sagst du etwas WAhres!. Ich denke auch, dass der persönliche Eindruck von vielen Parametern abhängt und oft vielleicht gar nciht messbar ist. Ein wichtiger Punkt ist sicher, ob die Musiker eher genau auf dem Schlag spielen, oder kurz davon oder dahinter. Das sind ja nur Bruchteile von Sekunden, aber es kann sehr viel ausmachen. Wenn alle eher hinter dem Schlag spielen, kann man noch so schnell spielen, das wird immer lahm klingen.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • denn das gefühlte Tempo - und darauf kommt es an- ist m.E. eine völlig andere Sache als die von einer unmenschlichen Uhr gemessene Spielzeit


    Hallo Glockenton,


    was die Sinfonie Nr.8 Unvollendete mit Böhm (DG) anbetrifft, kann ich deiner euforischen Begeisterung voll zustimmen. Die Sinfonie Nr.9 ist auch eine wunderbare Aufnahme, bei der ich den allgemeinen Trendspruch, den Böhm als Langeweiler auszeichnet überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich habe mir die CD nach einer ebenfalls so eindringlichen Empfehlung eines Klassikfreundes ebenfalls vor vielen Jahren zugelegt - und war nie enttäuscht worden.
    Böhm Spielzeit der Nr.9 = 14:27 - 13:53 - 11:18 - 11:29


    Wenn die Spielzeiten aber auch zahlenmässig so übermässig lang sind, dann hilft auch das Gefühl nicht mehr, um nicht eine gewisse Langatmigkeit zu verspüren.
    Da bin ich halt durch Karajan (DG) geprägt, dass nur wenige Andere bei mir noch "ziehen".
    Ganz extreem schlimm und in meinen Ohren vollkommen langweilig finde ich die Harnoncourt-Aufnahme der Nr.8 und 9 (dagegen die Nr.1 - 6 in gleicher GA so frisch mit Pepp, wie kaum nur für möglich zu halten, wenn man die 8 und 9 hört :no: ).
    Harnoncourt Spielzeit der Nr.9 = 15:43 - 13:47 - 14:05 - 14:37
    Die Int spricht meine Gefühle in keinster Weise an - da fällt mir nichts mehr zu ein als :thumbdown:



    Habe nämlich jetzt gerade Bernstein bestellt, dachte, dass ich da nicht viel falsch machen kann. Und kaum ist die Bestellung weg, kommen die Tipps.....


    Hallo Klaus,


    ich hätte gerne noch ein paar Worte von Dir gelesen, wie Du zur Bernstein-Aufnahme heute stehst ? Ich hoffe es ist die mit den New Yorker PH (SONY).
    Die Sinfonie Nr.8 Unvollendete ist jedenfalls mit Bernstein mein absoluter Favorit für diese Sinfonie - die Sinfonie Nr.9 halte ich auch für eine sehr gute Int, aber da ziehe ich Szell (SONY) und Karajan (DG) vor, die jegliches Langatmige vermeiden. Da bin ich halt anders geprägt !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe gestern noch eine weitere ausserordentlich gute Aufnahme/Int der Sinfonie Nr.9 aus meiner neuen Schubert-Sinfonien - GA mit Kertesz (Decca) erstmals intensiv gehört.


    Wenn ich dieser Aufnahme karajansches Format zuspreche, dann trete ich so manchem, der die Karajan-Aufnahme (DG) nicht mag auf den Schwanz. Aber genau so kurzweilig und packend wirkt diese Aufnahme; mit hochdramatischen Momenten wunderbar von den Wiener PH gespielt. Tolles Scherzo mit Feuer und packendes Finale. Auch klanglich kann sich der decca-Sound von 1963 gut sehen lassen.
    Die Spielzeiten sind auch nicht zu ausgeladen sondern für meinen Geschmack "passend" (im 4.Satz fast gleich mit Karajan): 13:32 - 13:47 - 11:06 - 11:45



    Decca, 1963 - 1971, ADD



    :!: Das einzige was mir bereits bei der Sinfonie Nr.3 (dort unter Harnoncourt) seltsam aufgefallen war, wie auch hier bei der Sinfonie Nr.9 mit Kertesz:
    Der letzte dramatisch Schlussakkord der Sinfonie endet bei Kertesz mit einem decrescendo. Das bedeutet, dass die Lautstärke innerhalb dieses Schlussakkordes abnimmt und verebbt. Das hört sich so nach einem Fragezeichen an; oder ob noch etwas kommen sollte. Bei Karajan finde ich das in beiden Fällen (Sinf.3 und 9) viel packender: Karajan hällt im Schlussakkord dramatisch das ff, ohne decrescendo.
    Was nun "richtig" ist kann vielleicht einer von Euch beantworten. 8-) Aber mir wäre es egal was richtig ist - ich finde den saftigen Ausklang bei Karajan weit packender - mit Gänsehautfeeling !


