Aufwind in der Klassikszene? - Aufwind in der Klassikszene!

  • Gehöre selber zu den Leuten, die heute kein klassisches Radio mehr hören


    Geht mir auch so; früher habe ich versucht, die Rosinen aus dem Programm herauszupicken, ebenfalls mit Cassettendeck oder Tonband, heute ist mir das zu lästig. Vor 20 Jahren noch habe ich laufend WDR III gehört, nun seit Jahren schon gar nicht mehr.


    Um Neues kennenzulernen, ist youtube besser (oder die Schnipsel bei amazon und JPC), mein spezieller Musikgeschmack wird ohnehin viel zu selten im Radio bedient, und die CD hat die höhere Klangqualität.


    Wenn ich mich mal von Radiosendungen überraschen und berieseln lassen will, suche ich ein Webradio, das auf Barock spezialisiert ist.


    Im Auto kann ich Musik normalerweise nicht ab, da gibt es allenfalls mal WDR V.


    All in all: ich finde WDR III inzwischen komplett überflüssig. Man sollte das viele Geld sparen und damit Live-Konzerte in der Plene sponsern.

  • Versuchen wir das Problem (so es überhaupt eines ist) von der anderen Seite zu betrachten.
    Klassische Musik war NIE mehrheitsfähig.
    Sie wurde in vergangenen Zeiten von der Oberschicht für sich reserviert - zum einen des Vergnügens wegen - zum andern wegen des damals durchaus vorhandenen Prestigewertes. In einer Zeit, wo zahlreiche Proleten mit primitiven Visagen in Schlüsselstellungen von Wirtschaft, Medien und Politik sitzen, ist der Prestigewert der Klassischen Musik eher gegen null tendierend.
    Prinzipiell ist dieses Problem indes schon älter, war es doch von vor 250 Jahren so, daß ganze Orchester aufgelöst wurden, wenn ein musikalischer Fürst, Graf etc starb, und irgend ein amusischer technokratischer Tölpel an seine Stelle trat.


    Für die Mächtigen der Vergangenheit war Musik ein Vergnügen. Man investierte eine Menge Geld um sich dieses Vergnügen leisten zu können


    Irgendwann versuchte man erfolgreich Musik zu vermarkten, eine Tendenz die im 20.Jahrhundert wohl ihren Höhepunkt fand.Die Produzenten und Vermarkter von Klassischer Musik erkannten, daß Aufnahmen langlebiger waren als solche von Schlager - und Popmusik. Die Gagen stiegen ins Unermessliche, die Produktionskosten und jene für die Werbung ebenfalls.
    All das spielte keine Rolle, solch eine Aufnahme war für zig Jahre copyrightgeschützt - und man konnte - vor allem als Plattenproduzent - viele Jahre und Jahrzehnte Profit aus ihr ziehen - wie aus einer nie versiegenden Melkkuh.


    Aber irgendwann änderte sich die Gesellschaft und mit ihr das Wertesystem. Klassische Musik wurde wieder zur Musik für Minderheiten, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie einst. Etliche Kleinlabel etablierten sich erfolgreich, Künstler suchen persönlichen Kontakt zu ihrem Publikum. Den Großkonzernen ist das alles viel zuwenig, sie möchten ein Millionenpublikum, wo immer alle den gleichen Geschmack haben. Das nennt sich dann "Klassikkrise"!


    Natürlich gibt es auch ECHTE Probleme - aber die sind den Konsumenten anzulasten...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Versuchen wir das Problem (so es überhaupt eines ist) von der anderen Seite zu betrachten.
    Klassische Musik war NIE mehrheitsfähig.
    Sie wurde in vergabhenen Zeiten von der Oberschicht für sich reserviert - zum einen des Vergnügens wegen - zum andern wegen des damals durchaus vorhandenen Prestigewertes. In einer Zeit, wo zahlreiche Proleten mit primitiven Visagen in Schlüsselstellungen von Wirtschaft, Medien und Politik sitzen ist der Prestigewert der Klassischen Musik eher gegen null tendierend.
    Prinzipiell ist dieses Problem indes schon älter, war es doch von vor 250 Jahren so. daß ganze Orchester aufgelöst wurden, wenn ein musikalischer Fürst, Graf etc starb, und irgend ein amusischer technokratischer Tölpel an seine Stelle trat.

    Ich bin in eine Wiener Mittelschule gegangen, die praktisch ausschließlich von Kindern der heimischen Oberschicht frequentiert wird. Ich kannte dort niemanden, der gerne klassische Musik gehört hätte. Mein Amsterdamer Großvater wiederum war der Sohn eines Lumpenhändlers (eines von neun Kindern), der früh eine tiefe Liebe zur italienischen Oper entwickelte und gelegentlich mit einer "Armenkarte" Aufführungen hören konnte. Dem italienischen Belcanto blieb er über 65 Jahre bis zu seinem Tode treu.

  • Bei Ö1 ist ja schon so, dass über Tags überwiegend Informationsbeiträge gesendet werden und der spärliche Rest dann meist Häppchenklassik, teilwese Konzertmitschnitte darstellt. Nur in der Nacht sind dann durchgehend (bis auf kurze Nachrichtenblöcke) komplette klassische Werke zu hören. Damit hat man 2010 einen Marktanteil von 6 Prozent in der österreichischen Radiolandschaft erreicht. Das liegt zwar ungefähr beim Klassik-Marktanteil am Musikmarkt, aber dieser wird ja durch erfolgreiche Crossover-Alben von zB Rieu, Garret,... deren Musik man nie in einem seriösen Klassiksender hören würde (da ja kaum verwunderlich ja eigentlich auch keine Klassik), ziemlich verzerrt. Ich bin mir sicher der Marktanteil von Ö1 wäre mit mehr klassischer Musik geringer und diese Überlegung stellen sich wohl leider viele "Kultursender".


    Aber zum eigentlichen Thema - es kommt immer darauf an woran man den Aufwind festmacht. Es gibt hier ja auch soweit ich mich erinnern kann einen "Krise"-Thread mit allemöglichen Argumenten dafür und dagegen. Ich glaube es stagniert momentan wenn man die letzten 10 Jahre hernimmt. Die angeblich neuen Stars in der Szene sind entweder mehr im Crossover-Bereich oder vermögen es nicht wesentlich mehr neue Klassikhörer langfristig und tiefergehend für Klassik zu interessieren (Wobei das aber sicher schon lange nicht der Anspruch von Klassik war, das ist aber wieder ein anderes Thema)
    :hello:

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Ich höre ebenfalls schon länger kein Radio mehr (außer DLF zur Info), aber als Teenager habe ich durchaus auch Sachen gezielt angehört oder mitgeschnitten. Die Existenz der Rundfunkorchester und die Möglichkeit, Klassik im Radio zu hören (keine Häppchen) sind das einzige, was meinen Groll gegenüber der verdreifachten Zwangssgebühr für Jauch(e) und Luxuskicker etwas mildert.


    Was die Musikindustrie betrifft, so ging neulich durch die Nachrichten, dass seit 1999 zum ersten Mal Umsatz oder Gewinn wieder gestiegen sind, d.h. man hat inzwischen die Vermarktung per Download so optimiert, dass man damit so viel oder mehr umsetzt als damals mit CDs. Freilich betrifft das in erster Linie Populärmusik; ich habe mir nicht angeschaut, wie es in der Klassik aussieht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Iich habe mir nicht angeschaut, wie es in der Klassik aussieht.

    Die Daten vom Bundesverband für Musikindustrie (wo man auch andere interessante Statistiken erfährt wie zB daß 61 Prozent der Deutschen keine Musik kaufen und 55 Prozent der Charts nationales Repertoire ist usw.)
    Es fängt aber erst ab 2002 an


    Der Klassikanteil (in Prozent)
    2002: 7,2
    2003: 6,9
    2004: 7,8
    2005: 7,9
    2006: 8,1 (stärkstes Jahr wohl auch aufgrund des 250. Mozarts)
    2007: 7,5
    2008: 6,8
    2009: 7,8
    2010: 7,5
    2011: 7,1


    Also hat sich zum. von 2002 auf 2011 bis auf mehr oder weniger leichte Schwankungen kaum etwas verändert. Klassik liegt zwar damit als momentan 3.stärkste Musikrichtung hinter Pop (2011 38,5) und Rock (2011 19,4) und damit sogar noch deutlich vor Richtungen wie Dance (2,1) und Hip-Hop (1,7) aber wie schon zuvor geschrieben ist dieser Marktanteil aufgrund von mit eingerechnetem und viel erfolgreicherem Crossover trügerisch.
    :hello:

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  • Von Aufwind kann in Deutschland wohl keine Rede sein, dazu wird Klassik in den Schulen auch viel zu sehr vernachlässigt und das Fernsehen vernachlässigt auf diesem Sektor auch sehr stark die klassische Bildung. Im Elternhaus nimmt man sich in unserer Wohlstands- und Anspruchsgesellschaft meist auch nicht mehr die Zeit, den Nachwuchs in dieser Hinsicht zu bilden und anzuregen.
    Ich weiß nicht, ob das nur ein persönlicher Eindruck ist, aber ich habe bei fast allen Italienern, auch mit einfachster Bildung, die ich kennengelernt habe, viel mehr Interesse und Kenntnisse in Bezug auf Klassik - natürlich in erster Linie zur italienischen Oper - festgestellt. In Deutschland hingegen finden sich auch in der gehobeneren Mittelschicht wenig Kenntnisse und wenig Interesse für die klassische Musik. Ein Vergleich wäre vielleicht mal ganz interessant, wenn man an solche Zahlen käme.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)


  • Trügerisch, aber Crossover gab es ja 2002 ebenso wie 2011 und ich glaube nicht, dass der Crossover-Anteil massiv gestiegen, sondern ungefähr gleich geblieben ist. Früher halt mehr Bocelli oder Vanessa Mae (das ist schon bald 20 Jahre her), heute eben Garrett, morgen wieder was anderes. Meines Wissens sind diese ca. 7% jedenfalls seit Jahren oder gar Jahrzehnten einigermaßen stabil, wobei es am Anfang der CD-Boom-Zeit wohl mal einen höheren Klassikanteil gegeben hat, weil hier schneller auf CD umgestiegen wurde.

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  • Ich habe mir, passend für einen Sonntagabend, die Mühe gemacht, besagte Radiosendung des WDR anzuhören und musste leider feststellen, das die Zeit im Wesentlichen vertan war. Alles in allem wurde wenig erhellend darüber diskutiert, dass es wohl ein Problem gibt, aber man ja auch viel tue, um die klassische Musik oder allgemeiner die Kultur zu den Leuten hinzutragen. Die durchaus interessante Frage, welche Berechtigung ein sog. Kulturradio heute noch hat bzw. was denn überhaupt ein Kulturradio sei, wurde kaum berührt. Verständlich, da man sich dann ja hätte kritisch mit sich selber und seinem Programmangebot hätte auseinandersetzen müssen ... Dass sich Kulturradio nicht nur über klassische Musik in wohlbekömmlichen Dosen (Schnippsel!) definieren sollte, dass eine gesunde Mischung aus - gerne auch komplexen - Wortbeiträgen, einem gesunden Anteil nicht-klassischer Musik (Jazz, Avantgarde etc.) dazu gehört, dass man für die öffentlich-rechtlichen Gebühren auch das Recht und vielleicht die Pflicht hat, den Zuhörer zu fordern, ihn anzustrengen, mag meine persönliche Meinung sein. Aber eine echte Alternative sehe ich nicht und die Diskutanten konnten mir auch keine aufzeigen. - Sehen wir also den Tatsachen ins Auge: Die Zeiten, als Radio noch spannend war und man nicht suchen musste, um interessant und abwechslungsreich unterhalten zu werden, sind vorbei; und sie werden auch nicht wiederkommen! Spartentrennung, Separation und damit einhergehend Verflachung sind das Zauberwort, um den letzten Rest an Zuhörerschaft zu binden. Ich behaupte, es wird nicht gelingen!


    Was mich allerdings an solchen und ähnlichen Diskussionen zunehmend stört, dass es zu oft um die Frage geht, wie, d.h. mit welchen (steuerfinanzierten) Projekten es am besten gelingt, "die Kultur" zu den Menschen hintragen statt einmal zu überlegen, wie man umgekehrt die Menschen zur Kultur trägt. Wieso wird Kultur zunehmend als eine Bringschuld angesehen, die nur appetitlich verpackt und möglichst unanstrengend zu vermitteln ist? Wieso kann es nicht auch eine Holschuld sein, die auch eigene Initiative und intellektuelle Arbeit erfordert? Machen wir es uns da nicht etwas zu einfach?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Bei Ö1 ist ja schon so, dass über Tags überwiegend Informationsbeiträge gesendet werden und der spärliche Rest dann meist Häppchenklassik, teilweise Konzertmitschnitte darstellt. Nur in der Nacht sind dann durchgehend (bis auf kurze Nachrichtenblöcke) komplette klassische Werke zu hören.