    Ich werde mal nachhören, wer von meinen Favoriten das noch so oder so macht (Szell, Bernstein, Böhm).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Was dieses Detail im Schlussakkord bewirken kann! (zur Frage aus Beitrag 294)


    In meiner Eulenburg Taschenpartitur der neunten Sinfonie D 944 steht bei Takt 1151 (2/4 Takt) ein forzato mit einem Decrescendo-Zeichen > bis Takt 1153 (gebundene zwei Halbe plus eine Viertelnote, Viertelpause). Bei Takt 1154 steht eine halbe Pause, Schlussstrich.
    Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt.


    Kertész ist partiturtreu.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Es gibt soviel ich weiß inzwischen die Vermutung, dass Schubert kein decrescendo meinte, sondern bei ihm das Keil-Zeichen für einen Akzent/Sforzato > dem decrescendo zum Verwechseln ähnlich sieht. Musikalisch ergibt für mich hier ein decrescendo auch keinen Sinn...

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    (Bob Dylan)

  • Tja, mein lieber Wolfgang, da hat die Hoffnung mal wieder getrogen....
    Meine Bernstein-Aufnahme ist mit dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam.


    Das ist keine schlechte Musik, fürwahr. Der Herr Bernstein lässt es hier doch ganz gehörig krachen. Vor allem im letzten Satz geht es richtig Rock-mäßig zur Sache. Aber , ich kann es nur so ausdrücken, er scheint mir zu viel Wert auf die Melodie zu legen und nutzt daher nicht ganz die Möglichkeiten, die in der wilden Rythmik liegen. Vor allem in den ersen Sätzen ist mir das alles ein kleines wenig zu exakt, zusehr auf die einzelnen Töne bezogen. Der große Jubel, der eben kaum zu zähmen ist, wird mir durch diese Akkuratesse etwas zu sehr in Fesseln gelegt. Wie gesagt, gegen Ende lässt er zum Glück etwas mehr schleifen.


    Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass für viele dieser transparente klare und deutliche Klang genau das richtige ist (und vielleicht gehört es sich auch einfach so), aber für mich als ehemaliger Hippie ist es emotionaler halt doch immer etwas schöner. Also lieber etwas dreckiger und wilder. Aber auch diese Aufnahme rangiert für mich deutlich vor der mit G. Wand. Aber Wand und ich werden sowieso keine engen Freunde mehr.


    Muss ich mir jetzt auch noch die CD mit Bernstein und den New Yorkern kaufen?


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Musikalisch ergibt für mich hier ein decrescendo auch keinen Sinn...


    :yes: Genau !


    Ich habe mal nach Karajan (DG) auch Karajan (EMI), Bernstein (SONY), Böhm (DG) und Szell (SONY) in der Hinsicht überprüft.
    :!: Alle halten die Lautstärke ohne decerescendo (nur der laut moderato partiturtreue Kertesz nicht) ! Offenbar eine Lesefehler von Kertesz, wenn das Zeichen als Akzent/Sforzato gelten soll !
    :thumbup: Szell macht es besonders gut. Trotz Aufnahmedatum 1957 ist der Paukenwirbel zusammen mit dem übrigen Orchester klar zuhören und der letzte Paukenschlag des Wirbels wird besonders akzentuiert und klingt aus ... very good !
    Beide Karajan-Aufnahmen (DG und EMI) sind allerdings in ihrer dramatischen Ausdruckskraft am ungezügelsten - ;) Beethoven lässt grüssen ... very very good ! :D

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Es ist schon ein wenig subtiler; es ist kein bloßer Lesefehler des Dirigenten, sondern ein Editionsproblem der Partitur, das die Herausgeber anscheinend früher so nicht erkannt haben und das vermutlich wissenschaftlich noch immer umstritten ist.

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  • Muss ich mir jetzt auch noch die CD mit Bernstein und den New Yorkern kaufen?

    Hallo Klaus,


    als ich mir vor vielen jahren die Bernstein-Aufnahme (SONY) zulegte war ich erst einmal sehr begeistert. Die würde gemäss deiner genannmten Vorstellungen keine Wünsche offen lassen, was Satz 1,3,und 4 angeht. Einzig das Andante ist mir mit 15:13 etwas zu breit genommen; aber typisch für Bernstein hier etwas mehr Gefühl zu zeigen. Diese SONY-CD ist aber bei mir für die Unvollendete der Favorit !
    Ohne die Amsterdamer Aufnahme der Nr.9 zu kennen, bin ich mit sicher, dass er die Spielzeiten deutlich breiter genommen hat, als in New York (= 13:27 - 15:13 - 10:06 - 10:07) ... das würde mir auch nicht liegen.


    Aus anderen Beiträgen von Dir weis ich ja das Du die Karajan-Aufnahme (DG) hattest (CD bei Dir defekt !). Klar, wennn man von der Aufnahme geprägt ist (genau wie ich), dann kommt einem so manche andere Aufnahme einfach zu lasch vor !


    Aber neben Bernstein (SONY) würde ich diesesmal sogar der Szell-Aufnahme (SONY) den Vorzug geben (= 13:29 - 1:36 - 9:06 - 10:32) ! Da ist das Tempo für mich absolut ausgewogen ... ;) aber ich bin ohnehin in der Hinsicht kein "Normalo".

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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