    Ö1 sendet (unter der Woche, am Wochenende geändertes Schema):


    06:15 - 06:56 - Guten Morgen Österreich mit klassischer Musik
    07:33 - 07:52 - -"-
    08:15 - 08:55 - Pasticcio (bunt gemischtes mit überwiegend klassischer Musik)
    10:05 - 11:35 - Konzert am Vormittag (Wiedergabe eines Live-Mitschnitts)
    13:00 - 13:55 - Ö1 bis zwei (Musikplauderei, fast ausschließlich klassisch)
    15:05 - 16:00 (oder 16:55) - Apropos Musik (meist eine Sendung zu einem aktuellen Thema)
    19:30 - 21:00 - Musikprogramm, für jeden Tag unter der Woche spezifisch, Samstags langer Abend mit einer Opernübertragung, Sonntags ein Konzert
    01:03 - 06:00 - Die Ö1-Klassiknacht (Samstags Jazznacht)


    Dieses Sendeschema wird seit Jahrzehnten jeweils nur behutsam modifiziert. Auf jeden Fall wurde Klassik nie deutlich beschnitten und ich verstehe nicht, worüber du klagst...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Wieso wird Kultur zunehmend als eine Bringschuld angesehen, die nur appetitlich verpackt und möglichst unanstrengend zu vermitteln ist? Wieso kann es nicht auch eine Holschuld sein, die auch eigene Initiative und intellektuelle Arbeit erfordert? Machen wir es uns da nicht etwas zu einfach?


    Gut gebrüllt, aber da kannst Du dann lange auf Kunden warten.

  • "Klassische Musik" wird ja von vielen nicht als "Kultur" empfunden, sondern als "Hochkultur", was ja an sich für viele schon ein Unwort ist.
    Persönlich halte ich "Klassik" nicht für etwas, das man den Leuten in der Schule vermitteln sollte, weil sie sie dann meiden werden, wie ich einst den Turnunterricht. Es sollte eher vermittelt werden, welches VERGNÜGEN damit verbunden ist. Mit Musik des 20. Jahrhunderts als "Einstiegsdroge" wird das indes nur schwer gelingen......


    Man sollte auch darüber nachdenken, welchen Prozentsatz der asiatische Markt im Klassikbereich ausmacht, und warum man beispielsweise bei uns gestrichene Karl Böhm Aufnahmen, um teures Geld aus Japan beziehen kann......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da fiel ein wichtiges Stichwort: Japan. In vermutlich keinem Land der Welt dürfte klassische Musik einen derart hohen Stellenwert besitzen wie in Japan. Es ist in der Tat interessant (und für unsere Breiten beschämend), dass in Fernost alle möglichen seltenen Aufnahmen, die bei uns entweder seit Jahren vergriffen sind, noch nie auf CD bzw. DVD erschienen sind oder erstmals überhaupt veröffentlicht werden, erscheinen. Dass die in Japan mitgeschnittenen Böhm-Aufnahmen dort erscheinen, hat ja noch eine gewisse Logik. Aber wieso müssen etwa Live-Mitschnitte aus Wien oder Paris, die noch niemals veröffentlicht wurden, nicht nur zuerst, sondern ausschließlich in Japan auf den Markt kommen? Ich denke an "Eine Alpensinfonie" oder Tschaikowskijs 5. Symphonie unter Knappertsbusch, welche als nicht einmal existent galten. In ersterem Falle ist es sogar erwiesen, dass der ORF die Orginalbänder dem japanischen Label Altus zur Verfügung stellte.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Trügerisch, aber Crossover gab es ja 2002 ebenso wie 2011 und ich glaube nicht, dass der Crossover-Anteil massiv gestiegen, sondern ungefähr gleich geblieben ist. Früher halt mehr Bocelli oder Vanessa Mae (das ist schon bald 20 Jahre her), heute eben Garrett, morgen wieder was anderes. Meines Wissens sind diese ca. 7% jedenfalls seit Jahren oder gar Jahrzehnten einigermaßen stabil, wobei es am Anfang der CD-Boom-Zeit wohl mal einen höheren Klassikanteil gegeben hat, weil hier schneller auf CD umgestiegen wurde.

    Da hast du meinen Beitrag falsch verstanden. Ich meinte nicht daß der Crossover-Anteil gestiegen ist, sondern daß er generell den Marktanteil der Klassik verfälscht. Ich kann mir gut vorstellen daß man ohne Crossover die Prozentzahl deutlich nach unten revidieren müßte.



    Zitat von Theophilus

    Dieses Sendeschema wird seit Jahrzehnten jeweils nur behutsam modifiziert. Auf jeden Fall wurde Klassik nie deutlich beschnitten und ich verstehe nicht, worüber du klagst...

    Ebenso hier, ich meinte nicht daß Ö1 schlechter geworden ist sondern daß ich ihn nicht vorwiegend als Klassiksender sehe (ein überwiegender Klassiksender ist für mich zB Radio Stephansdom) Deine Auflistung bestätigt nur das Geschriebene von mir. Sendungen wie zB Guten Morgen Österreich, Pasticcio oder Ö1 bis Zwei bringen nunmal Häppchenklassik das gelegentliche Konzert sowie Ö1-Klassiknacht habe ich in meinem Beitrag nicht verschwiegen aber ich bleibe dabei, über Tags ist Ö1 überwiegend ein Informationssender ein wenig ergänzt mit Häppchenklassik und Konzert am Vormittag. Was sollte man da noch beschneiden? Das Bischen auch noch entfernen? Was bleibt da noch übrig? Nur die Ö1 Klassiknacht?
    :hello:

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • ich meinte nicht daß Ö1 schlechter geworden ist sondern daß ich ihn nicht vorwiegend als Klassiksender sehe

    Deine Formulierung wies aber eine negative Veränderung bei Ö1 aus, die ich eigentlich nicht nachvollziehen kann. Und nein, er ist eben ein ausgewiesener Kultursender und hat sich nie als Klassiksender bezeichnet. Aber als Kultursender hat er ein erstaunlich umfangreiches Klassikangebot - und zwar von der besseren Sorte (und nicht das angebliche "bißchen", wie du es bezeichnest).



    Guten Morgen Österreich, Pasticcio oder Ö1 bis Zwei bringen nunmal Häppchenklassik

    Jetzt versteh ich dich gar nicht mehr. Was soll denn Guten Morgen Österreich deiner Meinung nach zu deinen morgendlichen Verrichtungen in Vorbereitung auf den Tag senden? Vergleichende Interpretationsstudien über Beethovens große Fuge? Nein, da ist "Häppchenklassik" exakt das Gegebene und der klassische Kontrapunkt zu Berieselungs- und Informationssendungen à la Ö3-Wecker, wie sie der Rest der Rundfunkwelt überwiegend anbietet.


    Pasticcio und Ö1 bis Zwei bieten keine Häppchenklassik sondern sind locker gestaltete Sendungen mit Geschichten über und Information zu Musik - wenn man so will Sendungen, die Menschen zur Musik führen sollen. Alles andere sind recht ordentlich gestaltete Sendungen, die im Laufe einer Woche alle Sparten von Alter Musik bis zum Jazz abdecken. Der Anteil von klassischer Musik in Ö1 spiegelt deren Bedeutung im österreichischen Kulturleben wesentlich besser wider als das fast beschämend geringe Musik-Angebot des neuen Fernseh-Kultursenders ORF III.


    Wie du richtig angemerkt hast, ist Radio Stephansdom ein echter Klassiksender. Die spielen fast rund um die Uhr Klassik. Aber das ist eben eine völlig andere Ausrichtung, das hat Ö1 nie gemacht noch angestrebt noch behauptet. Daher geht dein Vorwurf eigentlich ins Leere...

    Ciao


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  • Deine Formulierung wies aber eine negative Veränderung bei Ö1 aus, die ich eigentlich nicht nachvollziehen kann. Und nein, er ist eben ein ausgewiesener Kultursender und hat sich nie als Klassiksender bezeichnet. Aber als Kultursender hat er ein erstaunlich umfangreiches Klassikangebot - und zwar von der besseren Sorte (und nicht das angebliche "bißchen", wie du es bezeichnest).

    Dann war meine Formulierung wohl missverständlich. Aber gut was die Menge der Klassik anbelangt haben wir wohl zwei unterschiedliche Vorstellungen von einem Klassiksender und wie es scheint können wir uns da wohl auch nicht einigen bzw. gegenseitig voneinander überzeugen.



    Zitat von Theophilus

    Pasticcio und Ö1 bis Zwei bieten keine Häppchenklassik sondern sind locker gestaltete Sendungen mit Geschichten über und Information zu Musik

    Für mich ist Häppchenklassik wenn Teile von größeren Werken entnommen werden und das ist dort eindeutig der Fall, dann hast du eben scheinbar eine andere Definition davon.



    Zitat von 'Theophilus

    Daher geht dein Vorwurf eigentlich ins Leere...

    Für dich persönlich - meine eigene persönliche Meinung darüber wirst du mir ja hoffentlich noch zugestehen. Belassen wirs damit diese Diskussion würde sich sowieso nur im Kreis drehen.

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)


  • Gut gebrüllt, aber da kannst Du dann lange auf Kunden warten.


    Ja und Nein! - In dieser Radio-Diskussion kam m.E. auch relativ deutlich heraus, dass viele Angebote und Versuche, klassische Musik an die Frau, den Mann oder das Kind zu bringen, ins leere laufen. Es wird vielleicht beim ersten oder zweiten Mal noch als ganz interessant empfunden, aber es reicht in den seltensten Fällen aus, eine intrinsische Motivation zu wecken (trotzdem "schleppe" auch ich unsere siebenjährige Tochter und demnächst auch den kleinen Bruder in die Oper). Vor diesem Hintergrund kann man fragen, ob der Aufwand all dieser Angebote, wie z.B. Jugendkonzerte, Open-Air-Events etc. lohnt bzw. für was er sich lohnt ... Wohlgemerkt: Es geht mir nicht darum, solche Dinge in Bausch und Bogen abzulehnen und ein klein wenig viel ich ja auch selber daran glauben; aber die Rolle des advocatus diaboli muss erlaubt sein ;)


    Ich selber hatte all solche Dinge nicht. Da war kein Mozart im Babybauch, keine Kinderkonzerte und kein "Blockflötenerlebnis". Meine Mutter hat Schlager gehört und mein Vater fern gesehen; der Haushalt zwar bürgerlich aber nicht unbedingt bildungsnah. Mein Interesse an klassischer Musik ist tatsächlich einer reinen Widerspruchshaltung entsprungen: Nicht gegen meine Eltern, sondern gegen die Mitschüler, die mit ihren ewigen Fragen, was man denn für Musik höre, einfach nur noch genervt haben. Irgendwann war die Antwort "Beethoven!" und erst dann begann ich, diese Musik überhaupt zu hören.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Aber gut was die Menge der Klassik anbelangt haben wir wohl zwei unterschiedliche Vorstellungen von einem Klassiksender und wie es scheint können wir uns da wohl auch nicht einigen bzw. gegenseitig voneinander überzeugen.

    Ich sehe da keine unterschiedlichen Vorstellungen. Das Problem liegt in deiner irrigen Annahme, Ö1 sei ein Klassiksender. Das ist er nicht, war er nie und gibt auch nicht vor, einer zu sein...



    Für mich ist Häppchenklassik wenn Teile von größeren Werken entnommen werden und das ist dort eindeutig der Fall, dann hast du eben scheinbar eine andere Definition davon.

    Guten Morgen Österreich ist Häppchenklassik - ein Musikstück nach dem anderen, die beiden anderen Sendungen sind moderiert. Da stehen Text und Musik in Beziehung zueinander und der Text ist (meist) nicht weniger wichtig als die Musik. Darauf trifft der Begriff "Häppchenklassik" nicht zu - das wäre genauso absurd, als würdest du Gottfried Cerwenkas heutige Gedenksendung zum 125. Geburtstag von Hans Knappertsbusch als Häppchenklassik bezeichnen. Hier geht es um Information über Musik und ihren Komponisten und Interpreten.

    Ciao


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  • "Klassische Musik" wird ja von vielen nicht als "Kultur" empfunden, sondern als "Hochkultur", was ja an sich für viele schon ein Unwort ist.

    Vollkommen richtig! - Als wenn es EE-Musik gäbe ... :no:



    Persönlich halte ich "Klassik" nicht für etwas, das man den Leuten in der Schule vermitteln sollte, weil sie sie dann meiden werden, wie ich einst den Turnunterricht. Es sollte eher vermittelt werden, welches VERGNÜGEN damit verbunden ist.

    Jetzt bin ich verwirrt! - Vermitteln oder nicht vermitteln, dass ist hier die Frage?



    Mit Musik des 20. Jahrhunderts als "Einstiegsdroge" wird das indes nur schwer gelingen......

    Hier würde ich widersprechen! - Ich glaube sogar, dass z.B. Mahler oder auch Schostakowitsch heutztage viel leichter zu vermitteln ist sind, als etwa Bach oder Mozart. Der Grund liegt "einfach" darin, dass z.B. deren Symphonien viel näher am heutigen Musikgeschmack, der ja auch durch bombastische Filmmusik geprägt ist, sind - dies ist im übrigen weder in die eine, noch in die andere Richtung abwertend gemeint. Wenngleich eine Mahler-Symphonie immer noch komplexer ist, als der Soundtrack zum Herrn der Ringe.



    Man sollte auch darüber nachdenken, welchen Prozentsatz der asiatische Markt im Klassikbereich ausmacht, und warum man beispielsweise bei uns gestrichene Karl Böhm Aufnahmen um teures Geld aus Japan beziehen kann......

    Ja, denken wir darüber nach! - Ich habe keine valide Erklärung dafür, dass klassische Musik in Asien so großen Anklang findet. Und dies ist ja nicht erst seit kurzer Zeit so: Interessanterweise wurden ja gerade die großen Alten, wie z.B. Wand, Böhm, Celibidache oder auch Carlos Kleiber auf ihren Konzertreisen fast wie Götter behandelt. Hat nicht sogar Kleiber gesagt, er würde am liebsten nur noch in Japan spielen; dort würde man seine Kunst zu schätzen wissen ... !? Eventuell geht es also nicht nur um die Musik alleine, sondern auch um die dahinter stehende Persönlichkeiten? Zumindest scheint mir hier nicht nur ein kulturelles, sondern auch ein psychologisches Phänomen vorzuliegen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich sehe da keine unterschiedlichen Vorstellungen. Das Problem liegt in deiner irrigen Annahme, Ö1 sei ein Klassiksender. Das ist er nicht, war er nie und gibt auch nicht vor, einer zu sein...

    Darin sind wir ja einer Meinung, nichts Anderes wollte ich sagen als daß ich Ö1 nicht als Klassik- sondern vorwiegend als Informationssender sehe.



    Zitat von Theophilus

    Guten Morgen Österreich ist Häppchenklassik - ein Musikstück nach dem anderen, die beiden anderen Sendungen sind moderiert. Da stehen Text und Musik in Beziehung zueinander und der Text ist (meist) nicht weniger wichtig als die Musik. Darauf trifft der Begriff "Häppchenklassik" nicht zu - das wäre genauso absurd, als würdest du Gottfried Cerwenkas heutige Gedenksendung zum 125. Geburtstag von Hans Knappertsbusch als Häppchenklassik bezeichnen. Hier geht es um Information über Musik und ihren Komponisten und Interpreten.

    Darüber kann man streiten oder besser nicht, denn es ist wohl Ansichtssache wobei dann keiner von seiner Meinung abweichen wird also besser nicht vertiefen. Ich würde die Letztgenannten als Informationssendungen, angereichert mit Häppchenklassik bezeichnen und wenn dir das nicht gefällt kann ich auch nichts machen. ;) Du arbeitest nicht zufällig bei Ö1 bzw. hast dort irgendwelche Verbindungen hin? :pfeif:

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

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  • Hat nicht sogar Kleiber gesagt, er würde am liebsten nur noch in Japan spielen; dort würde man seine Kunst zu schätzen wissen ... !? Eventuell geht es also nicht nur um die Musik alleine, sondern auch um die dahinter stehende Persönlichkeiten? Zumindest scheint mir hier nicht nur ein kulturelles, sondern auch ein psychologisches Phänomen vorzuliegen.

    Ich bleibe mal bei dem Gedanken, den ich ein paar Posts zuvor bereits äußerte. Das Phänomen des tiefen Respekts vieler Asiaten (wohl konkreter Ostasiaten; denn es stehen doch wohl v.a. Japaner, Koreaner und Chinesen in Rede und weniger Thailänder und Indonesier) vor der musikalischen Klassik Europas hat möglicherweise auch damit zu tun, dass in diesen Gesellschaften grundsätzlich die Kultur des Respekts eine große Rolle spielt. Respekt vor Traditionen und Werten und damit einhergehend eben auch der Respekt vor überlieferter Hochkultur; nicht nur der eigenen, sondern es finden auch hochkulturelle Leistungen anderer Weltgegenden (in diesem Falle eben Europas) große Beachtung.
    Bei uns wird ja seit den 1970er Jahren kräftig daran gearbeitet, alles vom Sockel zu stürzen, was nur irgendwie Aussicht auf ein bisschen Fallhöhe bietet. Dahinter steckt sehr stark das in den 'sozialdemokratisierten' Gesellschaften (West-)Europas zunehmend verbreitete Gefühl, dass es keine Zurücksetzungen innerhalb der Gesellschaft mehr geben soll. In der Bildungspolitik macht sich dieses Gefühl sehr stark bemerkbar an Fragen wie der Inklusion oder auch der immer wieder auflebenden Diskussionen um eine Schule für alle Schüler anstelle des gegliederten Schulsystems. Auf anderen Politikfeldern zeigt sich dies in Antidiskriminierungsregelungen aller Art. Der Gedanke der Gleichheit aller ist bei alldem entscheidend.


    Das bleibt bei uns nicht ohne Wirkung auf die Kultur. Die Hochkultur verschärft in dieser Denktradition gesellschaftliche Separation und schafft Distinktionsmöglichkeiten, da schlicht und einfach nur ein kleinerer Teil der Bevölkerung geistig und emotional für hochkulturelle Leistungen (Musik, Literatur, Theater, Malerei etc.) zu gewinnen ist. Etwas zu bewundern, was aber nur einer als elitär wahrgenommenen Minderheit Freude bereitet, verbietet sich dem 'durch-sozialdemokratisierten' Menschen von selbst. Gut und erstrebenswert ist nur das, wobei sich möglichst viele wiederfinden können, der kleinste gemeinsame Nenner also - und der liegt nicht bei Beethoven und Mahler.


    Außerdem ist in dieser linken Wahrnehmungstradition die klassische Musik und die Oper 'Herrschaftsmusik'. In dieser Wahrnehmung ist klassische Musik ein stückweit diskreditiert, weil sie als gesellschaftliches Kampfinstrument derjenigen gesehen wird, die den größeren Teil der Gesellschaft unterdrückt und ausgebeutet hat.
    Es gab aus der linken Studentenbewegung der späten 60er und der 70er Jahre sehr deutliche Stimmen, die aus genau den oben angerissenen Überzeugungen heraus die Zerschlagung der sog. Hochkultur forderten. Und die, die damals als junge Studenten dieses Denken verinnerlichten, gelangten später in Positionen, in denen sie Lehrpläne schrieben, in denen sie mediale Diskussionen initiieren konnten. (Im Übrigen sei hier nur an die zur gleichen Zeit im maositischen China durchgeführte Kulturrevolution erinnert, in der sowohl die eigene uralte Kultur als auch die westliche Klassik vehement bekämpft wurden - als Symbole der alten Klassengesellschaft, die überwunden werden müsse - Mao und seine Kulturrevolution fanden im Übrigen im Westen in den studentischen Kreisen eine Zeit lang viele Anhänger; gerne führte man auch hier seine Maobibel spazieren.)


    Ich glaube, dass die Schwierigkeiten, mit denen die Klassik zu kämpfen hat (und in Zukunft verstärkt zu kämpfen haben wird), zum Teil mit genau diesen Aspekten zu tun hat. Andere Aspekte spielen natürlich auch eine Rolle: die kapitalistische Ökonomie zum Beispiel, die nur noch das zulässt, was besonders viel Gewinn verspricht - und das ist eben die Klassik nicht.


    Klingt wie ein Widerspruch (linkes Denken und Kapitalismus); aber beides entspringt ja auch nicht derselben Denkrichtung. Unsere Klassik wird aber heute aus diesen beiden Richtungen in die Zange genommen - und das kann fatale Folgen haben. Einen dieser Gegner könnte man vielleicht abwehren, aber wenn beide zeitgleich an zwei Seiten ihr schädliches Nagewerk zu verrichten beginnen ... :no:


    Grüße,
    Garaguly

  • Ein kluger und guter Beitrag, den ich gerne unterschreiben würde, wenn, ja wenn, ich bei dem Begriff "die Linke" nicht doch eine EInschränkung machen würde. Und die lautet "West-Linke". Mal abgesehen davon, dass dieser Begriff nicht ganz einfach zu fassen ist, so hat man in den sozialistischen Staaten alles dafür getan, dass diese Herrschafts-Kultur eben jedem zugänglich wuirde. Ich bleibe in der DDR und stelle zunächst eine kulturelle Förderung der sorbischen Minderheit fest, deren Musik wie selbstversztändlich auf ETERNA-PLatten dokumentiet wurde und von Komponisten wie Jan Raap in die Moderne fortgeschrieben wurde. Bei den sogen. Brigadekämpfen in den Betrieben gehörte es stets dazu (um insgesamt besser zu sein als die Konkurrenzbrigade), Kulturkenntnisse zu erwerben und zu dokumentieren. Gute Ausgaben der Klassiker waren mehr als günstig zu kaufen und standen in vielen Werksbibliotheken. Arbeiter wurden angehalten, sich künstlerisch zu betätigen (Bruno Apitz und sein Buch "Nackt unter Wölfen" kamen aus diesem Umfeld). Schallplatten mit klassischer Musik waren deutlich preiswerter als solche mit Schlager und Pop, zeitgenössische Musik auf LP wurde noch zusätzlich subventioniert. Selbst auf dem Gebiet der leichten Muse wurde nicht alles aufs Publikum losgelassen. Die Pop- und Rockmusiker musste alle eine sogen. Einstufung machen aus de sich dann die Höhe der Gagenforderung und natürlich die Auftrittstauglichkeit ableitete. Dis Ost-Linke hat Kultur und den Respekt davor recht hoch gehalten. Das, was sich West-Linke nannte, wollte zumeist sein Mütchen an der Elterngeneration kühlen, litt unter einer Gesellschaft, die sich auch nach dem Krieg ín nichts geändert hatte und eine Großmeisterin im Verdrängen war. Das diffuse Bekenntnis, "links" zu sein ließ sich wohl am ehesten so übersetzen: "Papa ich bin das Gegenteil von dir".


    Immerhin waren doch Teile der Nachkriegsgeneration mit Volksschulabschlüssen ausgesprochen bildungshungrig, bildeten sich jenseits der Schulen fort und war interessiert am Tagesgeschehen. Davon ist unsere Gesellschaft heute allerdings meiner Wahrnehmung nach weit entfernt.


    Diese Einschränkung ändert indes nichts an meiner Zustimmung zu Deinem Beitrag.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Der Beitrag Garagulys und der ergänzende Beitrag von Thomas sprechen mir aus dem Herzen. Auch ich habe den Eindruck gehabt, dass die Ost-Linke eher Bildung auf höherem Niveau angestrebt hat, während man im Westen Ende der 60er Jahr damit begann, die Bildung immer weiter nach unten zu nivellieren. Frage heute einmal die Allgemeinbildung vieler Abiturienten ab, die noch nicht einmal die Rechtschreibung richtig beherrschen, geschweige denn, sich in den wichtigsten Bereichen der Literatur, Geschichte, Geografie usw. auskennen. Und die klassische Musik wurde erst recht stark vernachlässigt. Aber wie kann ich erwarten, dass jemand zur klassischen Musik findet, die allgemein eher verpönt ist, wenn er überhaupt nicht sachte an diese herangeführt wird und so vielleicht manches Vorurteil revidieren kann. Es gibt zwar heute wieder vereinzelt Bestrebungen, Konzerte für junge Leute zu veranstalten, in denen diesen bestimmte Musikstücke nahe gebracht werden, aber die sind dürftig gesät und werden möglicherweise auch nicht immer auf das nötige Interesse stoßen, wenn die jungen Leute nicht gezielt dorthin geführt werden. Außerdem werden die Mittel für solche Veranstaltungen ja auch immer mehr gekürzt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Thomas Pape:
    Die Einschränkung bezüglich der sogenannten "West-Linken" teile ich selbstverständlich. Von ähnlich kulturzerstörerischen Tendenzen kann in den kommunistischen Diktaturen des Ostblocks nicht im Ansatz die Rede sein.
    Das große Vorbild, dem sich die Diktaturen des Ostens nach ihrer Etablierung in Folge des Zweiten Weltkriegs in Kulturfragen anschlossen, war die Sowjetunion. Nach der Oktoberrevolution und der Etablierung der Sowjetmacht im Verlauf des Bürgerkrieges tat sich dort etwas Bemerkenswertes in Sachen Kulturpolitik. So initiierten die roten Machthaber ganz gezielt die Entstehung einer neuen, sozialistischen Kunst (sozialistischer Realismus). Aber die alte Kultur, die bereits die nun verhassten und schließlich buchstäblich ausgerotteten Oberschichten des Zarenreiches erfreut hatte, ging nicht mit diesen Klassen unter. Die Bolschewisten nahmen sich dieser Kultur an. Aus zwei Erwägungen heraus: Man schmückte sich gerne mit ihr. Die alte Kultur verlieh auch dem bolschewistischen Funktionär ein wenig von dem Glanz, der den alten Eliten anhaftete und den man heimlich durchaus bewunderte. Der andere Aspekt ist aber die ehrliche Überzeugung, dass die alte Hochkultur der Bildung des Volkes dienen solle. So kam es etwa zu Konzerten oder Dichterlesungen in Fabriken vor der Arbeiterschaft. Da schwingt sehr viel volkserzieherisches Gedankengut mit, das seine Wurzeln in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und auch im Idealismus der Klassik hat (Schiller!!).


    Grüße,
    Garaguly

  • So sehr die Beiträge von Garaguly und Thomas auch mir auf den ersten Blick überzeugend erscheinen, so sehr muss man doch auf den zweiten Blick differenzieren: Grob gesagt vergleichen wir hier eine politisch gewollte "Hochkultur-Förderung" in der ehemaligen DDR mit einer politisch nicht gewollten, außerparlamentarischen "Zerstörung" derselben in der damaligen BRD. Was aber beide Beiträge auf sehr überzeugende Weise zeigen, dass Kultur einen ausnehmend politischen Aspekt hat - eine Faktum, welches auch hier im Forum immer wieder gerne verneint wird (ganz besonders, wenn es um das sog. "Regietheater" geht" :angel: - und auch immer wieder politisch instrumentalisiert wird.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Aber wie kann ich erwarten, dass jemand zur klassischen Musik findet, die allgemein eher verpönt ist, wenn er überhaupt nicht sachte an diese herangeführt wird und so vielleicht manches Vorurteil revidieren kann. Es gibt zwar heute wieder vereinzelt Bestrebungen, Konzerte für junge Leute zu veranstalten, in denen diesen bestimmte Musikstücke nahe gebracht werden, aber die sind dürftig gesät und werden möglicherweise auch nicht immer auf das nötige Interesse stoßen, wenn die jungen Leute nicht gezielt dorthin geführt werden.


    Es bleibt die Frage, ob ein derartiges Heranführen - es muss m.E. garnicht "sachte" sein; Kinder und junge Leute halten da wesentlich mehr aus, als wir Eltern ihnen zutrauen - irgendwelche meßbaren Ergebnisse zeitigt (siehe hier). Eventuell wird auch genau das Gegenteil erreicht - um Thomas zu zitieren - nach dem Motto "Papa ich bin das Gegenteil von dir".

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich möchte hier zu bedenken geben, dass die angesprochenen Entwicklungen wohl viel eher auf die Lebensrealität der Menschen denn auf ideologische Etikettierungen zurückzuführen sind. Träger der Klassikkultur war doch seit dem Biedermeier nicht mehr die Oberschicht (also Adel, Bankiers, Industrielle, etc..) sondern die bürgerliche Mittelschicht bestehend aus Lehrern, Ärzten, Beamten, usw. Bis vor 40 oder 50 Jahren reichte in dieser Bevölkerungsschicht das Einkommen des Vaters vollkommen aus, um den Erhalt der Familie zu sichern. Dies ist aber heute eher die Ausnahme, sodass beide Elternteile arbeiten müssen, was die Zeit, die für die Erziehung bzw. für die Beschäftigung mit den Kindern übrig bleibt, stark einschränkt - von alleinerziehenden Elternteilen ganz zu schweigen (keineswegs selten!)! Die Verankerung der klassischen Musik in der Bevölkerung braucht aber Zeit und Muße, vor allem wenn man auch selbst musizieren will. Menschen wie wir, also solche, die Musik hauptsächlich passiv genießen, und das sehr intensiv, sind grundsätzlich eine kleine Minderheit. Das wird früher auch nicht anders gewesen sein. Aber früher praktizierten viel mehr Leute klassische Musik als Amateurmusiker. Die sinkende Bedeutung der klassischen Musik in unserer Gesellschaft ist also nur eine Facette des zunehmend kompromittierten Familienlebens in unserer Zeit. Das ist sicherlich keiner politischen Strömung per se zuzuordnen, sondern einer viel fundamentaleren Dynamik in der westlichen Gesellschaft.

  • Es bleibt die Frage, ob ein derartiges Heranführen - es muss m.E. garnicht "sachte" sein; Kinder und junge Leute halten da wesentlich mehr aus, als wir Eltern ihnen zutrauen - irgendwelche meßbaren Ergebnisse zeitigt (siehe hier). Eventuell wird auch genau das Gegenteil erreicht - um Thomas zu zitieren - nach dem Motto "Papa ich bin das Gegenteil von dir".


    Das ist auch so eine Sache. Diese vielen gutgemeinten Veranstaltungen, durch die Kinder und Jugendliche an Klassik herangeführt werden sollen. Das bekommt oft den Touch des Peinlichen und des sehr Bemühten (habe solche Veranstaltungen schon erlebt - bin Lehrer von Beruf, da bleibt so etwas nicht aus). Die Jugendlichen spüren sofort und instinktiv, dass ihnen da oft etwas mit den Mitteln der Jugendkultur verkauft werden soll, was mit dieser Jugendkultur aber nicht vereinbar ist (ich denke an das "Music Discovery Project" des Hessischen Rundfunks mit dem hr-sinfonieorchester und bekannten DJ's ... Mann, ist das eine peinliche Anbiederungsshow). Immer, wenn das Orchester spielte, standen viele Jugendliche auf und holten sich etwas zu trinken. Tja, dumm gelaufen, was?
    Das Problem ist, das man der klassischen Musik nicht zutraut für sich alleine zu sprechen. Und warum nicht? Der Glaube an die Kraft dieser Musik und an ihre Qualität ist weitgehend abtrainiert worden (siehe mein Posting oben, da geht es eben doch um Politik!!), und so stümpern erwachsene Akademiker herum und entwerfen Konzepte zur klassischen Musikförderung bei Jugendlichen, die doch häufig schlicht verpuffen.


    Was den Kindern und Jugendlichen fehlt, sind die Vorbilder, mit denen sie aufwachsen, die ihnen vorleben, dass diese klassische Musik gehört werden kann. Kinder, für die es schlicht selbstverständlich ist, dass zu Hause Beethoven oder Schostakowitsch durch die Wohnung dröhnen, für die Klassik zur normalen Familienlebensrealität gehört. Das bedeutet zwar nicht, dass sie dadurch automatisch auch zu Klassikliebhabern werden, aber die Chance ist doch relativ hoch.
    Man kann Kindern und Jugendlichen ernsthafte Dinge vorsetzen. Wenn sie spüren, dass es von Erwachsenen kommt, denen diese Sache selbst sehr viel bedeutet, dann öffnen sie sich auch dafür. Denn sie sehen, dass es echt ist und dass es ehrlich gemeint ist.
    Ein erwachenes Familienmitglied, von dem die Kinder merken, dass er oder sie wirkliche Leidenschaft für diese Musik empfindet, wirkt tausendmal überzeugender als alle von fremden Institutionen durchgeführten Projekte. Was sollen denn Kinder davon halten, wenn ihnen erzählt wird, wie wichtig das alles ist und sie gleichzeitig keinen Erwachsenen finden, der diese Worte Realität werden lässt?


    Daran krankt es. Einstmals war die klassische Musik in vielen bürgerlichen Mittelstandsfamilien durchaus zu Hause (in unterschiedlichen Intensitätsgraden natürlich) - das wirkte. Doch heute sitzen die in die Jahre gekommenen Oberstudienräte (einstmals die Träger des Hochkulturgedankens schlechthin) auch nur noch da und hören die Popmusik ihrer eigenen Schul- und Studentenzeit.


    Es müsste vielmehr Musikförderung für Erwachsene, besonders für Eltern, geben. Das wäre auf die Dauer bestimmt wirkungsvoller.


    Grüße,
    Garaguly

  • So sehr die Beiträge von Garaguly und Thomas auch mir auf den ersten Blick überzeugend erscheinen, so sehr muss man doch auf den zweiten Blick differenzieren: Grob gesagt vergleichen wir hier eine politisch gewollte "Hochkultur-Förderung" in der ehemaligen DDR mit einer politisch nicht gewollten, außerparlamentarischen "Zerstörung" derselben in der damaligen BRD. Was aber beide Beiträge auf sehr überzeugende Weise zeigen, dass Kultur einen ausnehmend politischen Aspekt hat - eine Faktum, welches auch hier im Forum immer wieder gerne verneint wird (ganz besonders, wenn es um das sog. "Regietheater" geht" :angel: - und auch immer wieder politisch instrumentalisiert wird.


    Das zeigt doch letztlich nur, dass die Linke im Westen bezüglich ihrer Vorstellungen, was mit der Hochkultur zu geschehen habe, welche Rolle sie in der Gesellschaft zu spielen habe, erhebliche Auffassungsunterschiede von den Ansichten ihrer östlichen Genossen trennte, die an den Schalthebeln der Macht in ihrer Sphäre saßen. Es sind Entwicklungslinien zweier linker Denktraditionen zur Kultur. Nicht mehr und nicht weniger.


    Die neue Linke des Westens, wie sie in den 60ern entstand, hatte ja mit dem alten Funktionärskommunismus der kommunistischen Parteien, die es ja auch im Westen gegeben hat und hatte, nicht mehr viel zu tun. Da war etwas neues Linkes entstanden. Dieses Neue war jung. Und diese junge, akademische Linke band in ihre Aktionsformen des Protestes etwas ein, das ebenfalls sehr neu war: die Jugendkultur des Rock'n Roll und der in den 60ern entstehenden Popmusik. Eine eigenständige Jugendkultur mit eigener Musik und anderen ureigenen jungen Ausdrucksformen war ebenfalls völlig neu und wurde für die linke Studentenbewegung auch identitätsstiftend.
    Und was einen in jungen Jahren so starkprägt, das lässt einen auch später nicht mehr los. Die Klassik gehörte da eben auch nicht mehr zum Prägenden in dieser Bewegung. Die ausführlich geschilderten ideologischen Gründe taten ihr Übriges. Das greift alles ineinander. Die EINE Erklärung kann es in diesem Zusammenhang sicher nicht geben.


    Der Kommunismus im Ostblock dagegen war bereits zu dieser Zeit ein Alt-Herren-Kommunismus. Dort herrschten demzufolge auch völlig andere Vorstellungen zur Kultur. Berühmt geworden und ziemlich bezeichnend sind in diesem Zusammenhang ja die Auslassungen Walter Ulbrichts zur Beat-Musik. Das hätte so auch von einem konservativen Unternehmer und CDU-Mitglied im Westen gesagt werden können.


    Grüße,
    Garaguly


  • Lieber Thomas,


    alles was Du schreibst ist sachlich richtig. Und doch hat es sich für mich ( in den 70er/80ern aufgewachsen) außerhalb der kulturellen Hochburgen völlig anders angefühlt!


    Die Klassiker wurden gut und günstig verlegt, oft als Buchauszeichnung verschenkt und verstaubten ungelesen im Regal der Geehrten.


    Klassische Musikaufnahmen hatten eine gute und solide Basis bei Eterna und waren durch den subventionierten Preis auch wirklich für die Masse zugänglich. Aber außerhalb der bildungsbürgerlichen Subkultur (nach der ich mich immer gesehnt habe, zu er ich aber nie gehörte) kaufte man doch weder Klassikplatte noch klassische Literatur - das war Schulstoff, den es abzuhaken galt!


    Und in den Schulen wurde das oft auch so vermittelt: ,,Davon sollte ein sozialistischer Mensch MAL GEHÖRT haben...!". Quasi als abrundende Erfahrung einer modernen Persönlichkeit. Ich habe die Klassik in der Breite der DDR-Gesellschaft marginalisiert erlebt. Von der nahrhaften, sinnstiftenden, lebensspendenden und teilweise - rettenden Kraft dieser Kunstform wurde nie gesprochen.


    Und wenn die zentralen Werke von J.S. Bach im Musikunterricht (unterhalb der zum Abitur führenden EOS - dort durfte ich nicht lernen) das 2. Brandenburgische Konzert und die Kaffeekantate waren, zeigt das für mich beispielhaft, dass die nachwachsende Generation den tatsächlichen Schatz der klassischen Musik, wenn er in ideologisch "zwielichtiger"- sprich christlicher Tradition - wurzelte, gar nicht finden sollte.


    Manches, was in der Rückschau wirklich kulturfördernd wirkte, war wohl - ernüchternde Erkenntnis - ein Nebenprodukt eines ideologischen Mäntelchens...



    Gruß


    Oolong

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

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